Protocol of the Session on March 20, 2012

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(Beifall bei der SPD)

Das Thema ist es wert, dass man sich viele Gedanken macht, dass man die richtigen Schlussfolgerungen zieht und verantwortungsbewusst agiert, gegebenenfalls auch von Niedersachsen aus weltweit. Schade, diese Chance haben Sie verpasst. Alles vermasselt!

Ich komme zum Schluss, zum Fazit des Ganzen. Es gibt eine Menge Anregungen, die wir dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen entnehmen können. Es gibt andere Ansätze. So haben sich beispielsweise Unternehmen bereit erklärt, ein Schiff, das eine wichtige Verkehrsverbindung auf dem Tanganjikasee darstellt, zu sanieren. Sie hoffen, dass sie genug Geld zusammenbekommen. Es gibt Unternehmen, die global operieren und die Vereinbarungen zum Schutz der Arbeitnehmerrechte weltweit unterzeichnen. Auch das kann ein

wertvoller Beitrag zur Entwicklungszusammenarbeit sein. Es gibt den Ansatz, über faire Produkte aufzuklären und den Handel mit fairen Produkten zu fördern. Hier kann man vieles erreichen.

Das wichtigste Fazit heißt: Gerechtigkeit statt Mildtätigkeit muss erreicht werden. Das erwarten wir von dieser Landesregierung, und da hat sie bis jetzt maßlos enttäuscht.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Der nächste Beitrag kommt von Frau Flauger für die Fraktion DIE LINKE. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Millenniumsziele waren nicht sehr ehrgeizig gefasst. Innerhalb eines Zeitraums von 15 Jahren den Hunger auf der Welt zu halbieren und die Kindersterblichkeit um zwei Drittel zu reduzieren, sollten eigentlich Selbstverständlichkeiten sein.

Auch wenn es unterschiedliche Auslegungen dazu gibt, wie weit wir mit der Realisierung der Millenniumsziele gekommen sind, so gibt es doch Einigkeit darüber, dass wir weit hinter den Zielen zurückbleiben, die wir uns gesetzt haben und die sich auch Deutschland gesetzt hat.

Wenn man einmal sieht, dass 1,2 Milliarden Menschen immer noch keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, und wenn wir wissen, dass alle paar Sekunden ein Kind auf dieser Welt stirbt, weil diese Ziele eben noch nicht realisiert sind und es keinen Zugang zu Medikamenten und zu Ärzten gibt, dann wissen wir, dass es noch viel zu tun gibt.

Deswegen gäbe es Grund genug, sich jetzt ernsthaft an die Arbeit zu machen und zu schauen: Was müssen wir tun? Was müssen wir mehr tun als vorher? Was müssen wir vielleicht auch anders machen als bisher? - Denn häufig ist es ja auch so, dass die Politik in einem Feld die Bemühungen auf einem anderen Feld regelrecht konterkariert.

Bestimmte Exportsubventionen beispielsweise sind zerstörerisch für Drittweltländer.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Wenn wir Fleisch z. B. nach Ghana exportieren, zerstören wir damit die dortige Geflügelindustrie; ich habe das hier schon referiert.

Da läuft also einiges quer. Das ist keine konsistente, hilfreiche nachhaltige Politik.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich denke schon, wir sind verpflichtet, uns Gedanken über die Priorisierung zu machen und darüber nachzudenken, wofür wir eigentlich wie viel Geld ausgeben. Wenn wir uns den Bundeshaushalt anschauen und sehen, dass für das Verteidigungsministerium fünfmal so viel Geld eingeplant ist wie für das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, wobei Entwicklungshilfe wiederum nur ein Teil der Entwicklungszusammenarbeit ist, wenn das also um einen Faktor 5 höher ist, dann wird klar, dass es offensichtlich einiges gibt, was wir überdenken sollten.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich finde es auch nicht hilfreich, dass die Landesregierung sich darauf zurückzieht, bisher hätten nur Norwegen, Finnland, Dänemark, Schweden und Luxemburg die Vorgabe, 0,7 % des Bruttonationaleinkommens in Entwicklungshilfemaßnahmen zu investieren, erfüllt. Dies erfuhr ich auf meine Anfrage hin, die ich im Juli letzten Jahres eingereicht habe.

