Die Geschichte Oldenburgs ist eine sehr stolze. Vieles ist für immer vergangen, manches hat die Zeiten überdauert, sich behauptet, und trotz der Veränderung in der Bevölkerungsstruktur wurde Oldenburgs Identität in vielfacher Weise bewahrt. Dazu gehören in erster Linie neben den gesellschaftlichen Vereinigungen, neben Sitten und Gebräuchen die unter dem Schutz der Niedersächsischen Verfassung stehenden Oldenburger Kulturinstitutionen wie z. B. das Oldenburgische Staatstheater mit der August-Hinrichs-Bühne. Dazu kommen Körperschaften öffentlichen Rechts der Wirtschaft wie z. B. die Oldenburgische Industrie- und Handelskammer, die Handwerkskammer Oldenburg oder auch Dienstleistungsunternehmen wie die 230 Jahre alte Landessparkasse zu Oldenburg und die bald 150 Jahre alte Oldenburgische Landesbank. Nach wie vor gibt es die Evangelisch-Lutherische Kirche zu Oldenburg und
das - auf die katholische Kirche bezogen - weltweit einmalige Konstrukt des Offizialbezirks Oldenburg. Sie alle führen weiterhin - trotz aller staatsrechtlichen oder gesellschaftlichen Veränderungen - den Namen Oldenburg. Es ist aber nicht der Name, sondern es ist auch das dazugehörige Bewusstsein, das das Handeln aller dieser Institutionen prägt.
Alle Genannten und viele andere sind aktiv tätig und gehören zur Oldenburger Geschichte. Wer die Gegenwart aber richtig in die Oldenburger Geschichte einordnen will, muss wenigstens mehr als 900 Jahre zurückblicken und trifft auf das Fürstengeschlecht des Hauses Oldenburg. Es ist eines der bedeutendsten des europäischen Hochadels. Seine historischen Wurzeln reichen weit zurück. 1091 wurde es erstmals sicher bezeugt, und das gilt ebenso 17 Jahre später - 1108 - für die namensgebende Burg Aldenburg. Sie diente seit Mitte des 12. Jahrhunderts als Residenz den Oldenburger Grafen. Der bekannteste von ihnen ist Anton Günther. Er war ein großer europäischer Staatsmann und regierte sein Land mit nicht hoch genug zu würdigenden Verdiensten 64 Jahre, von 1603 bis 1667. Seinem diplomatischen Geschick ist zu verdanken, dass Oldenburg nicht in den Dreißigjährigen Krieg hineingeriet. Er wird nicht allein deswegen bis in die Gegenwart hoch verehrt. In einem Wort zusammengefasst: Er gehört wie dieses Haus zur Oldenburger Identität. - Und jetzt steht sein Reiterstandbild an der Waschstraße einer ESSO-Tankstelle.
Meine Damen und Herren, zeitgleich mit dem Oldenburger Landtag ist das Oldenburgische Staatsministerium schräg gegenüber dem Landtag gebaut worden. Wie der Landtag gibt auch dieses Haus nicht weniger Anlass zum Erinnern. Von ihm aus wurden ab 1916 Oldenburg in seiner jeweiligen staatsrechtlichen Form und ab 1978 der Bezirk Weser-Ems bis 2004 „regiert“ bzw. verwaltet. Das endete jäh mit der gegen jeden Sachverstand vollzogenen Auflösung des damaligen Regierungsbezirkes Weser-Ems. Damit waren auch alle Zugeständnisse für eine eigene Verwaltung, wie sie die Briten und das neu gegründete Land Niedersachsen gegenüber Oldenburg gemacht hatten, für immer aufgehoben.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten damals ein großes Transparent mit der Aufschrift „Haus für unsere Region“ gespannt und das „H“ von „Haus“
Der heutige historische Besuch ist nicht nur eine freundliche Geste, wie es heute in der NordwestZeitung zu lesen war, sondern ein guter anzuerkennender Beweis dafür, dass das Land Niedersachsen Oldenburg Beachtung schenkt.
