Protokoll der Sitzung vom 25.09.2013

Die Vorstellungen von Rot-Grün in dieser Frage sind unausgereift. Deshalb werden wir diesem Antrag heute unsere Zustimmung verweigern.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Meine Damen und Herren, die nächste Wortmeldung kommt von der Fraktion der FDP. Abgeordnete Sylvia Bruns, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir müssen politisch etwas tun, und das ist klar. Da besteht zwischen uns allen, denke ich, Konsens. Doch in puncto, was zu tun ist, gibt es eindeutig keinen Konsens mehr.

An dieser Stelle möchte ich gerne auf die Fakten aufmerksam machen. In Niedersachsen sind aktuell so viele Menschen in der Pflegeausbildung wie nie zuvor. Wir haben kein Problem mit den Ausbildungsplätzen in Niedersachsen. Seit 2008 ist die Zahl der Ausbildungsplätze um fast 40 % gestiegen.

Wir haben aber ein Problem damit, die Menschen im Altenpflegeberuf zu halten. Da tätig zu werden, ist unsere zukünftige politische Aufgabe.

Ordnungspolitisch finde ich es gut und richtig, darüber zu diskutieren, ob eine Ausbildungsplatzabgabe wirksam sein kann oder nicht. Die Zahlen in Niedersachsen sprechen aber gegen eine Wirksamkeit. Die letzte Umlage wurde am 1. August 1996 eingeführt. Während vor der Einführung eine kontinuierliche Steigerung der Zahl der Ausbildungsplätze zu beobachten war, sank die Zahl der Ausbildungsplätze nach der Einführung sogar: von 4 101 im Jahr 1996 auf 3 475 im Jahr 1998. Erst im Jahr 1999 erreichte man wieder den Stand von 1996. Im Jahr 2000 wurde die Abgabe ausgesetzt. Seit dem Jahr 2000 ist wiederum eine kontinuierliche Steigerung zu beobachten. Nach Abschaffung der Umlage sind also mehr Ausbildungsplätze entstanden als mit der Umlage,

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

ganz zu schweigen von den Unwägbarkeiten, von denen hier schon gesprochen wurde.

Was ich gerne noch anmerken möchte: Ich finde es unerträglich, dass diejenigen die Umlage bezahlen, die die Sachdienstleistungen empfangen. Das sind diejenigen, die das zukünftig bezahlen müssen. Das ist für mich das Schlimmste. Man hat das damals hochgerechnet: 1996 waren es bei einem Pflegesatz von 1 800 DM um die 70 DM, die derjenige zahlen musste. Neue Hochrechnungen sagen: Es werden zwei bis drei Pflegetage sein,

die der zu Pflegende selber zu bezahlen hat. Auch deswegen werden wir dem nicht zustimmen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön, Frau Bruns. - Meine Damen und Herren, die nächste Wortmeldung kommt von der Fraktion der SPD. Abgeordneter Uwe Schwarz, bitte sehr! Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Böhlke, ich finde, wir hatten eine deutliche Aussprache im Ausschuss, vor allen Dingen über die Historie in Sachen Pflege. Kein einziges sozialpolitisches Thema ist in der vergangenen Legislaturperiode so oft im Parlament behandelt worden wie das Thema Pflege. Allein in der vergangenen Legislaturperiode haben wir 20mal hier im Plenum darüber geredet und gestritten.

(Norbert Böhlke [CDU]: Pflegekam- mer!)

Ich will Ihnen nur einmal die Themen sagen: „gerechte Bezahlung in der Pflege“, „keine Dumpinglöhne“, „keine Kürzungen in der Kurzzeitpflege“, „Fachkräftemangel in der Pflege begegnen“, „die Altenpflegeausbildung stärken“, „Pflegepakt Niedersachsen - Gute Pflege für alle - Wertvolle Pflege sichern“, „Schulgeldfreiheit … gesetzlich absichern“, „Anerkennung der Sprachkompetenz von Pflegekräften aus Spanien“.

