Wir Linke sehen uns angesichts der massiven Sicherheitsvorkehrungen auf dem Hafengelände des JadeWeserPorts in unserer Annahme bestätigt, dass mit der Flaminia im wahrsten Sinne des Wortes ein brandgefährlicher Cocktail aus Kampfstoffen, Raketentreibmitteln und verbotenen Chemikalien in Wilhelmshaven festgemacht hat. Sicherheitszonen, Überflugverbot und dergleichen konterkarieren doch die Medienberichte über eine Entspannung der Lage.
Die Aussagen der Landesregierung, nach denen man die Sache nunmehr im Griff habe und eine akute Gefährdung für die Bevölkerung ausgeschlossen werden könne, halten wir angesichts dessen für verfrüht. Solange nicht abschließend erwiesen ist, dass die Löschung der Fracht ohne eine Beeinträchtigung von Mensch und Umwelt erfolgen kann, ist Skepsis durchaus angebracht.
Auch beim Umgang mit den 20 Millionen l kontaminierten Löschwassers ist entgegen den Berichten, es sei weniger mit Giftstoffen belastet als zunächst befürchtet, keine Entwarnung gegeben. Erstens steht hier eine Bewertung durch weitere Fachleute noch aus. Zweitens steht nun einmal fest, dass man es mit durch verschiedene Giftstoffe kontaminiertem Wasser zu tun hat, dessen Entsorgung äußerst umsichtig erfolgen muss.
Die Landesregierung ist jetzt dafür verantwortlich, dass eine sichere Entsorgung der Fracht und des Löschwassers gewährleistet ist.
Völlig im Unklaren bleiben bisher die Ursachen für den Brand und die anscheinend durch die Löschversuche ausgelösten Explosionen auf der MSC Flaminia, die letztlich zur Havarie des Schiffes geführt haben. Nach IMDG-Code klassifizierte Handelsware ist im Seeverkehr aus Sicherheitsgründen grundsätzlich an Deck, also oberhalb der umschlossenen Laderäume, zu verladen. Ob dies bei der MSC Flaminia tatsächlich der Fall ist, scheint angesichts des bis tief in den Schiffsraum hinein ausgebrannten Laderaums IV fraglich. Die Untersuchungen durch die zuständigen Fachleute müssen daher mit größtmöglicher Transparenz unter Hinzuziehung neutraler Beobachter erfolgen.
Eines ist für uns in diesem Zusammenhang auch wichtig: Grundsätzlich ist es ein Skandal, dass ein deutsches Schiff, dessen Zielort zwischenzeitlich einmal mit Bremerhaven benannt war, Ladung an Bord hat, die in Deutschland und Europa zu großen Teilen verboten ist. Wenn auch Wochen nach der Havarie unklar ist, was sich genau in den Gefahrgutcontainern der MSC Flaminia befindet und für wen die mitgeführten Stoffe - darunter laut Medienberichten Weißer Phosphor, Nitromethan, Tetrafluorethan und PCBs - bestimmt sind, dann ist das ein Problem, und zwar ein großes Problem. Unsere Gewässer lassen sich nur dann schützen, wenn man zu jeder Zeit nachvollziehen kann, welche Güter auf einem Frachtschiff unterwegs sind. Nur dann kann man bei Havarien schnell über das
Die Landesregierung muss sich darum nach Kräften für Vorschriften einsetzen, nach denen Frachtgüter auf Schiffen bei den Reedern stets lückenlos dokumentiert sein müssen.
Wir haben jetzt zwei Anträge vorliegen. Zwar gibt es einen substanziellen Unterschied bei der Frage der Kompetenzen der EMSA. Nach meiner Einschätzung sind die Positionen ansonsten aber dicht genug beieinander, sodass es möglich sein müsste, hier im Landtag zu einer gemeinsamen Positionierung zu kommen.
Deswegen beantrage ich auch für meine Fraktion noch einmal, dass über die Anträge nicht jetzt sofort abgestimmt wird - auch nicht über den CDU/FDP-Antrag -, sondern dass eine Überweisung an den Ausschuss erfolgt, damit wir schauen können, ob es hier nicht doch zu einer gemeinsamen Lösung kommen kann.
(Beifall bei der LINKEN - Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Stimmen Sie doch einfach zu! Das ist doch ganz einfach!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Abgeordneter aus Wilhelmshaven bin ich vier der fünf Fraktionen sehr dankbar, wie sachlich mit dem Thema umgegangen worden ist. Der letzte Redebeitrag von Frau Flauger schlägt aber dem Fass den Boden aus.
Wir haben natürlich mit großer Sorge im Vorfeld die Frage behandelt: Wie sicher ist ein Anlanden des Schiffes im Hafen von Wilhelmshaven? Das ist für uns natürlich von zentraler Bedeutung. Wir hatten zur Kenntnis zu nehmen, dass im Vorfeld riesige Spekulationen darüber da waren, was sich denn alles möglicherweise auf dem Frachter befin
de - bis hin zu Atommüll. Das alles ist geklärt. Die Frachtlisten waren am ersten Tag nach dem Einschalten des Havariekommandos vorhanden. Auf jedem Containerschiff weiß jeder, welcher Container wo steht, wofür er bestimmt ist und was darin ist.
Solche Spekulationen hier in den Raum zu stellen, wie Sie das jetzt wieder machen, Frau Flauger, ist einfach unverantwortlich.
Sie schüren Ängste bei den Menschen, die überhaupt nicht gerechtfertigt sind. Das Schiff ist hinsichtlich seiner Standfestigkeit, hinsichtlich seiner Beladung und hinsichtlich der Gefährdung für den Hafen Wilhelmshaven hinreichend untersucht worden.
