Protokoll der Sitzung vom 11.07.2006

Aber wir erlauben es uns auch, gegenüber neuen Gesetzen grundsätzlich skeptisch zu sein, auch wenn sie mit super guten Überschriften und hehren Zielen wie der gläsernen Verwaltung daherkommen.

Herr Briese, freie Demokraten sind immer an vorderster Front dabei, wenn es darum geht, die Rechte der Bürger gegenüber dem Staat sinnvoll zu stärken.

(Beifall bei der FDP)

Aber schon Montesquieu wusste: Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - David McAllister [CDU]: Bravo!)

Der Bund hat ein Informationsfreiheitsgesetz beschlossen, und einige Länder hatten sich schon vorher eigene Regelungen gegeben. Die meisten Länder haben aber kein derartiges Gesetz beschlossen, und zwar einfach deshalb, weil sie es nicht brauchen.

In der letzten Legislaturperiode haben die Grünen vergeblich versucht, der niedersächsischen SPD, die damals regierte, Zustimmung zu einem entsprechenden Antrag abzuringen, obgleich damals im Windschatten von Rot-Grün in Berlin allerlei möglich war. Damals hat es eine umfangreiche Anhörung gegeben, und das Urteil der Experten war deutlich: Ein Informationsfreiheitsgesetz ist praktisch überflüssig.

Wenn auch nur ein Hauch von Betroffenheit existiert, hat die oder der Betroffene schon jetzt ein umfassendes Recht auf Akteneinsicht. Was die angeblich korruptionsmindernde Wirkung angeht, so ist sie wohl eher Wunschdenken als durch konkrete Fälle belegbar. Trotzdem hatten Sie, liebe Grüne, keine Scheu, Ihren alten Antrag in dieser Legislaturperiode zu recyceln, nämlich am 27. Mai 2004. Damals hatten wir das Konnexitätsprinzip noch nicht in der Verfassung; jetzt haben wir es.

Frau Kollegin Bockmann von der SPD-Fraktion wies an jenem Tag zu Recht darauf hin, wir könnten einen Gesetzentwurf nicht unabhängig von den finanziellen Folgen, gerade auch für die Kommunen, diskutieren. Ich erlaube mir, aus ihrer damaligen Rede zu zitieren, einfach deswegen, weil man es kaum besser ausdrücken kann. Frau Bockmann sagte:

„Vor diesem Hintergrund habe ich mir den vorliegenden Antrag einmal angesehen. Ich habe die kostenintensiven Positionen einmal mit Textmarker

gelb markiert. Die ganze Seite ist fast gelb.“

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)

„Sie haben gefordert, dass lediglich der Materialaufwand, nicht aber der Arbeitsaufwand ersetzt werden soll, dass die öffentlichen Stellen Verzeichnisse führen sollen, die geeignet sind, die Aktenordnung und den Aktenbestand sowie den Zweck der geführten Akten erkennen zu lassen, dass Statistiken über die Anzahl der bewilligten und der abgelehnten Anträge vorhanden sein müssen und dass last, but not least die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behörden Fachleute sein sollen. Die Akten sollen ja nicht von Registraturbeamten dahin gehend durchgesehen werden, wo Rechte Dritter tangiert werden, und datenschutzgerecht weitergegeben werden.“

(Beifall bei der FDP - Dr. Philipp Rös- ler [FDP]: Respekt! - Christian Dürr [FDP]: Das war sehr gut!)

Gemäß Konnexitätsprinzip müsste das Land den Kommunen diesen Aufwand auf Cent und Euro erstatten. Umso mehr hat es mich gewundert, dass die SPD-Fraktion im Ausschuss die Ablehnung des Antrages der Grünen abgelehnt hat, ihn also jetzt indirekt mitträgt. Wir von der FDP-Fraktion nehmen Sachargumente jedenfalls ernst und lehnen den Antrag in dieser Form ab.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Sehr gut!)

Herzlichen Dank. - Zu einer Kurzintervention auf Professor Dr. Zielke hat sich Herr Kollege Briese zu Wort gemeldet. Sie haben anderthalb Minuten. Bitte schön!

Herr Zielke, liebe FDP-Fraktion, das, was Sie hier hinlegen, ist der totale politische Eiertanz und die absolute Paradoxie. Das will ich Ihnen einmal sagen.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Wie die Grünen beim Schulgesetz!)

