Protokoll der Sitzung vom 26.10.2016

Herr Ministerpräsident, Sie haben davon gesprochen, wie schwierig die Lage war. Sie sind meines Erachtens zwischen die Mühlsteine der Interessen geraten. Auf der einen Seite standen Bayern und Hessen, die Verfassungsklage eingereicht haben. Auf der anderen Seite saßen die Haushaltsnotlageländer. Außerdem saßen Sie bei Ihrer Kollegin aus NRW am Tisch, die unbedingt die Umsatzsteuervorwegverteilung aufgeben und selbstbewusst wollte, dass NRW Zahlerland bleibt.

Aus diesem Dilemma sind Sie mit einem System herausgekommen, das für Niedersachsen das denkbar schlechteste ist. Das sagen auch Ihre Fachleute im Finanzministerium und in der Staatskanzlei.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Die Länder profitieren unterschiedlich von diesen Regelungen. Das ist auch entsprechend dargelegt worden. Sie haben eben gesagt, Herr Ministerpräsident:

„Für den Länderfinanzausgleich musste das Interesse Niedersachsens unter diesen Bedingungen darin bestehen, in etwa wie andere westdeutsche Flächenländer abzuschneiden.“

Das hat Niedersachen aber nicht, Herr Ministerpräsident! Ich sage Ihnen, was veröffentlicht wird: Die Entlastung je Einwohner liegt in Niedersachsen bei 76 Euro. Damit liegen wir auf Platz 16. Für Sachsen liegt der Wert bei 189 Euro, für SachsenAnhalt bei 202 Euro, für Thüringen bei 219 Euro, für Bayern bei 106 Euro, für Brandenburg bei 114 Euro und für Bremen bei 732 Euro.

(Zurufe von der CDU: Hey! - Gerald Heere [GRÜNE]: Sie vergleichen Bir- nen mit Äpfeln!)

Ich kann das fortsetzen. Sogar Nordrhein-Westfalen wird mit 80 Euro deutlich besser entlastet.

Herr Ministerpräsident, Sie sind Schlusslicht unter den Profiteuren. Damit ist Niedersachsen in die Lage geraten, vom Mehr am Wenigsten zu bekommen. Deswegen haben Sie schlecht abgeschnitten. Sie haben nicht nur im System falsch verhandelt, Herr Ministerpräsident, Sie haben auch monetär für Niedersachsen falsch verhandelt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es sind nämlich insgesamt 5,3 % weniger als für Nordrhein-Westfalen. Wir profitieren 17 % weniger als Hessen, 20 % weniger als Schleswig-Holstein, 40 % weniger als Bayern und 550 % weniger als das Saarland. Das Saarland hat 550 % mehr davon profitiert als das Land Niedersachsen.

Das ist Ihr Verhandlungsergebnis, von dem Sie behaupten, es sei gut für Niedersachsen. - Nein, das ist schlecht für Niedersachsen und für den Föderalismus!

(Zustimmung bei der CDU)

Um zu einer guten Lösung zu kommen, sind die Länder im Gegenzug in ein Alimentationssystem des Bundes überführt worden, das Kompetenzen abgibt und den Föderalismus schwächt. Dazu möchte ich ein Zitat anführen, das aus Ihren Regierungskreisen stammt und die Dinge ganz gut auf den Punkt bringt. Gestern wurde Finanzminister Schneider in der NWZ gefragt - ich zitiere -:

„Macht Ihnen nicht Bauchschmerzen, dass das Land einen Teil seiner Zuständigkeiten abgibt? Schneider: Ja, es ist schon so, dass die gesamte Neuregelung tendenziell eher die Bundesregierung stärkt. Aber so ist das, wenn man anderer Leute Geld haben will!“

Besser als Ihr Minister Schneider kann man den Ausverkauf von Landesinteressen nicht formulieren!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zukünftig wird der Stabilitätsrat über Ihre Maßnahmen wachen.

(Zuruf von der SPD: Wir haben nichts zu verbergen!)

Der Stabilitätsrat wird sich bei den Ländern anschauen, wie die Schuldenbremse eingehalten wird und wie mit den Ausgaben umgegangen wird. Weitreichende Kontrollrechte sind dort installiert worden. Es sind Kontrollrechte für den Bundesrechnungshof bei Mischfinanzierung der Länderaufgaben installiert worden. Da wird man sich zukünftig der Bundeskontrolle unterwerfen müssen.

Bei der Digitalisierung schreibt Ihnen der Bund vor, wie das im Einzelnen zu laufen hat. Der Bund hat sich Weisungsrechte in der Steuerverwaltung vorbehalten. Der Bund wird zukünftig bei Investitionen im Bildungsbereich und Ähnlichem, was Sie hier so gepriesen haben, genau hinschauen, wofür Sie das Geld ausgeben werden.

Der größte und wohl einschneidendste Bereich, den Sie zugestehen mussten, ist die Aufgabe der bisherigen Auftragsverwaltung im Bereich der Bundesfernstraßen. Daran ändert auch Ihre Protokollerklärung nichts, die Sie abgegeben haben. Im Nachhinein; denn bei der ersten veröffentlichten Erklärung war sie nicht dabei. Erst auf unsere Nachfrage hin, warum Sie dazu nichts gesagt hätten, sind Sie aktiv geworden.