Wie sieht es nun 70 Jahre nach Verlust der Eigenstaatlichkeit Oldenburgs mit dem Bekenntnis der Oldenburger zu Niedersachsen aus?
Es gibt keine niedersächsische Staatsangehörigkeit, aber eine gestufte Identität. Jeder kann ein bekennender Oldenburger und zugleich ein guter Niedersachse sein. Und so ist es auch.
Vor 73 Jahren musste ich in Breslau als Zehnjähriger das Niedersachsenlied lernen, ohne überhaupt eine Vorstellung von dem zu haben, was Niedersachsen ist.
Vor 43 Jahren lernte ich als Präsident des Verwaltungsbezirks Oldenburg die Oldenburg-Hymne „Heil dir oh Oldenburg“ und zwischendurch noch das schöne Lied „In Oostfreesland is't am besten, over Freesland geit der nix!“.
Als Präsident des Niedersächsischen Landtages musste ich aus Anlass des Beitritts der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland darauf drängen, dass erstmals im Landtag unsere Nationalhymne gesungen wurde. Sie ist für Oldenburger und Niedersachsen - und wie ich hinzufügen muss: für alle Niedersachsen - das in meinen Augen wichtigere Lied. „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland“: An diese Postulate - sie sind nötiger denn je - sollten wir uns nicht nur in dieser Feierstunde, in dieser denkwürdigen Stunde erinnern.
Landtag und Landesregierung erweisen heute in einmaliger Weise Oldenburg ihre Reverenz. Die damit zum Ausdruck gebrachte Achtung vor einem früheren alten Land, das seine Eigenstaatlichkeit schweren Herzens in ein größeres Ganzes einbringen musste oder auch eingebracht hat, ist ein positives Zeichen landesväterlicher - vielleicht müsse ich auch sagen: landesmütterlicher - Souveränität, wie es nicht besser sein kann. Dieser
Tag, meine Damen und Herren, wird in die Geschichte Oldenburgs und damit auch Niedersachsens eingehen.
Herr Landtagspräsident! Herr Ministerpräsident! Verehrte Gäste! Nachdem Sie nun so viele Worte zum Blick zurück in die oldenburgische Geschichte gehört haben, will ich nur ganz kurz zurückblicken.
Der 100. Geburtstag eines Gebäudes - ehrlich gesagt - ist für viele, die sich in Architektur auskennen, eigentlich gar nichts Besonderes. Warum ist das dann für uns Oldenburger so ein wichtiger Tag?
Zum einen ist es ein wichtiger Punkt in der Geschichte der oldenburgischen Demokratie, die 1848 sehr holprig angefangen hat und sich dann stets weiterentwickelt hat. Aber es ist für viele Oldenburgerinnen und Oldenburger auch ein Symbol für die ehemalige Selbstständigkeit des Landes Oldenburg. Und das macht die Wichtigkeit für uns in Oldenburg aus.
Wie es früher in Oldenburg zuging, will ich mit einem Zitat belegen - der Ministerpräsident kennt es - von dem Leibarzt unseres Oldenburger Herzogs, einem Dr. Marcard. Er schrieb 1788 an einen Freund:
„... Seit ich Ihnen meinen letzten Brief schrieb, habe ich nun die große Veränderung vorgenommen, Hannover mit Oldenburg zu vertauschen, und preise mich deshalb äußerst glücklich. Ich bin an einen Ort und in eine Lage gekommen, worin mir alles gefällt, wenn ich die holländische Feuchtigkeit der Luft und des Bodens und die Abgelegenheit von der Welt ausnehme...“
dass man regieret wird, außer an den wohl bedachten, lang überlegten und trefflich ausgeführten Einrichtungen, die von Zeit zu Zeit gemacht werden.... Die Menschen sind gutartig, zuvorkommend, und ich kann viel Güte rühmen. Aber was man in diesem Winkel der Welt nicht suchen sollte: Hier sind eine Menge kultivierte und aufgeklärte Leute. Wissenschaften und Kenntnisse haben hier einen Kurs und gelten etwas, und es gibt verschiedene Schriftsteller, die auch auswärts bekannt sind.“
Der in dem Schreiben zum Ausdruck kommende harmonische Geist herrscht eigentlich auch noch heute - Horst Milde wird das bestätigen - zwischen den Menschen und ihrer Verwaltung, zwischen der Kultur und der Verwaltung. Das ist über das Herzogtum Oldenburg, über das Großherzogtum, über den Freistaat Oldenburg bis heute erhalten geblieben, und das ist auch gut so.
