Protocol of the Session on June 28, 2011

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- Sie erzählen doch immer, dass die Region Braunschweig diese Klammer sein müsse.

Eine Region Braunschweig hätte zwar so viele Einwohner wie die Region Hannover, aber eine doppelt so große Fläche. Sie würden nicht nur einen Landkreis und eine Landeshauptstadt zusammenführen, sondern Landkreise und kreisfreie Städte. Mit einer solchen Region hätte man insgesamt mehr Bürokratie als vorher und wirklich keine Bürgernähe.

Ich bin froh, dass wir unter Moderation des Landes und insbesondere der Regierungsvertretung auf einem guten Weg sind. Wenn Sie sich am 16. Juni Zeit genommen und sich das angesehen hätten, dann hätten Sie gesehen, dass es funktioniert. Wenn man vernünftige Argumente hat, dann sind die Kommunalpolitiker in der Lage, Regionen tatsächlich zusammenzuführen und interkommunal zusammenzuarbeiten. Eine Zwangsbeglückung dadurch, dass man Aufgaben, wenn es vor Ort nicht gelingt, einfach durch Gesetz auf den Zweckverband überträgt, weil die SPD es so beschlossen hat, ist kein angemessener Umgang mit der kommunalen Selbstverwaltung und mit den Kommunen in der Region.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir schließen damit die Beratung ab und kommen zur Abstimmung.

Ich bitte um Aufmerksamkeit.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Gesetzentwurf der Frak

tion der SPD in der Drs. 16/2610 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt.

Ich rufe als Nächstes Tagesordnungspunkt 4 auf:

Abschließende Beratung: Entwurf eines Gesetzes zum Verbot von Börsenspekulationen durch die Hochschulen - Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/3209 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur - Drs. 16/3702 - Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/3764 - Schriftlicher Bericht - Drs. 16/3770 -

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf abzulehnen.

Mit dem Änderungsantrag zielt die Fraktion DIE LINKE auf eine Annahme des von ihr eingebrachten Gesetzentwurfs in einer geänderten Fassung.

Ihnen liegt der schriftliche Bericht über die Ausschussberatung vor. Eine mündliche Berichterstattung ist daher nicht vorgesehen.

Wir treten in die Beratung ein. Ich erteile dem Kollegen Perli das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass wir heute hier im Haus nicht zu einem Beschluss kommen werden, der unsere Hochschulen wirksam vor Spekulationsverlusten schützt, ist nach dem Beratungsverlauf in diesem Parlament nicht nachvollziehbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Hochschulen können öffentliche Gelder, die sie nicht sofort benötigen, unter bestimmten Bedingungen zinsbringend anlegen. Dagegen ist zunächst überhaupt nichts einzuwenden. Die gegenwärtige Rechtslage hat aber nicht verhindern können, dass sich die Universität Göttingen millionenschwer mit Wertpapieren verzockt hat. So hat sie u. a. rund 4,4 Millionen Euro öffentliche Gelder in drei Aktienfonds angelegt, die in der Finanzkrise tief abrutschten. Ende 2008 wurde ein Buchverlust von 1,3 Millionen Euro bilanziert. Noch heute - über drei Jahre später - befinden sich diese Anlagen mit mehreren Hunderttausend Euro in den Miesen.

Damit so etwas nicht mehr vorkommt, hat meine Fraktion eine Gesetzesänderung vorgeschlagen, die Spekulationsgeschäfte für die Hochschulen künftig ausschließt. So soll es den Hochschulen nur noch möglich sein, Gelder in sicheren Anlageformen, wie Tages-, Fest- oder Termingelder, anzulegen. Mit Ausnahme der Universität Göttingen verfahren alle Hochschulen bereits heute so.

Wir haben in den ergänzenden Änderungsantrag den Hinweis des Landesrechnungshofs dankend aufgenommen, dass alle Anlagen in vollem Umfang dem Einlagensicherungsmechanismus der jeweiligen Bank unterliegen müssen. Es geht hier schließlich um das Geld der Steuerzahler und um das Geld der Studierenden.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Gesetzentwurf der Linken hat breite Unterstützung gefunden. Diverse Hochschulen unterstützen uns. Der Landesrechnungshof hat eine sehr, sehr positive Stellungnahme abgegeben. Im Parlament gab es reiche Zustimmung von meinem Platz links oben bis rechts hinten zu Justizminister Busemann. Er beklagte am 23. Mai, dass sich immer noch Verwalter öffentlichen Geldes auf Risikogeschäfte einließen. Auf den Gesetzentwurf der Linken angesprochen, betonte der Minister, dass - ich zitiere - der Grundsatz der mündelsicheren Anlage für alle Bereiche der öffentlichen Hand nicht infrage gestellt werden sollte. Das Notwendige müssten die zuständigen Ressorts regeln.

