Protokoll der Sitzung vom 18.08.2016

Nährstoffen überlebenswichtig. Natürlicherweise ist die Milch der eigenen Mutter ein Garant für die optimale Ernährung der Kleinen. Doch ihre Wirkung geht weit über die Gewichtszunahme hinaus. Muttermilch lässt die Darmflora des Kindes reifen, stärkt unmittelbar das Immunsystem und beugt Säuglingssterblichkeit vor.

Doch werden Kinder zu früh entbunden, ist es vielen Müttern unmöglich, ihr Kind auf diese Weise zu unterstützen. Sie können ihr Kind nicht stillen; denn in dieser frühen Phase konnte ihr Körper noch keine Milch bilden. Die Verträglichkeit der löslichen Milchpulver variiert von Kind zu Kind stark. Unter Umständen belasten sie das Frühgeborene zusätzlich und kommt es zu den besagten Komplikationen.

Muttermilch ist natürlich verträglich und mit über 200 verschiedenen Zuckermolekülen unheimlich komplex. Sie ist unmöglich durch industrielle Säuglingsnahrung zu imitieren. Man kann sagen: Stillen ist der richtig Weg, um sein Kind zu unterstützen. Muttermilch verleiht gerade Frühchen das Rüstzeug, um sich gegen äußere Einflüsse und Folgeschäden zu schützen.

Zahlreiche Kinderärzte und die Nationale Stillkommission unterstützen, dass Frühgeborene oder kranke Neugeborene, die nicht oder noch nicht gestillt werden können, möglichst mit abgepumpter Muttermilch der eigenen Mutter oder gegebenenfalls mit gespendeter Milch ernährt werden. Spenden können Mütter in eigens dafür eingerichteten Muttermilchbanken, die in Deutschland zurzeit 15 Kinderkliniken angeschlossen sind. Meist sind es Mütter, die selbst in diesen Kliniken entbunden haben und schon im Vorfeld zahlreiche gesundheitliche Untersuchungen durchlaufen haben. Sie spenden gern, weil es anderen Kindern zugutekommt. Ihre Muttermilch wird bakteriologisch untersucht und pasteurisiert, Infektionskrankheiten werden ausgeschlossen und höchste hygienische Standards eingehalten.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt, wie gesagt, 15 deutsche Muttermilchbanken: in Berlin, Chemnitz, Cottbus, seit Neuestem auch in Dortmund. Keine einzige befindet sich in Niedersachsen! Es wird Zeit, das zu ändern.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir von SPD und Grünen setzen uns deshalb mit unserem Antrag zum Wohle der Kinder in Nieder

sachsen für die Einrichtung einer Muttermilchbank in Niedersachsen ein. Die idealen Voraussetzungen haben Kliniken mit Level 1, Perinatalzentren, die es u. a. in Hannover und Wolfsburg gibt. Ich möchte kurz aufführen, was ein solches Level-1Krankenhaus vorhalten muss: Die Level-1-Perinatalzentren werden von Neonatologen und ärztlichen Geburtshelfern und -helferinnen geleitet. Entbindungsstation, OP und Neugeborenen-Intensivstation mit mindestens sechs Plätzen sind räumlich miteinander verbunden. Besonders Risikoschwangerschaften können hier optimal versorgt werden.

Das Projekt soll in zwei Jahren evaluiert werden, um es zu bewerten und die Anwendbarkeit auf weitere Level-1-Kliniken in Niedersachsen zu prüfen.

Muttermilchbanken können nicht nur für Frühchen überlebenswichtig sein. Auch Säuglinge von Müttern, die aus anderen Gründen eine stark eingeschränkte Milchproduktion haben, können von ihr profitieren. Aus der Not heraus bestellen Mütter Muttermilch im Internet. Das Risiko, dem Säugling mit Muttermilch aus diesen Onlinebörsen ausgesetzt sind, kann man sich vorstellen. Die Muttermilch kann mit infektiösen Bestandteilen sowie Rückständen von Medikamenten, Tabak oder Drogen belastet sein. Sie wird ohne gesundheitliche Vorprüfung gegen Geld abgegeben.

Ich bin mir sicher, dass auch Sie es unerträglich finden, dass mit Muttermilch zulasten von Säuglingen ein profitables Geschäft für Onlinehändler gemacht wird. Wir bitten deshalb, dass sich die Landesregierung auf Bundesebene dafür einsetzt, rechtliche Möglichkeiten zu prüfen, um den privaten Handel mit Muttermilch zu unterbinden.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss und hoffe auf Ihre Unterstützung.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Es hat sich Elke Twesten, Bündnis 90/Die Grünen, gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Muttermilch - Riskante Fütterung“ - so titelte Die Zeit bereits im Juni 2014. Daraufhin überboten sich

die Inserate. Das Angebot wird zu Recht argwöhnisch betrachtet.