Mehr noch als das Schloss, das viele von Ihnen kennen, symbolisieren der Landtag und das Landtagsgebäude auch die Selbstverwaltung des Oldenburger Landes.
In seiner letzten Rede in diesem Oldenburgischen Landtag hat Theodor Tantzen darauf Bezug genommen und gesagt:
„Wir hatten eine Selbstverwaltung in Oldenburg, die sich sehen lassen konnte. Ich möchte wissen, wer sich in dieser Selbstverwaltung jemals bedrückt gefühlt hat.“
Selbstverwaltung vor Ort - das ist nach wie vor etwas Erstrebenswertes. Das Subsidiaritätsprinzip zu befolgen, ist, wie ich finde, ein Gebot der Stunde!
Dass das gut funktioniert, das beweisen Landschaften und Landschaftsverbände in Niedersachsen, die im Auftrag der Ministerin, die heute hier ist, eigenverantwortlich die Fördermittel des Landes Niedersachsen an die Kulturschaffenden in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich verteilen. Das tun wir mit der Oldenburgischen Landschaft im alten Land Oldenburg und die anderen in ihrer Zuständigkeit. Das hat sich als Erfolgsmodell erwiesen. Es funktioniert zur großen Zufriedenheit derer, die das Geld verteilen, aber auch derer, deren Anträge beschieden werden. Das ist gelebte Subsidiarität und könnte auch ein Vorbild für manch anderes Politikfeld in Niedersachsen sein.
Auf Oldenburg umgemünzt, könnte man sagen: Je mehr Freiheit, in eigenen Dingen zu entscheiden, Hannover den Oldenburgern lässt, desto besser werden wir unsere Heimat in Niedersachsen finden! Dann fühlen wir Oldenburger uns gern in Niedersachsen zu Hause.
Ich finde, der Artikel 72 wird heute mit Leben ausgefüllt - mit Leben ausgefüllt dadurch, dass Sie, liebe Abgeordnete des Landtages, das Kabinett und der Ministerpräsident, zu uns nach Oldenburg gekommen sind.
Verehrter Herr Ministerpräsident, den Besuch in Oldenburg werden Sie hoffentlich eines Tages anders beurteilen als der damalige Niedersächsische Finanzminister Alfred Kubel, der später auch Ministerpräsident war.
Damals, zu Hinrich Wilhelm Kopfs Zeiten, hat das Kabinett mehrfach in Oldenburg getagt, im März 1952 sogar über drei Tage. Alfred Kubel hat am 18. März 1952 dazu in sein Tagebuch geschrieben - ich zitiere das jetzt wörtlich -:
„Reine Repräsentation. Erstaunlich, wie die Besuchten sich offenbar wirklich freuen und sich wirklich geehrt fühlen. Solche Dinge sind also wohl nötig. Praktischer Wert nur schwer feststellbar.“
Verehrter Herr Ministerpräsident, wir sind sicher, dass, wenn wir in 50 Jahren Ihre Tagebücher lesen, wir einen solchen Satz nicht werden entdecken können - hoffentlich!
Die Oldenburgische Landschaft hat vor einigen Jahren das Buch „Das Oldenburger Land - ein starkes Stück Niedersachsen“ herausgebracht. Ich finde, das bringt es auf den Punkt: das Oldenburger Land als Bestandteil des Landes Niedersachsen, aber auch Oldenburg mit eigener Geschichte, mit eigener Tradition, mit eigener Kultur und mit einem starken Profil. - Für uns ist Niedersachsen natürlich unser Heimatland. Aber unsere Heimat ist Oldenburg, die einen eigenen Charakter besitzt und bewahrt hat - als „starkes Stück Niedersachsen“. Das soll auch in Zukunft so bleiben.