Protokoll der Sitzung vom 01.02.2017

Herr Weil, noch einmal: Sie müssen sich hier und heute zu den angesprochenen Fragen erklären. Wie wir der Neuen Presse entnehmen konnten, erwartet das inzwischen auch Frau Piel von Ihnen. Dem kann ich nur zustimmen. Die Zeit des Wegduckens ist endgültig vorbei. Sie müssen sich hier endlich erklären!

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Thümler. - Für die Fraktion der FDP hat sich jetzt der Kollege Jörg Bode gemeldet. Bitte sehr, Herr Bode!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stephan Weil und die Automobilbranche, Stephan Weil und Volkswagen - das ist keine Geschichte voller Missverständnisse; das ist eine Geschichte des totalen Versagens.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, als Ministerpräsident setzt sich Stephan Weil für die ideologische grüne Verkehrswende ein, unterstützt die Einführung der Zwangs-E-Mobilität, beschließt im Bundesrat, Diesel- und Benzinmotoren ab 2030 zu verbieten. Herr Ministerpräsident, Sie persönlich haben damit Zehntausende von Arbeitsplätzen in Niedersachsen für überflüssig erklärt.

(Ronald Schminke [SPD]: Das ist un- glaublich!)

Im VW-Aufsichtsrat ist die Liste Ihrer kapitalen Fehler enorm. Um nur ein paar Höhepunkte zu nennen:

Als sich Piëch von Winterkorn distanzierte, haben Sie nicht den Grund gesucht. Sie sind der Sache nicht nachgegangen. Nein, Sie haben Winterkorn als alleinigen Machtfaktor installiert.

Als die US-Behörden den Betrug öffentlich machten, wird der Vorgang nicht untersucht, sondern Winterkorn bekommt von Ihnen einen Persilschein.

Als Winterkorn dann zurücktritt, wird nicht ein neues, neutrales Team zur Aufklärung, für einen Neustart geholt. Nein, diejenigen, die während des Betrugs in Amt und Würden waren, sollen jetzt auch den Betrug aufklären.

Bei der Besetzung des Aufsichtsratsvorsitzes wird gegen die Regeln guter Unternehmensführung verstoßen, und der ehemalige Finanzvorstand soll jetzt gegen sich selbst als Aufsichtsratschef ermitteln.

Herr Pötsch bekommt vom Ministerpräsidenten dafür sogar noch einen goldenen Handschlag. Er wird der bestbezahlte Aufsichtsratschef in der Geschichte Deutschlands, meine sehr geehrten Damen und Herren. Und das vom Sozialdemokraten Stephan Weil!

Als der Vorstand dann in einer Zeit, als es dem Unternehmen Volkswagen wirtschaftlich sehr, sehr schlecht geht, immer noch Millionenboni fordert, werden diese Boni von diesem Ministerpräsidenten auch gewährt.

(Christian Grascha [FDP]: So ist es!)

Als die Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen Marktmanipulation gegen einen Vorstand und auch gegen Winterkorn ermittelt, macht der Ministerpräsident nichts.

Als ein Schuldeingeständnis in den USA abgegeben wird, macht der Ministerpräsident nichts.

Obwohl bereits heute über 20 Milliarden Euro an Schaden entstanden sind, weigert sich der Ministerpräsident, die handelnden Personen in Regress zu nehmen.

Und dann wirft das für Compliance zuständige Vorstandsmitglied Hohmann-Dennhardt wegen mangelnder Unterstützung in Vorstand und Aufsichtsrat hin, und der Ministerpräsident macht wieder nichts. Jetzt wird sogar noch bekannt, dass sie von Ihnen einen skandalösen Millionenvertrag - ehrlicherweise - fürs Nichtstun in den nächsten Jahren bekommen hat.

Der Fall Winterkorn, der Fall Hohmann-Dennhardt und der Boni-Skandal des Gesamtvorstandes zeigen deutlich: In der Öffentlichkeit wettern die Stephan Weils, die Martin Schulz‘, die Sigmar Gabriels von der SPD immer laut gegen Managergehälter. Wenn sie aber selbst verantwortlich sind,

können Sie als Genossen der Bosse gar nicht genug Millionen in die Verträge hineinschreiben. Der Corporate Governance Kodex ist ihnen dann völlig egal.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Ministerpräsident, Sie zeigen nicht das Bild der sozialen Marktwirtschaft. Das ist Selbstbedienungsmentalität zulasten der normalen Mitarbeiter bei VW!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Boni, die Abfindungen, die Ablösesummen, die Millionengehälter, die Sie hier nach dem Motto „Wer hat noch nicht, wer will noch mal?“ heraushauen, lassen Sie bei Volkswagen ja refinanzieren: durch eine Entlassungswelle bei den Zeitarbeitern, durch Kurzarbeit, durch Gehaltsverzicht des normalen Beschäftigen, der Frauen und Männer am Band. Das ist schäbig; denn es sind die Frauen und Männer am Band, die dafür sorgen, dass VW der größte Autobauer der Welt ist, nicht der Aufsichtsrat und schon gar nicht Stephan Weil, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der aktuelle Fall Hohmann-Dennhardt zeigt auch deutlich, welche Zustände in diesem Aufsichtsrat herrschen: Man holt eine renommierte Verfassungsrechtlerin, um sich einen neuen ComplianceAnstrich zu geben. Aber ändern soll sie ja nichts; das stört nur. Ich kann gut verstehen, dass sie ihren Namen nicht für ein Feigenblatt hergeben wollte. Vielleicht hätten Sie es ihr vorher sagen sollen.