Zunächst möchte ich festhalten - das wissen wir alle -: Muttermilch ist eines der besten Erstnahrungsmittel. Deshalb ist es aus medizinischen Gründen richtig, diese für Frühchen und für Babys mit gesundheitlichen Problemen vorzuhalten. Gerade bei zu früh geborenen Kindern ist es den Müttern oft noch nicht möglich zu stillen. Da aber gerade Frühgeborene besonders auf die ideale Versorgung mit Nährstoffen und Antikörpern angewiesen sind, kann diesen Babys auch die Milch anderer Frauen helfen. Für sie wollen wir auch in Niedersachsen eine sogenannte Muttermilchbank einrichten. Hier wäre es dann möglich, dass Frauen unter sterilen Bedingungen ihre überschüssige Muttermilch spenden. Hier wäre der angemessene Rahmen, um die gespendete Milch professionell zu verarbeiten und zu lagern, bis sie aus medizinischen Gründen benötigt wird.

Während im Osten Deutschlands solche Muttermilchbanken gang und gäbe sind, haben sich im Westen mit München und Dortmund erst zwei Bundesländer auf den Weg gemacht, diese Chancen für Frühchen zu nutzen. Auch wir in Niedersachsen könnten uns gut vorstellen, an einer geeigneten Kinderklinik ein solches Modell durchzuführen.

Unser zweites Anliegen ist es allerdings, die gefährlichen Entwicklungen im Onlinehandel zu stoppen. Hier hat sich in den vergangenen Jahren das Geschäftsmodell „Muttermilch“ entwickelt. Das ist gesundheitlich höchst bedenklich und aus Verbraucherschutzsicht eine Katastrophe.

Der Verkauf von Muttermilch im Netz ist attraktiv, weil er durchaus hohe Gewinne abwerfen kann. Bis zu 100 Euro konnten Frauen auf der jetzt endlich geschlossenen Internetplattform „Muttermilchbörse“ für einen Liter Muttermilch verlangen. Wir gönnen jedem eine erfolgreiche Geschäftsidee. Diese geht so aber nicht!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, alle Experten und Akteure - Ärzte, Hebammen, Verbände und Kommissionen - sind sich einig, dass der freie Handel risikoreich ist, und warnen einhellig vor den Folgen, in erster Linie für die Kinder. Für Bezieher von Muttermilch ist weder nachprüfbar, ob die Milchverkäuferin an übertragbaren Krankheiten wie HIV oder Hepatitis leidet, noch ist erkennbar, ob Spu

ren von Nikotin, Alkohol, Drogen oder Tabletten in der gekauften Milch enthalten sind. Außerdem schließt die private Produktion aus, dass bei der Verarbeitung, der Lagerung und dem Transport hygienische Standards und die durchgehende Kühlkette eingehalten werden. Deshalb müssen aus unserer Sicht für Muttermilchspenden sehr strenge Prüf- und Hygienevorschriften gelten, ähnlich wie bei einer Blutspende.

Wir fordern, dass diese unsägliche Marktentwicklung des Onlinehandels gestoppt wird

(Beifall bei den GRÜNEN)

und dass auf Bundesebene geprüft wird, wie der private Handel schnellstmöglich unterbunden werden kann. Denn wir halten es für möglich, im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes ein solches Verbot zu erwirken.

Meine Damen und Herren, Muttermilch ist kein Lifestyle Product. Muttermilch kann aber wesentlich dazu beitragen, Frühgeborenen und Neugeborenen den Weg ins Leben zu erleichtern. Weil uns das so wichtig ist, wollen wir das bewährte Instrument Muttermilchbank aus den ostdeutschen Bundesländern auch hier in Niedersachsen einführen und bei einem erfolgreichen Verlauf ausweiten.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Twesten. - Es hat sich Petra Joumaah von der CDU-Fraktion gemeldet. Frau Joumaah, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht um die Einrichtung einer Muttermilchbank in Niedersachsen. Es wird durchaus auch das Wort „Frauenmilchbank“ verwendet. Ich weiß nicht, was uns besser gefällt.

Der vorliegende Antrag beinhaltet zwei, wie ich meine, ganz wichtige Forderungen. Als Erstes wird beantragt, in einer Kinderklinik mit dem Level 1 - wir haben es gerade schon gehört - modellhaft eine Muttermilchbank einzurichten und nach zwei Jahren zu schauen, ob sich das Projekt bewährt hat und vielleicht sogar ausgedehnt werden soll. Frau Twesten hat eben schon darauf hingewiesen: Hier in Niedersachsen gibt es bisher keine Mutter

milchbank, aber natürlich - wie überall - einen größeren Bedarf an Muttermilch.

Zu früh geborene Babys werden sehr liebevoll „Frühchen“ genannt, sind aber, medizinisch gesehen, Hochrisiko-Neugeborene mit einem Geburtsgewicht von unter 1 500 g - man vermag sich gar nicht vorzustellen, wie wenig das ist - und einer Schwangerschaftszeit von unter 32 Wochen. Normalerweise dauert eine Schwangerschaft 40 Wochen.

