Protokoll der Sitzung vom 03.03.2017

Um gleiches Recht für alle zu gewährleisten und um keine Wettbewerbsnachteile für unsere Betriebe zu schaffen, ist bei einer Kennzeichnung aber auch eine intensive Kontrolle notwendig. Vielleicht haben Sie es schon gelesen. Ich kann Ihnen mitteilen, dass unser Landesamt für Verbraucherschutz, das LAVES, in Zusammenarbeit mit den zahlreichen Kommunen in den letzten Tagen in

mehreren Supermärkten in Niedersachsen mehrere 100 000 vermeintliche Freilandeier aus den Niederlanden aus dem Verkehr gezogen hat, da die Stallpflicht nach zwölf Wochen immer noch im Gange ist.

Die EU-weite Kennzeichnung gilt auch in Niedersachsen, und sie gilt auch für holländische Eier. Deshalb haben wir die Eier, die mit der Kennzeichnung 1 als Freilandei verkauft wurden, aus dem Verkehr gezogen. Da sie nach der Kennzeichnung nicht umdeklariert werden dürfen - man darf dann nicht eine 2 aufdrucken -, müssen sie entweder als zu verarbeitende B-Eier, also etwa in Kuchen und Backwaren, verwendet werden oder in die Niederlande zurückgeschickt werden. Ich denke, das ist auch im Sinne der vielen niedersächsischen Legehennenhalter, die ihre Eier wegen der Stallpflicht zurzeit nicht als Freilandeier verkaufen können, sondern sie mit der Ziffer 2 für Bodenhaltung bedrucken müssen und auf die Solidarität der Verbraucherinnen und Verbraucher angewiesen sind. Daher auch hier mein Appell: Lassen Sie unsere niedersächsischen Freilandbetriebe nicht im Stich, und bezahlen Sie weiterhin den Eierpreis, den sie verdient haben, nämlich einen guten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Zu Frage 2: Welche Vorschläge hat die Landesregierung zur Haltungskennzeichnung bei Fleisch und Fleischerzeugnissen? - Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher wollen wissen - das zeigt die Eierkennzeichnung -, wie Lebensmittel produziert worden sind, die sie kaufen. Dabei legen sie zu Recht besonderen Wert auf eine übersichtliche und nachvollziehbare Information zu Tierhaltung und Tierschutz.

Bereits auf der Agrarministerkonferenz im Herbst 2014 wurde daher ein Vorschlag in die Diskussion eingebracht, der sich an der erfolgreich am Markt etablierten Haltungskennzeichnung von Konsumeiern orientiert und der von uns unterstützt und weiterverfolgt wird. Mit einem einfachen, aber verbindlichen System für mehr Transparenz sollen Verbraucherinnen und Verbraucher auch beim Frischfleisch zum Beispiel eine bewusste Kaufentscheidung treffen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben gesagt, nichts Neues, sondern: Nehmt doch 0, 1, 2 und 3 auch bei Fleisch und Milchprodukten. Das würde dann bei Fleisch wie folgt aussehen - so der zusammengefasste Vorschlag der

Agrarminister- und Verbraucherschutzministerkonferenz -: Die 0 ist ganz einfach definiert, sie steht nämlich für ökologische Produkte. Alles Fleisch, was der EU-Bioverordnung entspricht, bekommt die 0. Die 1 steht für konventionell erzeugte Produkte, bei der die Tiere Zugang zum Freien haben. Das ist wie bei der Freilandhaltung von Hühnern, sie steht also für Weidetiere - Weidefleisch -, für Tiere mit Auslauf und zusätzlichem Beschäftigungsmaterial. Die 2 würde nach dem Vorschlag der Agrarminister der Länder für konventionell erzeugte Produkte mit 30 % mehr Platz und Gliederung der Haltungseinrichtung stehen, also das, was z. B. der Tierschutzeinstiegsstufe des Deutschen Tierschutzbundes entspricht oder was die Niederlande mit dem „Beter leven“-Label - Beter leven: besseres Leben - umgesetzt haben. Die 3 entspricht dem gesetzlichen Mindeststandard ähnlich wie bei den Eiern. Die würden konventionell erzeugte Produkte kriegen, die dem gesetzlichen Mindeststandard entsprechen.