Ich kann nicht verstehen, Herr Weil, dass Sie im Aufsichtsrat einem solchen Vertrag zugestimmt haben. Von Ihnen wird eine Ablösesumme als „Begrüßungsgeld“ gezahlt. Das gibt es vielleicht bei Hannover 96 in der Bundesliga, aber ja wohl nicht mehr bei Vorstandsbesetzungen. Bei der Abfindungsregelung wird krass gegen den Geist des Corporate Governance Kodex verstoßen. Dieser wollte doch verhindern, dass der Vertrag, wenn ein Vorstandsmitglied geht, noch bis zum Vertragsende ausgezahlt wird.

Da haben dann Winkeladvokaten eine Umgehung gefunden. Wenn der Corporate Governance Kodex eine Zweijahresabfindung für maximal möglich hält, dabei aber von einem Fünfjahresvertrag ausgeht, Sie allerdings mit Frau Hohmann-Dennhardt nur einen Dreijahresvertrag schließen, dann ist eine Zweijahresabfindung natürlich die komplette

Umgehung dessen, was man eigentlich erreichen wollte. Da stellt sich doch die Frage: Haben Sie das von Volkswagen schlicht falsch dargestellt bekommen, hat es Sie nicht interessiert, und Sie haben es nicht gemerkt, oder haben Sie es gemacht, weil Frau Hohmann-Dennhardt von der SPD ist? - Dazu müssen Sie sich erklären.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Johanne Modder [SPD]: Das ist so was von niveaulos! Ich kann es nicht fassen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht alles, was legal und zulässig ist, ist auch legitim. Aber Sie handeln immer so, dass Sie an die Grenze des Legalen und nicht des moralisch Vertretbaren gehen.

Deshalb wird es im kommenden Januar einen Wechsel geben. Wir werden dann gemeinsam mit der CDU den Sumpf in Aufsichtsrat und Vorstand bei VW trockenlegen.

(Zurufe von der SPD)

Wir werden die Verantwortlichen in Regress nehmen. Wir werden die Gehaltsexzesse im Vorstand beenden. Wir werden jeden, der an der Vertuschung und Beweismittelvernichtung beteiligt war, entfernen, und Volkwagen wird dann wieder zum Vorbild für gute Unternehmensführung.

(Petra Tiemann [SPD]: Herr Bode, das ist selbst für Sie niveaulos!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Frauen und Männer am Band werden zukünftig wieder ausschließlich für das Wohl von Volkswagen und nicht für das Wohl gieriger Vorstände arbeiten.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Bode. - Es folgt jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Anja Piel. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann Ihren Ärger gut verstehen. Seit im Jahr 2015 die Manipulation von Dieselmotoren im großen Stil ans Licht kam, gelingt es dem VW-Vorstand auch zu meinem Bedauern nicht, glaubhaft zu vermit

teln, dass er für die Zukunft gelernt hat. Nach wie vor erhalten Vorstandsmitglieder Boni in einer Höhe, die für Normalverdiener überhaupt nicht vorstellbar sind.

Eine echte Neuausrichtung und Modernisierung des Konzerns liegt zwar als Plan vor, über den wir uns sehr gefreut haben. Tatsächlich gibt es aber dieselben fatalen Signale. Die Chefaufklärerin im Vorstand, Christine Hohmann-Dennhardt, geht und mit ihr eine Abfindung von mehreren Millionen Euro.

Mich ärgert das genauso wie Sie, vielleicht sogar noch ein bisschen mehr, weil mir als Grüne nicht nur an den Arbeitsplätzen bei VW gelegen ist, sondern auch daran, dass dieser Konzern eine klimafreundliche, zukunftsgewandte Mobilität nach vorn bringt.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- mung von Gerd Ludwig Will [SPD])

Aber, sehr geehrte Damen und Herren, Sie adressieren Ihren Ärger völlig falsch, wenn Sie die ganze Verantwortung jetzt bei den Aufsichtsratsmitgliedern der Landesregierung suchen.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Aus wahltaktischen Gründen ist das durchaus naheliegend, weil Sie ja gegen uns und nicht gegen VW antreten, aber es verschleiert die Tatsachen.

Meine Damen und Herren, ein altgedienter Sozialdemokrat hat letztens etwas sehr Wahres gesagt: „Im Aufsichtsrat geht es ja, wie der Name sagt, um Aufsicht und um Rat.“ Nicht mehr und nicht weniger.

(Jörg Hillmer [CDU]: Ach so! - Zuruf von Reinhold Hilbers [CDU])

- Es ist schön, Herr Hilbers, dass Sie jetzt auch bei uns sind.