Protocol of the Session on December 5, 2012

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Nicht zuletzt hat sich - und ich denke, das war der wichtigste Punkt im Beitrag des Kollegen Jüttner - bei VW die starke Mitbestimmung als Bestandteil des Gründungskonsenses in einer ansonsten von allzu kurzfristigen Gewinnmaximierungsinteressen

getriebenen Branche auch in der jetzigen Situation als Unternehmensstärke erwiesen.

Dabei möchte auch ich daran erinnern, dass es beileibe nicht durchgehend Grundkonsens der jetzigen Regierungsfraktionen ist, dass das eine besondere Qualität des Unternehmens ist. Ich erinnere mich da an ganz andere Debatten. Aber der Erfolg hat immer viele Mütter und Väter.

Wenn man jedoch genauer auf das jetzige Investitionsprogramm von VW schaut, dann stellt man fest, dass doch auch einige kritische Fragen angebracht sind; denn bei aller Freude dürfen auch die Risiken besonders für die niedersächsischen Standorte heute nicht vergessen werden.

Fakt ist nämlich: VW investiert „nur“ 20 % im sogenannten Stammland Niedersachsen, Herr Ministerpräsident. Das ist genau der Anteil, den VW an den Beschäftigten im Gesamtkonzern in Niedersachsen hat. Es sind gut 100 000 von 500 000, und das sind 20 %. Da kann man jetzt nicht sagen, das sei ein besonders starkes Bekenntnis zu den Wurzeln, sondern da hat einer einen Rechenschieber genommen und das ordentlich verteilt.

Die anderen Bundesländer in Deutschland mit VWStandorten haben insgesamt sogar noch einen höheren Anteil am Investment als Niedersachsen bekommen. Auch das ist nicht gerade ein Bekenntnis zu den Wurzeln, so wie wir uns das wünschen würden.

Noch kritischer sehen das z. B. die Deutschen Mittelstandsnachrichten. Die warnen in diesem Zusammenhang insbesondere vor dem parallelen VW-Investment von fast 10 Milliarden Euro in China, weil die dort deutlich geringeren Lohnkosten

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Wo werden denn die Autos verkauft?)

mit der erzielbaren Effizienz - für die Sie ja offensichtlich im Aufsichtsrat gestimmt haben, Herr McAllister; Sie haben ja das Ergebnis sehr freudestrahlend verkündet - zu einem Rückgang der Aufträge für deutsche Fertigungsstellen führen könnten. Diese massive Verlagerung ins Ausland haben andere Konzerne schmerzlich erlebt. Und jetzt macht VW diesen Schritt in ganz massiver Form. Sie wissen, mit 10 Milliarden Euro kann man in China eine ganze Menge bauen, deutlich mehr, als man damit in Niedersachsen herstellen kann.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Das sichert auch Arbeitsplätze in Nie- dersachsen!)

Was das bedeuten kann, wird in der Antwort der Landesregierung noch aus diesem Jahr auf eine Frage von Ihnen, Herr Hoppenbrock, deutlich. Da hat Herr Bode Ihnen nämlich vorgerechnet, dass VW seit 2003 in Niedersachsen 5 000 Arbeitsplätze abgebaut hat. Das sind Modernisierungsverluste. 5 000 Arbeitsplätze weniger sind es laut der Aufstellung in der Antwort auf Ihre Anfrage gewesen.

Das jetzt aufgelegte Investitionsprogramm ist natürlich auch ein Rationalisierungsprogramm. Klar! Das heißt also, es geht wieder zulasten der Arbeitskräfte. Daran sollten wir denken, bevor wir an der Stelle in allzu viel Selbstzufriedenheit verfallen.

Politisch noch problematischer sehen wir aber die Art der Selbstbeweihräucherung und Zuspitzung auf vermeintliche Leistungen dieser Landesregierung, die Sie scheinbar mit Ihrer Aktuellen Stunde beabsichtigt haben.

Fast noch schlimmer ist allerdings der Beitrag von Herrn Adler, in dem er sein Verständnis der Landesbeteiligung erklärt hat. Wenn EU-Binnenkommissar Barnier und seine Mitarbeiter die Ausführungen zu dieser Aktuellen Stunde nachlesen, dann haben die für Ihre Absicht, das VW-Gesetz massiv zu schleifen, ordentlich viel Futter. Das aber wollen wir nicht. Deswegen warnen wir ausdrücklich vor der Art, Herr Adler, wie Sie an der Stelle die Landesbeteiligung instrumentalisiert sehen wollen.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Sie bringen ja alles durcheinander! Sie haben schon einmal eine bessere Rede gehalten!)

Wir sollten das Unternehmen als ein Unternehmen in Niedersachsen betrachten, und die Aufsichtsräte sind in ihrem Handeln dem Wohl des Unternehmens verpflichtet. So sieht es die rechtliche Rahmenbedingung vor. Nur mit dieser sauberen Trennung können wir das VW-Gesetz erfolgreich gegenüber der EU verteidigen, was unsere Absicht ist und was unser gemeinsames Interesse sein sollte.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das Wort hat nun der Ministerpräsident.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Abschluss dieser Aktuellen Stunde noch einige Anmerkungen aus Sicht der Landesregierung machen.

Die Bedeutung von Volkswagen für Niedersachsen ist herausragend. Ich denke, wir sind uns hier im Hause - vielleicht von einigen ganz wenigen Rednern abgesehen - darin einig: Geht es Volkswagen gut, dann geht es uns auch Niedersachsen gut. - Und ich kann heute feststellen: Volkswagen geht es besser denn je. Volkswagen ist das größte Industrieunternehmen in Europa. Volkswagen ist das umsatzstärkste Unternehmen in Deutschland. Volkswagen ist im Übrigen auch einer der größten Steuerzahler in Deutschland. Und Volkswagen ist mit 86 000 Beschäftigten in Niedersachsen mit Abstand der größte Einzelarbeitgeber, und mehrere Hunderttausend Beschäftigte sind in der Automobilzuliefererbranche tätig.

Das heißt, die Entwicklung von Volkswagen hat allerhöchste Priorität für die Niedersächsische Landesregierung. Deswegen freuen wir uns darüber, dass die Entwicklung von Volkswagen in den letzten Jahren so gut war wie nie zuvor.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich möchte dem Hohen Hause noch einmal einige beeindruckende Zahlen vortragen. Der Konzern hat in den ersten neun Monaten dieses Jahres 6,9 Millionen Fahrzeuge ausgeliefert. Das ist ein Plus von 11,1 % gegenüber dem Vorjahr. Der Umsatz stieg in diesem Dreivierteljahr um 24 % auf 144,2 Milliarden Euro.

(Björn Thümler [CDU]: Sagenhaft!)

Mit dem operativen Ergebnis von 8,8 Milliarden Euro liegt man auf dem hohen Niveau des Vorjahres. - Das sind beeindruckende Zahlen. Jeder, der diese Zahlen für eine Selbstverständlichkeit hinnimmt, sollte in der Tat nur einen Moment nachdenken: Stellt euch mal vor, wir wären Sitzland, Standortland von einem Unternehmen wie Fiat, Peugeot oder Opel! Dann hätten wir wahrlich ganz andere Probleme. Wir können dankbar sein, dass wir Industrieland sind. Wir können dankbar sein, dass wir Autoindustrieland sind. Und wir wollen auch Industrieland bleiben. Das ist die Aufgabe von verantwortungsbewusster Landespolitik.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, das, was der Aufsichtsrat vor zwei Wochen mit Blick auf die nächste In

vestitionsrunde beschlossen hat, war keine Selbstverständlichkeit. Das Unternehmen investiert in den nächsten drei Jahren 50 Milliarden Euro. Davon fließen rund 11 Milliarden Euro in die niedersächsischen Standorte; das sind rund 22 %.

