Protokoll der Sitzung vom 23.03.2006

Dass es nun heute zu keinem von allen Fraktionen getragenen gemeinsamen Beschluss kommt, hat die SPD - ich lasse die Grünen außen vor - ganz allein verschuldet.

Erstens. Sie konnten unserem sehr guten Antrag inhaltlich nicht zustimmen, und Sie wollten eigentlich noch viel länger diskutieren. Die großen Handler sind Sie nun wahrlich nicht. 13 Jahre Stillstand auf diesem Sektor haben das eindrucksvoll belegt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zweitens. Über inhaltliche Fragen hinaus bedarf ein Kompromiss auch einer bestimmten Umgangsform. Mehr als einmal haben Sie uns vorgeworfen, wir würden nur reden, wie Frau Krämer es vorhin getan hat. Jetzt wollen wir handeln, und es passt Ihnen wieder nicht. Trotzdem haben wir gestern versucht, einen gemeinsamen Antrag zu ermöglichen, und Ihnen nach einer Arbeitskreissitzung heute Morgen eine Antwort zugesagt. Für die Unterstützung an der Stelle, Frau Janssen-Kucz, möchte ich mich ausdrücklich bedanken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die SPD aber hat nicht abgewartet, sondern sie hat ihren Änderungsantrag heute Morgen während der Behandlung der Dringlichen Anfragen verteilt. Sie beschwören das Klima im Ausschuss, fordern ein soziales Miteinander. Sobald aber ein Mikrofon oder eine Kamera sichtbar wird, gelten diese Maßstäbe nicht mehr.

(Beifall bei der CDU)

Ihr gestern und heute gezeigtes Arbeits- und Sozialverhalten ist mehr als ungenügend. Deshalb sehen wir für einen gemeinsamen Antrag schwarz. Für Palliativmedizin und Hospizarbeit dagegen stehen die Weichen auf „volle Fahrt voraus“. Weitere Akzente werden folgen; denn - das betone ich am Ende meiner Rede ganz ausdrücklich - uns, meine sehr verehrten Damen und Herren, geht es um die Menschen und nicht um parteipolitisches Imponiergehabe. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn Frau Ministerin Ross-Luttmann ihn vorlässt - danke schön -, hat jetzt das Wort zu einer Kurzintervention Herr Kollege Schwarz von der SPDFraktion - eineinhalb Minuten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Mundlos, Ihre Darstellung eben war falsch. Richtig ist, dass die SPD-Fraktion zu zwei Themen Änderungsanträge eingebracht hat. Wir haben diese Änderungsanträge der Verwaltung bereits vorgestern und nicht erst heute Morgen zugeleitet. Frau Janssen-Kucz hat Ihnen gestern unseren Änderungsantrag gezeigt. Daraufhin haben wir uns auf einen einvernehmlichen Text geeinigt. Ich habe Sie darum gebeten, mir heute Morgen Bescheid zu sagen. Das Ergebnis, wie Sie sich verhalten werden, haben Sie gerade eben hier am Redepult mitgeteilt. Davon habe ich von Ihnen keine Rückmeldung bekommen.

(Heidemarie Mundlos [CDU]: Sie ha- ben ihn verteilt und meine Antwort gar nicht abgewartet!)

- Der Antrag war doch schon lange da. Sie wissen doch, wie das technisch läuft. Das sage ich, damit das völlig klar ist.

(Beifall bei der SPD)

Bis vorhin habe ich zu Herrn Möhrmann gesagt: Ich weiß nicht, ob wir einen gemeinsamen Antrag erarbeiten können. Wir haben uns gestern geeinigt. Ich habe von Ihnen aber noch keine Aussage bekommen.

Zweite Anmerkung: Sie haben hier keine 13 Jahre darauf warten müssen, bis etwas passiert. Hier ist

zu Recht darauf hingewiesen worden, dass die alte Landesregierung dieses Thema bereits auf den Weg gebracht hat. Ich bedaure es außerordentlich, dass bei diesem Thema, über das wir in der Sache bisher immer einmütig und einvernehmlich gesprochen haben, eine solche Verknitterung dargestellt wird, wie Sie es eben getan haben. Es war in Ihrer Abwesenheit - das betone ich - zu unserem Entsetzen nicht möglich, sich im Ausschuss zu einigen. Das ist ein einmaliger und an dieser Stelle ein höchst peinlicher und bedauerlicher Vorgang, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Frau Ministerin Ross-Luttmann, jetzt haben Sie das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung verfolgt das Ziel, in Niedersachsen ein flächendeckendes und umfassendes palliativmedizinisches und hospizliches Angebot zu verwirklichen. Dazu sind wir bereits im Sommer letzten Jahres in den Dialog mit den maßgeblichen Leistungserbringern und Kostenträgern eingetreten. Dies sind vor allem die gesetzlichen Krankenkassen.