(Jens Nacke [CDU]: Es ist übrigens Fragestunde!)

Das ist also einfach und verständlich, kein neues System, sondern das, was die Verbraucherinnen und Verbraucher kennen. Mit diesem Anknüpfen an das bewährte System der Eierkennzeichnung obliegt es den Konsumenten, selbst zu entscheiden, welche Lebensmittel sie aus welchen Haltungsformen bevorzugen und mit einer höheren Zahlungsbereitschaft honorieren.

(Björn Thümler [CDU]: Haben wir noch Fragestunde oder nicht?)

Aus meiner Sicht wäre das gut für die niedersächsische Agrarwirtschaft, die ja mit immer höheren Tierschutzstandards zu einem Vorreiter beim Tierschutz wird. Die Produkte würden sich dann wohltuend von billiger Massenware aus dem Ausland absetzen, die zu deutlich schlechteren Tierschutzstandards hergestellt worden ist. Der Wettbewerb ist geeignet, Verbesserungen in der Tierhaltung - Lob für die Landwirte - im Sinne einer artgerechten Tierhaltung zu kommunizieren und kenntlich zu machen und von den Verbraucherinnen und Verbrauchern einen fairen Preis einzufordern.

Die Verbraucherministerkonferenz hat dieses Modell befürwortet und den Bund schon vor Längerem aufgefordert, mit den Ländern einen EUrechtskonformen Vorschlag zur Einführung einer zunächst nationalen Tierhaltungskennzeichnungsregelung unter Berücksichtigung der bereits vorhandenen Kennzeichnungen zu erarbeiten. Leider

hat der Bund bislang die Länder in seine Überlegungen, so er sie denn hat, nicht einbezogen.

Zu Frage 3: Ist es in der Eierproduktion Niedersachsens nach Einführung der Kennzeichnungspflicht und dem Ausstieg aus der Käfighaltung zu Produktionsrückgängen gekommen? - Klar Antwort: Nein! Im Gegenteil: 2004 wurde unter der damaligen rot-grünen Bundesregierung die Pflichtkennzeichnung für Eier - Öko-, Freiland-, Boden- und Käfighaltung - eingeführt. Inzwischen sind Eier aus Käfighaltung, also Eier mit der 3, aus fast allen Supermärkten verschwunden. Sie werden hier kaum irgendeinen Supermarkt finden, der noch Eier mit der 3, also Käfigeier, verkauft. Das liegt daran, dass immer mehr Menschen heute Freiland- oder Bioeier kaufen, Tendenz steigend. Bei Bioeiern wuchs der Umsatz im letzten Jahr noch einmal um fast 10 %.

Niedersachsens Landwirtschaft ist ein Riesenprofiteur dieser Eierkennzeichnung: Jedes zweite Bio- und jedes zweite Freilandei in Deutschland kommt mittlerweile aus Niedersachsen, und das ist auch gut so.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im Jahr 2004, also vor der Einführung der Kennzeichnung, waren wir noch das Land der Käfigbatterien. Damals betrug der Anteil der Käfigeier 83 %. 12 Millionen Legehennen waren in Käfigen. Öko war 2004 mit 1,7 % oder 245 000 Plätzen verschwindend gering. Das war also ähnlich, wie wir es jetzt bei Fleisch haben. Dort ist ein ganz geringer Anteil ohne Kennzeichnung.

(Jens Nacke [CDU]: Herr Minister, Sie sind bei 35 Minuten! Haben wir es bald?)

