Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

Zum neuen Stil der Landesregierung gehören ein verbesserter Umgang mit Demokratie und Transparenz. Wir wollen mehr Demokratie wagen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Viel zu lange wurde in Niedersachsen ein obrigkeitsstaatlicher Politikstil betrieben. Beteiligung wurde zu sehr auf die Stimmabgabe bei Wahlen reduziert. Wir verstehen modernes Regieren als einen lebendigen Austausch zwischen Bevölkerung, Landesparlament und Landesregierung.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Hierzu zählt auch der Meinungsaustausch von Abgeordneten. Der Inhalt der Koalitionsvereinbarung ist bei den bisherigen politischen Diskussionen nicht infrage gestellt worden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Neuaufstellung des Bundesverkehrswegeplans 2015 ist ein aktuelles und zentrales Vorhaben dieser Landesregierung. Die Landesregierung hat zum Vorgehen, zu den Inhalten, zum Zeitplan und zu anderen Aspekten bereits auf diverse Fragen im Landtag bzw. in Ausschüssen und auch aus eige

ner Initiative heraus umfangreiche Auskunft gegeben. Gerne wiederhole ich aber hierzu den aktuellen Stand:

Stichwort Schiene: Niedersachsen hat im März 2013 für den Verkehrsträger Schiene folgende Projektvorschläge fristgerecht beim Bund eingereicht: Maßnahmen für den Knoten Hamburg, Bremen und Hannover, alle bisherigen Maßnahmen des Bundesverkehrswegeplans für die Weddeler Schleife, Rotenburg–Verden, die Amerikalinie, Langwedel–Uelzen, Uelzen–Stendal, Nienburg–Minden, Oldenburg–Leer, Minden–Seelze, Löhne–Elze–Braunschweig, Oldenburg–Wilhelmshaven und die Y-Trasse bzw. - so vermerkt - die entsprechenden Alternativen dazu, die derzeit von der Bahn bearbeitet werden, zusätzliche Maßnahmen an kleineren Knoten sowie neue Maßnahmen an den Strecken Oldenburg–Osnabrück, Norden– Emden, Cuxhaven–Bremerhaven und Cuxhaven– Stade. Zusätzlich ist eine neue Sammelposition „Hafenhinterlandverkehr“ für die generelle Durchführbarkeit kleinerer und mittlerer Maßnahmen zur Verbesserung Hafenhinterlandanbindung angemeldet worden.

Neben diesen genannten Punkten ist bei der Einreichung der Vorschläge auf einen möglichen weiteren Containerterminal in Wilhelmshaven hingewiesen worden. Sollte in der Laufzeit des Bundesverkehrswegeplans 2015 ein weiterer Containerterminal in Wilhelmshaven eingerichtet werden, sind die vorhandenen Anbindungen an das Hinterland hierauf zu prüfen. Sollte ein weiterer Ausbau erforderlich sein, wird das Land diesen Bedarf beim Bund melden.

Wasserstraßen: Die Anmeldung der Projektvorschläge für den Bundesverkehrswegeplan - Teil Wasserstraße - erfolgte bereits im Dezember 2012 unter der alten Landesregierung. Die Anmeldungen entsprachen im Wesentlichen den noch nicht umgesetzten Maßnahmen des bisherigen Bundesverkehrswegeplans aus 2003. Als wesentliche neue Maßnahme ist die Anmeldung einer neuen Schleuse - Schiffshebewerk Scharnebeck bei Lüneburg - zu nennen, die, glaube ich, dringend - - -

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

- Den Applaus nehmen wir gerne mit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

