Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde, an die allererste Stelle einer Haushaltsbewertung gehört, hier ein großes Lob auszusprechen, und zwar an die Haushälter im Sozialministerium, besonders Herrn Koy, die den Haushalt für uns zusammengestellt haben.
Seit Februar bin ich nicht nur neu im Landtag, sondern für die FDP-Fraktion auch Sprecherin für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Bau. Im Bereich Soziales habe ich in den letzten Monaten sehr viel Engagement in den unterschiedlichsten Projekten vorgefunden. Als Beispiel seien hier die Mädchenhäuser oder das Hospiz „Löwenherz“ genannt, die einen Großteil des benötigten Geldes durch Spenden aufbringen. Das, finde ich, ist sehr beeindruckend und verdient an dieser Stelle auch einmal eine Würdigung.
Frau Bruns, entschuldigen Sie. Ich muss Sie unterbrechen. - Es gibt hier so eine latente Unruhe, wahrscheinlich sachgemäß begründet. Aber sie
kommt hier an, als wenn es nicht sachgemäß begründet ist. Bitte konzentrieren Sie sich auf die Rednerin! Das ist wichtig.
Eine liberale Sozialpolitik setzt darauf, den einzelnen Bürger in seiner Unterschiedlichkeit zu fördern und auch zu fordern, so zu fördern, dass er in die Lage versetzt wird, ein selbstbestimmtes und freies Leben zu führen, ein Leben nach seinen Wünschen ohne staatliche Bevormundung.
Dazu muss der Staat Maßnahmen ergreifen, um jeden Bürger in diese Lage zu versetzen. Dazu gehört aber aus unserer Perspektive nicht das soziale Füllhorn.
Wenn Menschen ständig alimentiert werden, werden sie nicht selbstständig und emanzipiert, sondern abhängig. Das ist das genaue Gegenteil einer guten Sozialpolitik.
Wir wollen eine gezielte Förderung von Projekten, damit Menschen möglichst autonom und selbstbestimmt leben können.
Dennoch wissen wir, dass nicht alle Menschen in diese Lage versetzt werden können. Hier sind die starken Schultern der Gemeinschaft gefordert, die das auch leisten können.
Ich habe sehr viele tolle Projekte und Menschen kennengelernt, denen ich aus persönlichem Empfinden am liebsten allen Zuwendungen zukommen lassen möchte. Doch sind wir ehrlich: Wir haben in Niedersachsen keine nie versiegende Geldquelle. Das Geld, das wir verteilen, wird von den Bürgerinnen und Bürgern erarbeitet, und die Menschen haben ein Anrecht darauf, dass wir wohlüberlegt und sorgsam mit den Mitteln umgehen, die uns zur Verfügung stehen. Wir dürfen keine Projekte fördern, die kein Mensch braucht und die auch politisch und gesellschaftlich fragwürdig sind.
Ich will hier gleich mit einem Beispiel anfangen - das hatten Sie, Herr Schwarz, gerade angesprochen -, nämlich der Pflegekammer. Die Landesregierung ist fest entschlossen, diese einzuführen. Dabei werden Zahlen in den Raum gestellt, die es
zu vervollständigen gilt. Über 60 % der Pflegekräfte möchten eine Pflegekammer. Aber - auch das gehört zur Wahrheit dazu - über 40 % möchten keine Zwangsmitgliedschaft. Dieser Teil wird immer gerne vergessen. Es ist richtig, dass die Pflegekräfte als größte Gruppe im Gesundheitswesen mehr in den Fokus gerückt werden müssen, um ihre Situation nachhaltig zu verbessern. Eine starke Vertretung für die Berufsgruppe wäre wünschenswert, aber nur mit einer freiwilligen Mitgliedschaft.
Weiterhin muss man Folgendes dabei bedenken: Die Ausbildungsprofile im Pflegebereich sind vielschichtig. Ungefähr die Hälfte der Menschen arbeitet mit Basisqualifikationen in der Pflege. Diese wären in einer Pflegekammer überhaupt nicht erst erfasst. Eine Pflegekammer wäre also ein völlig unzureichendes Konstrukt zur Beteiligung aller Pflegekräfte.
Ferner hat eine Pflegekammer keine originären Aufgaben. Die Aufgaben einer Pflegekammer müssen in Niedersachsen gefunden werden, da es für die Kranken- und Altenpflege bundesrechtliche Regelungen gibt. Folglich sind alle damit in Zusammenhang stehenden Aufgaben bereits geregelt und können nicht übertragen werden.
Der bürokratische Aufwand der Beitrags- und Mitgliederverwaltung kann wohl mit der Ärztekammer, die derzeit ca. 37 000 Mitglieder hat, verglichen werden. Hier arbeiten allein in der Beitragsverwaltung 35 Mitarbeiter in Vollzeit. Die Zahl dürfte sich bei 70 000 Pflegekräften ungefähr verdoppeln. Folge sind nicht mehr Beschäftigte in der Pflege, sondern mehr Beschäftigte in der Verwaltung. Diese Verwaltungsgläubigkeit findet sich übrigens in allen Haushalten der rot-grünen Landesregierung wieder. „Mehr Bürokratie wagen“ ist das heimliche Motto von Rot-Grün. Es kostet Geld und hilft nichts.