In der Regel waren das alles Initiativen von RotGrün, und in der Regel haben Sie die alle abgelehnt, meine Damen und Herren.

(Petra Tiemann [SPD]: So ist es!)

Wir haben allein im Jahre 2012 zwei große Anhörungen aller relevanten Fachverbände im Sozialausschuss gehabt. Dabei ist die Haltung zur Einführung der Altenpflegeumlage jedes Mal mit abgefragt worden. Das heißt, die Positionen der Verbände sind mehr als hinlänglich bekannt. Sie sind zuletzt vor noch nicht einmal einem Dreivierteljahr im Sozialausschuss hoch und runter diskutiert worden. Wozu Sie da eine neue Bewertung brauchen, weiß ich nicht. Aber wenn es darum geht, hier erneut Zeit zu schinden, dann kann ich nur sagen: Damit werden Sie dem Thema überhaupt nicht gerecht. Wir wollten das jedenfalls nicht.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir haben bei der Pflegeproblematik, vor allem bei der Altenpflegeproblematik, seit Jahren kein Erkenntnisdefizit, aber ein dramatisches Handlungsdefizit - seitens der früheren Landesregierung und im Übrigen auch seitens der bisherigen Bundesregierung.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Was haben Sie denn bis jetzt unternommen? Gar nichts!)

Ich erinnere daran: Bundesgesundheitsminister Rösler hatte 2011 zum Jahr der Pflege erklärt und verschwand dann unverrichteter Dinge im Wirtschaftsministerium. Sein Nachfolger, Bundesgesundheitsminister Bahr, verschleppte und verhinderte die Einführung eines neuen Pflegebegriffes und damit den längst überfälligen gleichberechtigten Zugang von Menschen mit Demenz zum kompletten Leistungskatalog der Pflegeversicherung. Da ist ein völlig unwürdiges Spiel abgegangen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Stattdessen erfand Minister Bahr eine private Zusatzversicherung für die Pflege und weigerte sich gleichzeitig, eine auskömmliche finanzielle Grundlage für die Pflegeversicherung zu schaffen.

(Christian Grascha [FDP]: Wer hat denn in den elf Jahren davor den Mi- nister gestellt?)

Die FDP verhinderte auch in der Pflege beharrlich die Einführung eines Mindestlohnes und ließ so zu, dass insbesondere die Wertschätzung gegenüber den Altenpflegeberufen immer weiter gesunken ist. Meine Damen und Herren, wer so Sozialpolitik betrieben hat, der darf sich auch nicht wundern, dass er am vergangenen Sonntag selber zum politischen Pflegefall erklärt worden ist.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Bei dem Er- gebnis, das Sie von der SPD erzielt haben, brauchen Sie sich über die FDP keine Gedanken zu machen! - Gegenruf von Petra Tiemann [SPD]: Das war jetzt eben keine Bewerbung, Herr Hilbers!)

Die Zahl der Pflegebedürftigen in Niedersachsen wird bekanntlich rasant ansteigen, von heute 270 000 auf über 300 000 bis zum Ende des Jahrzehnts. Wenn ich 30 000 fehlende Pflegekräfte in

den nächsten zehn Jahren zu verantworten hätte, dann würde ich mich etwas mehr zurückhalten, als Sie es gerade tun.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Prognosen sind nämlich nicht vom Himmel gefallen; es sind die Prognosen der alten Landesregierung. Demnach werden wir schon 2020 allein in diesem Bundesland 30 000 Kräfte zu wenig haben. Wer dann wie der Kollege Böhlke immer noch nicht die Notwendigkeit einer Umlagefinanzierung sieht, der lässt sich auch in fünf weiteren Anhörungen nicht belehren; da bin ich mir ganz sicher.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir sind mittendrin im Pflegenotstand. Das bestreitet außer der CDU jedenfalls in der Fachszene niemand. Es ist übrigens durchaus nachvollziehbar, dass Frau von der Leyen durch Europa tourt und ausländische Pflegekräfte anwerben will. Ich finde, es wäre besser gewesen, wenn sie sich die Verbesserung der Rahmenbedingungen der Pflege in Deutschland mit dem gleichen Elan vorgenommen hätte, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

