Protocol of the Session on May 9, 2008

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Wie bewertet die Landesregierung heute den Antrag der SPD-Fraktion „Berufstätigkeit älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fördern - Rentenzugang flexibel gestalten“ aus dem September 2007, mit dem u. a. eine Bundesratsinitiative zur Fortsetzung der geförderten Altersteilzeit gefordert wurde und der von den Fraktionen der CDU und der FDP kategorisch abgelehnt wurde?

(Astrid Vockert [CDU]: Nur für die Zu- kunft: Fragen dürfen nicht verlesen werden!)

Herr Minister Hirche, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussion über dieses Thema war damals nützlich und bleibt auch weiterhin nützlich. In einem Parlament gibt es immer wieder Streit darüber, ob Formulierungen, die von der einen oder anderen Seite auf den Tisch gelegt werden, für die jeweils

andere Seite akzeptabel sind. Das war hier nicht der Fall. Ich erinnere trotzdem daran.

Von meiner Partei, der FDP, gibt es beispielsweise auf Bundesebene Vorschläge, Flexibilität in Arbeitszeitverlängerungen hinzubekommen. Von der jetzigen Bundesregierung aus SPD, CDU und CSU gibt es Überlegungen, wie man dieses harte Schwert an einer Stelle vermeidet und verhindert, dass durch diese Regelungen in Zukunft ältere Leute eher aus dem Beruf herausgedrängt werden, als dass für jüngere eine neue Chance vorhanden ist. Meine Damen und Herren, in diesem Sinne bekräftige ich die konstruktive Offenheit der Landesregierung in dieser Frage.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Eine weitere Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Frau Tippelt von der SPD-Fraktion.

(Ronald Schminke [SPD] geht zum Redepult)

- Wir korrigieren das. Ich bitte um Ihre Frage. Dass Sie nicht Frau Tippelt sind, scheint allen klar zu sein.

(Heiterkeit - Wolfgang Jüttner [SPD]: Hast du ins falsche Fach gegriffen?)

Ich habe ins falsche Fach gegriffen.

(Heiterkeit und Beifall)

- So kann man auch mit kleinen Sachen dem Parlament am frühen Morgen eine große Freude machen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Ich frage die Landesregierung, ob sie die Beschlüsse des SPD-Parteipräsidiums zur Kenntnis genommen hat und wie sie diese zur Weiterentwicklung der Altersteilzeit und Teilzeitrente bewertet.

Herr Minister Hirche, bitte!

Herr Präsident, der Landesregierung steht es ja frei, wer antwortet. Insofern habe ich mich zu Wort gemeldet.

Im Raum steht die koalitionsvertragliche Vereinbarung von 2005, die wir eben zitiert haben. Danach haben sich Ihre Partei in Berlin und unsere - bis

auf die FDP als unser Koalitionspartner - darauf verständigt, alle Anreize zur Frühverrentung zu beenden. Damit liefe diese Regelung Ende 2009 aus. Die Gründe, die erst einmal dafür sprechen, scheinen mir völlig plausibel zu sein, nämlich dass wir mehr Beitragszahler und dass wir früher und länger Beitragszahlung brauchen. Bereits jetzt gibt es einen ausgesprochen positiven Effekt; denn die Arbeitslosenversicherungsbeiträge konnten inzwischen auf 3,3 % abgesenkt werden. Das bedeutet die Umsetzung der notwendigen Forderung: Mehr Netto vom Brutto. - Dies hat auch die Schaffung von Arbeitsplätzen ermöglicht.

Die zweite Bemerkung: Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels brauchen wir natürlich flexible, fließende Übergänge in die Rente. In diesem Zusammenhang ist der Landesregierung wichtig, dass die Aufstockungsbeiträge, auf die sich Tarifvertragsparteien einigen, weiterhin langfristig unbefristet steuer- und sozialabgabenfrei bleiben.

Dann stellt sich aber die Frage - wir sind ja in Gesprächen mit Hartmut Meine von der IG Metall und auch mit den Metallindustriellen; das wissen Sie -: Gibt es eine eigenständige Initiative der SPD in Berlin? Gibt es eine eigenständige Initiative der CDU/CSU in Berlin, oder gibt es sie über den Bundesrat vonseiten der Länder? - Dazu sagen wir: Wir warten jetzt erst einmal die Debatte der Tarifvertragsparteien im Metallbereich ab - die Tarifvertragsverhandlungen laufen -, ob es dort zu ähnlichen Ergebnissen kommt wie bei der Chemie. Herr Schmoldt hat ja gerade einen sehr innovativen, modernen Tarifvertrag mit der Chemieindustrie bekannt gegeben.

Ich gebe hier ganz frank und frei zu, dass wir im Moment - dies haben Sie gestern und vorgestern gespürt - eine Reihe von Baustellen mit Berlin haben: Wir haben das Thema Elbvertiefung mit Herrn Tiefensee. Wir haben das Thema VWGesetz mit Herrn Glos, das Thema Erdkabelgesetz mit Herrn Glos und Herrn Gabriel, das Thema Arbeitsverwaltung mit Herrn Scholz und das Thema Schulmittagsspeisung mit Herrn Steinbrück. Hier stellt sich die Frage, ob wir vor dem Abschluss der Tarifverhandlungen mit einer eigenen Bundesratsinitiative die Konfliktfelder in ihrer Anzahl weiter steigern oder ob wir nicht erst einmal einige Dinge, wie z. B. das VW-Gesetz, in der nächsten Woche durch das Kabinett, durch den Bundestag und Bundesrat bringen und die Zahl der Konfliktfelder damit überschaubar halten. Das ist einer der Gründe, warum wir die Tarifvertragsverhandlungen

abwarten, um deren Innovationskraft anhand des Beispiels aus der Chemieindustrie zu testen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Eine weitere Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Lies von der SPD-Fraktion, wenn er nicht ins falsche Fach gegriffen hat.

