Protokoll der Sitzung vom 25.09.2013

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Limburg. - Jetzt liegt mir eine Wortmeldung der Landesregierung vor. Herr Innenminister Pistorius, Sie haben das Wort.

(Angelika Jahns [CDU]: Ich habe mich vorhin schon gemeldet!)

Herr Innenminister, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Vorbemerkung an Sie, Herr Nacke: Zwischen uns scheint sich ja eine tiefe Zuneigung der besonderen Art zu entwickeln.

(Björn Thümler [CDU]: Sie wiederho- len sich!)

Ich finde es schon bemerkenswert, dass Sie mir hier Probleme an die Backe reden wollen, die gar nicht da sind.

(Norbert Böhlke [CDU]: Das haben Sie nur noch nicht gemerkt!)

Das ist wiederholte Methode. Ich wünsche weiter viel Spaß dabei. Mich werden Sie damit jedenfalls nicht irritieren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auf meine Bitte hin ist am vergangenen Mittwoch, dem 18. September, der Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes - - -

(Jens Nacke [CDU]: Nicht nervös werden, Herr Minister!)

- Herr Nacke, dazu gehört ein bisschen mehr.

(Jens Nacke [CDU]: Sie wirken so un- souverän! - Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

- Herr Nacke, ich wusste gar nicht, dass Sie Experte für Souveränität sind. Das ist mir neu, Herr Nacke.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jörg Hillmer [CDU]: Wann sind Sie informiert worden?)

Auf meine Bitte hin ist am vergangenen Mittwoch, dem 18. September, der Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zu einer Sondersitzung zusammengekommen.

(Jens Nacke [CDU]: Das ist ein An- fängerminister! Das ist ein Anfänger! - Gegenruf von Ulrich Watermann [SPD]: Der Parlamentarische Ge- schäftsführer der CDU-Fraktion ist ein Anfänger!)

Es war mir sehr wichtig, den Ausschuss über relevante Versäumnisse des Verfassungsschutzes unter schwarz-gelber Verantwortung unverzüglich über Vorgänge zu unterrichten, von denen ich wenige Tage zuvor, nämlich am 12. September, erstmalig Kenntnis erhalten habe.

(Ulf Thiele [CDU]: Wann haben Sie die Akten gesehen?)

Nach ihrer Amtsübernahme im März hatte die Präsidentin des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Frau Brandenburger, stichprobenartig damit begonnen, die Speicherungen in der Amtsdatei des Verfassungsschutzes zu überprüfen. Dabei hatte sie nach ihr bekannt journalistisch und publizistisch tätigen Personen in der Amtsdatei gezielt gesucht. Durch diese Stichprobe stellte sich im Laufe der folgenden Wochen in sechs Fällen heraus, dass das Erheben und Speichern von Daten über diese Personen wegen mangelnden Extremismusbezuges oder auch wegen mangelnder Relevanz nicht gerechtfertigt war.

(Jens Nacke [CDU]: Sie wissen, dass das nicht stimmt! - Weitere Zurufe)

Die einzelnen Fälle ließ sie sich daraufhin vom zuständigen Fachbereich vortragen. Sie musste feststellen, dass diese Speicherungen unzulässig vorgenommen worden waren.

(Ulf Thiele [CDU]: Wieso sind Sie ei- gentlich über nichts informiert, wäh- rend Ihr Vorgänger angeblich über al- les informiert war?)

- Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer aufklären will, sollte zuhören lernen!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Präsidentin entschied, der gesetzlichen Regelung des § 10 Abs. 2 des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes folgend, diese Speicherung von personenbezogenen Daten der betroffenen Personen sofort zu löschen.

Mittlerweile hat auch der Landesbeauftragte für den Datenschutz im Rahmen eines gestern geführten Gesprächs mit meinem Staatssekretär ausdrücklich bestätigt, dass die Verfassungsschutzpräsidentin zu diesen Löschungen verpflichtet war, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie ordnete im Anschluss an die stichprobenartige Überprüfung an, die Dateispeicherung systematisch und vollständig auf weitere unzulässige Speicherungen hin zu überprüfen. Im Rahmen dieser systematisch angelegten Untersuchungen ist bereits nach kurzer Zeit deutlich geworden, dass in weiteren fehlerhaften Fällen gespeichert wurde. Es ist davon auszugehen, dass die weiteren systematischen Überprüfungen der Datensätze weitere fehlerbehaftete Speicherungen zutage fördern werden. Sollten bei diesen systematischen Überprüfungen aus dem journalistischen Bereich darüber hinaus unrechtmäßig erfolgte Speicherungen aufgedeckt werden, hat die Präsidentin angeordnet, dass diese zunächst zeitlich befristet gesperrt werden.

