Ich will darauf hinweisen, dass es offensichtlich dieses Falls bedurfte, dass der Bundesjustizminister eine Initiative angekündigt hat. Ergriffen ist sie ja noch nicht.
Ich möchte mit Blick auf die Diskussion, die wir gerade geführt haben, darauf hinweisen, dass auch die vorherige Bundesregierung bereits einige Initiativen auf den Weg gebracht hat, unter anderem 2012 die Initiative „Löschen statt Sperren“.
Diese Debatte ist notwendig, weil sie - das haben wir in den letzten Tagen gemerkt - tief das Rechtsempfinden der Menschen berührt, das durch die Diskussion der letzten Tage gestört ist, weil kein Mensch verstehen kann, dass es legal sein soll, von Verbrecherbanden Bilder oder Videos nackter Jungs zu erwerben, weil kein Mensch verstehen kann, dass es nicht strafbar sein soll, wenn Käufer dieses abstoßenden Materials die Machenschaften von Kinderpornoringen mitfinanzieren, weil kein Mensch verstehen kann, dass es legal sein soll, die Persönlichkeitsrechte und die Seelen der betroffenen Kinder zur Befriedigung der eigenen Lust dauerhaft zu verletzen.
Das ist das, was nicht nur der ehemalige Abgeordnete des Deutschen Bundestages Edathy getan hat, sondern was offenkundig in Deutschland und überall auf der Welt Tausende, Zehntausende Täter tun und immer wieder getan haben.
Natürlich ist es bedauerlich, dass es eines solchen Skandals bedarf, damit jetzt die Diskussion darüber geführt wird, die §§ 184 b und c des Strafgesetzbuches zu reformieren, damit es endlich keine Grauzonen mehr gibt. Die Bewertung kinder- und jugendpornografischer Schriften - jugendpornografische Schriften schließe ich, mit Verlaub, Herr Limburg, zunächst in die Diskussion ein - muss neu stattfinden.
Ich gebe zu: Die Diskussion der letzten knappen Dreiviertelstunde zu diesem Thema war mir aus der niedersächsischen Perspektive ein bisschen zu defensiv, und zwar aus zwei Gründen: zum einen - ich glaube, dem können wir uns nicht verschließen -, weil der Anlass dieser Debatte, nämlich der Fall Edathy, aus Sicht der meisten Menschen - gerade auch der politischen Akteure - ein Fall ist, der sich im Wesentlichen hier in Niedersachsen abspielt - Ermittlungsbehörden, Staatsanwaltschaft, politische Debatte etc. -, zum anderen aber auch, weil die Erfahrungen der letzten Wochen, die wir selber und die unsere Ermittlungsbehörden in diesem Zusammenhang gesammelt haben, offenkundig gemacht haben und uns ganz besonders
einen Anlass geben müssten, diese zu bewerten und in die Debatte auf der Bundesebene und im Bundesrat mit einzubringen.
Ich will ausdrücklich auch auf die - ich glaube, darin sind wir uns einig - etwas unglückliche Pressekonferenz des Leitenden Oberstaatsanwalts der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Hannover Bezug nehmen; denn auch er hat dort deutlich gemacht, wie schwierig es für die Ermittlungsbehörden sein kann, diese Grauzone zu definieren und im Einzelfall eine Entscheidung zu treffen, auch wenn wir unterschiedlicher Auffassung sind, ob er sie richtig oder falsch getroffen hat. Dass wir also in einer solchen Frage nicht nur abwarten, was der Bund tut, sondern den Bundesrat als Instrument nutzen, um mit einer niedersächsischen Initiative unsere Position in die Debatte einzubringen, halte ich für geboten. Ich halte es für notwendig und für absolut erforderlich.
Ich komme darauf gleich noch zurück. Erlauben Sie mir, zunächst in aller Zurückhaltung noch einmal kurz auf die Diskussionen, die wir gestern und heute hier im Hause geführt haben, zu sprechen zu kommen.
Herr Ministerpräsident, bei aller Emotion, die wir gestern in der Diskussion verspürt haben - sicherlich in Teilen auch heute -, will ich Ihnen ausdrücklich sagen - das ist die einzige Gelegenheit, die ich noch habe, das offiziell in diesem Haus zu tun -, dass wir es begrüßen, dass Sie gestern - aus unserer Perspektive spät, aber auch klar und eindeutig - Worte der Distanzierung und der Verurteilung zu Herrn Edathy gefunden haben. Das war notwendig, das war richtig.