(Beifall bei der CDU)

Herr Hagenah, ich muss Sie korrigieren, wenn Sie schon die Beschäftigtenzahl als Messlatte nehmen: In Niedersachsen sind 86 000 Menschen bei Volkswagen beschäftigt, weltweit sind es über 500 000. Das sind also deutlich weniger als 20 %. Aber ich will Ihnen noch etwas anderes sagen: Wir haben schon in den letzten Jahren hervorragend in die niedersächsischen Standorte investiert. Deshalb war es klug, dass sich die Arbeitnehmervertreter, die tüchtigen Betriebsräte bei Volkswagen, rechtzeitig mit dem Vorstand zusammengesetzt haben, dass die Landesregierung konsultiert worden ist und dass wir gemeinsam hinter den Kulissen dafür Sorge getragen haben, dass genau diese 11 Milliarden Euro in unseren sechs niedersächsischen Standorten investiert werden. Das ist gigantisch!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Diese Investitionen sichern bestehende Arbeitsplätze bei Volkswagen. Sie können mittelfristig in der Zulieferindustrie bis zu 3 000 zusätzliche Arbeitsplätze generieren. Das haben die Metallarbeitgeber in einer Pressemitteilung erklärt.

Die Planungsrunde 2013 bis 2015 ist auch ein klares Bekenntnis des Unternehmens, und zwar von Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam, zu den niedersächsischen Wurzeln.

Heidi Mundlos hat in ihrem Redebeitrag bereits die Investitionen dargestellt, die an den einzelnen Standorten erfolgen. Ich möchte ausdrücklich die Investitionen in Osnabrück hervorheben, neben denen in Emden, Wolfsburg, Stöcken, Salzgitter und Braunschweig. Aber warum ist das mit Osnabrück so wichtig? - Weil in Osnabrück neben dem Golf Cabrio jetzt auch Boxster und Cayman produziert werden. Damit ist Osnabrück ein Zweimarkenstandort geworden. Das ist ganz wichtig, weil man dann nicht von der Entwicklung eines einzelnen Fahrzeugtyps abhängig ist. Das, was in Osnabrück in den letzten Jahren passiert ist, ist großartig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Professor Winterkorn lobt öffentlich ausdrücklich die hoch motivierte Mannschaft in der Hasestadt.

Immer wieder sagt er mir das, wenn wir uns begegnen. Ich möchte betonen: Dass Osnabrück eine solche Erfolgsgeschichte war und ist, hängt auch damit zusammen, dass Ministerpräsident Wulff kluge Politik zugunsten dieses Standortes getroffen hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich möchte noch etwas mehr, kurz vortragen:

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Mehr oder kurz?)

Ein wichtiger Meilenstein für diese Investitionen am Standort Osnabrück, von denen wir in Niedersachsen konkret profitieren, war die Entscheidung des Präsidiums vom 4. Juli 2012, den integrierten Automobilkonzern von VW und Porsche bereits zum 1. August dieses Jahres zu schaffen. Denn durch die beschleunigte Integration der Marke Porsche in den Volkswagenkonzern können beide Unternehmen nun besser zusammenarbeiten, gemeinsame Strategien leichter umsetzen und damit finanzielle Verbundeffekte realisieren.

Mehr als zwei Jahre früher als ursprünglich geplant ist es gelungen, Klarheit über ein stabile und langfristig orientierte Aktionärsstruktur bei der Volkswagen AG zur erreichen. Das ist ein Verdienst von vielen Beteiligten. Das ist aber auch ein Verdienst der Niedersächsischen Landesregierung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Besonders wichtig waren uns damals in den Beratungen drei Sachen:

Erstens. Volkswagen bleibt das Dach des Mehrmarkenkonzerns.

Zweitens. Der Sitz des Unternehmens bleibt auf Dauer Wolfsburg.

Und drittens. Die Rechte des Landes Niedersachsens und der Arbeitnehmer bleiben bestehen.

Das ist gut für Volkswagen und Porsche, gut für die Arbeitnehmer und gut für uns in Niedersachsen.

Zu guter Letzt. Herr Jüttner, Sie sprachen davon, dass Volkswagen langfristig plant. Ich möchte Sie nur darauf hinweisen, dass die Investitionsplanungen nicht mehr auf fünf Jahre getätigt werden, sondern nur noch auf drei Jahre. Auch Volkswagen beginnt aufgrund der unsicheren konjunkturellen Entwicklung, etwas mehr auf Sicht zu fahren. Ich finde aber, mit diesen Investitionsentscheidun