Vor der Einführung des Prostitutionsgesetzes war Prostitution rechtlich als sittenwidrig definiert. Da war es z. B. Rechtsauffassung, dass bessere Arbeitsbedingungen wie gute hygienische Bedingungen durch Waschgelegenheiten auf den Zimmern und das Bereitstellen von Kondomen die bis dahin sittenwidrige Prostitution beförderten bzw. den Ausstieg erschwerten und daher strafbar waren.
Darum war die Einführung des Prostitutionsgesetzes im Jahre 2002 ein wichtiger Schritt. Prostitution ist seitdem nicht mehr pauschal sittenwidrig. Der Abschluss von Arbeitsverträgen wurde erlaubt, und bessere Arbeitsbedingungen wurden nicht mehr unter Strafe gestellt. Außerdem kann das von Freiern vorenthaltene Entgelt seither eingeklagt werden. Die Evaluierung 2007 hat aber u. a. gezeigt, dass immer noch fast alle Prostituierten ohne adäquate Renten- und Krankenversicherung arbeiten.
Jetzt geht es darum, durch zusätzliche Ausführungsverordnungen die Bedingungen der Sexarbeit weiter zu verbessern.
Wir wollen, dass für die Arbeit von Prostituierten Mindeststandards gewährleistet werden, dass sie ausreichend sozialversichert sind und dass sie ihre Interessen vertreten und sich in einer Gewerkschaft organisieren können.
Ich frage Sie, meine Damen und Herren, sehr ernsthaft: Sind das nicht erstrebenswerte Ziele? - Gerade vor dem Hintergrund der Existenz von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, also weil es auch Menschen gibt, die zu Sex gezwungen werden und deren Peiniger dann das Geld dafür abkassieren, gilt es, die Interessen der frei gewählten Prostitution zu unterstützen.
Uns wurde vorgeworfen, dass wir in unserem Antrag nichts Konkretes stehen haben. Das ist in der Sache richtig. Wir haben keine konkreten Maßnahmen benannt, die es umzusetzen gilt. Wir haben es für deutlich klüger gehalten, diese Vorschläge auf einer Landeskonferenz erarbeiten zu lassen - unter Einbeziehung aller relevanten Akteurinnen und Akteure, von der Sexarbeiterin bis zum Bordellbetreiber, von der Fachberatungsstelle bis zum Sozialversicherungsträger. Diese Akteure können sicher viel fundierter als wir alle hier sagen, was nötig wäre, damit Prostitution unter vernünftigen, menschenwürdigen Bedingungen stattfindet.
CDU und FDP wollten weder diese Konferenz noch eine Verbandsanhörung. Ich frage Sie: Wo ist eigentlich der Unterschied zwischen NordrheinWestfalen und Niedersachsen, dass es da einen runden Tisch geben kann und dass trotzdem noch nicht alle moralischen Werte den Rhein hinunter geflossen sind und in Niedersachsen eine Landeskonferenz zur Prostitution nicht möglich sein soll? - Meine Damen und Herren, geben Sie sich einen Ruck! Brechen Sie das vor Doppelmoral triefende Tabu! Stimmen Sie unserem Antrag für eine Landeskonferenz Prostitution zu!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Februar 2000 sprach der UNAusschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau die Empfehlung aus, die rechtliche Stellung der Prostituierten zu verbessern, um Ausbeutung zu reduzieren und Schutz zu gewährleisten. Am 19. Oktober 2001 wurde mit einer Mehrheit von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und PDS das Gesetz verabschiedet, und es trat am 1. Januar 2002 in Kraft.
Das Prostitutionsgesetz wurde zum Wohl der Frauen gemacht und war zum Zeitpunkt der Beschlussfassung und nach dem damaligen Kenntnisstand gut. Es sollte die Rechte der Frauen stärken. Es gab Frauen erstmals einen Anspruch, ihren Lohn vor Gericht einklagen zu können. Das - auch von mir aus - angeblich älteste Gewerbe der Welt sollte raus aus der rechtlichen Grauzone und rein in die Sozialversicherung. Aber es zeigte sich: Man kann mit einem Gesetz aus nur drei Absätzen nicht eine Jahrhunderte lang stigmatisierte und kriminalisierte Branche in einen Heilberuf transformieren.