Aber Pustekuchen! Frau Wanka möchte gar nichts regeln. Frau Wanka möchte an das Gute glauben. Etwas anderes ist hier nach der Debatte auch nicht mehr möglich. Ich zitiere die Ministerin aus dem Stenografischen Protokoll vom 19. Januar:

„Ich weiß zwar nicht, ob die Universität davon ausgegangen ist, dass das Spekulationspapiere waren und insofern ein riesiges Risiko besteht - wie gesagt, das war vor der Finanzkrise -, aber ich bin mir ganz sicher, dass sie die Erfahrungen, die sie dort gemacht hat, berücksichtigen wird.“

(Jens Nacke [CDU]: Den Finger hat sie nicht hoch gehalten!)

Frau Ministerin Wanka, inzwischen hat die Universität Göttingen gegenüber dem Ausschuss nicht nur betont, dass sie Aktien und ähnliche Finanzmarktprodukte aus Renditegründen auch künftig für sinnvoll hält. Nein, vor wenigen Wochen ist durch eine Anfrage von mir bekannt geworden,

dass die Spekulationsgeschäfte einen wesentlich größeren Umfang haben als bislang bekannt. Die Hochschule hält nicht nur Anteile an den bereits bekannten verlustreichen Aktienfonds, sie hält darüber hinaus noch Anteile an weiteren Aktienfonds, darunter auch von US-Banken. Sie hält Anleihen und Schuldverschreibungen, und sie hält Aktien von Atom- und Chemiekonzernen.

Meine Damen und Herren, es wird weiterhin munter mit öffentlichen Geldern spekuliert. Ein Hochschulgesetz, das dazu ermuntert, muss geändert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Hochschulen sind für Forschung und Lehre da und nicht für Spekulationsgeschäfte. Lassen Sie endlich Vernunft walten!

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN und Zustimmung von Jutta Rübke [SPD])

Ich erteile der Kollegin Rübke das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren! Meine sehr geehrten Damen! Zur Einbringung des vorliegenden Gesetzentwurfs im Januar dieses Jahres hat mein Kollege Wulf mit einem Praxisbeispiel argumentiert, warum meine Fraktion mit großem Interesse der Diskussion im Fachausschuss entgegensehen werde.

Das Beispiel war die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg, die 4,3 Millionen Euro in hoch riskante Anleihen investiert hatte und dieses Spiel verloren hat. Dieses Beispiel hat Herrn Thümler zu dem Zwischenruf hinreißen lassen: „Das war doch der Penner bei der Kirche! Der gehört doch der SPD an!“ Ich werde es mir heute an dieser Stelle - auch wegen der Zeit - verkneifen, alle Penner seiner Partei zu nennen.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe diesen Zwischenruf auch nur zitiert, weil er die weitere Diskussion der Mehrheitsfraktionen im Fachausschuss geradezu umschreibt. Denn CDU und FDP tun dieses Gesetz ab mit „Angriff auf die Autonomie der Hochschulen!“ und „Zugriff des Staates auf die Handlungsmöglichkeiten der Hochschulen!“. Aber nichts dergleichen steht in der Gesetzesvorlage. Denn es ist unseren Hochschulen nicht nur erlaubt, nicht benötigte Geldmittel zinsbringend bei einer Bank oder einer Sparkasse

anzulegen, sondern es ist ihre Pflicht, das Geld zu vermehren, aber nicht zu verschleudern.

Da in unserem Hochschulgesetz auch die Tür zum Kauf von Aktien und Investmentfondsanteilen geöffnet wurde, müssen wir darauf achten, dass diese Möglichkeit nicht missbraucht wird. Das Geld gehört den jeweiligen Hochschulen. Diese Mittel sind ihr aber quasi treuhänderisch anvertraut. Es sind Steuergelder, Drittmittel und Studiengebühren. Herr Dreyer, hören Sie zu, auch ich sage „Gebühren“ und nicht „Beiträge“. Da diese Mittel, wie ich einmal sage, mühsam von vielen zusammengetragen werden, müssen sie sorgsam behandelt werden und dürfen nicht dazu verlocken, damit zu spielen. Diese Meinung wird auch vom Niedersächsischen Landesrechnungshof vertreten. Ich zitiere: Der Landesrechnungshof teilt die Motivation des Gesetzentwurfes, Spekulation und daraus drohende Wertminderungen im eingesetzten Kapital zu verhindern. Für Studienbeiträge, Drittmittel und die staatlichen Finanzhilfen an Stiftungshochschulen muss sichergestellt sein, dass diese Mittel jederzeit für ihren eigentlichen Verwendungszweck bereitstehen und Substanzeinbußen aufgrund von Kursverlusten ausgeschlossen sind. Aus Sicht des Landesrechnungshofes verbietet sich daher eine spekulative Anlage der liquiden Mittel von Hochschulen in Aktien, aktienbasierten Fonds oder Derivaten.

