Protokoll der Sitzung vom 01.03.2017

Doch leider scheint dies nicht angekommen zu sein,

(Björn Thümler [CDU]: Bei Ihnen auch nicht!)

sonst hätten Sie für Ihre Aktuelle Stunde nicht erneut einen so reißerischen Titel gewählt, der eine - angebliche - „Kultur des Wegsehens“ in der Landesaufnahmebehörde suggeriert und die Beschäftigten dort wieder direkt angreift. Meine Damen und Herren, dagegen stelle ich mich mit aller Entschiedenheit, weil ich weiß, dass man sich an Recht und Gesetz hält.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Aber, meine Damen und Herren, das geht ja auch alles getreu dem Motto: Wer hat noch nicht, wer will noch mal? Hau drauf, es ist so schön!

(Editha Lorberg [CDU]: Schön ist was anderes!)

Sie können ein Thema reiten, das Ihnen vermeintlich politisch nutzt, aber tatsächlich - und da greife ich, wenn auch mit einer anderen Zielrichtung, gerne auf, was Herr Dr. Birkner gesagt hat - geeignet ist, die Debattenkultur hier im Haus, aber auch draußen im Land nachhaltig zu vergiften.

(Christian Grascha [FDP]: Das hat er aber etwas anders gemeint!)

In den vergangenen Wochen haben wir mehrfach zu diesem Thema - sowohl im Innenausschuss als auch im Landtag - umfangreich Stellung bezogen. Vielleicht hätte der eine oder andere das eine oder andere Mal besser zuhören sollen, dann bräuchte man das hier nicht alles zu wiederholen.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Auch heute werde ich es mir nicht nehmen lassen, mich erneut für die gute Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesaufnahmebehörde zu bedanken.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ihnen ist es zu verdanken, dass allen Flüchtlingen in kürzester Zeit geholfen und auch unter extremsten Bedingungen Obdachlosigkeit verhindert wurde. Und es ist weit mehr geleistet worden, liebe Frau Lorberg, als die Menschen nur mit Sauberkeit, Trockenheit und Essen zu versorgen.

(Editha Lorberg [CDU]: Das haben wir gesehen! Wir waren ja da!)

- Ja, Frau Lorberg, so ist das. Wir alle sind gleich schlau: die einen vorher, die anderen hinterher.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von Editha Lorberg [CDU] - Jens Nacke [CDU]: Seien Sie doch nicht so zickig, Herr Minister! Etwas mehr Souveränität!)

- Sie haben sich damals lobend geäußert in der Braunschweiger Zeitung. Aber lassen wir das!

Gegen Ihren Vorwurf, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesaufnahmebehörde bei kriminellem Verhalten der Bewohnerinnen und Bewohner beide Augen zudrücken würden, wehre ich mich entschieden. Sobald es Anzeichen für strafbares Verhalten von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern gibt, nehmen die Kolleginnen und Kollegen an allen Standorten unverzüglich mit der Polizei Kontakt auf.

(Editha Lorberg [CDU]: Das stimmt ja nicht!)

Wenn hier der Eindruck erweckt wird, die Landesaufnahmebehörde in Braunschweig sei ein Hort von Kriminalität, weil dort Menschen in einer bestimmten Zusammensetzung untergebracht seien - sie sind übrigens aufgrund der von der CDU auf Bundesebene durchgesetzten Gesetzgebung dort untergebracht -, will ich Sie gerne einmal aufklären: Im Jahre 2016, in dem insgesamt 17 000

Menschen diese Einrichtung durchlaufen haben, gab es gemäß der Eingangsstatistik der Polizei insgesamt 513 Straftaten, davon ca. 52 Fälle von einfacher Körperverletzung, 29 Fälle von gefährlicher Körperverletzung, 113 Fälle von Sozialleistungsbetrug, 131 Fälle von unerlaubter Einreise bzw. unerlaubtem Aufenthalt, 35 Fälle von Hausfriedensbruch und genau 8 Fälle von dem vielfach so hoch gehypten Vandalismus. - So viel zu den Szenarien, die Sie hier an die Wand malen, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Filiz Polat [GRÜNE]: „Hundertfach“ hat sie gesagt!)