Ich weiß noch aus der ersten Beratung, dass Sie Ihren Wirtschaftsminister gefeiert und gesagt haben: Wunderbar, dass er dafür gesorgt hat, dass wir jetzt auf Bundesebene das Informationsfreiheitsgesetz bekommen haben. Es ist eine ganz tolle Sache, dass wir das jetzt haben. Wir brauchen Informationsfreiheit.

Der zweite Punkt: Wir hatten eine CeBITFachtagung. Da waren Sie nicht da, sondern haben eine Vertreterin geschickt. Sie hat mit den Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder und mit Professoren, die sich in dem Thema einigermaßen auskennen, gesprochen und gesagt: Informationsfreiheit aus liberaler Sicht finde ich eine ganz tolle Sache. Das tragen wir mit. Das finden wir sehr vernünftig. Vielleicht schaffen wir es nicht mehr in dieser Legislaturperiode. Aber prinzipiell sind wir sehr dafür.

Dann will ich einmal Ihre sachlich-fachliche Beratung im Ausschuss zumindest etwas paraphrasieren. Da kam nämlich gar nichts von Ihnen. Sie haben keinen Änderungsantrag geschrieben, übrigens die CDU auch nicht. Sie haben keine Ergänzung vorbereitet. Sie haben nicht etwa gesagt: „Der Antrag geht in die richtige Richtung, aber dieses und jenes passt uns nicht. Da und da muss man ihn optimieren“, sondern es stand von vornherein fest, dass Sie sich gegen Minister Schünemann nicht durchsetzen können. Deswegen wird das hier abgelehnt. Sie haben einfach nicht den Mumm und die Traute, einen vernünftigen liberalen Akzent zu setzen. Das ist der Grund dafür, dass Sie jetzt sehr verschwurbelt eine ganze Menge Argumente dafür anbringen, dass man diesem Antrag nicht zustimmen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie können sich schlicht und ergreifend gegen Ihren Koalitionspartner nicht durchsetzen. Eigentlich weiß die FDP: Informationsfreiheit ist eine vernünftige Sache. Aber Sie schaffen es einfach nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich nunmehr um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 13: Einzige (abschließende) Beratung: Überregulierung im Finanzsektor abbauen - den Mittelstand stärken - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/2828 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Drs. 15/3029

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses lautet auf Annahme. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Zu Wort gemeldet hat sich für die CDU-Fraktion der Herr Kollege Hoppenbrock.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist noch gar nicht so lange her, da war es, wenn ein Unternehmer, ein Einzelhändler oder auch ein Landwirt zur Bank ging und einen Kredit, ein Darlehen für Geschäftserweiterungen, für Betriebsmittel oder für die Finanzierung eines großen Auftrages haben wollte, relativ einfach, dies zu bekommen. Die Bank legte in erster Linie Wert auf Sicherheiten. Aber auch persönliche Bekanntschaft spielte eine große Rolle.

Meine Damen und Herren, das ist heute anders. Die Geschäftswelt und damit auch die Finanzwirtschaft haben sich in den letzten Jahren rasant verändert. Die Globalisierung, aber auch die veränderten, sehr komplexen Geschäftsabläufe, die zum Teil nicht überschaubar sind, stellen heute andere Anforderungen an die Vergabe und auch an die Überwachungskriterien. Dieser neuen, weitergehenden Aufgabenstellung folgen die EUVorgaben von Basel II.

Aber wie so oft schießen wir Deutschen bei der Umsetzung von Basel II weit über das Ziel hinaus. Inzwischen ist die staatliche Regulierungswut für die kleinen Banken zu einer unerträglichen Belastung geworden. Allein die derzeit in Arbeit befindli

che Regierungsvorlage zur Umsetzung von Basel II umfasst 563 Seiten hochkomplexer und komplizierter Texte. Die gesetzlichen Anforderungen machen keinen Unterschied zwischen kleinen und global agierenden Banken.

Das ist in anderen europäischen Ländern, wie in Österreich und in den Niederlanden, anders geregelt. Dort hat die Kreditwirtschaft mehr Freiräume.