Nach zehn Jahren muss man leider sagen, dass viele Hoffnungen enttäuscht wurden. Die Diskussion in Deutschland ist mit der Verabschiedung des Prostitutionsgesetzes nicht zum Abschluss gekommen, sondern wurde fortgesetzt. Die Hoffnungen des Gesetzgebers, möglichst viele Prostituierte würden durch das Prostitutionsgesetz ordentliche Arbeitsverträge bekommen und in die Sozialkassen einzahlen, haben sich kaum erfüllt.
Auch die Bundesregierung kennt die Schwachstellen des Gesetzes. Bereits vor fünf Jahren kritisierte die damalige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen, dass kaum eine Prostituierte einen Arbeitsvertrag hat. Außerdem stellte die Ministerin fest, dass der Zugang zur Sozialversicherung kaum stärker genutzt wird als vor Inkrafttreten des Gesetzes und dass es auch in Sachen Kriminalität kaum Veränderungen gibt.
Weiter stellte sie fest, dass Gleiches für den Ausstieg aus der Prostitution gilt. Der Ausstieg ist zwar jederzeit möglich. Die tatsächlichen Möglichkeiten sind jedoch bislang nicht verbessert worden. Frau von der Leyens Aussagen beziehen sich auf einen wissenschaftlichen Bericht zu den Auswirkungen des Gesetzes. Auf diesen verweist auch ihre Nachfolgerin im Amt, Kristina Schröder. Ich zitiere:
„Die Bundesregierung ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es eines insgesamt breiteren Ansatzes der Reglementierung der Prostitution bedarf.“
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU und der FDP, im Verhältnis zu den Forderungen Ihrer CDU-Ministerinnen und Bundestagskolleginnen sind die Forderungen der Fraktion DIE LINKE minimal. Die Diskussion im Bundestag und auch mit gleichlautender Tendenz in der 22. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister am 14. und 15. Juni in Nürnberg mit sehr aktiver Beteiligung der SPD zeigt überdeutlich, dass die im Antrag der Linken formulierten Vorschläge richtig und wichtig sind.
Die Fraktion DIE LINKE fordert mit Recht, eine niedersächsische Landeskonferenz Prostitution vorzubereiten, für die Durchführung der Konferenz Beteiligte einzubeziehen und - dafür, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wäre die Bundesregierung dankbar - die Ergebnisse der niedersächsischen Landeskonferenz Prostitution in die Beratungen auf Bundesebene einzubringen.
Sehr geehrte Damen und Herren, nach seriösen Schätzungen gibt es in Deutschland etwa 400 000 Personen, die der Prostitution nachgehen. Überwiegend sind dies Frauen. Es lässt sich aber wieder einmal feststellen, dass viel über, aber selten mit den in der Sexualarbeit Aktiven gesprochen wird.
Der Antrag der Fraktion DIE LINKE greift die berechtigten Sorgen der Betroffenen, der Beratungsstellen und der Schutzhäuser auf, dass das bestehende Gesetz keinen ausreichenden gesetzlichen Schutz bietet.
Der in diesem Zusammenhang von mir zitierte Bericht des Bundesministeriums auf der Grundlage der in Auftrag gegebenen Studie zeigt eindeutigen
Handlungsbedarf auf, der sehr konkret dargestellt ist. Hier sollten Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU und der FDP, Ihrer Bundesministerin Frau Schröder den Rücken stärken. Die Arme kann das nicht nur dringend gebrauchen, sie ist sogar darauf angewiesen. Sie hält das sonst nicht mehr lange durch. Aber vielleicht nehmen Sie das ja billigend in Kauf.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, das Gesetz wurde von Rot-Grün mit den Stimmen der FDP beschlossen. Es ist nach neuen Erkenntnissen ergänzungsbedürftig. Das ist doch für Sie die Gelegenheit, zu zeigen, dass Sie in der Lage und willens sind, nicht nur Ergänzungen, sondern vielleicht sogar Verbesserungen zu beschließen. Der erste Schritt dazu ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE. Die SPD-Fraktion stimmt diesem Antrag zu.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das 2001 von Rot-Grün im Bundestag beschlossene Gesetz zur Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation von Prostituierten war beseelt von der Vorstellung, mit der gesellschaftlichen Akzeptanz und der Entdiskriminierung der Prostituierten würden die Probleme gelöst sein. Es würde mehr rechtlicher Schutz für die Prostituierten vor ihren Zuhältern und mehr wirtschaftliche Unabhängigkeit erreicht werden. Das waren die Schlagworte.
Und heute? - Die Situation hat sich nicht verbessert. Die gut verdienende selbstständige Edelprostituierte ist der Ausnahmefall. Der überwiegende Teil arbeitet auch heute ohne Sozialversicherung in Abhängigkeit.
