Protocol of the Session on November 7, 2012

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Nach dem Urteil aus Karlsruhe ist also klar: In Deutschland darf und muss es Sicherungsverwahrung geben. Es sollte zumindest Konsens darüber bestehen, dass wir dieses Urteil nun entsprechend umsetzen müssen.

Das Zweite, was Karlsruhe gesagt hat - mit Blick darauf, wie alle Länder in der Vergangenheit verfahren sind -, war: Wenn Sicherungsverwahrung verhängt wird, dann gilt das Abstandsgebot. - Einverstanden! Der Sicherungsverwahrte darf nicht mit einem Straftäter in Haft gleichbehandelt werden, sondern seine Unterbringungsbedingungen müssen andere sein.

Handlungsbedarf bestand also auf zwei Ebenen. Ich denke, dass wir eine ganze Menge getan haben, um das entsprechend umzusetzen.

Sie halten mir nun vor, dass ich vor zwei Jahren gesagt habe: „Ich lasse keinen raus.“ Das ist sicherlich verkürzt zitiert, aber diese Worte sind gefallen. Dazu will ich Ihnen sagen: Auch nach dem Urteil aus Karlsruhe musste keiner der hoch gefährlichen Straftäter herausgelassen werden. Selbst jene, bei denen sich das Problem mit den zehn Jahren stellt, waren danach noch im Gewahrsam zu behalten. Karlsruhe hat gesagt: Wenn sie hochgradig gefährlich sind, dann darf das bis Anfang 2013 noch so sein, und danach müssen wir schauen, wie die Rechtslage dann aussieht. - Damit es da kein Vertun gibt: Insoweit wird der Bundesgesetzgeber auch in unserem Sinne tätig.

Ich will Ihnen noch etwas anderes in aller Deutlichkeit sagen. Egal wie toll wir den Strafvollzug und die Sicherungsverwahrung ausgestalten - freiheitsorientiert, therapieorientiert usw. -: Am Ende wird es dabei bleiben, dass ein kleiner Anteil der anzusprechenden Personen in Sicherungsverwahrung zu nehmen und darin zu behalten ist. Nach Lage der Dinge ist das in Niedersachsen zur Stunde ein Personenkreis von 38 Leuten. Das sind keine Hühnerdiebe und keine Heiratsschwindler, sondern das sind Schwerstverbrecher, Vergewaltiger und vieles andere mehr. Damit das klar ist: Die Bevölkerung hat einen Anspruch darauf, dass wir ihre Sicherheitsbedürfnisse sehen und gefälligst auch entsprechend gesetzgeberisch handeln.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb lasse ich auch keine Diskussion darüber zu, ob die Sicherungsverwahrung überflüssig ist.

Der Fraktion - überparteilich gesprochen -, die der Meinung ist, man könne ohne Sicherungsverwahrung auskommen, sage ich: Sicherlich gibt es einige wenige aus dem akademischen Bereich, aus dem Bereich der Therapeuten, die meinen, Sicherungsverwahrung muss nicht sein, man bekommt das auch mit Therapien hin. Es gibt auch unter den Sicherungsverwahrten welche, die ein um das andere Mal auf dem Rechtswege dafür kämpfen, von der Sicherungsverwahrung wegzukommen. Aber gleichwohl besteht in der Politik ein breiter Konsens darüber, dass wir für einen bestimmten Personenkreis die Sicherungsverwahrung gesetzlich regeln und de facto im Vollzug dann auch entsprechend vorhalten.

Wie gesagt: Die Diskussion, dass die Sicherungsverwahrung überflüssig sein könnte, will ich gar nicht erst aufkommen lassen.

Die Landesregierung jedenfalls sieht die Sicherungsverwahrung nicht als überflüssig an. Wir haben das Urteil umgesetzt. Das kostet viel Geld. Entsprechend dem Abstandsgebot wird bei Göttingen ein neues Unterkunftshaus gebaut. Das wird 12 Millionen Euro kosten. Wir werden zu dem vom Gericht gesetzten Termin im Mai nächsten Jahres fertig sein. Ein Teil von Ihnen hat die Einladung bekommen: Kommende Woche Montag ist da Richtfest.