Wenn wir aus den Leistungen, die von der OECD als Entwicklungsleistungen anerkannt werden, einmal die Studienplatzkosten für Studierende aus Entwicklungsländern in Niedersachsen herausrechnen, dann beläuft sich das, was in Niedersachsen danach noch übrig bleibt, auf eine Größenordnung von 1 Million Euro. Sie kennen die Größenordnungen des Landeshaushaltes. Sie wissen, dass 1 Million Euro da nun wirklich nicht die Welt sind.

Vor diesem Hintergrund war es zu begrüßen, dass die Grünen hier einen Antrag vorgelegt haben, der einige konkrete Punkte dazu enthielt, was auf Landesebene getan werden kann, um die Entwicklungszusammenarbeit zu verbessern und zu intensivieren.

Ich habe Verständnis dafür, dass die Koalitionsfraktionen, wenn es um einen möglichen gemeinsamen Antrags geht, nicht wollen, dass im Einleitungstext so viel Kritik steht, und da einiges herausnehmen wollen. Allerdings habe ich kein Verständnis dafür, wenn von einem solchen Antrag nur noch so viel übrig bleibt, dass es eigentlich nur heißt: Lassen Sie uns da weitermachen; lassen Sie uns hier fortfahren. Lassen Sie uns andere Leute ermuntern, so weiterzumachen. - Das ist deutlich zu wenig. Da würde ich sagen: Es ist eine verpass

te Chance, dass Sie auf den Antrag der Grünen nicht näher eingegangen sind. Wir finden das sehr schade. Er enthielt viele gute Punkte. Was Sie hier wollten, war leider nichts.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat sich der Kollege Rickert zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist in der Tat erschütternd, wenn man sich die Millenniumsziele und deren Realisierung anschaut. Einige Punkte sind schon angesprochen worden. Es hat insgesamt acht solcher Ziele gegeben. Von diesen sind - das sollte man jetzt vielleicht einmal andersherum werten, als Frau Flauger es getan hat - immerhin zwei erreicht worden. Die Zielmarke war 2015.

Die Zahl der Menschen, die kein Zugang zu sauberem Wasser haben, wurde bereits im Jahre 2010 halbiert. Das heißt, in der Zeit von 1990 bis 2010 haben mehr als 2 Milliarden Menschen Zugang zu sauberem Wasser gefunden.

Auch das Millenniumsziel zur Bekämpfung extremer Armut ist bereits 2010 erreicht worden. Neueste Weltbankdaten belegen, dass die Anzahl der Menschen, die mit weniger als 1,25 Dollar pro Tag auskommen müssen, in der Zeit von 1990 bis 2010 immerhin halbiert worden ist.

Ich bin der festen Überzeugung, dass der internationale Handel und Investitionen in Länder der Dritten Welt die wirksamste Form der Entwicklungshilfe sind. Jedes niedersächsische Unternehmen, das in einem Land der Dritten Welt investiert, schafft dort Arbeitsplätze, qualifiziert die Menschen vor Ort mit modernen Produktionsmitteln und verbessert die örtliche Infrastruktur. Jedes niedersächsische Unternehmen, das im globalen Süden Produktionsstätten aufbaut, bringt einen Teil unser Arbeits- und Wertekultur mit und wird somit automatisch auch zum Botschafter für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Durch neue Arbeitsplätze kommen ganze Familien in Lohn und Brot und können Mittel für Gesundheit oder Bildung verwenden.

Im Rahmen von Delegationsreisen unterstützt die Landesregierung das Engagement niedersächsischer Unternehmen in Ländern der Dritten Welt,

z. B. in Nigeria, Angola oder auch Kuba. Hier werden niedersächsische Unternehmen durch ihre Investitionen und Partnerschaften für die Menschen vor Ort einen entscheidenden Unterschied und einen wesentlichen Beitrag zu einem besseren und würdigeren Leben leisten.

