Protocol of the Session on May 10, 2012

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- Okay.

Wenn ich meinen Antrag schlüssig mache und für mein Vorbringen einen Beweis einbringe, dann ist es im Rahmen der Prozesskostenhilfeprüfung nicht zulässig, eine vorweggenommene Beweiswürdigung vorzunehmen. Deshalb bekomme ich Prozesskostenhilfe. Ich bin fest davon überzeugt, dass meine Auffassung richtig ist, Herr Kollege Adler, und das, was Sie gesagt haben, nicht richtig ist.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte noch einmal generell zusammenfassen - das wissen wir alle, die wir in rechtsberatenden Berufen tätig sind; ich will dabei die Rechtsschutzversicherung ausdrücklich einbeziehen -: Wenn Sie als Partei kein oder ein kostenreduziertes Risiko haben, dann führen Sie Prozesse, bei denen die Erfolgsaussichten von vornherein bei unter 50 % liegen. Eine selbst zahlende Partei wird

es sich sehr genau überlegen, ob sie diese Prozesse führt, wenn der Anwalt sagt, die Erfolgsaussichten liegen bei 30 % und 70 % sprechen dagegen. Deshalb ist eine vernünftig ausgestaltete Prozesskostenhilfe durchaus etwas, was unnötige Prozesse verhindern kann.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, der nächste Redner für die SPD-Fraktion ist Herr Kollege Bosse.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Zur Vorgeschichte ist alles Richtige und Wichtige gesagt worden. Es geht um Einsparmöglichkeiten. Es geht aber auch darum, letzten Endes allen Menschen den Zugang zur Justiz zu gewähren. Es geht natürlich auch um Einsparmöglichkeiten. Einsparmöglichkeiten im Bereich der Anwaltsvergütungen können natürlich auch erreicht werden, indem man die Idee eines vereinfachten Scheidungsverfahrens wieder aufgreift. Dessen Kerngedanke ist, dass in geeigneten Fällen nicht zwingend eine Vertretung durch zwei Rechtsanwälte erforderlich ist.

Sehr geehrter Kollege Adler, Ihren Antrag halte ich für sehr schlüssig und vernünftig. Einige Punkte bezeichnen Sie als „Giftliste“. Ich meine, es ist nicht alles Gift - einiges schon, aber mit Sicherheit nicht alles. Darüber müssen wir uns dringend unterhalten.

Der Antrag greift auch einige hoch interessante Punkte auf. Wir wissen, die Gerichtsbarkeit ist überlastet. An diesem Punkt müssen wir arbeiten. Den Bereich der Mediation als Streitbeilegung und Prozessvermeidung, den Sie aufgegriffen haben, ist durchaus wichtig. Aber das allein wird letzten Endes wohl nicht reichen.

Meine persönliche Zustimmung haben Sie bei dem Antrag, insbesondere was den Bereich der Rechtsschutzversicherungen anbelangt. Ob man das so regeln kann, wage ich zu bezweifeln. Sie schreiben in Ihrem Antrag von „unsinnigen Prozessen“. Ich spreche mal von Bagatellprozessen. Ich halte es für durchaus klug und vernünftig, denjenigen, der den Prozess vorantreibt, mit 100, 200 oder sogar 250 Euro zu beteiligen, um solche Bagatellprozesse zu vermeiden. Dafür haben Sie meine persönliche volle Sympathie.

Ich denke, dass eine Rückforderung der Prozesskostenhilfe bei erfolgreicher Klage stärker vorangetrieben werden muss, um das Geld letzten Endes zurückzubekommen. Es darf allerdings auch nicht sein, dass die unbemittelte Partei mehr Vorteile hat als die Partei, die etwas Kapital zur Verfügung hat. Hier verweise ich auf die Punkte, die Herr Dr. Biester angeführt hat. Es gilt natürlich auch, eine Ausgeglichenheit herzustellen. Das wird wohl das Schwierige sein. Natürlich dürfen die Kostenprobleme der Justiz nicht auf Kosten der Ärmsten gelöst werden. Da gebe ich Ihnen völlig recht.

Die Sozialdemokraten hier im Haus sind der Meinung, dass der Rechtsstaat dazu bestimmt ist, Gerechtigkeit durchzusetzen. Diese besteht in der gleichen Würde aller Menschen. Sie verlangt gleiche Freiheit und Gerechtigkeit vor dem Gesetz. Der demokratische Rechtsstaat kann und muss jegliche Gewalt - auch die eigene - dem Recht unterwerfen. Jeder muss unabhängig vom Geldbeutel die Möglichkeit erhalten, Zugang zum Rechtssystem zu haben. Insofern freue ich mich auf einen hoch interessanten Antrag und auf die Beratung.

Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt Herrn Professor Dr. Zielke für die FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn ein paar grundsätzliche Gedanken ausführen. Das Interesse der Bundesländer an einem vernünftigen Verhältnis von Ausgaben und Einnahmen in der Justiz ist absolut legitim. Das begründete Verhältnis von Anwaltsgebühren und Gerichtskosten darf nicht in die Schieflage geraten. Daher ist es wichtig, dass die vom BMJ geplante und längst überfällige Anpassung der Anwaltsvergütungen eine ähnliche Hebung der Gerichtsgebühren nach sich zieht.

(Zustimmung bei der CDU)

Kostensenkungen im Rechtsbereich sind auch ein legitimes Ziel. Nach Meinung der FDP sind sie aber gegenüber dem Recht aller Menschen auf Zugang zum Rechtsweg völlig nachrangig. Bei der Begrenzung der Prozesskostenhilfe ist daher äu

ßerste Vorsicht geboten; denn Grauzonen und Missbrauch wird es immer geben.

Wir werden uns im Ausschuss noch mit der Sinnhaftigkeit einzelner vom Bundesrat vorgeschlagener Maßnahmen beschäftigen. Im Grundsatz muss aber gelten: Der gleiche Zugang zum Recht hat unbedingten Vorrang vor Haushaltsinteressen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Nebenbei bemerkt, hat auch die Bundesregierung seinerzeit tiefgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Gesetzentwurf geäußert. Das ist hier zitiert worden. Hier wird man sehr sorgfältig eine angemessene Lösung diskutieren müssen.

Die Vorschläge der Linken allerdings sind realitätsfern und - so kann ich sagen - absurd. Sicherlich sind Prozessvermeidungsstrategien sinnvoll und Mediationen eine gute Sache. Aber kostenlos sind sie auch nicht.

Sie wollen Rechtsschutzversicherungen ohne Selbstbeteiligung verbieten, weil - Zitat - „niemand völlig risikolos unsinnige Prozesse führen“ können soll. - Versicherungen dienen dazu, das Risiko von plötzlichen, unvorhersehbaren Schäden zu begrenzen. Man kann sich heute gegen nahezu alles und jedes versichern. Das ist Vertragsfreiheit. Zum Beispiel kann man für sein Auto eine Vollkaskoversicherung mit hoher, geringerer oder null Selbstbeteiligung abschließen. Warum nicht ebenso gegen Prozessrisiken?

Eine Versicherung mit null Selbstbeteiligung kostet deutlich mehr. Versicherungen schützen sich gegen höhere Schadenswahrscheinlichkeiten durch höhere Prämien. Wen würde der Zwang zur Selbstbeteiligung nun treffen? - Multimillionären können Kostenfragen egal sein. Da sitzen sie in einem ähnlichen Boot mit Empfängern von Prozesskostenhilfe. Treffen würde es nur Otto Normalbürger, der in jedem Einzelfall abwägen müsste, ob die Gewinnaussichten bei einem Prozess höher sind als die Selbstbeteiligung. Das ist ungerecht.

Wir wollen keine Verbote. Die FDP steht für den freien, gerechten und gleichen Zugang zum Recht für alle.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Adler hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Sie haben 90 Sekunden. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Justizminister hat zu Recht vorgerechnet, dass die Gerichtskosten, die von den Prozessparteien erhoben werden, gegenwärtig nur die Hälfte der tatsächlichen Kosten abdecken. Wenn es also so ist, dass die Rechtsschutzversicherungen die Rechtssuchenden sozusagen von den Gerichtskosten befreien und auf diese Weise Prozesse auch stimulieren, dann bedeutet das im Grunde, dass die andere Hälfte der Kosten, also die Kosten dieser unsinnigen Prozesse, vom Staat getragen werden. Das soll damit vermieden werden.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass das jemanden, der mit einem kleinen Betrag einen Prozess führt, so schrecklich treffen würde. Gegenwärtig gibt es das bereits in verschiedenen Versicherungsverträgen. Wenn das allgemeine Regel würde, würde das aber eine unglaubliche Entlastung für die Justiz bedeuten.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Professor Zielke möchte erwidern. Bitte schön!

Ich bin schlicht und einfach der Meinung, dass diese Bedenken es nicht rechtfertigen, die Vertragsfreiheit dadurch, dass man eine Selbstbeteiligung vorschreibt, in so grundsätzlicher Art und Weise einzuschränken. Das wäre ein völliger Overkill im Verhältnis zu dem, was eigentlich richtig ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Busemann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Irgendjemand sagte gerade, das sei doch ein reines Fachthema. Deshalb will ich versuchen, allgemein verständlich zu erläutern, worum es geht - wobei Juristen es ja immer schaffen, Missverständnisse

zu nähren und einen auf Nebenkriegsschauplätze zu führen.

