Protocol of the Session on May 9, 2008

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Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 7. Sitzung im 3. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 16. Wahlperiode und stelle bereits jetzt die Beschlussfähigkeit fest.

Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit der Fragestunde, dem Tagesordnungspunkt 27. Es folgt die Fortsetzung von Tagesordnungspunkt 2, Eingaben. Anschließend behandeln wir die Tagesordnungspunkte in der Reihenfolge der Tagesordnung.

Die heutige Sitzung soll gegen 13.15 Uhr enden.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst wird erinnert.

Es folgen jetzt geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung die Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit, Frau Ross-Luttmann, und der Finanzminister, Herr Möllring, von der Fraktion der CDU Frau Konrath, von der Fraktion der SPD Frau Hartmann und von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Heinen-Kljajić ab 12 Uhr.

Vielen Dank. - Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 27 auf:

Mündliche Anfragen - Drs. 16/115

Ich stelle fest: Es ist jetzt 9.03 Uhr.

Wir kommen zur Frage 1, die von Herrn Will und anderen von der SPD-Fraktion gestellt wird:

Frage 1: Wie steht die Landesregierung zur Altersteilzeit?

Das Wort hat Frau Sabine Tippelt von der SPDFraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 27. Februar 2008 stand die Regierungserklärung des neu gewählten Ministerpräsidenten auf der Tagesordnung des Niedersächsischen Landtages. Da Herr Wulff erkrankt war, konnte er die Regierungserklärung nicht selbst abgeben. Der Text findet sich aber zusammen mit dem Hinweis „Es gilt das gesprochene Wort“ auf der Homepage der Staatskanzlei.

Auf Seite 4 des Redetextes findet sich folgender Text:

„Dass mich niemand falsch versteht: An der Rente mit 67 dürfen wir nicht rühren. Aber wir müssen schon berücksichtigen, dass es Arbeitnehmer gibt, die besonderen gesundheitlichen Belastungen ausgesetzt sind. Hier ist der Wunsch nach einem flexiblen Ausscheiden aus dem Beruf verständlich. Deshalb sollte die Entscheidung, ob Altersteilzeit weiter gefördert wird, in aller Ruhe erörtert werden.“

Statt des Ministerpräsidenten hat der Wirtschaftsminister als dessen Stellvertreter die Regierungserklärung im Plenum vorgetragen. An der oben genannten Stelle ist Minister Hirche vom Manuskript abgewichen und hat ausweislich des Plenarprotokolls diesen Absatz komplett weggelassen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie bewertet sie die Kürzung des Redemanuskriptes durch den stellvertretenden Ministerpräsidenten, und welche Position nimmt die Landesregierung zur Altersteilzeit ein?

2. In welcher Form hat sich die Landesregierung in dieser Frage mit den Sozialpartnern abgestimmt?

3. Welche Schritte hat die Landesregierung bisher unternommen bzw. wird sie unternehmen, um den flexibleren Übergang zwischen Beruf und Ruhestand durch die geförderte Altersteilzeit zu erhalten und zu verbessern?

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Bevor ich die Landesregierung bitte, hier Stellung zu beziehen, darf ich noch folgenden Hinweis geben: Ich wäre dankbar, wenn die Wortmeldungen nach wie vor schriftlich erfolgen würden. Das erleichtert uns hier oben das Handling.

Das war bei der letzten Plenarsitzung so, und ich bitte, das auch heute so zu praktizieren.

Ich darf jetzt die Landesregierung um ihre Ausführungen bitten.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesagentur für Arbeit fördert zurzeit 120 000 Altersteilzeitfälle. Diese Förderung läuft in der jetzigen Form Ende 2009 aus. Sie belastet den Haushalt der Bundesagentur mit rund 1,5 Milliarden Euro im Jahr. Im Koalitionsvertrag von SPD, CDU und CSU von 2005 gibt es die explizite Festlegung, dass diese Anreize zur Frühverrentung beseitigt werden.

Das Altersteilzeitgesetz wurde 1996 von der CDU/CSU-FDP-Bundesregierung als Instrument zur Erleichterung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer vom Erwerbsleben in die Altersrente geschaffen. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels, der demografischen Entwicklung und der gesetzlich bereits geregelten schrittweisen Anhebung der Altersgrenze auf 67 Jahre ist zu prüfen, inwieweit eine wie auch immer ausgestaltete Förderung der Altersteilzeit angesichts dieser Herausforderungen sinnvoll ist.

Für uns ist wichtig, dass die vom Arbeitgeber geleisteten Aufstockungsbeiträge steuer- und sozialabgabenfrei bleiben. Dies ist und bleibt geltendes Recht, unabhängig von der im Gesetz vorgesehenen Befristung der Förderung durch die BA.

Gefragt sind nunmehr zuerst einmal die Tarifvertragsparteien. Die Vereinbarungen zur Altersteilzeit im Rahmen von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen werden von Bedeutung bleiben. Das hat zuletzt der Tarifvertrag zwischen der IG BCE und dem Bundesarbeitgeberverband Chemie deutlich gemacht.