Zur Überwachung des Kredit- und Versicherungswesens sowie des Wertpapierhandels hat die Bundesregierung im Jahre 2002 die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin, gegründet. Grundlage für die Überwachung des Bankensektors ist das Gesetz über das Kreditwesen, KWG, mit 64 Paragrafen, untergliedert in unzählige Absätze.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Eine funktionierende Bankenaufsicht ist ein Aushängeschild für den Finanzstandort Deutschland. Das wird auch auf internationaler Ebene sehr positiv bewertet und anerkannt. In ihrem Bestreben jedoch, alles bis ins kleinste Detail regeln zu wollen und zu überwachen, ist die BaFin weit über das Ziel hinausgegangen. Das gilt besonders für den überdrehten Verwaltungsaufwand und die Kosten für die kleineren Kreditinstitute. Da stehen bei den Sonderprüfungen nach § 44 KWG Aufwand und Ertrag oft in keinem vernünftigen Verhältnis mehr. Nach dem Kreditwesengesetz müssen deutsche Banken insgesamt mehr als 70 Anzeigepflichten erfüllen. In Kombination mit diversen Sonderprüfungen sind - so hat man berechnet - 15 % des Personals allein für staatliche Überwachungstätigkeiten gebunden.

Deshalb fordern wir eine Rückkehr zur Beteiligung des Bundes an der Finanzierung der BaFin in Höhe von mindestens 10 % und außerdem eine Beteiligung der BaFin von ebenfalls mindestens 10 % an den Prüfungskosten der Banken. Damit würde zum einen ein stärkeres Kostenbewusstsein entwickelt, und es wäre zumindest ein erster Anreiz gegeben, nochmals zu prüfen, ob eine bestimmte Prüfung wirklich notwendig ist.

Fakt ist auch: Heute kontrolliert sich die BaFin weitgehend selbst. Manchmal hat man den Eindruck, die BaFin sucht sich zur eigenen Selbstbestätigung immer neue Aufgaben.

(Beifall bei der CDU)

Bezahlen müssen das die zu prüfenden Banken und damit letztendlich wir alle, nämlich die Kunden.

Im Bundesfinanzministerium werden zurzeit die Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft und die Mindestanforderungen an die Ausgestaltung der inneren Revision zu den Mindestanforderungen an das - man höre - Risikomanagement zusammengefasst. Es ist gut und sinnvoll, mehrere Regeln zusammenzufassen.

Der bisherige Entwurf sieht auch Öffnungsklauseln für kleinere Institute vor. Dabei muss es dann aber auch in der endgültigen Gesetzesfassung bleiben. Es darf nicht wieder zu neuer Bürokratie für die Banken und damit zu neuen Problemen bei der Kreditvergabe für den Mittelstand kommen.

Es gibt aber auch Erfreuliches zu berichten. Als ein erster Schritt wurde im vergangenen Jahr auf Initiative Bayerns § 18 KWG den Erfordernissen der Praxis angepasst. Der Schwellenwert, der die Banken dazu verpflichtet, die Verhältnisse ihrer Kreditnehmer offen zu legen, stieg von 250 000 auf 750 000 Euro. Damit sind die Bedingungen gegenüber den ausländischen Mitbewerbern zumindest in diesem Punkt wieder angeglichen. In Österreich z. B. gilt dieser um das Dreifache höhere Schwellenwert schon lange. Die österreichischen Banken konnten deswegen in der Vergangenheit im benachbarten Süddeutschland schneller und unbürokratischer Kredite vergeben als ihre deutschen Mitbewerber.

Mit dem vorliegenden Antrag unterstützen CDU und FDP eine einstimmige Initiative der Wirtschaftsministerkonferenz - dazu gehören auch SPD-Kollegen, die Wirtschaftsminister in den Ländern sind -, durch den Abbau von Überregulierung und Formalismus mittleren und kleinen Banken die Chance zum wirtschaftlichen Überleben zu geben. Die dazu notwendigen Öffnungsklauseln dienen nicht nur den Banken, sondern sie kommen der gesamten mittelständischen Wirtschaft zugute.

Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie werden wahrscheinlich gleich sagen, die meisten unserer Forderungen seien bereits von Rot-Grün auf den Weg gebracht worden. Das ist absolut falsch. Das haben Sie im Ausschuss behauptet.

(Günter Lenz [SPD]: Wir sagen nie etwas Falsches!)

Es gab eine Kleine Anfrage von vielen Kollegen der SPD. In der Antwort auf diese Kleine Anfrage

hat Ihnen das Wirtschaftsministerium nachgewiesen, dass es falsch ist.