Im Rahmen einer Fachtagung haben wir die Ergebnisse des Gutachtens zur Palliativversorgung in Niedersachsen mit den an der Palliativversorgung in Niedersachsen maßgeblich beteiligten Verbänden und Institutionen erörtert. Ergebnis der Fachtagung war, dass die flächendeckende Einrichtung von Palliativstützpunkten auf Kreis- bzw. Regionsebene erforderlich ist. Diese Stützpunkte sollen die bereits bestehenden Angebote an palliativmedizinischer und hospizlicher Versorgung künftig noch besser vernetzen und koordinieren. In Niedersachsen sind bisher 104 ambulante Hopizdienste, 14 stationäre Hospize sowie 19 ambulante und stationäre Palliativeinrichtungen entstanden. Diese sollen künftig durch die Palliativstützpunkte noch enger miteinander verzahnt werden.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat ein Rahmenkonzept zur Weiterentwicklung der Palliativversorgung in Niedersachsen erarbeitet, in dessen Mittelpunkt die flächendeckende Einrichtung von Stützpunkten steht. Dieses Rahmenkon

zept wurde auf Landesebene mit einem Expertengremium aus der Palliativmedizin und der Hospizarbeit abgestimmt.

Unter dem Dach eines Palliativstützpunktes sollen verschiedene Institutionen miteinander kooperieren. Da haben wir zum einen palliativmedizinisch qualifizierte Fachärztinnen und Fachärzte, wir haben ambulante Palliativdienste oder Pflegedienste mit qualifiziertem Fachpersonal, zum anderen aber auch ambulante und stationäre Hospize sowie Krankenhäuser mit einer geeigneten palliativmedizinischen Infrastruktur. Ein solcher Stützpunkt soll außerdem eine 24-Stunden-Hotline anbieten, die Angehörigen, Hausärzten sowie Alten- und Pflegeheimen Beratung und Hilfestellung bietet.

Meine Damen und Herren, ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass das Rahmenkonzept gestern Nachmittag auch vom Expertengremium bestätigt und einhellig als großer Schritt in die richtige Richtung begrüßt wurde.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden den Aufbau von zehn Palliativstützpunkten noch in diesem Jahr finanziell fördern. Hierfür stehen 250 000 Euro im Landeshaushalt zur Verfügung. Die Landesförderung soll mit der Auflage verbunden werden, dass die geförderten Palliativstützpunkte jeweils den Aufbau eines weiteren neuen Stützpunktes vorbereiten und unterstützen sollen. Auf diese Weise werden wir weitere Palliativstützpunkte bekommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein weiteres wichtiges Thema ist, dass die angehenden Ärztinnen und Ärzte frühzeitig an die große Aufgabe Palliativmedizin herangeführt werden, und zwar möglichst von Beginn des Studiums an. Die Novelle zur Ärztlichen Approbationsordnung im Jahr 2002 hat bereits einen ersten Schritt in die richtige Richtung getan; denn dadurch wurde die Integration der Palliativmedizin in das Studium der Humanmedizin möglich. Die Palliativmedizin wurde aber leider nicht als Pflichtlehrfach und damit auch nicht als Pflichtprüfungsfach eingeführt. Das Nähere ist gegenwärtig den Hochschulen überlassen. Diese sind nicht untätig geblieben. Beispielsweise bietet die Medizinische Hochschule Hannover in ihrem Regelstudiengang seit dem Sommersemester 2005 zwei Wahlfächer zum Thema Palliativmedizin an. In Göttingen wird gerade eine Stiftungsprofessur zur Palliativmedizin eingerichtet.

(Beifall bei der CDU)

Es ist aber gut und wichtig, hier noch einen Schritt weiter zu gehen, und zwar den entscheidenden Schritt. Palliativmedizin muss als Pflichtfach in das Studium der Medizin eingeführt werden. In der Konsequenz wird die Palliativmedizin auch Pflichtprüfungsfach. Nur so kommen wir gegenwärtig weiter.

(Beifall bei der CDU)

Niedersachsen hat daher am 1. März 2006 eine Initiative in den Bundesrat eingebracht mit dem Ziel, die Approbationsordnung für Ärzte so schnell wie möglich zu ändern.