Die Grünen kritisieren in ihrem Antrag die angeblich zu geringen Ausgaben für Entwicklungshilfe. Deutschland ist nach wie vor einer der größten internationalen Geldgeber. Ich danke an dieser Stelle Bundesminister Niebel ausdrücklich für seinen Einsatz,

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Ihr woll- tet das Bundesministerium doch ab- schaffen! - Weitere Zurufe - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

endlich Ordnung und Effizienz in den Wust jahrelanger - das müssen Sie aushalten - sozialdemokratischer Geldvernichtung in der Entwicklungshilfe zu bringen.

(Zustimmung von Björn Försterling [FDP] und Björn Thümler [CDU])

Seine Strukturreformen sind Meilensteine der deutschen Entwicklungsarbeit.

(Lachen bei der SPD und bei der LINKEN)

Der Antrag der Grünen enthält eine ganze Menge kritikwürdiger Punkte. Ich möchte nur auf einen eingehen. Sie fordern, dass die Landesregierung die Kommunen im Rahmen von Agenda-21-Prozessen weiter in ihrem Bestreben unterstützt, FairTrade-Kommune zu werden. Das ist sehr nebulös. Außerdem sollten wir uns davor hüten, Einfluss auf das Beschaffungswesen der Kommunen zu nehmen.

Dieser Punkt und andere Punkte veranlassen mich dazu, diesen Antrag abzulehnen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die CDU-Fraktion hat sich der Kollege Stratmann zu Wort gemeldet. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Lektüre solcher Anträge, aber auch anderer weitreichender Beschlüsse stelle ich mir vor dem Hintergrund der Tatsache, dass wir uns bei den Zielen, denke ich, Frau Rakow, alle einig

sind - Sie haben hier einen etwas anderen Eindruck vermittelt -, die Frage: Woher kommt es eigentlich, dass wir trotz 40 Jahre langer Debatten zum Thema Entwicklungszusammenarbeit sagen müssen, dass es echte Fortschritte nicht gibt?

Ich finde, es ist auch ein Gebot der politischen Fairness, hier nicht so zu tun, als sei das etwas, was man mit einem Regierungswechsel und dergleichen plötzlich in den Griff bekäme. Ich sage einmal: Auch zu anderen Zeiten waren wir in dieser Republik vom 0,7-%-Ziel weit entfernt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das muss, glaube ich, an der Stelle auch einmal gesagt werden.

Papier ist außerordentlich geduldig. Wenn man aber tatsächlich mit den Realitäten vor Ort konfrontiert wird - bei den wenigsten von uns ist das bisher der Fall gewesen; das ist kein Vorwurf, sondern das hat natürlich damit zu tun, dass wir andere Schwerpunkte in unserer beruflichen Tätigkeit haben -, dann kommen doch viele Fragen auf.

Ich stehe noch unter dem Eindruck eines Symposiums, an dem ich am Freitag teilgenommen habe und bei dem es um die Frage ging: Wissenschaft auch in Ländern der Dritten Welt stiften?

Da hat uns die Gründerin und Präsidentin der Growing Business Foundation in Nigeria auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Dort gab es Einlassungen, wie wir sie alle eine Million Mal gehört haben: Wir müssten dafür Sorge tragen, dass wir die Studenten, die Doktoranden, die Schüler und dergleichen fördern.

Über all das besteht kein Streit. Aber diese Dame hat uns sehr plastisch darüber aufgeklärt, dass sich in ihrem Land, Nigeria, das ich vor gut einem Jahr besuchen durfte und dessen Verhältnisse mich sprachlos gemacht haben, derzeit überhaupt nicht die Frage stellt, ob es irgendwo einen Studienplatz oder eine Förderung dieser Art gibt; vielmehr stellt sich die Frage: Wie überlebe ich den nächsten Tag? Es stellt sich auch die Frage: Was mache ich eigentlich mit meiner Ausbildung, wenn die dann doch mit absoluter Perspektivlosigkeit verbunden ist?