(Zuruf von Johanne Modder [SPD])

- Frau Modder, wer viel spricht, hat wenig Zeit zum Denken. Das sollten Sie immer berücksichtigen.

(Beifall und Heiterkeit - Zuruf von der SPD: Das sagt der Richtige! - Petra Tiemann [SPD]: Fassen Sie sich mal an die eigene Nase! - Weitere Zurufe)

- Hören Sie doch einfach zu, wie es war!

Sie haben das Ergebnis im Haushaltsausschuss vorgelegt. Da gab es keine Protokollerklärung zu dem, was Niedersachsen dort gesagt hat. Erst auf meine Frage hin, was Sie denn dazu gesagt haben, sind Sie aktiv geworden. Gestern Morgen - siehe da! - gab es dann per E-Mail eine nachgelieferte Protokollerklärung Niedersachsens, dass man Probleme damit hätte, die Auftragsverwaltung im Bereich der Bundesfernstraßen aufzugeben.

Zu dieser Frage gibt es eine deutliche Positionierung des Landtags. Trotzdem haben Sie sich in diesem Punkt weichklopfen lassen. Sie haben sich nicht durchgesetzt und werden Planung, Bau und Unterhaltung der Bundesfernstraßen zukünftig an den Bund abgeben.

Wenn Sie sagen, darüber werden noch Diskussionen geführt, glauben Sie doch nicht allen Ernstes, dass dieses Paket noch einmal wieder aufgeschnürt wird. Das ist doch fester Bestandteil dieses Geschäfts. Dafür, dass Sie Bundesgeld bekommen, haben Sie sich diese Zuständigkeit abringen lassen. Das ist genau das, was die Welt und andere Zeitungen geschrieben haben:

(Zurufe von der SPD)

dass Sie die Länderinteressen auf dem Altar des schnellen Geldes geopfert haben, weil Sie an zusätzliches Geld kommen müssen, ohne das Sie Ihre Politik nicht durchsetzen können.

Herr Minister Lies, Sie beklagen die Gefahr des Fortgangs von Planungsarbeiten und wichtigen Autobahnprojekten in Niedersachsen. Was ist das denn für eine Arbeitsteilung in dieser Landesregierung? - Der eine stellt sich heute Morgen hier hin und bejubelt das Ergebnis, das er bei den Finanzausgleichsverhandlungen erzielt hat, und der andere äußert sich in großen niedersächsischen Tageszeitungen darüber, dass alles zum Stillstand kommt, was in Niedersachsen laufen soll. Das ist doch keine Arbeitsteilung, die Niedersachsen voranbringt. Was machen Sie da in Ihrer Landesregierung?

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP - Unruhe)

Diese Vielstimmigkeit führt doch nicht dazu, dass es in Niedersachsen deutliche Positionierungen

gibt. Darüber, was Sie dort gemacht haben, können auch andere außerhalb Niedersachsens nur den Kopf schütteln.

Ich fasse zusammen: Das von Ihnen vorgetragene Ergebnis der Finanzausgleichsverhandlungen, bei dem Sie vom Durchschlagen eines gordischen Knotens gesprochen haben, ist kein Erfolg. Das ist für Niedersachsen und für die Länder ein deutlicher Misserfolg, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Das ist für Niedersachsen ein schlechtes Ergebnis - der 16. Platz! -, und das ist für den Föderalismus ein schlechtes Ergebnis. Das ist eine Schwächung des Föderalismus, eine Stärkung des Bundes und schafft eine Abhängigkeit vom Bund. Demnächst sind wir Bittsteller beim Bund statt selbstbewusste Länder, die den Bund bilden, wie es in unserer Verfassung festgelegt ist.

Das, was Sie hier machen, ist der Ausverkauf von Landesinteressen. Das ist der kleinste gemeinsame Nenner, den Sie haben finden können, Herr Ministerpräsident. Das, was Sie gemacht haben, ist ideenlos, kraftlos und mutlos.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nicht umsonst wird das überall so zitiert, wie ich Ihnen das vorgetragen habe. Das ist nicht nur unsere Wahrnehmung, sondern dies wird überall im Land so wahrgenommen.

Ich zitiere aus dem Rundblick. Dort heißt es unter der Überschrift „Ein Tiefschlag für die Länder“:

„Der vergangene Freitag war ein schwarzer Tag für den Föderalismus in Deutschland. Doch die meisten Ländervertreter, die an den Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich beteiligt waren, wollten sich das nicht eingestehen. Sie machten gute Miene zum bösen Spiel. Dabei haben sie sehenden Auges einen entscheidenden Beitrag zur Schwächung der Länder und zur Stärkung des Bundes getan. Deutschland beginnt sich zum Negativen zu verändern.“

Herr Ministerpräsident, ich finde, der Rundblick hat recht in Bezug auf das, was Sie dort verhandelt haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich kann das weitermachen:

Handelsblatt vom 13. Oktober: „Mutlose Föderalisten“.

Süddeutsche Zeitung vom 17. Oktober 2016:

„Das Versagen der Länder. Die Länder haben sich zu Recht in den Verhandlungen über die Neuordnung des föderalen Finanzausgleichs durchgesetzt. Was sie nicht wahrhaben wollen: Sie haben diesen Erfolg teuer zu bezahlen.“

„Der Bund zahlt, die Länder geben aus“, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 15. Oktober.

Die Welt schreibt am 15. Oktober: „Schäuble zahlt und bekommt mehr Kontrolle“.