Protocol of the Session on February 18, 2010

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Die Beschlussfähigkeit stelle ich zu einem späteren Zeitpunkt fest.

Ich möchte dem Kollegen Professor Dr. Emil Brockstedt sehr herzlich zu seinem Geburtstag gratulieren und wünsche ihm für das vor ihm liegende neue Lebensjahr Glück und Wohlergehen.

(Beifall)

Mitteilungen des Präsidenten

Zur Tagesordnung. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 27, Dringliche Anfragen. Anschließend erledigen wir die Tagesordnungspunkte 28 bis 39 in der Reihenfolge der Tagesordnung, wobei die Fraktionen sich darauf verständigt haben, zu Tagesordnungspunkt 39 auf eine Aussprache zu verzichten, sodass zu diesem Beratungsgegenstand nur noch die Abstimmung durchgeführt werden soll.

Die heutige Sitzung soll demnach gegen 19.05 Uhr enden.

Ich darf Sie herzlich bitten, Ihre Reden rechtzeitig an den Stenografischen Dienst zurückzugeben.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr die Schriftführerin mit.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Entschuldigt hat sich Herr Dr. Sohn von der Fraktion DIE LINKE.

Vielen Dank. - Wir kommen damit zu Tagesordnungspunkt 27:

Dringliche Anfragen

Es liegen drei Dringliche Anfragen vor. Die für die Behandlung Dringlicher Anfragen geltenden Geschäftsordnungsbestimmungen setze ich als all

gemein bekannt voraus. Ich weise Sie wie immer darauf hin, dass einleitende Bemerkungen zu den Zusatzfragen nicht zulässig sind. Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich, sich nach wie vor schriftlich zu Wort zu melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen wollen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 27 a:

Der Fall Schlecker - Was unternimmt die Landesregierung gegen den Missbrauch der Zeitarbeit? - Anfrage der Fraktion der SPD - Drs. 16/2208

Dazu erteile ich dem Kollegen Schminke von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön!

Guten Morgen, meine Damen und Herren! Das Geschäftsgebaren der Firma Schlecker stößt parteiübergreifend auf große Kritik und wird zum Anlass genommen, das Rechtsinstitut der Zeitarbeit in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung zu überprüfen.

Die Firma Schlecker ist die größte Drogeriekette Europas. Mehr als 30 000 Beschäftigte arbeiten für dieses Unternehmen. Schlecker ist schon seit Langem durch eine aggressive Preispolitik und einen rüden Umgang mit den Beschäftigten aufgefallen. Bereits 1998 ist das Eigentümerehepaar Schlecker wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 2 Millionen DM verurteilt worden, weil es Hunderten Beschäftigten den Eindruck vermittelte, sie tariflich zu entlohnen, obwohl sie tatsächlich aber unter Tarif bezahlt wurden.

In den letzten Jahren hat das Unternehmen begonnen, seine Stammbelegschaft systematisch durch Leiharbeitnehmer zu ersetzen. Folgendes Vorgehen ist dabei zu beobachten:

Die bisherigen AS-Filialen werden geschlossen, um - häufig in unmittelbarer Nachbarschaft - neue, größere XL-Märkte zu eröffnen. Diese werden von einer anderen Gesellschaft innerhalb der Schlecker-Gruppe geführt. Die bisherigen Mitarbeiter werden betriebsbedingt gekündigt, ein Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB liegt formal nicht vor. Nun werden die bisherigen Beschäftigten für die neue Schlecker-XL-Filiale angeworben. Die Beschäftigten werden jedoch nicht bei Schlecker direkt angestellt, sondern bei der Zeitarbeitsfirma Meniar in Zwickau.

(Johanne Modder [SPD]: Wö? In Zwiggau?)

- In Zwiggau.

Der Geschäftsführer der Zeitarbeitsfirma ist ein langjähriger Personalmanager der Firma Schlecker.

(Unruhe)

Herr Kollege, Sie sollten kurz unterbrechen. Ich möchte, dass die Gespräche in den Fraktionen jetzt beendet werden, damit der Redner die notwendige Aufmerksamkeit hat.

(Johanne Modder [SPD]: Zwiggau!)

- Das gilt aber auch für Ihre eigene Fraktion, Herr Kollege. - Bitte!

Die ehemaligen Schlecker-Beschäftigten verrichten in den neuen Schlecker-XL-Märkten dieselbe Arbeit, ihr Stundenlohn beträgt aber statt 12,70 Euro nur noch 6,78 Euro. Außerdem gibt es weniger Urlaubsanspruch und weder Weihnachts- noch Urlaubsgeld.

