Protocol of the Session on June 21, 2012

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Ich darf Sie bitten, sich wieder zu setzen.

(Der Präsident schaltet dem Redner das Mikrofon ab - Christian Grascha [FDP]: Es kann nicht sein, dass man die Geschäftsordnung so miss- braucht!)

Meine Damen und Herren, es wäre sinnvoll, wenn man vorher überlegt, was man sagen will, und das dann mit der Geschäftsordnung abgleicht. Wenn Sie etwas außerhalb der Tagesordnung sagen wollen, dann müssen Sie sich nach einem anderen Paragrafen zu Wort melden. Das haben Sie aber nicht getan.

Meine Damen und Herren, ich rufe die Tagesordnungspunkte 21 bis 23 vereinbarungsgemäß zusammen auf:

Abschließende Beratung: a) Gesetzliche Möglichkeiten der Erdverkabelung in Niedersachsen nutzen! - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/2754 - b) Endlich sichere Rechtsgrundlagen für Erdverkabelung schaffen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/3219 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung - Drs. 16/4853 - Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/4915

Tagesordnungspunkt 22: Abschließende Beratung: Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen - Kooperation mit Norwegen und Dänemark beim Netzausbau verstärken - Vorrang für Erdverkabelung in Niedersachsen durchsetzen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/2994 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt und Klimaschutz - Drs. 16/4854 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/4901

Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung: Energiewende beschleunigen - Stromnetze zukunftsfähig machen - Szenariorahmen 2011 und Netzentwicklungsplan 2012 - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/4876

Zu Tagesordnungspunkt 21 empfiehlt Ihnen der Ausschuss, den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP in geänderter Fassung anzunehmen und den Antrag der Fraktion der SPD abzulehnen. Der hierzu vorliegende Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP zielt auf eine Annahme des Antrags in einer anderweitig geänderten Fassung ab.

Zu Tagesordnungspunkt 22 empfiehlt Ihnen der Ausschuss, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abzulehnen. Der hierzu vorliegende Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zielt auf eine Annahme ihres Antrags in einer geänderten Fassung ab.

Eine Berichterstattung zu diesen beiden Tagesordnungspunkten ist nicht vorgesehen.

Wir beginnen mit der Einbringung des Antrags unter Tagesordnungspunkt 23 durch die beantragende Fraktion, für die sich Herr Meyer zu Wort gemeldet hat.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte um den Netzausbau und vor allem auch die Frage der Erdverkabelung beschäftigen den Landtag schon länger. Uns liegt hier eine Reihe von Anträgen vor. Wir haben unseren Antrag unter Tagesordnungspunkt 22 aktualisiert, der noch aus den Zeiten der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke stammte. Jetzt haben auch die Regierungsfraktionen ihren Antrag aktualisiert.

Aber aus unserer Sicht bleiben CDU und FDP weit hinter den Anforderungen vieler Bürgerinnen und Bürger an einen schnellen und schonenden Netzausbau zurück. Damit verlassen Sie aus unserer Sicht auch den niedersächsischen Konsens, den wir in der letzten Legislaturperiode für möglichst viel Erdverkabelung hatten, und geben sich - so ist es in Ihrem Antrag zu lesen - mit dem unbefriedigenden Status quo zufrieden. Sie wollen nicht zusammen mit der Opposition für ein besseres EnLAG auf der Bundesebene kämpfen, wie wir es fordern, damit die Erdverkabelung gerade auf den langen Strecken in HGÜ-Bauweise zur Regel und nicht wie jetzt zur Ausnahme wird.

Damit fallen Sie auch vielen Ihrer eigenen Kommunalpolitikerinnen und -politiker in den Rücken, die sich vor Ort zusammen mit Politikerinnen und Politikern von CDU, SPD, FDP, Grünen und Linken sowie mit vielen Bürgerinitiativen eben nicht gegen einen Netzausbau, sondern für einen schnellen Netzausbau einsetzen, jedoch in der umwelt- und oft auch bürgerfreundlichsten Variante, nämlich der Erdverkabelung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Sie wollen auch nicht die landespolitischen Spielräume nutzen, z. B. über das Landes-Raumordnungsprogramm. Im Gegenteil, so schreibt die Regierung McAllister in ihrem aktuellen Raumordnungsplan die Trasse Wahle–Mecklar mit minimaler Erdverkabelung fest. Es soll nur ein ganz kleines Teilstück bei Göttingen unter die Erde. Der Rest soll als Freileitung mit großen Masten durch die Landschaft gezogen werden. Wertvolle Flächen werden zerschnitten. Die Umwelt wird beeinträchtigt. Die Menschen werden durch elektromagnetische Strahlung deutlich stärker beeinträchtigt, als es mit der Erdverka

belungsvariante der Fall wäre. Uns liegt eine neue Studie vor, die in der nächsten Woche im Ausschuss beraten wird. An ihr erkennt man deutlich, dass die Vogelwelt durch Freileitungen massiv stärker beeinträchtigt wird als durch Erdkabel.