- Da sind wir uns doch einig.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit aber auch auf den Erfolg hinweisen, dass der Küstenkanal weiterhin als Wasserstraße in den transeuropäischen Netzen geführt wird. Ich finde, man darf deutlich machen: Hier hat das parteiübergreifende Engagement in Niedersachsen wirklich Erfolg gehabt. Herzlichen Dank dafür an alle Fraktionen und Parteien!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Anders als bei den Schienenwegen und Wasserstraßen ist das Land bei den Bundesfernstraßen als Auftragsverwaltung für den Bund tätig. Der Bund bedient sich auf grundgesetzlicher Basis der Verwaltung der Länder. Im Februar 2013 wurde vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung die Grundkonzeption des Bundesverkehrswegeplans Straße mit folgenden Eckpunkten veröffentlicht: eine klare Schwerpunktsetzung für überregional wichtige Maßnahmen insbesondere beim Autobahnnetz und die Aufteilung der Investitionsmittel zwischen Autobahnen und Bundesstraßen im Verhältnis von 70 : 30 %. Angekündigt wird ebenfalls, dass zukünftig dem Erhalt der vorhandenen Substanz gegenüber dem Aus- und Neubau Vorrang gegeben wird. Das begrüßen wir ausdrücklich, weil es auch der Zielsetzung dieser Landesregierung entspricht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Länder sind aufgefordert, alle Straßenprojekte bis September 2013 beim Bundesministerium zur Bewertung anzumelden. Ich habe die Absicht, diese Anmeldeliste der Projekte zur weiteren Bewertung durch den Bund noch vor der Sommerpause dem Kabinett vorzulegen. Die formelle Prüfung der Vorhaben ist entsprechend weit fortgeschritten. Der Bund führt dann eine intensive Bewertung der einzelnen Projektvorschläge durch. Entscheidend sind natürlich die jeweiligen Kosten, der verkehrliche Nutzen der Maßnahmen sowie die Auswirkungen auf die Umwelt.

Wir werden uns diese Bewertungsergebnisse genau anschauen und dann die Prioritätenliste der Landesregierung erstellen. Dies wird sicherlich nicht vor Herbst 2014 möglich sein, weil voraussichtlich erst dann die Daten und Fakten des Bundes vorliegen werden. Da es eine Prioritätenliste der Landesregierung sein wird, kann es zu unterschiedlichen Meinungen und Bewertungen von Koalitionspartnern im Prozess, aber nicht im Ergebnis kommen.

Leider hat es der Bund versäumt, ein Gesamtbudget für den Bundesverkehrswegeplan zu nennen. Nur zur Orientierung: Die im Land für den Ausbau bzw. den mehrstreifigen Ausbau von Bundesfernstraßen aufgewendeten Haushaltsmittel belaufen sich im Durchschnitt auf 200 Millionen Euro jährlich. Allein die Projekte A 20 mit der festen Elbquerung und die A 39 werden mindestens 3 Milliarden Euro kosten. Die Realisierung dieser Projekte würde nach bisheriger Finanzierungslinie mehr als 15 Jahre in Anspruch nehmen und den gesamten Zeitraum des neuen Bedarfsplans ausfüllen. Es gäbe dann keinerlei Spielraum für andere Projekte in Niedersachsen. Das ist ein Grund mehr, dem Bund die Notwendigkeit von Investitionen im Norden deutlich zu machen. Wir werden also Projekte in Abschnitten und Alternativen denken und prüfen müssen. Jede andere verantwortlich handelnde Landesregierung müsste dies auch tun. Ich meine, es gebietet die Ehrlichkeit, auf diese Zahlen hinzuweisen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: Die im März beim Bund eingereichte Liste mit Projektvorschlägen für den Bundesverkehrswegeplan Teil Schiene entspricht dem Koalitionsvertrag. Dies betrifft z. B. die darin konkret benannten Maßnahmen wie den Ausbau der Strecke Rotenburg–Verden und der Amerikalinie Langwedel–Uelzen. Darüber hinaus wird im Koalitionsvertrag der Bedarf einer leistungsfähigen Hinterlandanbindung thematisiert. Außerdem sind diese Vorschläge konform zum Kabinettsbeschluss aus dem Dezember 2012.

Zu Frage 2. Ja.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Zu Frage 3. Eine angemessene Berücksichtigung der norddeutschen Länder bei den Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur in Bezug auf alle Verkehrsträger ist nicht die Frage der Richtlinienkompetenz innerhalb der Landesregierung, sondern eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit unter den Bundesländern und deshalb eine berechtigte, weil unerfüllte Forderung an diese Bundesregierung. Die Landesregierung wird sich jedenfalls gemeinsam mit der Konferenz der norddeutschen Länder und der Küstenverkehrsministerkonferenz dafür einsetzen, dass der Ausbau der Hafenhinterlandanbindung endlich auch bei der Bundesregierung eine größere Bedeutung gewinnt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dies habe ich im Rahmen vieler Gespräche mit meinen Kollegen - Senator Horch und Senator Günthner - deutlich gemacht. Ich fordere auch die Fraktionen von CDU und FDP auf, sich im Interesse des Landes dieser Forderung anzuschließen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Lies. - Zu einer ersten Zusatzfrage hat sich für die Fraktion der CDU noch einmal der Kollege Heineking gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Stehen Sie, Herr Minister Lies, unter Berücksichtigung aller Untersuchungen zur A 39 auch weiterhin zu Ihrer am 11. März 2013 in einer Pressemitteilung verkündeten Aussage: „Ich will, dass die A 20 und die A 39 gebaut werden.“? - Ich stelle diese Frage vor dem Hintergrund der vorhin bei der Einbringung zitierten Aussage von Frau Staudte, die sagte: Alle Untersuchungen beweisen, dass statt der A 39 kostengünstigere und naturverträglichere Alternativen zur Verfügung stehen. - Können Sie die Vorteile und die positiven Effekte