Fazit: Das Prostitutionsgesetz war zwar gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Diese Erkenntnis hat sich auch auf der linken Seite in diesem Raum durchgesetzt. Wenn man sich die weiteren Beratungen in anderen Bundesländern in Verfolgung dieses Themas anschaut, dann muss man feststellen, dass bereits im Herbst 2010 der Innensenator der Freien Hansestadt Bremen festgestellt hat,
dass Regulierungsbedarfe sehr wohl vorhanden sind. Auch sind Vorschläge gemacht worden, z. B. die Konzessionierung von Bordellbetrieben.
Wie die Verbände der Prostituierten darauf reagieren, kann man im Doña-Carmen-Thesenpapier nachlesen, das jetzt im Juni 2012 verfasst worden ist. Die organisierten Prostituierten wenden sich dagegen. Wenn Sie dazu runde Tische einberufen wollen, werden Sie dort eine sehr bunte Vielfalt an Meinungsbildern erkennen können.
Nichtsdestotrotz hat es weitere Entschließungsanträge und Beratungen auch hier in diesem Hause gegeben, z. B. im Zusammenhang mit dem Thema Menschenhandel und Zwangsprostitution im Frühjahr letzten Jahres, wozu Sie von der SPD einen Entschließungsantrag eingebracht hatten, der hier von einer großen Mehrheit getragen worden ist, da es einen Handlungsbedarf gibt.
Im Juni 2012 wurde auch von der sozialdemokratischen Sozialministerin Baden-Württembergs der Ansatz formuliert, das Prostitutionsgesetz solle verschärft werden.
Es steht also bereits eine Menge an Aktivitäten und Vorschlägen im Raum. Dabei wird generell auf ein Ziel hingearbeitet, was man auch einmal anerkennen muss, meine Damen und Herren.
Nun meinen die Linken hier in Niedersachsen, ein weiterer runder Tisch - nichts anderes ist eine Landeskonferenz - könne die rechtlich teilweise unzureichende Gemengelage bereinigen. Meine Damen und Herren, organisierte Prostituierte artikulieren sich, nicht organisierte schweigen, und das ist die Mehrheit.
Meine Damen und Herren, deswegen muss man sich auch einmal die Frage stellen, wen man mit einer Landeskonferenz eigentlich erreicht. Sie haben unter Nr. 2 in Ihrem Antrag aufgeführt, wen Sie sich dafür vorstellen. Man muss aber auch einmal anerkennen, dass in Niedersachsen das Ministerium sehr gut aufgestellt ist hinsichtlich der zu erwartenden Eckpunkte und Gesetzesvorschläge auf der Bundesebene. Hier gibt es bereits gute Kontakte zu den Beratungsstellen für Prostitution Phoenix, zur Beratungsstelle für Menschenhandel KOBRA und zur Beratungsstelle La Strada für Beschaffungskriminalität.
Meine Damen und Herren, deswegen muss man sagen, dass durch den Paradigmenwechsel im Jahr 2001/2002 auf der Bundesebene hier ein Problem ausgelöst worden ist, das wieder aufzufangen man nun mühselig und langwierig versu
chen muss. Schnellschüsse wird es dabei nicht geben. Das ist sehr wohl bei verschiedenen Konferenzen von SOLWODI und mit Schwester Lea Ackermann im Bundestag im Juni dieses Jahres betont worden.
Ebenso ist auch seitens der Grünen anerkannt worden, dass es zehn Jahre nach Verabschiedung des Prostitutionsgesetzes wichtig ist, dass die Länder nachbessern. Wieso die Länder? Das Problem ist auf der Bundesebene regelrecht aufgeworfen worden, und die Bundesländer sollen das heilen? - Meine Damen und Herren, sie sind dabei im Grunde der falsche Ansprechpartner; das muss man einmal so sagen.
Wenn man bei Problemen auf die Bundesländer verweist, so sind wir sehr froh darüber, dass zumindest die Frauen in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion das Problem erkannt haben. Sie haben ebenfalls im Juni dieses Jahres eine Konferenz abgehalten. Frau Granold und Frau Steinbach betonen unisono, dass auf der Bundesebene dringender Handlungsbedarf besteht.
Deswegen kann ich nur darauf verweisen, dass bei der 22. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister in Nürnberg im Juni dieses Jahres - Frau Groskurt hat darauf hingewiesen - festgestellt wurde, dass es sinnvoll ist, eine bundesgesetzliche Regelung herbeizuführen.