Nein, habe ich nicht. - Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage konkret die Landesregierung: Haben sich der Ministerpräsident und sein Stellvertreter vor der Rede abgestimmt, welche Passagen im Manuskript vorgetragen werden? Die Passage Altersteilzeit ist auf Seite 4 des 40-seitigen Manuskriptes, nimmt also eine sehr hohe Bedeutung ein. Ich möchte gerne eine konkrete Antwort darauf bekommen.

Herr Minister Hirche, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben natürlich darüber gesprochen. Der Ministerpräsident hat mir plein pouvoir - volle Freiheit - gegeben, Teile wegzulassen oder hinzuzufügen oder etwas anderes zu machen.

(Oh! bei der SPD - Wolfgang Jüttner [SPD]: Vertrauensvorschuss!)

- Genau, Herr Jüttner hat das richtige Wort gefunden. - Insofern besteht hier eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Regierungschef und Stellvertreter.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Eine weitere Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Will von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, Tarifpolitik braucht verlässliche Rahmenbedingungen. Wir wissen, dass die IG Metall zurzeit in weiten Teilen ihrer Tarifgebiete das Thema Altersteilzeit auf die Tagesordnung gesetzt und in die Verhandlungen eingebracht hat.

Sie haben sich auf den Standpunkt gestellt: Wir wollen abwarten, was im Tarifvertrag zustande kommt.

Wenn man aber verlässliche Rahmenbedingungen als Voraussetzung fordert, müsste jetzt klar sein, wie die Altersteilzeit weitergeführt werden soll. Zumal auch der Bundesarbeitsminister Vorstellungen hat, wie dies weitergeführt werden soll, wäre es sinnvoll, wenn das Land Niedersachsen dies mit einer Bundesratsinitiative unterstützt.

Das Wort hat der Herr Ministerpräsident.

Herr Kollege Will, Ihr Bundesarbeitsminister Müntefering hat dies 2005 so formuliert. Insofern hat er die Rahmenbedingungen für die Verhandlungen und die momentane Lage geschaffen. Davon sollten Sie sich nicht verabschieden, wie es hier den Anschein hat, sondern Sie sollten zu dem stehen, was Ihr Bundesarbeitsminister damals vertraglich für die Jahre 2005 bis 2009 verhandelt hat. Wenn jetzt auch Herr Scholz den Eindruck hat, Veränderungen seien vielleicht notwendig, so deckt sich das mit unseren Eindrücken. Auch von uns wird durchaus Handlungsbedarf gesehen. Diesen Handlungsbedarf zu schaffen, ist aber etwas anderes, als ihn nur zu sehen. Darauf, warum das so schwierig ist, habe ich hingewiesen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine weitere Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Jüttner von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass es augenscheinlich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den beiden Herren dort auf der Regierungsbank gibt

(Unruhe bei der CDU - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Welche beiden meinen Sie? Da sitzen ja mehrere!)

- wollen Sie den Begriff „Herr“ infrage stellen? -

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Vielleicht gibt es jetzt einen Ordnungsruf, wer weiß?)

drängt sich mir der Eindruck auf, dass die gleiche Intimität zwischen der Parteivorsitzenden der CDU

und ihrem Stellvertreter nicht gegeben ist. Herr Wulff, ist mein Eindruck richtig, dass die Bundeskanzlerin in ihrer Rede zur Eröffnung der Hannover Messe am 20. April ungewöhnlicherweise nicht nur zu den Themen Globalisierung und Gastland Japan Stellung genommen hat, sondern sich für alle Anwesenden sehr unvermittelt sehr drastisch dahin gehend geäußert hat, dass eine geförderte Altersteilzeit in Deutschland auf keinen Fall infrage komme, und dass diese Passage von ihr nur deshalb in ihre Rede aufgenommen wurde, um dem in der ersten Reihe sitzenden Ministerpräsidenten deutlich zu machen, dass er den öffentlichen Eindruck, er sei für geförderte Altersteilzeit, schnell zu den Akten legen solle.

(Beifall bei der SPD - Reinhold Coe- nen [CDU]: Ach, Herr Jüttner!)

Herr Ministerpräsident, bitte!

Die Landesregierung betrachtet solche Formulierungen von Anfragen immer als eine gewisse Chance, sich in das Seelenleben von Sozialdemokraten hineinversetzen zu können.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich kann mir eine große Vielfalt zwischen der von Herrn Jüttner in den Raum gestellten Intimität und der Art vorstellen, wie offenkundig bei Ihnen gemeinsam Botschaften ausgegeben werden, dass Herr Beck, Herr Steinmeier oder Herr Steinbrück denen, die vorn in der ersten Reihe sitzen, die jeweiligen Botschaften des Tages ausgeben. Bei uns innerhalb der Union ist das nicht der Fall. Sie müssen sich keine Sorgen machen, dass im Verhältnis der Zusammenarbeit zwischen Frau Merkel und mir in dieser Art und Weise bei der Eröffnung der Hannover Messe politische Botschaften ausgegeben werden.