Seitens der Polizei in Braunschweig ist in den letzten Monaten festgestellt worden, dass sich am Standort u. a. auch geduldete und abgelehnte Asylbewerberinnen und Asylbewerber aufhalten, die der Polizei wegen unterschiedlicher Straftaten aufgefallen sind. Hierzu haben wir uns natürlich von der Polizeidirektion Braunschweig berichten lassen. Sie teilte uns exemplarisch einige Sachverhalte mit, wonach Asylbewerberinnen und Asylbewerber mit Wohnsitz in der LAB NI Braunschweig strafrechtlich in Erscheinung getreten sind. Diese Straftaten wurden übrigens ganz überwiegend nicht dort verübt.

Es ist doch kein Geheimnis, meine Damen und Herren - gerade diese Landesregierung hat auch nie versucht, das so darzustellen -, dass sich unter der Vielzahl von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern eben auch einige wenige Kriminelle befinden. Wir als Landesregierung haben das nie verschwiegen - im Gegenteil. Diesem Problem müssen sich übrigens auch alle anderen Länder stellen. Diesen Menschen, die straffällig werden, begegnen wir unabhängig von ihrer Herkunft mit aller Konsequenz im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten.

Wenn Sie uns nun vorwerfen, dass wir diesen Menschen angeblich illegal einen Unterschlupf gewährten, dann kann ich Ihnen gerne einmal die Rechtsgrundlagen erläutern: Gemäß § 47 des Asylgesetzes sind wir verpflichtet, alle Asylbewerberinnen und Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten für die Dauer des Asylverfahrens und im Falle der Ablehnung bis zur Ausreise oder Abschiebung unterzubringen. Insofern können sich - und müssen sich sogar - auch abgelehnte Asylbewerberinnen und Asylbewerber rechtmäßig in der Landesaufnahmebehörde aufhalten.

Ich will aber nicht ausschließen, dass sich dort die eine oder andere Person zusätzlich aufhält, die dort nichts zu suchen hat. Das Gelände ist zwar durch einen hohen Zaun vor einem unbefugten Zutritt gesichert, es handelt sich aber, meine Damen und Herren, immer noch um eine Landesaufnahmebehörde und nicht um ein Gefängnis oder ein Internierungslager. Personen, die auf dem üblichen Weg den Standort betreten oder verlassen möchten, werden durch die beauftragten Sicherheitsdienste kontrolliert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Szenarien, die Sie hier konstruieren, muten wirklich merkwürdig an. Es lag nicht in der Verantwortung des Landes Niedersachsen, dass derartig viele Flüchtlinge zu uns gekommen sind. Der Umstand, dass die Situation von einigen wenigen für Straftaten ausgenutzt wurde, beschäftigt uns und auch alle anderen Bundesländer stark. Wir waren aber in Niedersachsen keineswegs tatenlos, sondern haben als eines der ersten Bundesländer bereits im Herbst 2015 einen Flüchtlingsmerker in die polizeiliche Statistik aufgenommen. Es wurden Sonder- und Ermittlungseinheiten wie die Soko Zerm installiert, in deren Gebiet sich eine Erstaufnahmeeinrichtung befindet.

Es ist mir unverständlich, und - das sage ich sehr deutlich - ich finde es auch ehrenrührig, wie Sie von der Opposition angesichts dieser Maßnahmen ernsthaft behaupten können, wir hätten Straftaten von Flüchtlingen ignoriert oder gar vertuscht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das entbehrt jeglicher Grundlage und wird auch nicht richtiger, wenn Sie das - entgegen der Faktenlage - ständig wiederholen.

Aber, meine Damen und Herren, die Beiträge heute Morgen haben wieder gezeigt, dass es im Grunde genommen darum gar nicht geht. Es geht darum, wieder sattsam Bekanntes zu wiederholen. Sie nehmen diesen Vorgang zum Anlass, um draufzuhauen, nach dem Motto: wegschließen, wegsperren, abschieben und stigmatisieren.

Das fällt Ihnen dazu ein, während wir darüber reden, dass Flüchtlingskriminalität nicht tabuisiert, aber auch nicht dramatisiert werden darf.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Zu diesem Punkt der Aktuellen Stunde sehe ich keine weiteren Wortmeldungen.

