Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau König, Ihre Ausführungen zum Tempolimit waren angesichts der niedersächsischen Praxis und Erfahrungen, die wir hier haben, wirklich abenteuerlich.
Die Hauptziele im Straßenverkehr in Niedersachsen sind nach wie vor Verkehrssicherheit und ein guter Verkehrsfluss. Ausgehend von diesen Zielen, ist die Entwicklung der Unfallzahlen gerade in Niedersachsen in den letzten beiden Jahren besorgniserregend. Die Zahl der getöteten Fahrer stieg von 479 auf 540, die Zahl der Schwerverletzten von 5 721 auf 6 249. Überhöhte Geschwindigkeit ist laut der Unfallstatistik 2011 die wichtigste offizielle Unfallursache in Niedersachsen. Das ist die Realität, Frau König!
Bei der Vorstellung der Unfallstatistik 2011 für Niedersachsen hat der Innenminister deutlich gemacht, dass die Geschwindigkeit herunter muss. Offenbar haben der Verkehrsminister und der Innenminister unterschiedliche Auffassungen über die richtigen Rezepte.
Wie schaffen wir es nun, dass die Verkehrssicherheit steigt und gleichzeitig der Verkehrsfluss verbessert bzw. gesichert wird? - Mobilität und Verkehrsfluss gibt es in Niedersachsen leider nur in der Theorie. Die Realität sieht anders aus. Es gab im vergangenen Jahr knapp 12 800 Staus mit einer Gesamtlänge von knapp 37 000 km.
Wir haben also kein Erkenntnisdefizit. Vielmehr haben Sie nicht gehandelt, Herr Bode. Anstatt dagegen wirksam anzugehen, zoffen Sie sich mit dem Innenminister. Jeder bedient seine Klientel: der eine die Raser und der andere die, die auf Sicherheit setzt.
Sie haben sich mit der Aufhebung des Tempolimits auf der A 2 viel berechtigte Kritik eingehandelt. Wahlkampf für Raserklientel, sagte der VCD. Das MI assistierte: zumindest bedenklich. - Die Polizei führte umgehend wieder ein Tempolimit ein.
Auf der A 2 starben 2011 17 Menschen, und 88 Menschen wurden verletzt. Trotzdem hat Herr Bode hier entgegen den Empfehlungen von Experten und Polizei die Tempolimitschilder - Enno Hagenah hat darüber gesprochen - entfernen lassen. Er setzt jetzt nur auf elektronische Verkehrsanzeigen - wenn diese überhaupt geschaltet sind. Denn sie sind auch noch eingeschränkt geschaltet. Sie zeigen nur in besonderen Situationen, z. B. bei Regen, eine Geschwindigkeitsbegrenzung an, obwohl sie durchaus vielseitiger zur Verkehrssteuerung eingesetzt werden könnten, auch im
Normalbetrieb, z. B. für Hinweise zur Parkraumsituation und -bewirtschaftung insbesondere für Nutzfahrzeuge.
Geschwindigkeitsmessanlagen der Kommunen an der A 2 versuchten Sie erfolglos zu verhindern. Mehr noch, Sie strichen die Geschwindigkeitsbeschränkungen oder platzierten Warnhinweise vor den fest installierten Blitzern an der Autobahn. Aber Warnhinweise an besonders gefahrvollen Abschnitten der A 2 platzieren Sie nicht.
Ihre Absicht ist offensichtlich und durchschaubar: Sie schielen populistisch auf die Autofahrer, getreu dem Motto „Freie Fahrt für freie Bürger“. Glaubwürdiger wäre es, wenn Sie an Stellen vor Blitzern warnen würden, an denen keine Blitzer stehen. Das hätte dann wenigstens eine disziplinierende Wirkung. Aber die wollen Sie gar nicht.
Alle wissen, dass die A 2 und die A 7 Strecken mit hoher Verkehrsdichte und hohem Unfallpotenzial sind. Die Zahl der Verkehrsteilnehmer wird in den nächsten zehn Jahren weiter rasant ansteigen, insbesondere auch im Güterverkehr. Um die zunehmende Verkehrsdichte mit größtmöglicher Sicherheit zu steuern, muss konsequent gehandelt werden. Dazu gehört aus unserer Sicht eine vorausschauende Verkehrssteuerung unter regelmäßigem, flächendeckendem Einsatz der telematischen Verkehrssteuerung. Auch über Radarwarner im Navigationssystem und sogenannte BlitzerApps muss man nachdenken, wenn die Sicherheit dadurch wirklich erhöht würde.
Aber vor einigen Wochen - ich will Sie daran erinnern, Frau König - haben gerade Sie, die Regierungsfraktionen, gefordert, bei drohenden Staus Umfahrungen dadurch zu vermeiden, dass Verkehrsteilnehmer nicht über die elektronischen Verkehrssysteme informiert werden, damit nicht außerhalb der Autobahn Staus entstehen.
Sie müssen sich also schon entscheiden: für oder gegen den informierten Bürger bzw. - wie Sie es nennen - für oder gegen Vertrauen in die Verkehrsteilnehmer. Sie sollten aber keine populistische Politik machen, die dazu noch widersprüchlich ist.
Im Übrigen zeigt sich die Verstetigung des Verkehrsflusses und der Verkehrsentwicklung an den Beispielen der Niederlande und Skandinaviens, wo
Tempolimits eingeführt wurden, sehr deutlich. Dort sind die Unfallzahlen, selbst wenn sie höher sein mögen, massiv zurückgegangen, seit man flächendeckende Tempolimits eingeführt hat.