Ob Sie bzw. wir das nun wollen oder nicht - der Fall Edathy ist in den Augen vieler eben ein niedersächsischer Fall. Deshalb hat der Landtag bzw. hat die Landesregierung bei diesem Thema eine besondere Verantwortung. Dem sollten wir gerecht werden und uns des Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor Pornohändlern, ihren Zulieferern und ihren Käufern in besonderer Weise annehmen.
In den letzten Tagen gab es eine ganze Reihe sehr wichtiger Diskussionsbeiträge von Experten zu der Frage der Definition dieser Grauzone. Ich will auf einige kurz eingehen. Da ist beispielsweise
Sabine Vogt, die Chefin der Abteilung „Schwere und Organisierte Kriminalität“ des Bundeskriminalamtes. Sie hat im Spiegel gesagt, die Erfahrung habe gezeigt, dass die Menschen, die Nacktaufnahmen von Kindern konsumieren, häufig auch harte illegale Fotos und Videos besäßen.
Das zeigt - das haben wir auch in der Diskussion um Herrn Edathy gemerkt -, dass es eben nicht nur um die Frage der Abgrenzung der Grauzone in Einzelfällen geht, sondern auch um den Rückschluss auf mögliche andere Taten, die damit verbunden sind, und übrigens auch auf den wirtschaftlichen Hintergrund bei den Tätern, bei den Pornohändlerringen, der damit verbunden ist.
Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka - das ist an Eindeutigkeit nicht zu überbieten -, hat in der Bundestagsdebatte am 19. Februar gesagt:
„So ist bei diesem Fall beispielsweise sehr häufig die Rede davon, dass sich die Bilder, die Herr Edathy offensichtlich bezogen hat, in einer sogenannten rechtlichen Grauzone zur Kinderpornografie befinden. Das muss uns als Gesetzgeber ja hellhörig machen: Grauzone! Ich finde, eine Grauzone ist, wenn es um den Schutz unserer Kinder und Jugendlichen geht, nicht hinnehmbar.“
Die Bundesgeschäftsführerin des Weißen Rings, Bianca Biwer, ist ebenfalls auf die Diskussion und auf die Frage des Straftatbestandes eingegangen, der damit verbunden ist. Sie hat gesagt:
„Am meisten zu bedauern ist angesichts der politischen Verwicklungen und Vorwürfe gegen den SPD-Politiker Edathy, dass die wahren Opfer, die missbrauchten Kinder, aus dem Blick geraten.“
„Auch Posing-Aufnahmen nackter Kinder, die auf den ersten Blick keine sexuellen Handlungen zeigen, degradieren die Kinder zur Handelsware für bestimmte Käufergruppen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass solche Fotos straffrei bleiben. Deshalb sind auch solche Bilder und Filme in den Straftatbestand einzubeziehen.“
Dann gibt es noch einen Beitrag des Präsidenten des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, in der Tagesschau am 18. Februar.
Er fordert als Reaktion auf die Affäre um den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Edathy ein Verbot des Verkaufs von Kindernacktfotos; denn es sei ein schwerer Verstoß gegen die Menschenwürde, wenn Fotos von nackten Kindern vermarktet oder gekauft würden, da diese nicht nach ihrem Einverständnis gefragt würden. - Einschub von mir: Selbst wenn, wäre es irrelevant. - Kauf und Verkauf von Fotos mit nackten Kindern sollten deshalb generell unter Strafe gestellt werden, fordert er. Hinzuzufügen ist allerdings - das haben wir in der Diskussion gerade auch heraushören können -: Er mahnt eine Differenzierung an. Man müsse aufpassen, dass man nicht Dinge kriminalisiert, die zum alltäglichen Leben gehören, wie etwa Fotos von Kindern am Strand, die von den Eltern gemacht würden. - Das ist die Gratwanderung.
Johannes-Wilhelm Rörig, der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, hat in einem Beitrag in der Welt am 18. Februar eine Verschärfung des Gesetzes gefordert und gesagt - Zitat -:
„Wenn Darstellungen von Kindern erzeugt werden, um sexuelle Interessen von Erwachsenen zu befriedigen, muss dies im Sinne eines besseren Kinderschutzes strafrechtlich sanktioniert werden.“
Damit, meine Damen und Herren, ist der Rahmen, in dem wir uns in dieser Diskussion über die Neudefinition, die Verschärfung der einschlägigen §§ 184 b und 184 c des Strafgesetzbuches bewegen, glaube ich, sehr treffend definiert. Die Aufgabe ist es, diese Grauzone, so gut es irgend geht, in Zukunft zu einer klar definierten strafrechtlich bewehrten neuen Formulierung des Strafgesetzbuchs zu überführen.