Doch weiter noch zu der Pflegekammer, weil sie ein schönes Beispiel dafür ist, wie sinnlos Geld verschwendet wird. Wir haben im Ausschuss und auch im Plenum schon viel über die Wertschätzung der Pflegekräfte gesprochen. Mit diesem Konstrukt der Pflegekammer, so wie sie geplant ist, schaffen wir aber keine Wertschätzung, sondern nur eine weitere Kontrollinstanz für die Pflegekräfte; denn eine Kammer hat immer auch den Aspekt, seine Mitglieder zu kontrollieren. Die professionelle Pflege ist aber bereits überkontrolliert. Die damit verbundene Bürokratie frustriert und
demotiviert die in der Pflege Tätigen. Das Allerletzte, was Pflegekräfte brauchen, ist eine weitere Kontrolle.
Und damit nicht genug. Ich zitiere aus einem offenen Brief von den privaten Fachvertretungen und von ver.di, den diese gemeinsam verfasst haben:
„Die geplanten Aufgaben einer Kammer erweisen sich als untauglich zur Erreichung des mit ihr verbundenen Ziels. Andererseits fehlt es bis heute an einer konkreten Kosten- und damit Beitragsschätzung. Es besteht die große Gefahr, dass den examinierten Pflegekräften in Niedersachsen staatlicherseits der Nettolohn kraft Zwangsbeitrag gekürzt wird, ohne dass dem ein entsprechender Nutzen entgegensteht.“
Noch ein paar Worte zu den Krankenhäusern; darüber haben wir heute schon viel gesprochen. Die Krankenhausplanung stellt alle Bundesländer zurzeit vor eine große Herausforderung, so auch Niedersachsen, verbunden mit dem Thema der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung auf dem Land.
Doch seien wir ehrlich zu den Menschen: Wir werden auf Dauer nicht alle Krankenhäuser so behalten können, wie sie vorhanden sind. Zwar muss die Notfallversorgung vor Ort gewährleistet sein. Aber trotzdem werden wir nicht daran vorbeikommen, in den nächsten Jahren Krankenhäuser zu schließen. Das hat ja auch der SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach erkannt, wie in der FAZ vom 2. November berichtet worden ist. Seien wir doch ehrlich und tun wir nicht so, als ob der Staat das Rundum-sorglos-Paket leisten könnte.
Kommen wir zum Schluss zum Markt im Gesundheitswesen. Ministerin Rundt, Sie argumentieren immer damit, dass Niedersachsen ein Beispiel dafür ist, dass der Markt im Gesundheitswesen nicht funktioniert. Auch nach längerer Überprüfung habe ich in Niedersachsen wie im ganzen Bundesgebiet keinen wirklichen Markt im Gesundheitswesen gefunden.
Betrachten wir den Bereich der Kliniken. Es gibt jetzt ein Beispiel zu den Reha-Kliniken, und zwar die Niedersachsen-Klinik und die staatliche Landgrafen-Klinik. Finanzminister Schneider hat ja gerade wieder der Landgrafen-Klinik Millionen an Rettungssumme versprochen. Die private Niedersachsen-Klinik bekommt nichts. Über staatliche Subventionierung kann die Landgrafen-Klinik ihre Preise so gestalten, dass diese unterhalb der der
privaten Kliniken liegt. Das soll Markt sein? - Das ist Wettbewerbsverzerrung, die die Privaten dadurch kaputt macht, dass der Steuerzahler die Preise der Landgrafen-Klinik subventioniert.
Diese Mittel wären in anderen Projekten, die den Menschen wirklich helfen, besser angelegt. Damit wäre es auch wieder Sozialpolitik für den Menschen und nicht eine Sozialpolitik für mehr Verwaltung.
Ich habe gehört, Sie warten auf das Thema Integration. Dazu wird meine Kollegin Hillgriet Eilers etwas sagen.
Vielen Dank, Frau Bruns. - Jetzt hat sich - das ist genau die Reihenfolge - Frau Eilers von der FDPFraktion gemeldet. Sie haben es so hingekriegt, dass Sie nacheinander sprechen.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Rot-Grün will den Eindruck erwecken, dass die Integrationspolitik in Niedersachsen völlig umgekrempelt und auf neue Füße gestellt wird. Das ist beileibe nicht so; denn Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander.
Es ist vielmehr festzustellen, dass etliche bewährte Konzepte fortgeführt werden, welche die alte Landesregierung auf den Weg gebracht hatte.
Sie von den Regierungsfraktionen haben sich aber in den letzten Monaten befleißigt, viele Sonntagsreden zu halten. Sie haben Ihre Energie darauf verwendet, Ihren rot-grünen Apparat auszubauen, um zum Teil in Doppelstrukturen wirkungsmächtiger aufzutreten. Sie haben Akteure installiert, bei denen bis heute unklar geblieben ist, welche Zuständigkeiten diese haben und wie die Befugnisse aufgeteilt sind.