Zur Gestaltung des flexiblen Übergangs von Erwerbstätigkeit zur Altersrente gibt es bereits einige Alternativmodelle, die teilweise lediglich die Anhebung der Altersgrenze für die Inanspruchnahme von Altersteilzeit von bisher 55 Jahren vorsehen, teilweise aber auch einen völligen Systemwechsel andenken. Vor- und Nachteile werden derzeit von allen Seiten diskutiert. Die Landesregierung setzt sich für flexible Lösungen ein, die allerdings nicht Anreize zur Frühverrentung geben sollen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Ich habe den Redetext an verschiedenen Stellen gekürzt, weil von den Häusern so viel zusammengetragen worden war, dass sonst die Regierungserklärung deutlich länger hätte ausfallen müssen. Kürzungen waren erforderlich. Ich habe das zum Beispiel bei vorgeschlagenen Äußerungen zur Bundespolitik umgesetzt, weil ich denke, dass bei einer Regierungserklärung einer Landesregierung die Landespolitik im Vordergrund stehen muss.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Sehr rich- tig! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist eine scharfe Kritik am Ministerpräsi- denten! Der hatte das vor!)

Bei der Bundespolitik ist zuerst die Bundesregierung gefordert. Im Übrigen steht in dem Text, der angeregt worden war, dass die Zukunft der geförderten Altersteilzeit in der Diskussion ist. Diese Aussage kann ich inhaltlich voll unterstreichen, auch das, was im Entwurf stand.

Die bisherige gesetzliche Regelung der Altersteilzeit wird von der Landesregierung wie folgt beurteilt:

Die geförderte Altersteilzeit in der jetzigen Form dient nicht immer dem Ziel des gleitenden Übergangs in die Altersrente. Die geförderte Altersteilzeit führt bei der Bundesagentur für Arbeit zu erheblichen finanziellen Belastungen von derzeit 1,5 Milliarden Euro jährlich. Die Absicht, mit der geförderten Altersteilzeit in gleichem Maße neue Beschäftigungsmöglichkeiten für jüngere Arbeitskräfte oder Auszubildende zu schaffen, hat sich durch die festgelegten Anrechnungsmöglichkeiten nicht bestätigt.

Zu Frage 2: Die Haltung der Sozialpartner zur Zukunft der geförderten Altersteilzeit ist in den einzelnen Branchen unterschiedlich; eine einheitliche Position der Tarifpartner gibt es nicht, daher auch keine abschließende Abstimmung zwischen den Sozialpartnern und der Landesregierung. Die Landesregierung befindet sich in regelmäßigen Gesprächen mit den Sozialpartnern, auch zum Thema Altersteilzeit. Dieser Dialog wird fortgesetzt. Auch der Ministerpräsident hat zu dieser Thematik Gespräche mit der IG Metall Niedersachsen und dem Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall geführt.

Zu Frage 3: Bei der Frage des flexiblen Übergangs zwischen Erwerbstätigkeit und Rente sind vor allem die Tarifpartner gefordert. Es gilt, in Tarifverträgen dazu konkrete Regelungen zu schaffen, die

insbesondere stark belastenden Arbeitsbereichen sowie älteren Beschäftigten mit gesundheitlichen Einschränkungen - sofern diese nicht zu Erwerbsunfähigkeit führen - Rechnung tragen. Die Landesregierung begrüßt, dass es bereits erste konkrete Regelungen in Tarifverträgen dazu gibt. Das soeben abgeschlossene Tarifpaket im Chemiebereich 2008 mit dem darin enthaltenen Tarifvertrag „Lebensarbeitszeit und Demografie“ ist ein hervorragendes Beispiel.

Wir rechnen damit, dass die IG Metall mit den Metallarbeitgebern vielleicht noch einen ähnlichen Vorschlag vorlegen wird. Die Landesregierung ist offen für die Vorschläge der Tarifparteien und wird sich deswegen mit Offenheit an dem Dialog beteiligen, auch in Richtung Bundesregierung. Das, was Sie in das Weglassen einer Passage aus Gründen der zu langen Fassung hineingeheimnissen, wird Ihnen nicht helfen, in diese Frage einen Dissens zwischen der CDU und der FDP in Niedersachsen hineinzubringen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Sehr richtig!)

Eine Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Will von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass die geförderte Altersteilzeit 2009 wegfallen soll, frage ich die Landesregierung: Welche Erwartungen hat sie bei der Zunahme von Frühverrentungen bei besonders belastenden Berufen, und wie will sie dagegen vorgehen, um diese Frühverrentungen nicht zu stark ansteigen zu lassen?

Herr Minister Hirche, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Will, Sie haben genau den Problembereich beschrieben, in dem sich die Diskussionen bei den Tarifparteien und in der Bundesregierung bewegen. Es gibt eine allgemeine Bereitschaft dazu - dies merke ich an Ihrer Fragestellung -, auch in Zukunft flexible Formen im Bereich der Altersteilzeit zu haben, aber das zu vermeiden, was mit

dem jetzigen Modell eingetreten ist, nämlich Blockfrühverrentung. Aber Gott sei Dank sind die Menschen noch immer pfiffiger als jedes Gesetz und jede Vorschrift.

Zum Zeitpunkt der Formulierung dieses Modells der Altersteilzeit war nicht absehbar, dass insbesondere die großen Unternehmen dies als Instrument zum Personalabbau nutzen würden, statt das zu machen, was zu dem Zeitpunkt unser aller Hoffnung war, nämlich die sogenannte Generationenbrücke zu schaffen, also für ältere Arbeitnehmer, die ausscheiden, junge in den Betrieb zu nehmen.

Das Ansinnen, wenn über neue Modelle nachgedacht wird, ist, zu vermeiden, dass das passiert, was ich einmal als Missbrauchsnutzung bezeichnen würde, ohne dass dies jedoch illegal ist. Das eigentliche Problem ist hier, nicht nur etwas Legales, sondern auch etwas Sinnvolles zu finden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Eine weitere Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Siebels von der SPD-Fraktion.