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Wie vie- le Fragen sind das? - Grant Hendrik Tonne [SPD]: Wie viele Fragen stellt er?)

eines Neubaus der A 39 und der A 20 nennen?

Herr Kollege Heineking, ich werte das als zwei Fragen. - Der Herr Minister antwortet.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Heineking, ich stehe immer zu den von mir gemachten Aussagen.

Wir befinden uns zurzeit in einem Verfahren. Das Kabinett wird eine Liste zur Bewertung beschließen, die dem Bund vorgelegt wird. Dort werden genau die Fragen, die Sie eben angesprochen haben, geklärt, nämlich die Vorzüge der unterschiedlichen Verkehrsträger und der unterschiedli

chen Projekte. Wir gehen davon aus, dass die Landesregierung auf der Grundlage der ihr dann vorliegenden Bewertungen - ich habe vorhin davon gesprochen, dass sie voraussichtlich im Herbst des nächsten Jahres vorliegen werden - eine eigene Bewertung dahin gehend vornehmen wird, in welcher Form diese Projekte angemeldet werden.

Ansonsten ist, glaube ich, deutlich geworden, dass wir jetzt an der Stelle sind, an der alle Argumente für und wider die einzelnen Projekte deutlich gemacht worden sind. Sie haben auch mehrfach mich zitiert und darauf hingewiesen, dass ich das an allen Stellen deutlich gesagt habe. Die abschließende Bewertung der Frage, welche Projekte finanziert werden, nimmt nicht das Land vor - da bitte ich um Ihr Verständnis -, sondern das behält sich der Bund vor, weil er letztendlich auch die Mittel dafür bereitstellt. Insofern warten wir die Bewertung durch den Bund ab und werden dann auf der Grundlage der Bewertung durch den Bund die entsprechenden Prioritäten im Land Niedersachsen festlegen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage stellt für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Bode.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass die Landesregierung hier heute erneut bestätigt hat, dass es in Fragen der Verkehrspolitik - insbesondere im Bereich Straße - durchaus einen offenen Dissens zwischen den Koalitionspartnern gibt

(Johanne Modder [SPD]: Haben Sie nicht zugehört? - Helge Limburg [GRÜNE]: Sie haben nicht zugehört!)

und man sich darum bemüht, am Ende ein gemeinsames Ergebnis für die Anmeldung in Berlin zu finden, habe ich eine Frage zu einem konkreten Projekt, das zwischen beiden Koalitionspartner strittig ist, nämlich zur A 39. Herr Minister Wenzel war vor Kurzem in Uelzen, und dazu gab es am 17. Juni einen Bericht in der Allgemeinen Zeitung, aus dem ich jetzt zitiere - - -

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Herr Kollege Bode, konzentrieren Sie sich bitte auf die Frage!

Ich frage deshalb Minister Wenzel vor dem Hintergrund seines Zitates in der Allgemeinen Zeitung. Das Zitat lautet:

„Dann hat der Bund die Aufgabe, für die Projekte, auch für die A 39 und den Ausbau der B 4 als Alternative, eine Kosten-NutzenRechnung aufzustellen.“

Und weiter:

„Lägen diese Ergebnisse vor, werde deutlich, welche Maßnahme die sinnvollere sei.“

Vor dem Hintergrund dieses Zitates frage ich die Landesregierung: Kann diesem Artikel entnommen werden, dass sich beide Koalitionspartner darauf verständigt haben, die Entscheidung des Bundes darüber, welche Variante die sinnvollere ist, zu akzeptieren, und werden dann beide Koalitionspartner mit Nachdruck für diese Variante - etwa die A 39 oder den B-4-Ausbau - eintreten?