Tagesordnungspunkt 30: Zweite Beratung: Keine elektronischen Fußfesseln! Auch nicht für potenzielle islamistische Gewalttäter! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/2534 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport Drs. 15/2869
Ich eröffne die Beratung. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Herr Professor Dr. Lennartz zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich knüpfe an den letzten Satz von Herrn Ehlen zum vorherigen Tagesordnungspunkt an. Er hat dort gesagt: Wer niedersächsische Produkte isst, ist auf einem guten Weg. - Das gilt für niedersächsische Produkte im Bereich der inneren Sicherheit aber nicht.
Das ist nämlich der Gegenstand des Antrages, den wir im Januar ins Plenum eingebracht haben und der heute zur Abstimmung gebracht wird. Herr Schünemann, unser Innenminister, hatte im Dezember kurz vor Weihnachten, sozusagen ganz passend, für so genannte islamistische Gefährder
In gewisser Weise ist aus dem Thema jetzt erfreulicherweise schon ein bisschen die Luft wieder heraus. Er hatte damals angekündigt, er werde in der nächsten Innenministerkonferenz im Mai 2006 - die ist vor kurzem gewesen - dieses Thema zur Diskussion stellen und werde sich um Unterstützung und einen Beschluss bemühen.
Nach unserer Kenntnis ist dieses Thema in der Innenministerkonferenz überhaupt nicht behandelt worden. Ich gehe davon aus, Herr Schünemann hat zur Kenntnis nehmen müssen, dass selbst CDU-Innenminister anderer Bundesländer ihn bei diesem hoch problematischen Vorstoß nicht unterstützen.
Warum ist dieser Vorschlag hoch problematisch? Weil er einen Paradigmenwechsel innerhalb der Sicherheitspolitik darstellt. Traditionell ist es nach der grundgesetzlichen Regelung so, dass der Staat die Freiheit eines Menschen - konkret ausgedrückt in der Strafprozessordnung - nur dann einschränken kann, wenn zuvor entweder ein ordentliches Gerichtsverfahren zu einer entsprechenden Bestrafung geführt hat oder wenn aus nachweislich unmittelbarer Gefahrenabwehr gegen einen Tatverdächtigen die Ingewahrsamnahme zulässig ist. Das ist in den Fällen, in denen Herr Innenminister Schünemann die elektronische Fußfessel einsetzen will, aber gerade nicht der Fall. Der Personenkreis, auf den sich Ihr Vorschlag bezieht, sind „gefährliche Personen“. Das ist eine neue Kategorie, die erst seit relativ kurzer Zeit in der strafrechtlichen und sicherheitspolitischen Debatte auftaucht. Dabei geht es nicht um einen konkreten Straftatenverdacht, sondern es geht um ein vermeintliches Merkmal von Personen, nämlich dass sie gefährliche Personen sind oder sein könnten. Schon gegen diese Personen soll entsprechend vorgegangen werden.
Wir halten das auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beispielsweise zum niedersächsischen Polizeigesetz für eine Kategorie, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. Deswegen meinen wir, es ist gut, dass dieses Thema nicht in der Innenministerkonferenz behandelt worden ist.
Ich hoffe auch, dass Sie diesen Vorschlag beerdigen werden, dass Sie sich sozusagen eines Besseren besinnen und dass dieses Thema nicht mehr auf den Tisch kommen wird. - Schönen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In den USA sollen so genannte Triebtäter mit elektronischen Fußfesseln überwacht werden. In Deutschland gibt und gab es einige Minister, die ähnliche abwegige Überlegungen äußerten, so z. B. der ehemalige General und jetzige Innenminister Schönbohm. Er will die Fußfesseln für notorisch schwänzende Schulkinder einsetzen. Der hessische Justizminister Christian Wagner äußerte gar auf der CeBit 2005:
„Die elektronische Fußfessel bietet auch Langzeitarbeitslosen und therapierten Suchtkranken die Chance, zu einem geregelten Tagesablauf zurückzukehren“
„und in Arbeitsverhältnisse vermittelt zu werden. Durch die Überwachung mit der elektronischen Fußfessel kann eine wichtige Hilfe zur Selbsthilfe geleistet werden.“
Meine Damen und Herren, der niedersächsische Innenminister, der diesen Ministern natürlich nicht nachstehen will, muss auch noch eine Idee zur Fußfessel für gewaltbereite Islamisten schnell in die Öffentlichkeit posaunen, um zum Jahreswechsel die FDP zum Lachen zu bringen, aber auch dazu, rechtsstaatliche Bedenken anzumelden. Auf Nachfragen der Presse muss er in Interviews sogleich verkünden, dass es keine verfassungsrechtlichen Bedenken gibt.
„Der Vorschlag ist zur politischen Diskussion gedacht und nicht als fest umrissene Regelung, die bereits einer konkreten verfassungsrechtlichen Prüfung zugänglich wäre.“
Auf meine Frage nach einer Legaldefinition „Islamist“ und „Gewaltbereitschaft“ weiß er keine Antwort zu geben.
Vielmehr meint er, gegen jene mit der elektronischen Fußfessel vorgehen zu können, die terrorismusverdächtig sind und gegen die aufenthaltsbeschränkende Auflagen verfügt werden und die damit besser überwacht werden könnten. Das alles sind Zitate. Ganz selbstverständlich ist das aus seiner Sicht nur ein Ausländer. Denn die schwer wiegenden Eingriffe will er ja auch „nur“ im neuen Aufenthaltsgesetz verankert wissen.
(David McAllister [CDU]: Das ist un- parlamentarisch! Das erfordert einen Ordnungsruf! - Unruhe bei der CDU und bei der SPD - Weitere Zurufe von der CDU)
Als der Türke Kaplan - - - Herr Kollege, wenn Sie so betrunken sind, dann halten Sie sich zurück! Das ist ja wirklich unerträglich!
(Bernd Althusmann [CDU]: Sie haben das nicht zu kommentieren, Frau Merk! Nur dass das mal klar ist! Sie beleidigen hier unsere Abgeordneten! Das ist unmöglich!)
Ich habe dies, Frau Merk, auch für die Allgemeinheit gesagt und habe niemanden persönlich angesprochen. Sie haben jetzt das Wort.
Dass es längst auch Eingebürgerte in Deutschland gibt, die von seinen Vorschlägen nicht erfasst würden, zeigt zusätzlich die Begrenztheit seines Vorschlages deutlich auf.
Um das Ganze zu toppen, muss auch dann noch der SPD-Bundestagsabgeordnete Wiefelspütz bei der Rede des Ministers im Januar hier im Plenum herhalten, der angeblich gesagt haben soll, dass man den Vorschlag Schünemanns prüfen müsse, weil die SPD eine Gesetzeslücke durchaus sehe.
Natürlich nehme ich den Minister ernst, meine Damen und Herren. Ich frage am nächsten Tag per E-Mail beim Abgeordneten Wiefelspütz nach und verkneife mir auch nicht, seine prompte Antwort hier zu zitieren: