Protocol of the Session on December 6, 2012

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(Filiz Polat [GRÜNE]: Das hat doch mit Muslimen nichts zu tun!)

- Das hat selbstverständlich auch etwas mit Muslimen zu tun. Deshalb möchte ich darauf hinweisen, dass dieser Ansatz sehr wichtig ist. Genauso möchte ich darauf hinweisen, dass wir in der Vergangenheit deutlich gemacht haben, dass wir in der Vergangenheit bereits ein Konzept zum Thema „Zwangsheirat ächten - Zwangsehen verhindern“ beschlossen haben. Auch dieses Thema steht in einem Zusammenhang mit Integration und Migranten. Hier ist von uns eine Reihe niedrigschwelliger Maßnahmen auf den Weg gebracht und umgesetzt worden. Auch das gehört ohne Zweifel mit zu diesem Thema.

Darüber hinaus möchte deutlich machen, dass es seit November 2011 den von unserer Sozialministerin Aygül Özkan mit besonderer Unterstützung gerade der Muslime im Land Niedersachsen ins Leben gerufenen Integrationsbeirat gibt, dem unterschiedliche Migrantenselbstorganisationen, Verbände, Interessenvertretungen, Kirchen und Religionsgemeinschaften angehören. Ich denke, auch dies ist ein Thema, das an dieser Stelle angesprochen werden muss; denn das steht in einem direkten Zusammenhang zu dem hier in Rede stehenden Thema. Gleiches gilt für die Rolle der Frauen und deren Integration, wozu wir bereits viele Angebote unterbreitet haben, die deutlich machen, dass Muslime selbstverständlich Teil unserer Gesellschaft sind, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen.

Vor diesem Hintergrund ist meiner Meinung nach das, was die Landesregierung zum Ausdruck gebracht hat, nur zu unterstreichen. Wir meinen, dass

diese schrittweise Umsetzung dessen, was wir uns vorgenommen haben, der richtige Weg ist. Integration mitnehmen, Akzeptanz auf jede Weise, das ist ein ganz wichtiger Ansatz. Das Gute müssen wir weiter ausbauen, und das Neue muss weiter ausgerichtet werden; denn die Menschen mit Migrationshintergrund sind selbstverständlich wertvolle Mitglieder unserer Gesellschaft, die wir weiterhin unterstützen und fördern wollen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Johanne Modder [SPD]: Das war völ- lig am Thema vorbei!)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Limburg das Wort zu einer Kurzintervention. Das Verfahren ist bekannt.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Böhlke, ich muss schon sagen, wir sind von Ihrer Rede arg enttäuscht worden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Böhlke, hören Sie zu? - Das ist nett.

Sie haben hier vorgegeben, zu unserer Großen Anfrage zu reden, die sich mit dem Thema „Islam in Niedersachsen“ beschäftigt. Faktisch geredet haben Sie aber zu verschiedenen großen und kleineren Integrationsprojekten.

Integration, Herr Kollege Böhlke, ist etwas, was man mit Menschen macht, die aus dem Ausland, aus anderen Teilen Deutschlands oder sonst woher auch immer nach Niedersachsen zuwandern. Das hat mit dem Islam in Niedersachsen höchstens minimal, nur am Rande zu tun, meine Damen und Herren.

Unsere Große Anfrage beschäftigt sich mit der Tatsache, dass wir in Niedersachsen viele Musliminnen und Muslime, also Angehörige einer großen Religionsgemeinschaft haben, deren rechtliche Gleichstellung, die das Grundgesetz vorschreibt, in der Realität noch längst nicht erfüllt ist.

Herr Kollege Böhlke, gestatten Sie mir folgende Bemerkung. Sie haben sich für die Erstellung der Antwort bedankt. Wenn Sie auch die Anfrage gelesen hätten, dann hätten Sie schon dem Einleitungstext entnommen, dass der Islam mitnichten erst in den letzten Jahren oder Jahrzehnten nach Deutschland gekommen ist, sondern dass die is

lamischen Spuren in Westeuropa, aber auch in Deutschland viel weiter zurückreichen und dass es auch insofern leider völlig am Thema vorbei ist, das Ganze in den Kontext der Integration zu stellen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Möchte die CDU-Fraktion antworten? - Das ist nicht der Fall. Dann erteile ich jetzt dem Herrn Kollegen Adler das Wort.

(Unruhe)

- Das Wort hat Herr Kollege Adler!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erstens. In der Beantwortung der Frage 46 hat die Landesregierung geschrieben, sie wahre das Gebot der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates. Da habe ich so meine Zweifel.

Ich bin als Rechtsanwalt häufig bei Familiengerichtsverhandlungen, z. B. im Amtsgericht Cloppenburg, anwesend. Über dem Richtertisch hängt ein großes Kreuz. Dort werden laufend Ehen geschieden. Nach fundamentalistisch-katholischer Auffassung ist die Ehe eigentlich unauflöslich. Von einem katholischen Scheidungsrichter erwarte ich aber, dass er sich an das Gesetz hält und nicht nach seinem Glauben entscheidet.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Helge Limburg [GRÜNE])

Was soll aber dann das Kreuz über dem Richterstuhl?

Zweite Anmerkung. Zu der Frage 48 nach dem Kopftuch haben Sie sich auf Seite 30 nicht eindeutig geäußert und von einer Mehrdeutigkeit der Botschaften gesprochen, die mit dem Kopftuch einhergehe. Es könne einerseits eine religiöse Überzeugung sein, andererseits aber auch gleichzeitig Ausdruck einer mit den verfassungsrechtlichen Grundwerten und den Bildungszielen unvereinbaren Haltung.