Für diese zu früh geborenen Babys ist Muttermilch derzeit die optimale Ernährung. Das ist wissenschaftlich völlig unumstritten. Wir haben eben schon gehört: Muttermilch enthält wertvolle Inhaltsstoffe, die die Babys vor Infektionen und vor Allergien schützen, die dabei helfen, eine eigene Immunabwehr zu entwickeln und insbesondere das sehr gefährliche Krankheitsrisiko von Darmerkrankungen zu minimieren.

Der Deutsche Hebammenverband spricht sogar von positivem Einfluss von Muttermilch auf die neurologische Entwicklung der Frühchen.

Gerade aber die Mütter von Frühgeborenen sind selten in der Lage, ihr Kind mit eigener Muttermilch zu versorgen. Die Zahl der Frühgeborenen wird weiter ansteigen - so die Aussage vieler Neonatologen.

Glücklicherweise gibt es aber sehr viele Mütter, die zu viel Milch produzieren und willens und in der Lage sind, ihre überschüssige Milch zu spenden, sodass Frühchen damit gut versorgt werden können.

Da aber über die Muttermilch verschiedene Krankheiten wie HIV, Hepatitis oder Zytomegalie übertragen werden können, ist es besonders wichtig, dass Spendermütter umfassend untersucht werden. Jede Spende muss mikrobiologisch auf Keime und auf Krankheiten untersucht werden. Diese Untersuchungen sind teuer - ziemlich teuer. Pro Liter Muttermilch geht man von 40 bis 65 Euro aus. Deshalb gibt es durchaus Stellungnahmen von Medizinern, die die Notwendigkeit der Einführung von Muttermilchbanken wegen des zu hohen finanziellen Aufwands infrage stellen. Ich betone nochmals: Die hohen infektionshygienischen Anforderungen kosten.

Da werden dann schnell die zweifellos guten adaptierten Ersatznahrungen ins Spiel gebracht. Aber ich denke, hier sollte man sich nicht mit dem Zweitbesten zufriedengeben, wenn man das Beste haben kann.

Meine Damen und Herren, Sie hören Konsens bis hier. Im Sozialausschuss gibt es so etwas bisweilen. Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen Antragsteller, haben in Ihrem Antrag aber etwas Elementares vergessen: die Frage der Finanzierung dieses sehr begrüßenswerten Modellprojekts.

Wenn Sie mit Ihren Formulierungen unter Punkt 1 die Landesregierung auffordern, eine der Kinderkliniken bei der Errichtung einer Muttermilchbank - ich zitiere - „zu unterstützen“, werden wir von der CDU-Fraktion in den Ausschussberatungen mit Nachdruck einfordern, die Finanzierung dieses Modellprojektes gemeinsam mit den betreffenden Kliniken bzw. der betreffenden Klinik zu erarbeiten. Keinesfalls dürfen diese Kosten - ich sage noch einmal: das sind immens hohe Kosten - der beteiligten Kinderklinik gegen deren Willen aufgebürdet werden.

Wir hatten in der heimischen Presse vor einigen Tagen eine Berichterstattung dazu. Sowohl der Sprecher der Kinderklinik Auf der Bult, Herr Bönsch, als auch die Oberärztin der Kinderklinik der MHH, Frau Professorin Bohnhorst, haben auf die Kosten hingewiesen.

Nun aber zu Teil 2 Ihres Antrags, nämlich zu der Forderung, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass der private Handel mit Muttermilch, soweit rechtlich möglich, unterbunden wird. Dem stimmt die CDU-Fraktion zu, weil dieser private Handel mit Muttermilch größtenteils nur dem Profit dient, besonders aber, weil er erhebliche Risiken in sich trägt. Niemand kennt den Gesundheitszustand bzw. Lebenswandel der Spenderin. Nimmt sie Medikamente oder Drogen, raucht oder trinkt sie? - Es wird auch von, wie ich meine, kriminellen Machenschaften berichtet, wie Streckung der Milch mit Kuhmilch oder sogar mit Wasser.

Hier möchte ich auf eine Stellungnahme der Nationalen Stillkommission hinweisen, die sich klar gegen die private Vermittlung und Abgabe von Muttermilch ausspricht - ich zitiere -, „da die damit verbundenen gesundheitlichen Risiken nicht kontrollierbar und insgesamt zu groß sind“.

Aus Sicht dieser Kommission sollen bei Muttermilchspenden vergleichbar strenge Hygienevorschriften beachtet werden wie bei Blutspenden. Das ist beim privaten Muttermilchhandel völlig ausgeschlossen.

Ich möchte noch hinzufügen - und das ist mir sehr wichtig -: Die Frauen, die es mit ihrer Spendenbe

reitschaft wirklich gut meinen und alle Voraussetzungen erfüllen - davon wird es viele geben -, sollten bedenken, dass ihre Milch dringend von Frühgeborenen in den Kinderkliniken gebraucht wird und dass ihre Milchspende in einer der Frauenmilchbanken unter Umständen Leben retten kann. Diese Botschaft muss transportiert werden.

Meine Damen und Herren, ich freue mich auf eine interessante Beratung im Ausschuss.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)