Die Chance, die vorgesehene sehr lange Trasse für die Weiterleitung von Offshorestrom nach Süddeutschland als Pilotstrecke für eine vollständige HGÜ-Verkabelung zu wählen, haben Sie vertan. Sie nehmen die Sorgen der Menschen nicht ernst. Damit verzögern Sie auch den notwendigen Netzausbau für erneuerbare Energien; denn - Sie zitieren es oft - nur mit den Bürgerinnen und Bürgern und nicht gegen sie wird man den Netzausbau schaffen. Mit der Weise, mit der Sie ihn jetzt planen, nämlich mit dem Kopf durch die Wand, werden Sie sehr viele Widersprüche ernten und damit auch denjenigen, die bei den Energiekonzernen auf die Bremse treten, einen Gefallen tun.

Ebenfalls falsch ist es, jetzt den Naturschutz bei den Trassenplanungen auszusetzen, was die FDP, was Herr Rösler fordert. Erstens ist das nicht das Problem. In Niedersachsen haben wir FFH-Gebiete auf gerade einmal 6 % der Flächen, also sind noch 94 % aus Naturschutzsicht für Leitungen frei. Der Naturschutz ist also nicht das Problem. Man sollte sich außerdem klarmachen, dass wir die Energiewende vollziehen, weil wir unsere natürlichen Lebensgrundlagen schützen wollen, weil wir vom Öl und von atomaren Gefahren wegkommen wollen. Dann können wir jetzt nicht die Artenvielfalt und die Natur opfern, um eine Ökologisierung der Energieversorgung durchzusetzen. Es wäre absurd, das eine gegen das andere auszuspielen. Im Gegenteil, wir brauchen eine ökologische Energiewende: schnell und mit den Menschen, aber nicht gegen sie und auch nicht zulasten der Umwelt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wenn Sie den schnellen Netzausbau wollen, dann lesen Sie einmal die Akzeptanzstudie der Deutschen Umwelthilfe, im Auftrag des Bundesumweltministeriums erstellt. Darin heißt es, dass er nur unter zwei Bedingungen erreicht werden kann: Erstens muss er den erneuerbaren Energien dienen und nicht den abgeschriebenen Kohlekraftwerken oder der Atomenergie. Zweitens muss sehr viel mit Erdverkabelung gearbeitet werden. An dieser Stelle gibt es einen großen Konsens.

Bei der Anhörung haben wir erlebt - die meisten Bürgerinitiativen heißen nicht „Gegen Netzaus

bau“, sondern „Pro Erdkabel“ -: Die Bürgerinitiativen wollen einen schnellen Erdkabelausbau. Wenn Sie uns dabei unterstützen und wir wieder den gemeinsamen Konsens haben, auch auf der Bundesebene dafür zu streiten und auch auf der Landesebene die Spielräume für mehr Erdverkabelung zu nutzen, dann erreichen wir hier wieder einen Konsens. Dann schaffen wir den schnellen Netzausbau mit den Menschen und gehen nicht mit dem Kopf gegen die Wand gegen sie vor. Ansonsten werden mit Ihrem Antrag Ihre Wahlergebnisse am 20. Januar 2013 eher in Richtung Erde marschieren. Wir wollen, dass es auch die Kabel tun.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, der nächste Redner ist der Kollege Rolf Meyer für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich Herrn Nacke eine Freude machen. - Herr Nacke, wie Sie sehen, habe ich heute ein Jackett an. Wenn Sie das beruhigt, dann ist das schon einmal ein guter Anfang.

(Jens Nacke [CDU]: Ich bin begeistert! Sie sehen toll aus!)

Mir ist unklar, ob wir in den letzten Jahren schon einmal gleichzeitig über vier Anträge diskutiert haben, die aus drei unterschiedlichen Jahren, hier nämlich aus den Jahren 2010, 2011 und 2012, stammen. Auch wenn es in jedem Antrag irgendwie um Kabel geht, haben die vier Entschließungsanträge nur mittelbar etwas gemeinsam. Ich will den Ältestenrat nicht kritisieren, aber daran, ob die Art und Weise, wie wir die Anträge debattieren, insgesamt hilfreich ist, habe ich meine Zweifel.

(Zustimmung von Kurt Herzog [LINKE])

Hinzu kommt, dass die Anträge mittlerweile durch Änderungsanträge aus den jeweiligen Fraktionen ergänzt oder, besser gesagt, ersetzt worden sind, sodass ich vermute, dass nicht alle Kolleginnen und Kollegen ganz genau wissen, über welchen Antrag gerade diskutiert wird.

Unter Tagesordnungspunkt 21 werden gleich zwei Entschließungsanträge behandelt, die im August 2010 und im Januar 2011 von erheblicher politischer Bedeutung waren. Es ging um die Möglich

keiten und Rechtsgrundlagen der Erdverkabelung, wie es auch in den Überschriften steht. In gewisser Weise hat Niedersachsen damit im mehrfachen Sinne ein Pilotprojekt auf den Weg gebracht.

