Protokoll der Sitzung vom 07.10.2010

unter Einbeziehung polizeilicher Überwachungsmaßnahmen weiterhin unterstützen.

Unter unfallstatistischen Gesichtspunkten können ländliche und urbane Bereichen nur anhand der Kriterien „innerhalb geschlossener Ortschaften“ und „außerhalb geschlossener Ortschaften“ differenziert werden. Eine Auswertung der niedersächsischen Unfallstatistik des Jahres 2009 zeigt dazu auf, dass von alkoholisierten Fahrradfahrern 472 Unfällen „innerhalb geschlossener Ortschaften“ und 68 Verkehrsunfälle „außerhalb geschlossener Ortschaften“ verursacht wurden. Damit ereignet sich zwar mit ca. 87,4 % der ganz überwiegende Teil dieser Unfälle „innerhalb geschlossener Ortschaften“. Der Anteil schwerer Personenschäden ist jedoch bei den Unfällen „außerhalb geschlossener Ortschaften“ deutlich höher. Getötete und schwer verletzte Unfallopfer sind hier mit ca. 4,7 % bzw. ca. 32,4 % deutlich häufiger zu verzeichnen als „innerhalb geschlossener Ortschaften“ mit ca. 0,2 % bzw. 18 %.

Von einer alkoholbeeinflussten Verkehrsteilnahme gehen unabhängig von dem genutzten Verkehrsmittel grundsätzlich immer erhebliche Verkehrsgefahren aus. Differenzierungen nach Verkehrsmitteln und Örtlichkeiten erscheinen in diesem Zusammenhang nicht zielführend.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen des Abgeordneten Enno Hagenah namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Siehe Vorbemerkungen.

Zu 2: Siehe Vorbemerkungen.

Zu 3: Die niedersächsische Polizei bündelt große Teile ihrer Drogen- und Alkoholprävention in dem Verkehrssicherheitsprogramm „Don`t drug and drive“. Das Programm richtet sich an Kinder und Jugendliche ab der 8. Klasse sowie junge Erwachsene. In ihren Präventionsveranstaltungen an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen, Fahrschulen, Vereinen und weiteren Institutionen wie der Bundeswehr oder den Feuerwehren hat die Polizei Niedersachsen in den Jahren 2005 bis 2008 mehr als 100 000 junge Menschen erreicht.

Darüber hinaus beteiligt sich die niedersächsische Polizei an der Durchführung einer Vielzahl präventiver Aktionen und Programme, in denen auch die Gefahren (und Folgen) einer alkoholbeeinflussten Verkehrsteilnahme einschließlich der besonderen Gefahrenaspekte des Fahrradverkehrs kommuniziert werden. Letzteres gilt naturgemäß insbesondere für präventive Maßnahmen und Kampagnen

im Zusammenhang mit dem Fahrrad, wie z. B. Fahrradkodieraktionen.

Im Auftrag der Landesregierung führt die Landesverkehrswacht Niedersachsen e. V. mit ihren 111 Orts- und Kreisverkehrswachten seit 10 Jahren landesweit das Präventionsprogramm „FahrRad… aber sicher!“ durch. Im Rahmen dieses Programms werden umfassende Informationen über Unfallrisiken und unfallprophylaktische Verhaltensweisen beim Radfahren vermittelt, die selbstverständlich auch die Folgen des Missbrauchs von Alkohol am „Fahrradlenker“ umfassen.

Weitere Präventionsmaßnahmen der Niedersächsischen Landesverkehrswacht stellen Informationsveranstaltungen, wie die „Verkehrssicherheitstage“ oder mobile „Fahrradwerkstätten“ zur Überprüfung der Verkehrstauglichkeit von Fahrrädern dar, bei denen ebenfalls gefahrenaufklärende und verhaltensbeeinflussende Informationen zum Thema „Alkohol“ gegeben werden.

Zusätzlich werden in allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen Präventionsmaßnahmen gegen Alkohol und Drogenmissbrauch durchgeführt, wie beispielsweise das Programm „Personale Kommunikation“ und in der Region Hannover „Fit im Straßenverkehr?“.

Das im Jahr 2002 an den niedersächsischen Schulen eingeführte „Curriculum Mobilität“ befasst sich in seinem Baustein „Verdammt in Rausch und Drogen“ mit Phänomenen des Suchtverhaltens in Verbindung mit Mobilität. Dazu gehört insbesondere das Thema „Fahren unter Alkoholeinfluss“. Dieser Baustein wird vom Primarbereich bis zum Sekundarbereich II einschließlich berufsbildender Schulen jeweils alters- und verkehrsartbezogen umgesetzt.