Die Freilandhaltung und Bodenhaltung lagen mit 7,4 % bzw. 8,2 % der Stallplätze in etwa gleich auf. Für diese beiden Haltungsformen wurden etwa 1,1 Millionen bzw. 1,2 Millionen Stallplätze gezählt. Mit der Kennzeichnungspflicht wurden die Stallplätze in der Käfighaltung kontinuierlich abgebaut, sodass im Jahr 2009 noch etwa 50 % der Legehennen im Käfig gehalten wurden, also 6,5 Millionen Legehennen. Gleichzeitig stieg aber der Anteil der Ökohaltung, der sich mehr als verdoppelt hat.

(Jens Nacke [CDU]: 36 Minuten!)

Aber auch die Freilandhaltung wurde von 1,1 Millionen Plätzen auf etwa 1,6 Millionen deutlich ausgebaut. Der Anteil der Bodenhaltung hat sich in den Jahren von 2004 bis 2009, also in Ihrer Zeit,

mehr als verdreifacht, nämlich auf 4,4 Millionen Plätze.

Seit dem 1. Januar - es wurde ja nach dem Verbot gefragt - ist es in Deutschland verboten, die Hennen in den alten, herkömmlichen Käfigbatterien zu halten. Wir haben letztes Jahr dank eines Antrags der Niedersächsischen Landesregierung im Bundesrat dafür gesorgt, dass die Haltung von Legehennen in der weiter bestehenden sogenannten Kleingruppenkäfighaltung bis 2025 in Deutschland verboten wird. Also etwas länger als der Atomausstieg dauert der Ausstieg aus der Käfighaltung. Aber wir haben bei den Alternativen zur Käfighaltung jetzt schon einen riesigen Boom - ähnlich wie bei den Erneuerbaren Energien.

(Jens Nacke [CDU]: 37 Minuten!)

So ist der Bestand von Legehennen in Käfighaltung auf zurzeit 2,59 Millionen Tiere gesunken. Die anderen Haltungsformen konnten diesen Rückgang jedoch mehr als kompensieren, sodass wir 2016 mit 18,3 Millionen Legehennen 5 Millionen Legehennen mehr haben als zum Zeitpunkt des Verbots der Käfigbatterien. Auch wenn Sie es nicht hören wollen: Das zeigt, dass die Eierproduktion in Niedersachsen durch die Kennzeichnung erheblich profitiert hat und dass nicht, wie von Ihnen behauptet, Legehennenplätze ins Ausland abgewandert sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir treten für faire Preise ein, wir treten dafür ein, dass man pro Ei mehr kriegt. Zumindest nach meiner Kauferfahrung kostet ein Bio- oder Freilandei gerne doppelt so viel wie ein Käfigei. Wir haben also jedes Jahr nicht nur mehr Eier produziert, sondern wir haben auch fast eine Verdoppelung des Umsatzes und der Einkommen unserer Betriebe.

(Björn Thümler [CDU]: Warum heißt das hier eigentlich Fragestunde und nicht Laberrunde?)

Letztes Jahr stieg der Preis der Bioeier für die Landwirte sogar noch einmal. Von daher ist die Wertschöpfung - darum muss es ja gehen -, sind die Einkommen im ländlichen Raum im Eierland Nummer eins, in Niedersachsen, deutlich gestiegen.

(Jens Nacke [CDU]: 38 Minuten!)

Wir haben in diesem Bereich - anders als in anderen Bereichen - überhaupt kein Höfesterben. Sie wissen, bei Milch haben aufgrund von Billigpreisen letztes Jahr in Niedersachsen über 4 % der Betriebe, bundesweit über 5 % der Betriebe aufgegeben. Bei den Legehennen haben wir einen umgekehrten Strukturwandel. Wir haben deutlich mehr Betriebe in Niedersachsen als vorher. Sie sind durchschnittlich kleiner geworden, weil man mit weniger Tieren höhere Einkommen erzielt. Vor allem bei den Hühnermobilen - etwas, was wir hier auch immer wieder diskutiert haben - haben wir im Freilandbereich einen enormen Zuwachs, den wir als Landesregierung gerne auch weiter fördern wollen. Ich freue mich darüber; dies zeigt, dass die Kennzeichnung der Eier - so war ja die Frage - nach Haltungsformen eine Erfolgsgeschichte ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben die Freiheit - niemandem wird etwas vorgeschrieben -, und sie entscheiden sich für teurere, fairere, tiergerechtere Eier. Das freut die Landwirte. Das freut die Hühner. Das freut die Verbraucherinnen und Verbraucher. Wir setzen auf Qualität.