Damit gehen wir über zu

b) Auftragsverwaltung des Bundes für Bundesstraßen sicherstellen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schützen, Landesinteressen wahren! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 17/7470

Die Einführung wird vorgetragen vom Kollegen Gerd Ludwig Will. Herr Will, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Entgegen den Interessen und dem erklärten Willen des Landes Niedersachsen

(Björn Thümler [CDU]: Des Landtags, nicht der Landesregierung!)

besteht Bundesverkehrsminister Dobrindt auf der Einrichtung einer Bundesinfrastrukturgesellschaft. Er will die langjährige und erfolgreiche Auftragsverwaltung durch die Bundesländer beenden.

Auch wenn diese neue Gesellschaft im Besitz des Bundes bleiben soll, wird weiterhin versucht, bei der Finanzierung von zukünftigen Projekten privates Kapital von Banken, Versicherungen und Investoren einzubeziehen. Hierbei stehen Renditegesichtspunkte und eben nicht Aspekte der Verkehrspolitik im Vordergrund. Interessenkollisionen mit Investoren, die möglicherweise am Bau der Projekte beteiligt sind, sind vorprogrammiert.

Nun will der Bund seine Auftragsverwaltung für die Bundesautobahnen von den Landesbehörden möglichst schnell auf die Infrastrukturgesellschaft des Bundes konzentrieren. Gleichzeitig wird erwartet, dass der Entflechtungsprozess und die Übernahme der zukünftigen Kernaufgaben durch eine Bundesbehörde Jahre dauern werden. Das darf aus unserer Sicht weder zur Beeinträchtigung der Handlungsfähigkeit der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr noch zur Vernachlässigung bzw. Verzögerung laufender Planungen und Baumaßnahmen wichtiger Projekte in Niedersachsen führen. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass die Interessen der Beschäftigten und damit die volle Handlungsfähigkeit der Landesbehörde gewahrt bleiben. 900 Beschäf

tigte von insgesamt 3 000 Beschäftigten sind immerhin betroffen. Das zieht sich durch alle Ebenen und durch alle Standorte.

In diesem Zusammenhang fordern wir, dass bei den Verhandlungen mit dem Bund zur Reform der Auftragsverwaltung möglichst viele Aufgaben durch die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr weiterhin erledigt werden, um die Handlungsfähigkeit der Behörde und die bisherige Qualität der Arbeit in Planung, Erhaltung und Betrieb auch langfristig zu sichern. Hierbei ist bei allen vom Übergang in die bundeseigene Verwaltung von Bundesautobahnen betroffenen Beschäftigten darauf hinzuwirken, dass dieser Übergang grundsätzlich freiwillig erfolgt und die erworbenen Ansprüche bestehen bleiben. Wir wollen, dass eine vollständige Übernahme der Kosten der Versorgungslasten durch den Bund erfolgt und keine Altersgrenzen bei Versetzungen zum Bund zur Anwendung kommen. Dazu bedarf es eines Überleitungstarifvertrages für die betroffenen Arbeitnehmer.

Gleichzeitig wollen wir, dass die ortsnahe Weiterbeschäftigung aller Betroffenen erreicht wird und der Bund eine Standortgarantie gibt.

Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang erwarten wir vom Bund, dass die genauen Bedingungen des Übergangs sowohl im Grundgesetz als auch in den erforderlichen Begleitgesetzen einvernehmlich getroffen werden. Dazu gehört auch die Festlegung der zukünftigen Standorte der neuen Bundesbehörde einschließlich der Niederlassungen in Niedersachsen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die gewollten und gut funktionierenden vertikalen Kooperationen mit den Kommunen, die auch in Zukunft weiterbestehen sollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen, dass eine indirekte Privatisierung durch ÖPP und eine versteckte Privatisierung durch die Kreditfähigkeit der Gesellschaft durch konkrete grundgesetzliche oder gesetzliche Formulierungen ausgeschlossen bleiben.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Handlungsfähigkeit unserer Landesbehörde und ihrer bisherigen ausgezeichneten Arbeit gehört auch, dass die Maßnahmen aus dem Bundesverkehrswegeplan, die bereits in Planung sind, im Zuständigkeitsbereich der Landesbehörde verbleiben, auch wenn

das über den gewählten Übergangszeitraum der Reform hinausgehen sollte.

Hierbei weise ich ausdrücklich auf die erreichten Planungsstände für die A 20 und die A 39 in Niedersachsen hin. Diese Planungsstände dürfen durch die Absichten von Herrn Dobrindt nicht infrage gestellt werden.