Anlage 37

Antwort

des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung auf die Frage 39 der Abg. Jan-Christoph Oetjen und Dr. Gero Clemens Hocker (FDP)

Der Nordseeschnäpel - Eine vergessene Fischart?

Der durch die FFH-Richtlinie geschützte Nordseeschnäpel (Coregonus oxyrhinchus L.) lebt an den Küsten der südöstlichen Nordsee und ist somit auch in den Ästuaren von Ems, Weser und Elbe und dem unmittelbar angrenzendem Wattenmeer beheimatet. Der bereits im

18. Jahrhundert begehrte anadrome Speisefisch galt bis vor einigen Jahren in Deutschland als ausgestorben, und es gab nur noch einem Restbestand in der südjütländischen Vidau. Als Ursachen für den Bestandsrückgang des zur Familie der Lachse zählenden Fisches gelten u. a. Gewässerverschmutzungen, wasserbauliche Maßnahmen, starke Überfischung und Eingriffe in die Laichhabitate. Wiederansiedlungsprojekte, z. B. in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, versuchen, den Bestand des Nordseeschnäpels zu sichern und wieder zu vergrößern.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Hat die Landesregierung Erkenntnisse über den Bestand und die Bestandsentwicklung des Schnäpels (Coregonus oxyrhinchus L.) in der Nordsee, insbesondere im Wattenmeer, und in den niedersächsischen Flüssen?

2. Welche Maßnahmen können der Bestandssicherung und -entwicklung des Nordseeschnäpels dienen, welche sind geplant und welche setzt die Landesregierung gegebenenfalls bereits um?

3. Wie beurteilt die Landesregierung das wirtschaftliche Potenzial von Schnäpeln als Speisefische?

Die als Nordseeschnäpel bezeichnete Wandermaräne stieg ehemals aus den marinen Aufwuchsgebieten im Wattenmeer zur Fortpflanzung bis in die Mittelläufe von Elbe, Weser und Ems auf.

Der Nordseeschnäpel war seinerzeit ein wertvolles, saisonales Fangobjekt der Küsten- und Binnenfischerei (Nolte 1976), insbesondere in der Elbe, wo die Fischart bei Otterndorf auch „zahlreich auf den Watten gefangen“ wurde (v. d. Borne 1882). Giesecke (1914) schätzte den damaligen Fang in den Küstengewässern der Unterelbe auf etwa 7 500 kg jährlich.

Als Reaktion auf den Rückgang der Bestände wurde bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit intensiven künstlichen Erbrütungsmaßnahmen des Schnäpels begonnen. So wurden beispielsweise 1897 von der Fischzuchtanstalt Bienenbüttel der königlichen Landwirtschafts-Gesellschaft (Zentral- Verein für die Provinz Hannover) 1 350 000 Stück Nordseeschnäpelbrut nach Hameln, Neustadt a. R., Delme, Osten, Bremervörde, Havelberg, Hitzacker, Lösegraben, Lüneburg, Meckelfeld und Bienenbüttel versandt bzw. ausgesetzt.

Trotz dieser Bemühungen sind die Bestände des Schnäpels vermutlich nach 1920 weitgehend erloschen, soweit sich dies aus vorliegenden Fangaufzeichnungen nachvollziehen lässt. Als wesentliche Ursachen werden damalige Strombaumaßnahmen im Zusammenhang mit der Schifffahrt angesehen,

die den Verlust der Laichplätze zur Folge hatten (ehemalige Laichplätze im Elbegebiet lagen insbe- sondere oberhalb der Havelmündung zwischen Tangermünde und Sandau). Daneben kann auch die intensive Befischung während der Laichwanderung zum Niedergang der Bestände beigetragen haben (Nolte 1976).

Die Art „Coregonus oxyrhynchus (anadrome Popu- lationen in bestimmten Gebieten der Nordsee)“ ist in den Anhängen II und IV der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie gelistet.

Im Zusammenhang mit der Umsetzung der FFHRichtlinie hat sich im Rahmen aktueller Untersuchungen zur Taxonomie der Coregonen jedoch gezeigt, dass Coregonus oxyrhynchus (LINNAEUS, 1758) in der emendierten Fassung nach Freyhof & Schöter (2005) ausschließlich in Rhein, Maas und Schelde sowie SO-England vorkam und offenbar seit ca. 1940 weltweit ausgestorben ist.