(Jens Nacke [CDU]: 39 Minuten!)

Deshalb halten wir es für sinnvoll, dass man auch bei Fleisch und bei Milch dem Verbraucher ehrlich sagt, wie die Tiere gehalten werden. Ich würde es begrüßen, wenn wir eine solche verpflichtende Kennzeichnung auch in diesen Bereichen bekommen würden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister, für diese umfassende Antwort. - Es besteht jetzt der Wunsch nach Zusatzfragen. Die erste möchte für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kollege Janßen stellen. Bitte!

(Jens Nacke [CDU]: Jetzt kommen noch die Grünen mit ihren vorbereite- ten Fragen, damit noch einmal 40 Mi- nuten dazukommen, oder was?)

- Herr Janßen, einen Moment, bitte!

(Jens Nacke [CDU]: Das ist unparla- mentarisch, was Sie hier machen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie alle wissen um die grundsätzliche Problematik, aber auch um die Rechtslage unserer Fragestunden. Es hilft jetzt nichts, wenn hineinkommentiert wird und Minuten

gezählt werden. Es wurde gefragt. Die Regierung hat geantwortet. Es steht in Ihrer Freiheit, in welcher Länge und in welcher Form sie das tut. Jetzt werden Zusatzfragen gestellt. Es beginnt Herr Janßen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass gerade in viehintensiven Regionen aufgrund von Immissionsvorschriften bisweilen der Umbau von Ställen und der Neubau von Ställen mit Freilandhaltung besonderen Restriktionen z. B. aufgrund von gesundheitlichen Gefahren unterliegen können, frage ich die Landesregierung, welche Maßnahmen sie unternimmt, um es Landwirten auch in diesen Regionen zu ermöglichen, zu entsprechender tierwohlgerechter Haltung zu kommen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Helmut Dammann-Tamke [CDU])

Danke schön. - Herr Minister, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist richtig, dass die vom Verbraucher immer mehr gewünschte Freilandhaltung, ganz gleich ob von Hühnern, von Schweinen oder von Rindern in Weidehaltung, nicht immer mit den geltenden Bestimmungen kompatibel ist. Deshalb sind diese aus Sicht der Landesregierung zu überarbeiten. Auf Initiative des Ministerpräsidenten Stephan Weil haben wir als Landesregierung einen interministeriellen Arbeitskreis mit den zuständigen Ministerien - Umweltministerium, Bauministerium und Agrarministerium - und dem landwirtschaftlichen Berufsstand eingerichtet, in dem wir genau überprüfen, wie das eigentlich ist.

(Christian Dürr [FDP]: Sie haben so viele Arbeitskreise eingerichtet!)

Ich hatte am Mittwoch erklärt, dass die Düngeverordnung beinahe dazu geführt hätte, dass wir keine Kuh mehr auf der Weide sehen können, weil man die Kuhfladen deutlich höher anrechnet als vorher. Das sind alles Einschränkungen ökonomischer Art für die Landwirte. - Frau Polat schaut. Jetzt wird der Kuhfladen bei den Nährstoffemissionen mit 25 % angerechnet; dies sollte nach Auffassung des Bundes auf 60 % erhöht werden; es ist jetzt bei 25 % geblieben. Das hätte sonst dazu

geführt, dass jemand, der weiterhin 50 Kühe draußen hält, bei seiner Nährstoffbilanz fast die doppelte Fläche hätte angeben müssen, und das bei den Pachtpreisen. Das wiederum hätte dazu geführt, dass man wegen der Düngeverordnung Kühe in den Stall bringt, anstatt sie draußen laufen zu lassen.