Ich bin dankbar, dass Sie sagen: Jawohl, zu dem Ob stehen wir in jedem Falle. - Über die Details des Vollzugsgesetzes, das wir im Ausschuss und nächsten Monat im Parlament beraten, kann man in Gottes Namen streiten. Ich glaube, Sie sollten der Regierungsseite attestieren, dass wir mit Verbesserungsvorschlägen durchaus offensiv umgehen und da nicht die Kostenschiene bemühen, sondern alles ermöglichen, was eben geht und in unserem gemeinsamen Interesse an Rechtsicherheit für alle liegt.

Meine Damen und Herren, weil es hier um das Ob und das Wie geht, will ich Ihnen vermitteln, dass offenbar fast alle 16 Bundesländer in der Frage der Sicherungsverwahrung und der neu zu bauenden Unterkunftshäuser einer Meinung sind.

Baden-Württemberg hat einen Neubau mit 67 Unterbringungsplätzen erstellt.

In Bayern wird ein Neubau mit 84 Unterbringungsplätzen im Mai 2013 fertiggestellt.

Brandenburg tut sich etwas schwer mit dieser Thematik. Die dortigen Kollegen denken über eine Übergangskonzeption nach. Ob sie bis Mai fertig werden, weiß ich nicht.

Hamburg hat - das dürfte sich vielleicht auch in der dortigen Schulbehörde herumgesprochen haben - gemeinsam mit Schleswig-Holstein 31 Plätze hergestellt und die Maßnahme bereits abgeschlossen. Warum sollten die Hamburger das machen, wenn sie das für überflüssig hielten?

Mecklenburg-Vorpommern schafft gemeinsam mit Nachbarn oder auch alleine 20 Plätze. Richtfest war vor 14 Tagen.

Nordrhein-Westfalen braucht 148 Plätze. Es gibt eine Übergangskonzeption. Wahrscheinlich wird es eine Baumaßnahme geben.

Rheinland-Pfalz und das Saarland schaffen 60 Plätze. Richtfest ist kurz vor Weihnachten.

Sachsen schafft 20, vielleicht auch 40 Plätze. Fertigstellung ist im Mai.

Sachsen-Anhalt schafft 18, vielleicht auch 24 Plätze. Fertigstellung ist im Mai.

Alle Länder machen das, egal wie sie regiert werden, egal welcher Couleur der jeweilige Justizminister ist. Sie sehen die Notwendigkeit, entsprechend zu handeln. Da kann es keine Diskussionen geben, die die Bevölkerung irritieren. Man kann nicht sagen, das sei alles überflüssig, das müsse nicht sein, das gehe auch anders. Ich wäre dankbar, wenn gerade die Sozialdemokraten da Klarheit herstellen könnten.

(Johanne Modder [SPD] und Hans- Dieter Haase [SPD]: Das haben Sie doch gehört!)

Danke.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich erkläre die Behandlung des Tagesordnungspunktes 2 e für erledigt.

Damit ist die Aktuelle Stunde insgesamt beendet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Abschließende Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes (NGG) - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drs. 16/4871 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration - Drs. 16/5143 - Schriftlicher Bericht - Drs. 16/5197

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf abzulehnen.

Eine mündliche Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Zu Wort gemeldet hat sich für die SPD-Fraktion die Kollegin Groskurt. Ich erteile Ihnen das Wort, Frau Groskurt. Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP, heute haben Sie die letzte Chance, zu dokumentieren, dass auch Sie frauenpolitisch vorne sein könnten. Nutzen Sie die Chance! Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu! Es wird nicht zu Ihrem Schaden sein.