Zum Zeitpunkt der Aufstellung der FFH-Richtlinie war jedoch unter der Bezeichnung „Coregonus oxyrhynchus“ u. a. die Population der dänischen Vidar gemeint, die heute zu Coregonus maraena (BLOCH, 1779) gestellt wird (Freyhof & Schöter 2005) oder möglicherweise ein noch unbekanntes Taxon repräsentiert (Kottelat & Freyhof 2007).

Bei den (in der Nordsee) vorkommenden Populationen von C. maraena handelt es sich damit um C. oxyrhynchus im Sinne von Anhang II und IV der FFH-Richtlinie. Statt „Nordseeschnäpel“ wird die in niedersächsischen Gewässern vorkommende, anadrome Wandermaräne deshalb nachfolgend vereinfachend als „Schnäpel“ bezeichnet.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass zu der immer noch taxonomisch umstrittenen Einheit der Coregonen z. B. auch die in den Seen des Alpen- und Voralpengebietes vorkommenden Blaufelchen, Gangfische u. a. gehören.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Aktuelle Nachweise des Schnäpels in Niedersachsen gibt es nur aus dem Gebiet der Tideelbe; diese gehen ausschließlich auf Besatzmaßnahmen zurück:

- Seit 1997 werden in nahezu allen niedersächsischen Zuflüssen zur Tideelbe (Ilmenau, Seeve, Este, Lühe, Schwinge, Oste/Mehe) Besatzmaßnahmen durchgeführt, finanziert aus Mitteln der Fischereiabgabe Hamburg und koordiniert durch

den Angelsport-Verband Hamburg e. V. (Anmer- kung: zahlreiche Hamburger Angelfischereiverei- ne haben Gewässerstrecken im niedersächsi- schen Umland gepachtet). Insgesamt wurden bis 2010 etwa 850 000 Jungfische in die Gewässer eingebracht. Hinzu kommen Jungfische aus Besatzprogrammen in Schleswig-Holstein.

- Erste Versuche zur Wiederansiedlung des Schnäpels in der Mittelelbe - die bedeutendsten historischen Laichplätze des Schnäpels haben oberhalb der Havelmündung gelegen - durch das Land Sachsen-Anhalt wurden nach siebenjähriger Projektlaufzeit im Jahre 2006 wegen Erfolglosigkeit beendet. Als Gründe dafür wurden das für aufsteigende Laichfische als nahezu unüberwindbar eingestufte Stauwehr Geesthacht sowie Strombaumaßnahmen, die zum Verlust von Laichhabitaten führten, angesehen.

In der Tideelbe zwischen Fliegenberg und Medemgrund wurden im Rahmen von wissenschaftlichen Beprobungen und durch die Berufsfischerei (Ha- menfischerei) in den vergangenen Jahren regelmäßig Schnäpel verschiedener Altersklassen nachgewiesen, meist jedoch Einzelfische oder allenfalls wenige Exemplare. In den letzten Jahren konnten daneben auch mehrfach kleinere Gruppen aufsteigender Laichfische unterhalb des Wehres Geesthacht oder in der Lühe beobachtet werden. Darüber hinaus wurden 2009 erstmalig einzelne Schnäpel während der Fischaufstiegszählungen am Fischpass Geesthacht registriert. Hinweise auf eine erfolgreiche natürliche Reproduktion liegen jedoch bisher nicht vor.

Aus den Ästuaren von Weser und Ems liegen aus den letzten 20 Jahren keine Nachweise des Schnäpels vor. Auch in der Unterweser wurden während der zahlreichen wissenschaftlichen Beprobungen im Zusammenhang mit Ausbaumaßnahmen keine Schnäpel nachgewiesen.

Hinsichtlich der Bestandsgröße und möglichen Aufwuchsgebieten im Wattenmeer liegen dem Staatlichen Fischereiamt Bremerhaven keine Erkenntnisse vor.

Zu 2: Das Vorkommen des Schnäpels im Flussgebiet der Elbe rekrutiert sich derzeit wie bereits dargelegt ausschließlich aus Besatzmaßnahmen. Maßnahmen zur Bestandsicherung und -entwicklung werden sich deshalb vordringlich darauf konzentrieren müssen, über Besatzmaßnahmen und kontrollierte Zwischenvermehrung (Abstreifen zu- rückkehrender Laichfische, Erbrütung und Vorzie- hen der Larven in Aquakultur) mittelfristig einen

hinreichend großen Bestand an potenziellen Laichfischen aufzubauen.