Natürlich gibt es in Wilhelmshaven rund um das Schiff Sicherheitsmaßnahmen. Das geschieht aus größter Vorsicht. Da steht z. B. auch ein Container des Katastrophenschutzes - aber deshalb, weil darin die Toiletten sind, und nicht, weil es ein Katastrophenfall ist. Hier handelt es sich um ganz normale Hilfe für ein Schiff, das havariert war.
Ich finde nicht, dass man erst sagen kann, dass geholfen werden muss, um dann, wenn das Schiff im Hafen liegt, ohne sachliche Grundlage zu sagen: Oh Gott, was für Gefahren davon ausgehen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Biester, zunächst einmal werden Sie in meinem Redebeitrag keinen Vorwurf an die Landesregierung gehört haben, dass sie nicht verantwortungsvoll damit umgegangen sei. Das müssten Sie mir dann, bitte schön, auch belegen. Das habe ich aber nicht gesagt.
Klar ist auch: Es war über Wochen hinweg unklar, wo auf dem Containerschiff Flaminia welche Güter geladen waren.
Wenn die Gesetze bisher nicht vorschreiben, dass das zu jedem Zeitpunkt klar sein muss, und zwar auch dem Reeder in Gänze klar sein muss, dann müssen diese Gesetze geändert werden. Das erwarten wir schon.
Das ist etwas, was ich Ihnen hier nicht vorgeworfen habe. Es geht vielmehr darum, dass wir im Landtag Konsens darüber haben sollten, dass das geändert werden muss, damit darüber ständig Transparenz herrscht. Nicht mehr und nicht weniger habe ich hier in meinem Redebeitrag gefordert. Ich weiß also nicht, was Sie daran zu kritisieren haben.
(Beifall bei der LINKEN - Björn Thüm- ler [CDU]: Dass Sie keine Ahnung ha- ben! Sie verbreiten die Unwahrheit!)
Die nächste Wortmeldung, die mir vorliegt, kommt von Herrn Dr. Hocker für die FDP-Fraktion. Sie haben jetzt das Wort. Bitte!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir alle sind uns einig: Was auf der Flaminia in den letzten Wochen passiert ist, ist ein Trauerspiel gewesen. Da dümpelt ein Schrottkahn quer durch unsere Nordsee, quer durch unser Weltnaturerbe Wattenmeer, und keiner fühlt sich verantwortlich. Während man fleißig darüber streitet, wer denn die Verantwortung übernehmen sollte, tickt diese Zeitbombe weiter.
Wenn beim Fußball eine Flanke in den Strafraum fliegt und der eine Verteidiger zum anderen sagt „Nimm du ihn nicht; ich habe ihn sicher“, landet der Ball meist im Tor, wenn sich der andere auf den einen verlässt, und man braucht Glück, damit das nicht passiert.
Ich möchte mich in solchen Situationen nicht auf das Glück verlassen, dass nichts passiert. Es muss derjenige Hafen angelaufen werden, der am schnellsten und am effektivsten Hilfe leisten kann, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Hier steht die Existenz von Tausenden, vielleicht von Hunderttausenden von Menschen sowie von Flora und Fauna im Wattenmeer auf dem Spiel. Da möchte ich mich nicht auf mein Glück verlassen. Statt dass sich Frankreich und Großbritannien darauf einigen, wo dieser Kahn festmachen darf, verlässt sich der eine auf den anderen, und alle erklären sich für nicht zuständig.
Wenn auf hoher See Not am Mann ist und ein Mann über Bord geht, sagt auch nicht der eine zum anderen: Wirf du ihm mal lieber den Rettungsring hin. So lange wird er sich schon irgendwie selber helfen können. - Das funktioniert nicht. Da muss derjenige helfen und Verantwortung übernehmen, der das am besten und am effektivsten kann, meine Damen und Herren. Wir können uns in einer solchen Gefahrensituation keine Debatten über Zuständigkeiten, über Verantwortlichkeiten und über Bürokratie leisten, sondern wir brauchen Menschen, Männer und Frauen mit Entschlussfreude, mit Tatkraft und mit der Befähigung und dem Willen zu helfen.
Deswegen können wir sehr dankbar sein, dass das Havariekommando Cuxhaven die Verantwortung übernommen hat und sich nicht weggeduckt hat, wie das andere getan haben, sondern im Interesse der Menschen im Wattenmeer gehandelt hat.
Das Verhalten der anderen Nordseeanrainerländer in dieser Sache kann einem schon die Haare zu Berge stehen lassen, meine Damen und Herren.
Was können wir aus diesem, wie ich finde, skandalösen Verhalten der anderen Nordseeanrainer lernen? - Es muss eine klare Zuordnung getroffen werden, wer in welchem Schadensfall bzw. in welcher Bedrohungssituation verantwortlich ist und die Verantwortung für einen Havaristen übernehmen muss. Dafür muss natürlich die Richtlinie 2009/17/EG geändert werden. Damit sich wirklich niemand wegducken kann, muss man auch regeln, wer die Folgekosten übernimmt und wie dafür gehaftet wird, wenn dieses Schiff dann endlich in einem Hafen angekommen ist.
Schließlich und endlich muss man sich aber auch die Frage stellen: Wie sieht es denn eigentlich mit der europäischen Solidarität aus? - Sie muss auch endlich einmal gelebt werden. Solidarität heißt, dass man zusammensteht, auch wenn es einmal eng wird. Dann muss man vielleicht auch einmal selber ins Risiko gehen und in Vorleistung treten.