Dass es nicht zu Ihrem Schaden sein würde, haben die Antworten im Rahmen der schriftlichen Anhörung deutlich gemacht. Alle Angehörten, ohne Ausnahme, haben den Gesetzentwurf der SPD nicht nur begrüßt, sondern sehr begrüßt, sich darüber gefreut, erachten ihn für wichtig, finden ihn gut, unterstützen alle in den betreffenden Paragrafen gemachten Aussagen, bedanken sich für die Bemühungen und wünschen der SPD Kraft und Ausdauer bei der Umsetzung.

(Johanne Modder [SPD]: Sehr wahr!)

Ich gebe einige wesentliche Punkte wider:

Zu § 1 wird hervorgehoben, dass den besonderen Belangen behinderter und von Behinderung bedrohter Frauen Rechnung getragen wird. Außerdem wurde grundsätzlich von allen begrüßt, dass Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Landes die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck bringen sollen.

§ 2 wurde als sinnvolle Ergänzung betrachtet hinsichtlich der Einfügung des Geltungsbereiches des Gesetzes sowie der Aufforderung an private Unternehmen, den Grundsätzen und Zielen dieses Gesetzes entsprechend zu handeln. Die Einbindung der Wirtschaft wurde als unerlässlicher Passus eines Gleichstellungsgesetzes angesehen.

In § 3 wird als konsequente Forderung und logische Anwendung hochgeschätzt, dass die Prozentquote für die Unterrepräsentanz eines Geschlechts wieder bei 50 % festgelegt werden soll.

Dass mit § 5 der Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz wieder eingefügt wird, wird ausdrücklich begrüßt, mit der Begründung, sexuelle Belästigung spiele immer noch eine große Rolle und dürfe deshalb im Gesetz nicht fehlen.

Über diese wesentlichen Punkte zu dem Gesetzentwurf hinaus wurde in fast allen Stellungnahmen die Diskussion zum niedersächsischen Kommunalverfassungsrecht wiederaufgenommen. Es wurde nachdrücklich darauf hingewiesen, dass durch dieses Gesetz große Nachteile für die Durchset

zung der Gleichstellung von Frauen und Männern entstanden sind.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir und - was noch mehr zu Ihrem Nachteil gereicht - die Betroffenen sind es leid, dass mit dem Gleichstellungsgesetz und den Einschränkungen bei den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten eine Politik gemacht wird, die weder modern noch zukunftsweisend noch erfolgreich ist.

(Beifall bei der SPD)

Das bedeutet, Ihr Gleichberechtigungsgesetz von 2010 und weitere Gesetze finden keine Zustimmung in der Fachszene. Sie sollten die Dynamik nicht unterschätzen. Gleichstellungspolitik ist kein politischer Nebenschauplatz. Gleichstellungspolitik kann wahlentscheidend sein.

(Zustimmung bei der SPD)

Es gibt erwiesenermaßen mehr Frauen als Männer. Ich darf Sie kollegial daran erinnern, dass allein der Landesfrauenrat 2,2 Millionen Mitglieder vertritt.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bin wirklich kein lila Latzhosen tragendes Klageweib. Aber Sie sollten in Ihrem eigenen Interesse die zitierten Aussagen ernst nehmen und vor allen Dingen Ihr eigenes Handlungskonzept „Demografischer Wandel“ vom 11. Oktober 2012 nicht Lügen strafen, indem Sie heute unseren Gesetzentwurf ablehnen. Ich zitiere:

„Infolge des prognostizierten Anstiegs der Frauenerwerbstätigkeit ist davon auszugehen, dass der Frauenanteil an den Beschäftigten auch in der Landesverwaltung weiter wachsen wird. … (Es) ergibt sich hieraus die Notwendigkeit, Frauen über die bewährten Konzepte … hinaus noch stärker zu fördern als bisher, den Anteil von Frauen in Führungspositionen weiter zu erhöhen und die Rahmenbedingungen … für beide Geschlechter weiter zu verbessern. Nur so kann Chancengleichheit für beide Geschlechter erzielt werden.“

Diese Chancengleichheit gewährleistet das derzeitige Gleichberechtigungsgesetz definitiv nicht, allerdings unser Gesetzentwurf.