Übrigens ist man sich generell darüber einig - ich habe keine einzige Stimme gehört, die das anders beurteilt -, dass die Rechte der Eltern dabei geschützt werden müssen. Wir fordern daher zu folgenden Maßnahmen auf:
Erstens. Wir wollen eine Bundesratsinitiative der Landesregierung zur Verschärfung der §§ 184 b und 184 c. Mechthild Ross-Luttmann hat das hier gerade umfänglich begründet. Auf diesen Punkt zielt ja im Wesentlichen unser Entschließungsantrag. Thüringen hat eine solche Bundesratsinitiative übrigens inzwischen angekündigt, sodass es
sich anbieten würde, dass die Landesregierung initiativ wird, um zu einer Initiative aller Länder zu kommen; denn ihre Strafermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden sind diejenigen, die dieses Recht später werden umsetzen müssen.
Zweitens. Lassen Sie uns diesen Entschließungsantrag zum Anlass nehmen, hier im Niedersächsischen Landtag zu diesem Thema eine große Anhörung durchzuführen, die sich mit folgenden vier Themenkomplexen beschäftigt: erstens mit dem Schicksal der Opfer von Kinderpornografie - insbesondere im Blick auf diese definierte Grauzone -, zweitens mit dem Ausbau von Opferhilfsprojekten - einige sind hier gerade genannt worden; die meisten haben wir übrigens in den letzten beiden Legislaturperioden mindestens gestärkt, wenn nicht sogar initiiert -,
um diese weiter zu stärken, drittens mit der Abgrenzung zwischen dem Handel mit solchen Nacktbildern und dem privaten Bereich - das wäre auch hier im Landtag intensiv zu diskutieren, um zu einer klugen Lösung zu kommen -, viertens mit konkreten Möglichkeiten zur Neufassung des Strafrechts, um dies hier im Landtag zu erörtern und der Landesregierung dies für eine solche Bundesratsinitiative mit auf den Weg zu geben.
Das sollten wir im Rahmen einer großen Anhörung tun. Ich will darauf hinweisen, dass wir uns der Diskussion über die Frage der Verbreitung solchen Materials im Internet nicht werden entziehen können, wohl wissend, wie schwierig diese Diskussion unter datenschutzrechtlichen Aspekten und den Freiheitsaspekten, die mit dem Thema der freien Meinungsäußerung verbunden sind, immer wieder ist. Aber wir müssen auch dieses Thema in den Blick nehmen.
Darum fordern wir - drittens - die Landesregierung auf, das Bündnis „White IT - Alliance for children“ zu stärken. Das ist eine Initiative, die 2009 in Berlin auf Initiative unseres damaligen Innenministers Uwe Schünemann gegründet wurde. Diese Initiative hat zum Ziel, Maßnahmen zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet zu entwickeln. Das ist also genau das Thema, das wir hier gestern und heute die ganze Zeit über diskutieren und in den
Ich möchte in dem Zusammenhang einen Hinweis auf eine Antwort der Justizministerin vorhin bei den Dringlichen Anfragen geben. Sie haben selbst gesagt, Frau Justizministerin - das ist auch in der Diskussion immer wieder aufgekommen -, dass die Ausstattung von Polizei und Justiz zur Bekämpfung solcher Verbrechen eine zentrale Aufgabe der Landesregierung und des Niedersächsischen Landtags als Haushaltsgesetzgeber ist.
Darum, meine Damen, meine Herren, fordern wir - viertens - den Innenminister auf, die Onlinewache und die Personalkapazitäten der Ermittler der niedersächsischen Polizei gegen Kinderpornografie auszuweiten; denn wir haben in der Diskussion, gerade vonseiten der Kriminalpolizisten, gehört, dass die massive Steigerung der Fälle in den letzten Jahren dazu führt, dass sie immer wieder an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit kommen. Wenn wir diesen Handlungsbedarf in der Debatte erkennen, dann müssen wir ihn schnellstmöglich beheben und hier zu einer Aufstockung des Personals kommen.
Fünftens. Lassen Sie uns vor dem Hintergrund dieser stark anwachsenden Zahl von Seiten kinderpornografischer Inhalte im Internet bitte ergebnisoffen auf den Vorschlag des Direktors der Landesmedienanstalt, Andreas Fischer, vom 11. Februar 2014 reagieren und diesen ergebnisoffen prüfen, in Deutschland einen sogenannten Pornofilter nach britischem Vorbild einzuführen.
Lieber Kollege Gerald Heere, ich habe mich ein bisschen geärgert, dass gleich reflexartig ein Nein mit dem Hinweis kam, Provider seien keine Hilfssheriffs. Ich glaube, dass wir im Kontext und im Lichte der aktuellen Diskussion auch diese Diskussion noch einmal ergebnisoffen werden führen müssen.