(Björn Thümler [CDU]: Ach was! Auf einmal? - Jens Nacke [CDU]: Aber al- les andere war in Ordnung! Mensch! Anfänger! - Weitere Zurufe)

Diese Entscheidung, meine Damen und Herren, traf sie auf Anregung des Landesbeauftragten für den Datenschutz, da aufgrund der Presseberichterstattung von einem gesteigerten Aufklärungsinteresse der Betroffenen auszugehen ist.

(Björn Thümler [CDU]: Anfänger!)

Insgesamt handelt es sich um etwa 9 000 Datensätze, die zu überprüfen sind. Die Landesregierung wird den Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes in seinen Sitzungen über den jeweiligen aktuellen Stand der Überprüfungen unterrichten.

(Jens Nacke [CDU]: Sie sind doch kein Anfänger, Herr Minister! Sie sind der Schwachpunkt der Landesregie- rung!)

Ich gehe davon aus, dass bereits in der nächsten Sitzung weitere Erkenntnisse mitgeteilt werden können.

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Birkner zu?

Nein, danke, ich bin sowieso knapp in der Zeit.

(Petra Tiemann [SPD]: Einfach einmal zuhören!- Gegenruf von Jens Nacke [CDU]: Da kann man ja kaum zuhö- ren! Wie können Sie nur so viel Un- sinn vortragen! - Weitere Zurufe - Un- ruhe - Glocke des Präsidenten)

In dem mittlerweile öffentlich bekannt gewordenen Fall der Journalistin Röpke wurde infolge der fortschreitenden hausinternen Recherchen festgestellt, dass im Jahr 2012 der Datensatz von Frau Röpke gelöscht worden war, nachdem sie ein Auskunftsersuchen gestellt hatte. Erst nach dieser Löschung war ihr mitgeteilt worden, dass keine Daten über sie gespeichert waren. Damit war diese Aussage mit Blick auf den Zeitpunkt des Auskunftsersuchens schlicht falsch, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der letztgenannte Fall ist eine Angelegenheit von besonderer Bedeutung, über den ich dann unverzüglich den Ausschuss so, wie es das Gesetz vorschreibt und wie ich Verfassungsschutz und seine parlamentarische Kontrolle verstehe, unterrichtet habe.

Infolge der aktuellen Erkenntnisse hat die Verfassungsschutzpräsidentin mehrere Maßnahmen ergriffen, um künftig derartige Vorgänge in ihrem

Hause zu verhindern und damit die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen.

Meine Damen und Herren, auch dieser aktuelle Sachverhalt bestätigt die Einschätzung der Niedersächsischen Landesregierung, dass ein dringender Reformbedarf besteht.

(Beifall bei Frau Modder [SPD])

Seien Sie mir nicht böse, meine Damen und Herren: Nach den Erfahrungen der letzten zehn Jahre und den Erkenntnissen der letzten Wochen sehe ich wirklich keinen Anlass, diejenigen in die Aufbereitung und in die Reformdiskussion des Verfassungsschutzes einzubeziehen, die in den letzten zehn Jahren die Verantwortung für das getragen haben, worüber wir heute hier diskutieren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Innenminister - - - Okay.

Lassen Sie mich drei Schlussbemerkungen machen:

Zum Zeitpunkt. Was hätte wohl die Öffentlichkeit gesagt, wenn ich am 12. September von diesen Vorgängen erfahre und dann mit Rücksicht auf Wahlen diese Informationen zurückhalte und zwei Wochen später damit in einen Ausschuss gehe? - Dann wären Sie die ersten gewesen, die gesagt hätten: Warum haben Sie mit dieser Information hinter dem Berg gehalten, wenn Sie seit zwei Wochen bereits davon wussten?