In der Koalitionsvereinbarung von SPD und Grünen ist die Situation der Pflege ein Schwerpunktthema. Wir haben hier in Niedersachsen die Einberufung einer Fachkommission Pflege versprochen und dies sofort nach der Regierungsübernahme vollzogen. Wir haben die gesetzliche Absicherung der Schulgeldfreiheit in der Altenpflege zugesagt und als eine der ersten Maßnahmen hier im Landtag beschlossen. Am Gesetzentwurf wird gearbeitet. Im Haushaltsplanentwurf ist die Umsetzung abgebildet. Die Sozialministerin hat in mehreren Verhandlungsrunden den lange schwelenden Vergütungskonflikt zwischen ambulanten Pflegediensten und Pflegekassen entschärft. Das ist gut für die Pflegebedürftigen, und das ist gut für die Pflegekräfte.

Wir haben die Einführung einer solidarischen Umlagefinanzierung in der Altenpflege versprochen und fordern heute die Landesregierung mit unserem Beschluss auf, dies umzusetzen. Die dafür notwendigen Voraussetzungen - da hat Herr Böhlke recht - sind im Haushaltsplanentwurf für das kommende Jahr abgebildet.

Meine Damen und Herren, es muss wirklich endlich Schluss damit sein, dass sich ambulante Pflegeeinrichtungen kaum an der Ausbildung beteiligen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es muss endlich Schluss damit sein, dass ausbildende Betriebe Wettbewerbsnachteile haben und gegebenenfalls in die Tarifflucht getrieben werden. Es muss Schluss damit sein, dass Betriebe, die sich nicht an der Nachwuchsförderung beteiligen, auch noch mit Gewinnmaximierung belohnt werden.

Die Beispiele u. a. aus Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland machen deutlich, dass die Einführung einer Umlagefinanzierung hier ein geeignetes Instrument ist. In der Tat hat Frau Merk im Jahre 2000 die Umlagefinanzierung ausgesetzt, weil sie mehrfach beklagt worden ist. 2003, also vor zehn Jahren, ist die Rechtmäßigkeit dieser Umlage festgestellt worden, und zwar höchstrichterlich. Da muss man nicht mehr die Kämpfe der vergangenen Jahre führen. Diese Umlage ist rechtssicher, und deshalb wird diese Umlage zur Sicherung der Altenpflege in Niedersachsen eingeführt, meine Damen und Herren.

Als Finanzierungsgrundlage nehmen wir das Stiftungskapital der Altenpflegestiftung von immerhin 10 Millionen Euro - Stiftungskapital, das Sie zweckentfremdet in diese Stiftung eingebracht haben.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Das ver- brauchen Sie!)

Es ist von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen finanziert worden, und zwar für einen einzigen Zweck, nämlich die Ausbildung in der Pflege zu sichern. Deshalb ist es mehr als legitim, dass wir das Geld wieder für den Zweck einsetzen, für den es in Treu und Glauben gezahlt worden ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir haben in der Altenpflege keine Zeit mehr zu verlieren. Wir reden nicht nur, wir handeln. Dafür ist Rot-Grün gewählt worden, und das setzen wir auch so um.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Schwarz. - Wenn ich es richtig gesehen habe, gibt es zwei Meldungen zu Kurzinterventionen.

(Norbert Böhlke [CDU]: Nach Alpha- bet, bitte, Herr Präsident!)

- Sie waren auch der Erste, der sich gemeldet hat, Herr Kollege Böhlke. - Danach folgt Herr Kollege Hilbers. Sie haben jeweils anderthalb Minuten Zeit.