Meine Damen und Herren, Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt ist vor kurzem mit der Absicht an die Öffentlichkeit getreten, die gesetzlich notwendigen Grundlagen für eine Verbesserung der ambulanten Palliativversorgung auf Bundesebene zu schaffen. Kernstück dieses Vorhabens soll die bundesweite Bildung von multiprofessionellen Palliativ-Care-Teams sein, zu deren Finanzierung die Krankenkassen künftig entsprechende Verträge abschließen sollen. Diese Absicht findet die ausdrückliche Zustimmung der Niedersächsischen Landesregierung; denn die Einrichtung von Palliativ-Care-Teams wurde nicht zuletzt durch das Projekt SUPPORT in Göttingen initiiert, an dessen finanzieller Förderung das Land Niedersachsen in erheblichem Maße beteiligt war und auch 2006 noch ist. Dass eine Regelfinanzierung von Palliativ-Care-Teams künftig Eingang in bundesgesetzliche Regelungen finden soll, kann nicht positiv genug bewertet werden. Ich bin davon überzeugt, dass sich solche Palliativ-Care-Teams hervorragend in die niedersächsischen Palliativstützpunkte integrieren lassen werden.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch eines sagen. Ich hoffe, dass wir bei diesem wichtigen Thema auch in Zukunft Konsens erzielen werden. Aber Zusammenarbeit ist keine Einbahnstraße. Zusammenarbeit muss von beiden Seiten erfolgen.

(Beifall bei der CDU)

Zusammenarbeit setzt auch ein menschliches sachliches Miteinander voraus. Ich bin meiner Fraktionskollegin Heidi Mundlos sehr dankbar dafür, dass sie in vielen Verhandlungen unendlich darum bemüht war, immer wieder konsensuale Entscheidungen herbeizuführen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Danke schön. - Nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung bekommt jetzt Herr Kollege Schwarz eine zusätzliche Redezeit von zwei Minuten. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, ich betone ausdrücklich, dass wir es begrüßen, dass Sie im Gegensatz zu dem, was wir von Ihrer Vorgängerin kannten, die Arbeit am Runden Tisch vorangebracht haben. Ich halte es auch für gut, dass Sie den Vorschlag der Palliativarbeitsgemeinschaft aufgegriffen haben, dass man mit den bestehenden Einrichtungen arbeiten und jeder einen huckepack nehmen soll. An dieser Stelle haben wir völligen Konsens. Trotzdem ist der Antrag, der verabschiedet werden soll, an zwei Stellen falsch.

Erstens. Es soll hier beschlossen werden, dass geprüft werden soll, einen Modellstudiengang durchzuführen. Dies braucht man nicht zu prüfen, weil ein solcher Studiengang bereits läuft. Der Antragstext ist an dieser Stelle noch zusätzlich falsch, weil vorgeschlagen wird, dies in der Vorklinik zu machen. Alle Palliativfachleute halten dies für völlig daneben, weil es sich im vorklinischen Teil des Studiums noch um medizinische Frischlinge handelt. Man muss es deshalb zu einem späteren Zeitpunkt machen, also nicht in der Vorklinik. Dies werden Ihnen die Fachleute am Runden Tisch gesagt haben. Insofern hätten wir es begrüßt, wenn dies bei unserem Änderungsantrag entsprechend aufgegriffen worden wäre.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Alle Fachleute sind sich darin einig, dass es ohne Bundesratsinitiative bzw. ohne Änderung des Bundesgesetzes gar nicht gehen kann, weil wir die Verankerung im SGB V brauchen. Über diesen Ansatzpunkt haben wir gestern Abend verhandelt.

Wären diese beiden Instrumente aufgenommen worden, hätte dieser Antrag einmütig verabschiedet werden können. Das hat nicht funktioniert. In diesem Zusammenhang sage ich Ihnen eines ganz deutlich: Sie können nicht verlangen, dass Debatten und Einigungen über Inhalte davon abhängig sind, dass die Opposition in Wohlgefallen aufgeht. Dies wird nicht passieren, wenn eine solche Sozi

alpolitik gemacht wird, wie Sie sie an anderer Stelle machen.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung.

Zunächst stimmen wir über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD ab. Falls dieser abgelehnt werden sollte, werden wir über die Beschlussempfehlung des Ausschusses abstimmen.

Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Ich sehe keine. Damit ist dem Änderungsantrag nicht zugestimmt worden.

Wer der Nr. 1 der Beschlussempfehlung des Ausschusses seine Zustimmung geben und damit den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP in der Drucksache 2320 annehmen möchte, den bitte ich nunmehr um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei zahlreichen Stimmenthaltungen und einigen Gegenstimmen ist der Beschlussempfehlung gefolgt.