Da frage ich mich: Wie wollen Sie das eigentlich feststellen, wenn eine Frau mit einem Kopftuch als Lehrerin tätig ist? Wie wollen Sie denn in deren Kopf hineinschauen? Wie wollen Sie denn die

Kopftücher unterscheiden? - Es ist doch nichts anderes als pure Willkür, die sich da andeutet.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zuruf von Ursula Körtner [CDU])

Auf eine dritte Antwort möchte ich die Aufmerksamkeit lenken. Sie haben sich auf Seite 50 zu den verdachtsunabhängigen Kontrollen geäußert. Es waren immerhin - das kam bei der Beantwortung heraus - 395 verdachtsunabhängige Kontrollen. Das haben Sie eingeräumt. Der Frage, wie Sie sich in Zukunft dazu verhalten, sind Sie ausgewichen und haben gesagt, es gebe jetzt keinen Anlass mehr dafür. Sie wollten nur um die Tatsache herumreden. Diese verdachtsunabhängigen Kontrollen waren verfassungswidrig; denn sie waren ein Verstoß gegen die Religionsfreiheit.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Das muss man eindeutig sagen. Wenn es keinen Anlass, keinen Verdacht gibt, dann kann man eine Religionsgemeinschaft nicht in dieser Weise unter Generalverdacht stellen.

(Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE] und Helge Limburg [GRÜNE])

Das hat Minister Schünemann zu verantworten. Er hat damals vom Ministerpräsidenten Wulff einen Rüffel bekommen. Ministerpräsident McAllister, der leider jetzt nicht anwesend ist, hätte diesen Mann im Grunde entlassen müssen, wenn er in dieser Frage hätte glaubwürdig sein wollen.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Helge Limburg [GRÜNE] und Christian Meyer [GRÜNE])

Ich erteile jetzt dem Kollegen Oetjen das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Für uns als Liberale ist die weltanschauliche Neutralität des Staates eine Selbstverständlichkeit. Ich will nicht wieder Christian Wulff zitieren, wie ich das hier schon einmal gemacht habe, aber möchte an dieser Stelle deutlich machen, dass für mich Religionsvielfalt auch eine Bereicherung für unsere Gesellschaft ist.

Wir als niedersächsische Mehrheitsfraktionen von CDU und FDP haben gerade in einer sehr konkreten Frage, nämlich in der Frage des Islamunter

richts, sehr viel Positives erreicht. Deshalb möchte ich an dieser Stelle dem Niedersächsischen Kultusministerium danken, das diese Frage mit Verve vorangebracht hat. Ich finde es nämlich bemerkenswert und positiv, dass wir eben nicht, wie es in anderen Bundesländern teilweise der Fall ist, auf Lehrer, die von Konsulaten gestellt werden, zurückgreifen, sondern dass wir bei uns gezielt Lehrer für islamische Religion auf der Basis unserer Verfassung und unserer Lehramtsstudiengänge ausbilden.

Wir haben jüngst eine große Debatte über islamisches Leben und islamische Kultur in Deutschland gehabt, als es um die Frage der Beschneidung ging. Der Kollege Christian Dürr hat dies auch bei einer Podiumsveranstaltung der Schura thematisiert. Ich finde es wichtig, dass der Deutsche Bundestag die Entscheidung getroffen hat, dass diese Rituale nach islamischer, aber auch jüdischer Religion auch weiterhin in Deutschland möglich sind, und ich hätte mir gewünscht, dass wir noch breiter, als es tatsächlich der Fall gewesen ist, einen Konsens dazu gehabt hätten.

Das Kopftuch gehört aus meiner Sicht nicht in die Schule.

(Zuruf von Filiz Polat [GRÜNE])

Denn wenn ich mit Muslimas spreche, höre ich sehr häufig, dass auch diese das Kopftuch als ein Zeichen der niedrigen Stellung der Frau in der Gesellschaft empfinden. Von daher glaube ich, dass Doris Schröder-Köpf auf einem falschen Weg ist, wenn sie es an den Schulen und Universitäten in Niedersachsen erlauben möchte.

Die Islamisten-Checkliste und die verdachtsunabhängigen Moscheekontrollen sind hier kritisiert worden. Ich möchte für die FDP sehr deutlich sagen, dass wir verdachtsunabhängige Moscheekontrollen genau so wie die Islamisten-Checkliste eindeutig ablehnen. Sie gibt es aber nicht in der niedersächsischen Landespolitik.

(Zurufe von Filiz Polat [GRÜNE] und Sigrid Leuschner [SPD])

Von daher möchte ich klar sagen, dass das vielleicht rückwärtsgewandte, aber keine vorwärtsgewandten Diskussionen sind.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Nein! - Weitere Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN - Glocke des Präsiden- ten)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte auch deutlich sagen, dass es, um einen Dialog auf Augenhöhe zu führen, aus meiner Sicht wichtig ist, solche Diskussionen von Anfang an zu lassen.

Zum Schluss möchte ich noch deutlich machen, dass ich es, wenn wir von einem Dialog auf Augenhöhe reden, wichtig finde, dass wir die Frage der Integration auch zukünftig als Querschnittsaufgabe auf ministerieller Ebene erhalten. Ich halte den Plan, den Herr Weil vorgestellt hat, das wieder auf eine ehrenamtliche Integrationsbeauftragte zu reduzieren, für den falschen Weg. Wir müssen die Integration stärken und dürfen diesen Bereich nicht zurückstufen.

Vielen Dank.