Während die Überschrift des Antrags der Linken noch richtig ist, ist der Rest falsch, wenn nicht gar überflüssig. Allerdings sollten Sie besser formulieren: „Reform der Gerichtsverfahrenskosten“ und nicht „Reform der Gerichtskosten“.

Um gleich mit einem Missverständnis aufzuräumen: Es geht mitnichten darum, dem kleinen Mann, dem wirtschaftlich Bedürftigen den Zugang zum Recht zu verweigern. Auf diese Grundlinie komme ich gleich noch zurück.

Worum geht es stattdessen? - Der Justizetat des Landes liegt bei gut 1 Milliarde Euro. Wenn ich den Strafvollzug herausrechne, komme ich auf 865 Millionen Euro. Ein Erfahrungssatz, der von allen Bundesländern geteilt wird, besagt, dass etwa 50 % unserer Ausgaben durch Gerichtskosten, Verfahrensgebühren, Umschreibungskosten beim Grundbuchamt usw. wieder hereinkommen sollten. 2005 haben wir das noch geschafft, aber in den vergangenen sieben Jahren sind wir auf einen Kostendeckungsgrad von 43 % abgesackt. Das entspricht einer Lücke von 50 Millionen Euro.

Und hierin liegt nun das Problem. Die Schuldenbremse steht ins Haus. Da der Finanzminister mir diese Lücke nicht ausgleichen wird, muss ich zusehen, dass wir unsere eigenen Kostenstrukturen wieder instand setzen. Das ist die Aufgabe, der wir uns gemeinsam unterziehen.

In diesem Ziel sind sich die 16 Bundesländer einig. Niedersachsen hat sogar den Vorsitz in der entsprechenden Kommission gehabt. Die Justizministerkonferenz, die Finanzministerkonferenz und auch die Ministerpräsidentenkonferenz haben einstimmig gesagt: Da ist etwas in Ordnung zu bringen! - Gleiches hat der Bundesrat erst vor Kurzem in einer Entschließung getan. Ich darf das Abstimmungsergebnis nicht nennen, aber ich darf sagen: Keiner war dagegen.

Es besteht also Einmütigkeit darüber, dass hier etwas in Ordnung zu bringen ist. Geschieht dies nicht, geraten wir unter Kostendruck. Wir sind gut aufgestellt. Aber wollen wir am Ende die Rechtszugänglichkeit und die Möglichkeiten der Justiz gefährden, weil wir auf der Kostenseite nicht aufgepasst haben? - Das wollte ich hier einmal generaliter angesprochen haben.

Es gibt auch noch eine zweite Bedarfslinie, nämlich bei den Rechtsanwälten und Notaren. Die weisen mit Recht darauf hin, dass ihre Gebühren

seit fast 20 Jahren nicht angepasst worden sind, obwohl ihre Kosten gestiegen und ihr Personal und ihre Kanzleien teurer geworden sind. Diese Auffassung teile ich im Grundsatz auch und appelliere an die Bundesregierung, dort etwas zu tun.

Ein ganz kleiner Baustein in diesem Kontext, den wir über den Bundesrat ebenfalls zu einem Beschluss geführt haben, ist nun der Bereich der Prozesskosten- und Beratungshilfe. Dort sind in den letzten Jahren, mit Ausnahme der vergangenen ein, zwei Jahre, die Kosten explodiert. Auch hier geht es darum, ob nicht eine vorsichtige Korrektur erfolgen kann. Dabei ist klar, dass ich damit niemals die genannte Lücke von 50 Millionen Euro füllen kann. Das darf man also nicht miteinander vermischen.

Ich werde gleich aufzeigen, um welche Dinge es dabei geht. Möglicherweise werden Sie ja sagen, dass wir mit dem, was wir uns überlegt haben, ganz so falsch nicht liegen. Die Überlegungen der anderen Länder gehen übrigens in dieselbe Richtung; wir haben auf allen Ebenen einstimmige Beschlüsse.

Nun trug es sich kurz vor Weihnachten zu, dass das Bundesjustizministerium in Kenntnis der drei von mir genannten Handlungsbereiche ein Kostenrechtsmodernisierungsgesetz auf den Tisch gelegt hat. Darin wird den Wünschen der Rechtsanwälte und Notare in ganz ordentlicher Weise entsprochen, indem eine 19- bis 20-prozentige Gebührenerhöhungen vorgesehen wird. Gegen die wehre ich mich auch nicht. Ich hätte dazu zwar manche Idee - ich würde an der einen oder anderen Stelle nicht ganz so viel geben und dafür bei Großverfahren, in zweiter Instanz oder bei den Rahmengebühren vielleicht noch etwas draufpacken -, aber darüber kann man reden; das geht in die richtige Richtung.