Herr Bode, das, was Sie bisher bieten, verbessert nicht die Verkehrssicherheit. Da sprechen die Zahlen für sich. Sie sind Populist und machen lieber Wahlkampf für Raserklientel in feiner Abstimmung mit dem Innenminister, der ebenfalls seine Klientel bedient. Das ist Wettbewerb um Wählerstimmen. Sie stehen nicht für eine wirksame Verkehrspolitik in Niedersachsen.
Das einzig Gute ist: Diese Art Verkehrspolitik hat im Januar ein Ende. Dann werden Sie nicht mehr die Verantwortung dafür tragen, höchstens die Verantwortung für Nichthandeln und Unterlassungen.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Getreu einem weit verbreiteten Motto der FDP-Verkehrspolitik tischen Sie uns heute in der Aktuellen Stunde wieder alten Wein in neuen Schläuchen auf.
Intelligente Verkehrsleitsysteme sollen es richten. Damit wollen Sie den Verkehrsfluss und die Sicherheit auf den Autobahnen in den Griff bekommen. Lang und breit hatten Sie sich schon im ersten Halbjahr dieses Jahres in einem Koalitionsantrag zu diesem Thema ausgelassen. Aber mehr als der Beleg, dass Sie sich damit erneut als Lobbyverein des ADAC beweisen wollten, ist von diesem Antrag nicht in Erinnerung geblieben. Heute kommt also ein neuer Aufguss.
Ich werde mich hüten, wie Sie die Aktuelle Stunde dazu zu missbrauchen, sich lang und breit über intelligente Verkehrsleitsysteme auszulassen. Ich werde mich auch hüten, wie die FDP die Aufhebung des Verbots von Blitzerwarnern zu fordern, durch die angeblich die Sicherheit im Straßenverkehr gefördert würde.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Frau König, Raserei ist entgegen Ihren Aussagen bekanntlich die entscheidende Ursache für den be
Der Raserei auf den Straßen und nicht nur auf den Autobahnen muss daher entschieden Einhalt geboten werden. Dabei spielen Tempolimits und vor allen Dingen deren Einhaltung eine wichtige Rolle. Sehr geehrte Frau König, nicht nur an Unfallschwerpunkten, sondern generell muss ein Tempolimit auf Autobahnen her.
Um die Sicherheit auf den Straßen nachhaltig zu erhöhen und gleichzeitig die Staugefahr deutlich zu drücken, brauchen wir nicht in erster Linie intelligente Verkehrsleitsysteme, wie der ADAC und auch die FDP sie fordern. Was wir brauchen, meine Damen und Herren, ist eine andere Verkehrspolitik im Land wie auch im Bund.
Im vergangenen Jahr gab es in Niedersachsen - es wurde gerade gesagt - ca. 12 800 Staus mit einer Länge von ungefähr 37 000 km. Darum, meine Damen und Herren, heißt die Devise: Umsteuern! Der Ausweg aus dem Verkehrsinfarkt auf vielen Autobahnen kann doch nicht der Bau neuer Autobahnen oder der achtspurige Ausbau der A 2 sein, den Verkehrsminister Bode vor Kurzem gefordert hat. Das ist verkehrspolitisch und auch umweltpolitisch sinnlos. Es ist - das ist in diesem Fall sogar gut, Herr Bode - auch finanziell überhaupt nicht zu leisten. Was wir stattdessen brauchen, sind Verkehrsvermeidung und ein Ausbau des Bahnverkehrs.
Die Verkehre auf der Straße sollen auf das unbedingt notwendige Maß reduziert werden. Das ist ein Schritt, um das Unfallgeschehen zu reduzieren. Wir brauchen einen nachhaltigen Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, und zwar zu bezahlbaren Preisen. Für einkommensschwache Menschen sollen daher flächendeckend Sozialtickets angeboten werden.
Der Personennahverkehr wiederum soll durch ein Fernverkehrsnetz weiter gestärkt und - das ist wichtig - auch finanziell gesichert werden.
Es ist doch ein Armutszeugnis: Kein einziges Eisenbahnprojekt aus dem Bundesverkehrswegeplan von 2003 wurde bisher fertiggestellt. Und die Bahn teilte vor Kurzem mit, dass allein seit dem Jahr 2000 zwölf Großstädte mit mehr als 100 000 Einwohnern vom Schienenpersonenfernverkehr abgehängt wurden.
Was ist denn die Folge? - Die Folge ist: Autobahnen und Bundesstraßen werden immer voller. Staus auf Autobahnen wie auf Bundesstraßen nehmen zu. Dem müssen wir abhelfen. Darum fordern wir einen Ausbau des ÖPNV.
Lassen Sie mich zum Schluss noch den jüngsten Coup von FDP und CDU in der Verkehrspolitik schildern: die sogenannte Fernbusliberalisierung. Ab 2013 sollen - - -
Frau Kollegin, Sie schweifen jetzt sehr weit von dem ursprünglichen Thema ab. Wir haben jetzt über Geschwindigkeitsbegrenzungen zu reden. Sie reden allgemein über Verkehrspolitik. Daran wollte ich nur erinnern.
Das gehört für mich dazu. Wir können nicht nur über intelligente Verkehrssteuerung und nachvollziehbare Tempolimits reden, sondern müssen über Verkehr im Allgemeinen diskutieren. Das gehört für mich bei diesem Antrag dazu.
Ich möchte jetzt noch einmal kurz auf die Fernbusse zu sprechen kommen. Auch diese Liberalisierung dient nicht dazu, Verkehr zu vermeiden. Vielmehr führt sie dazu, dass weitere Städte abgehängt und Bahnstrecken abgebaut werden. Das ist mit den Stimmen von Schwarz-Gelb in Niedersachsen im Bundesrat beschlossen worden. Ich bedaure sehr, dass auch SPD und Grüne im Bundestag dieser Liberalisierung zugestimmt haben.