Herr Perli, ich finde, es ist gut, dass Sie uns diesen Gesetzentwurf vorgelegt haben. Besonders hervorheben möchte ich dabei auch den Änderungsvorschlag, der auf eine Anregung des Landesrechnungshofes zurückzuführen ist. Meine Fraktion wird diesem Gesetzentwurf zustimmen, da er ein bestehendes Gesetz sinnvoll verändert - ohne bürokratischen Mehraufwand, aber mit mehr Nutzen für das Einhalten von finanziellen Regeln für Geld, das den Hochschulen anvertraut wurde und wird.

Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Ich erteile jetzt der Kollegin Dr. Heinen-Kljajić das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Ihrem Abstimmungsverhalten heute, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP,

geben Sie das Signal: Börsenspekulationen mit Finanzhilfen des Landes sind ausdrücklich erlaubt! - Diesen Freifahrtschein nutzt zumindest die Universität Göttingen ganz ungeniert, um ihr Aktienpaket ordentlich aufzustocken, obwohl sie erst 2008 genau mit dieser Linie einen herben Buchverlust eingefahren hat.

Nun stehen Sie, Frau Ministerin Wanka, ordentlich blamiert da; denn Sie haben noch bei der Einbringung des Gesetzentwurfes beschwichtigt, dass Sie sich ganz sicher seien, dass die Uni Göttingen die Erfahrungen, die sie während der Finanzkrise gemacht habe, in Zukunft berücksichtigen werde. Von wegen! Sie lagen komplett daneben! Die aktuelle Anlagepolitik der Uni Göttingen, die in weitere Aktien und Schuldverschreibungen investiert, belegt unzweifelhaft, dass das Prinzip Hoffnung in dem Fall nicht angebracht ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie, Frau Ministerin, haben uns hier erzählt, dass das Versicherungsaufsichtsgesetz in Verbindung mit der Anlageverordnung Börsenspekulationen ausschließe. Dann schauen Sie sich jetzt bitte einmal die Anlagen der Uni Göttingen an! Was macht man denn mit Aktien der Münchener Rück, von E.ON, von RWE oder von BASF, wenn nicht an der Börse zu spekulieren?

(Wilhelm Heidemann [CDU]: Das sind Standardwerte!)

Die geltende Rechtslage im Hochschulgesetz, Frau Ministerin Wanka, ist schlicht und ergreifend lückenhaft. Dass die Hochschulen bei ihren Geldanlagen die rechtlichen Vorgaben des Versicherungsaufsichtsgesetzes zu beachten haben, reicht nicht aus; denn hierzu heißt es in § 54 lediglich: Vermögen ist so anzulegen, dass möglichst große Sicherheit und Rentabilität erreicht wird. - Was im Anlagegeschäft größtmögliche Sicherheit bedeutet, haben wir spätestens beim jüngsten Bankencrash gelernt. Unterhalten Sie sich ansonsten einmal mit Ihrem Kollegen Busemann; darauf hat der Kollege Perli schon hingewiesen. Als Justizminister wird er Sie nämlich darüber aufklären, dass nach geltender Rechtslage öffentliches Geld - wenn überhaupt - mündelsicher anzulegen ist, d. h. nach deutlich strengeren Auflagen als denen des Versicherungsaufsichtsgesetzes. Zu Recht rügt der Justizminister an dieser Stelle das Aufsichtsgebaren zuständiger Gremien. Da sind auch Sie, Frau Ministerin, angesprochen.

Auch der Landesrechnungshof hat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Linken klargestellt, dass sich spekulative Anlagen mit Studienbeiträgen, Drittmitteln oder staatlichen Finanzhilfen ausdrücklich verbieten. Aber auch über diese Abmahnung setzen Sie sich hinweg. Wenn das ernst gemeint ist, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, die Sie im Ausschuss vorgetragen haben, dass es in der Frage der Geldanlagepolitik letztendlich um die Hochschulautonomie gehe, dann wäre das angesichts eines hochverschuldeten Landeshaushalts offen gestanden ein Skandal; denn faktisch würde das bedeuten, dass Sie zumindest bei Stiftungshochschulen die klare Zweckbindung staatlicher Finanzmittel aufheben würden nach dem Motto: Hier ist das Geld - macht was draus! - Aber vermutlich ist der wahre Grund für die Ablehnung dieser Gesetzesänderung doch viel profaner. Der Vorschlag kommt einfach aus der falschen Ecke.