Die extrem verschlechterten Arbeitsbedingungen sind darauf zurückzuführen, dass für die Beschäftigten nun nicht mehr der Tarifvertrag des Einzelhandels gilt, sondern ein Tarifvertrag für das Zeitarbeitsgewerbe. Die Zeitarbeitsfirma Meniar wendet einen mit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen geschlossenen Haustarifvertrag an. Es ist aber fraglich, ob diese Vereinigung tariffähig ist. Das Landesarbeitsgericht Berlin hat dies bereits verneint. Nun wird das Bundesarbeitsgericht, das BAG, abschließend zu entscheiden haben, ob diese sogenannte Gewerkschaft Tariffähigkeit besitzt. Sollte das BAG dies verneinen, wäre der Tarifvertrag mit der Folge nichtig, dass den Beschäftigten das Tarifentgelt des Entleihunternehmens - hier also des Einzelhandels - zustünde, und zwar auch rückwirkend.

Zahlreiche Politiker aus allen im Bundestag vertretenen Parteien haben den Fall Schlecker kritisiert und ihn zum Anlass genommen, eine Überprüfung der Rechtsgrundlagen vorzunehmen. So sagte die Bundesarbeitsministerin, Ursula von der Leyen: „Mein Ministerium wird die Vorgänge bei Schlecker sehr genau prüfen.“ Schlupflöcher müssten ge

schlossen werden. Der Arbeitsminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann,

(Heinz Rolfes [CDU]: Ein sehr guter Mann!)

warf Schlecker systematische Tarifflucht vor, „die das soziale Gefüge in Schieflage bringt“.

(Heinz Rolfes [CDU]: Eine Spitzen- kraft!)

- Ist Ihnen nicht gut?

(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD)

In der Unterrichtung „Zeitarbeit heute - Beschäftigungspolitische Wirkung sichern und möglichen Fehlentwicklungen entgegenwirken“ - Drs. 16/2047 vom 21. Dezember 2009 - bewertete die Landesregierung mögliche Fehlentwicklungen bei der Zeitarbeit wie folgt:

„Dass das Instrument Zeitarbeit auf der anderen Seite von Unternehmen in Einzelfällen in einer den Gesetzeszwecken bzw. den Absichten des Gesetzgebers zuwiderlaufenden Art und Weise missbraucht wird, ist ernstlich nicht zu bezweifeln. Die Landesregierung hat aber keine allgemeingültig belastbaren empirischen Hinweise darauf, dass dies über Einzelfälle hinausgehend flächendeckend oder systematisch geschieht.

So zeigt beispielsweise eine im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung 2007 und damit in Hochzeiten der Zeitarbeit von den Wissenschaftlern Bellmann und Kühl des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung erstellte Studie, dass es ‚bislang keinen weit verbreiteten Trend gibt, vollzeitbeschäftigte Stammarbeitnehmer durch Leiharbeiter zu ersetzen’…

Nach dieser Studie setzen nämlich nur 3 % aller Betriebe in Deutschland Zeitarbeitnehmerinnen und Zeitarbeitnehmer ein. Von diesen Entleihunternehmen zählen wiederum nur 10 % zu den sogenannten Intensivnutzern mit mehr als 20-prozentigem Anteil an Zeitarbeitskräften.

Daraus folgt, dass nach der Studie insgesamt nur 0,3 % aller deutschen

Unternehmen und Betriebe das Instrument Zeitarbeit intensiv nutzen.

Gegen die Annahme einer systematischen Verdrängung von Stammbelegschaften durch Zeitarbeitnehmerinnen und Zeitarbeitnehmer spricht unabhängig davon nach Auffassung der Landesregierung aber auch der Umstand, dass im August 2009 nur ca. 1,3 % aller Erwerbstätigen in Deutschland Zeitarbeitnehmerinnen und Zeitarbeitnehmer waren.

Eine Verdrängung der Stammbelegschaften erscheint damit schon rein zahlenmäßig ausgeschlossen zu sein. …

Ein Tätigwerden des Bundesgesetzgebers im Bereich des AÜG - Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - kann damit zumindest auf der Grundlage der gegenwärtig verfügbaren Informationen nach Auffassung der Landesregierung nicht hinreichend begründet gefordert werden.“

Am 9. Februar 2010 hat nun das Bundesverfassungsgericht die gegenwärtige Regelung der sogenannten Hartz-IV-Regelsätze für verfassungswidrig erklärt. Es ist davon auszugehen, dass Langzeitarbeitslose, insbesondere mit Familie, künftig höhere Leistungen erhalten werden. Damit kommt nun ein weiterer Problemkreis hinzu: Es ist nämlich mehr als fraglich, ob das Lohnabstandsgebot zwischen Leistungsbeziehern und schlecht bezahlten Arbeitnehmern, wie z. B. in den Schlecker-XLMärkten, zukünftig noch gewahrt ist.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie beurteilt die Landesregierung die arbeitsrechtliche Situation in den Schlecker-AS- und -XL-Filialen?

2. Ist die Landesregierung weiterhin der Auffassung, dass es sich bei Vorkommnissen wie bei der Firma Schlecker um Einzelfälle handelt, oder zieht sie Konsequenzen in Form eines dringenden Handlungsbedarfes insbesondere für die Überarbeitung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, aber auch für die Regelung über den Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB?

3. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus den Vorgängen bei der Firma Schlecker bei der Frage eines gesetzlichen Mindestlohnes