Mit Datum vom 15. Juni 2012 haben CDU und FDP einen Änderungsantrag zu ihrem eigenen Antrag eingebracht, der im Ausschuss so nie beraten wurde. Das ist aber auch nicht so schlimm, weil er inhaltlich auch nichts Neues enthält, außer dem Hinweis, dass es im Jahr 2011 eine Novelle des EnLAG gegeben hatte. Das wussten wir aber auch so schon.

Wir sind inhaltlich eigentlich auch schon viel weiter, als beide Anträge unter dem Tagesordnungspunkt 21 a und b damals waren. Wir stimmen über sie ab wohl wissend, dass sie eigentlich längst überholt sind. Das gilt auch für den Änderungsantrag von CDU und FDP.

Wir sind auch viel weiter, als es im Antrag der Grünen unter dem Tagesordnungspunkt 22 steht. Die SPD hatte eigentlich erwartet, dass Sie diesen Antrag zurückziehen. Das haben Sie im Ausschuss nicht gemacht. Deswegen mussten wir im Ausschuss dagegen stimmen. Denn den Änderungsantrag dazu konnten wir im Ausschuss gar nicht beraten. Deswegen würden wir uns diesbezüglich heute der Stimme enthalten, weil wir gar nicht wüssten, wie wir dazu Stellung nehmen sollten.

Viel wichtiger und besser ist in der Tat - der Kollege Christian Meyer hat es eben begründet - der Inhalt des Antrags unter dem Tagesordnungspunkt 23, in dem die Grünen Überlegungen anstellen, welche Faktoren zukünftig die Energiewende und damit den notwendigen Netzumbau beeinflussen. Das ist in der Tat eine wichtige Diskussion, die auf allen politischen Ebenen geführt werden muss, weil sie alle Menschen und alle Regionen unmittelbar betrifft.

Wir haben es im Niedersächsischen Landtag in den letzten Jahren erlebt, wie sich politische und technische Bewertungen bezüglich der Stromnetze verschoben haben. Zur Erdverkabelung: Erst ging es gar nicht. Dann war es viel zu teuer. Dann gab es nur kurze Abschnitte. Dann waren Trassen über Hunderte von Kilometern möglich - ganz schnell ganz anders.

So ähnlich ist es auch bei der Diskussion über die HGÜ-Leitungen. Das sind die Leitungen, die mit Gleichstrom arbeiten und die Strom mit nur ganz geringen Verlusten über große Entfernungen transportieren. Am Anfang hieß es hier auch: Das

geht überhaupt nicht. - Dann hießt es: vielleicht auf kurzen Strecken. Und heute sind in dem Netzentwicklungsplan, den die großen Betreiber vorgelegt haben, über 2 000 km in Gleichstrom avisiert. Massiver kann man das also in so kurzer Zeit gar nicht verändern.

Die Tatsache, dass CDU und FDP diesen alten Antrag heute noch zur Abstimmung stellen wollen, zeigt nur, dass sie eigentlich nur den Stillstand organisieren,

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

weil sie den politischen Debatten leider nur hinterherlaufen. Sogar die großen Energieversorger sind da schon viel weiter.

Ich hatte das Vergnügen - ich weiß nicht, ob Herr Toepffer gerade im Saal ist; er könnte das bezeugen -, an einer Tagung des Wirtschaftsrats der CDU in Hannover teilzunehmen, auf der sich ein Vorstandsmitglied von E.ON zu Energiefragen äußerte. Seine Äußerungen waren wirklich beeindruckend, weil er nämlich eine ganz neue Sicht auf erneuerbare Energien formulierte, die man von einem E.ON-Spitzenmanager so wohl vermutlich in diesem Kreis nicht erwartet hatte. Er führte sinngemäß aus, dass der Bau fossiler Kraftwerke aus Sicht von E.ON zurzeit überhaupt keinen Sinn mache, weil man auch nicht ansatzweise Standortfrage und Netzanbindung zusammenbringen könnte. Und dann reden Sie hier noch über Kohlekraftwerke an der Nordsee!

Ganz nebenbei gesagt: Vor wenigen Tagen hat RWE mitgeteilt, dass sich das Unternehmen vollständig aus dem Atomkraftwerksbau zurückziehen wird - vollständig, und zwar weltweit. Wer hätte das vor einem Jahr gedacht!

Ihr Fraktionsvorsitzender, Herr Thümler, hat in einer Pressemitteilung am 14. Juni zu Recht darauf verwiesen, dass gerade kleine und mittelständische Unternehmen vom dezentralen Ausbau der erneuerbaren Energien profitieren würden. Wenn das richtig ist, Herr Thümler, dann müsste doch gerade daraus die Schlussfolgerung erwachsen, zu überprüfen, in welchem Umfang neue Höchstspannungstrassen tatsächlich quer durch Deutschland gebaut werden müssen. Die Zahlen aus dena I und dena II sind eigentlich willkürlich gegriffen und längst überholt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN und Zustimmung von Mari- anne König [LINKE])

Sie stammen bei dena I aus einer Zeit von vor zehn Jahren, in der die Ausgangsbedingung ganz anders war.

Lesen Sie bitte einmal den Artikel von Frau Kautenburger in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 31. Mai nach.

(Zuruf von der CDU: Ach du Schreck!)