Der Aufbau eines natürlich reproduzierenden Bestandes wird jedoch nur gelingen, wenn sich auch die Gefährdungsursachen, die seinerzeit zum Erlöschen des Bestandes geführt haben, langfristig durch geeignete Maßnahmen abstellen lassen.

Mit dem Erlass „Wasserwirtschaftliche Unterhaltung an Bundeswasserstraßen“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 10. Februar 2009 und der kürzlich erfolgten Inbetriebnahme einer zweiten Fischwanderhilfe am Stauwehr Geesthacht haben sich zwischenzeitlich auch an der Mittelelbe die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Wiedereinbürgerung in der Elbe als ehemaligem Kernverbreitungsgebiet erheblich verbessert.

Vor diesem Hintergrund wurden im Mai 2010 - initiiert durch die Biosphärenreservatsverwaltung „Niedersächsische Elbtalaue“ - erstmalig 42 000 Schnäpelsetzlinge in der Größe von 2 bis 3 cm in einen Elbealtarm nördlich Bleckede ausgesetzt. Ob diese aus Landesmitteln finanzierten Besatzmaßnahmen auch in den kommenden Jahren fortgeführt werden, ist derzeit noch offen.

Die Maßnahmen, die zur Verbesserung des Erhaltungszustandes des Schnäpels (Art 1113 Corego- nus oxyrhynchus i. S. von Anhang II der FHH-RL) in der Elbe und den Unterläufen einiger Zuflüsse als potenziellen Laichgewässern erforderlich sind, werden derzeit im Zusammenhang mit Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie zusammengestellt. Dazu zählen u. a. eine verbesserte Anbindung zwischen Laichplätzen in den Binnengewässern und den Aufwuchsgebieten in Ästuaren und Wattenmeer durch geeignete Fischwanderhilfen, die Reduzierung der Mortalität von Jungfischen durch Kühlwasserentnahmen in den Ästuaren sowie die Sicherung potenzieller Laichhabitate in der Mittelelbe und die Entwicklung naturnaher Habitatstrukturen in potenziell geeigneten Elbezuflüssen.

Da jedoch sämtliche Wasserkörper der Elbe als „erheblich verändert“ ausgewiesen wurden und somit als Umweltziel das „gute ökologische Potenzial“ erreicht werden muss, bleibt abzuwarten, ob sich wirkungsvolle Schutzmaßnahmen für den Schnäpel vor dem Hintergrund der vielfältigen, mit dem Fischartenschutz konkurrierenden Nutzungsansprüche (u. a. Schifffahrt, Hafenwirtschaft, Ener- gieerzeugung, Hochwasserschutz) mittelfristig umsetzen lassen.

Zur grundsätzlichen Abstimmung zwischen den Schutzerfordernissen im Zusammenhang mit europäischen Naturschutzrichtlinien (FFH-Richtlinie, Vogelrichtlinie) sowie den Nutzungsinteressen an der Tideelbe wird deshalb unter Federführung des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz ein „Integrierter Bewirtschaftungsplan Elbeästuar“ erarbeitet und mit Schleswig-Holstein, Hamburg, Hamburg Port Authority (HPA) sowie der Bundeswasserstraßenverwaltung (WSD Nord) abgestimmt. Ein vergleichbarer integrierter Bewirtschaftungsplan wird auch für das Weser- und das Emsästuar erarbeitet.

Zu 3: Innerhalb Deutschlands zählen wandernde Coregonen (jedoch nicht Art 1113 Coregonus oxyrhynchus i. S. von Anhang II der FFH-RL) oder Seeformen regional (Schleswig-Holstein, Mecklen- burg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen, Baden-Württemberg, Bayern) zu den bedeutenden Wirtschaftsfischen der Fluss- und Seenfischerei. So wurden in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2007 insgesamt etwa 280 t Große Maränen sowie etwa 80 t Kleine Maränen gefangen.

Über die bisherige Produktion von Coregonen in der Aquakultur (Teichwirtschaften, Kreislaufanla- gen, Netzgehege) liegen dagegen keine näheren Informationen vor. Ziel eines derzeit anlaufenden Pilotprojektes in Mecklenburg-Vorpommern ist die Etablierung einer Ostseeschnäpel-Aquakultur mit einer Jahresproduktion von 300 bis 500 t Speisefischen.