Protokoll der Sitzung vom 27.02.2014

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Der Minister hat die Redezeit auf die Sekunde eingehalten. Deswegen habe ich auch keine Möglichkeit, Ihnen noch zusätzliche Redezeit zu gewähren, Herr Dammann-Tamke, so reizvoll das bei dieser Debatte vielleicht auch gewesen wäre.

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Beratung und kommen zur Ausschussüberweisung.

Der Antrag soll zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft,

Verbraucherschutz und Landesentwicklung und zur Mitberatung an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen sowie an den Unterausschuss „Verbraucherschutz“ überwiesen werden. Wer dem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist das so beschlossen.

Wir treten jetzt in die Mittagspause ein, meine Damen und Herren, und sehen uns nach der Mittagspause um 15 Uhr wieder.

(Unterbrechung der Sitzung von 13.24 Uhr bis 15.03 Uhr)

Meine Damen und Herren! Wir setzen die Sitzung fort.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 17: 11. Übersicht über Beschlussempfehlungen der ständigen Ausschüsse zu Eingaben - Drs. 17/1235 - strittige und unstrittige Eingaben

Ich darf Ihnen mitteilen, dass hierzu keine Änderungsanträge vorliegen. Gibt es dennoch Wortmeldungen? - Das ist erwartungsgemäß nicht der Fall.

Wer den Beschlussempfehlungen der Ausschüsse zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das war einvernehmlich.

Ich darf wie auch schon beim letzten Plenum sagen, dass unser von der Geschäftsordnung vorgesehenes System zur Behandlung von Petitionen offenbar zu einem hohen Maß an Einvernehmlichkeit und Übereinstimmung in den Ergebnissen führt. Das wird nicht immer so sein, aber jetzt haben wir dies einige Male feststellen dürfen.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 18: Mündliche Anfragen - Drs. 17/1230

Die für die Fragestunde geltenden Regelungen unserer Geschäftsordnung setze ich als bekannt voraus. Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich darum, dass Sie sich schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.

Ich stelle fest: Es ist 15.06 Uhr.

Ich rufe auf die

Frage 1: Was tut die Landesregierung zur Erhöhung der Organspendebereitschaft in Niedersachsen?

Zum Vortrag der Frage hat sich der Abgeordnete Ansmann gemeldet. Sie haben das Wort, Herr Ansmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was tut die Landesregierung zur Erhöhung der Organspendebereitschaft in Niedersachsen?

Viele Menschen in Niedersachsen hoffen auf ein neues Organ. Bundesweit stehen etwa 11 000 Patientinnen und Patienten auf der Warteliste für eine Transplantation. Doch die Zahl der Spenderinnen und Spender und der gespendeten Organe insgesamt sinkt dramatisch. In Deutschland gibt es einen akuten Organmangel. Hinzu kommt, dass das Vertrauen in die Transplantationsmedizin nach den 2012 bekannten Manipulationen noch weiter gesunken ist.

Nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) kamen 2013 in Deutschland auf 1 Million Menschen im Schnitt 10,9 Spenderinnen und Spender; im Vorjahr waren es noch 12,8. In der DSO-Region Nord, zu der neben Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein auch Niedersachsen gehört, lag 2013 die Anzahl der Organspenderinnen und -spender bei 135, während es 2012 noch 168 waren. Dabei steht laut Umfragen eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger der Organspende positiv gegenüber. Einen Organspendeausweis besitzen jedoch laut einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung nur knapp 30 %. In den Krankenhäusern entscheiden deshalb in neun von zehn Fällen die Angehörigen über eine Organspende, weil der Verstorbene seine Entscheidung nicht mitgeteilt oder dokumentiert hat.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Worin sieht die Landesregierung die Ursachen für die zurückgehende Bereitschaft zur Organspende?

2. Was unternimmt die Landesregierung, um die Bereitschaft innerhalb der Bevölkerung für die Organspende zu erhöhen?

3. Wie beurteilt die Landesregierung einen verpflichtenden Einsatz von Transplantationsbeauftragten in niedersächsischen Kliniken?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Ansmann. - Für die Landesregierung möchte die Sozialministerin Frau Rundt antworten. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema, über das wir heute reden, ist ein hochgradig emotional besetztes Thema. Es ist emotional deswegen sehr hochgradig besetzt, weil es auf der einen Seite darum geht, dass wir uns mit dem Tod auseinandersetzen müssen - auch mit dem eigenen Tod -, und weil es auf der anderen Seite darum geht, dass Menschen, die todkrank sind, erheblichste Hoffnungen darauf setzen, dass sie wieder eine Chance haben, zu leben, dass sie ein lebenswertes Leben führen können, dass sie erwachsen werden, dass sie vielleicht ihre Kinder oder ihre Enkel aufwachsen sehen. Deswegen sind es Themen, die uns alle sehr emotional berühren.

Die Organspendebereitschaft in der Bevölkerung ist von sehr großer Bedeutung. Gerade schwerkranken Menschen kann dadurch eine neue Lebensperspektive gegeben werden. Die Landesregierung hat daher die Umsetzung der neuen bundesweiten Regelungen zur Organtransplantation in Landesrecht und die Unterstützung einer schärferen staatlichen Kontrolle zu einem wichtigen Ziel erklärt.

Die neuen gesetzlichen Regelungen auf Bundesebene sind am 1. August 2012 in Kraft getreten. Sie beinhalten die Verpflichtung der zur Organentnahme geeigneten Krankenhäuser, Transplantationsbeauftragte zu bestellen, und ermöglichen unangemeldete Überprüfungen in Transplantationszentren.

Zudem ist am 1. November 2012 das Gesetz zur Einführung der Entscheidungslösung in Kraft getreten, mit dem alle Bürgerinnen und Bürger ab dem 16. Lebensjahr regelmäßig aufgefordert wer

den, sich mit dem Thema Organspende auseinanderzusetzen und eine Entscheidung zur eigenen Organspendebereitschaft zu treffen.

Solche Entscheidungen werden natürlich insbesondere vom Vertrauen der Menschen beeinflusst, das sie in die Organspende haben, vom Vertrauen in die Ärzte, die dabei tätig sind, vom Vertrauen in das System der Entnahme von Organen, aber natürlich auch vom Vertrauen in die Vergabe der gespendeten Organe an die Spendenempfänger. Was man nicht braucht, wenn man Vertrauen schaffen will, sind - ich glaube, das ist allen klar - Skandale, die genau dieses Vertrauen stören. Da sind die Universitätskliniken Göttingen, aber auch Regensburg und andere zu nennen, die nicht rechtmäßig gehandelt und so Probleme bereitet haben.

In Niedersachsen hat das für die Rechtsaufsicht über die niedersächsischen Universitätskliniken zuständige Ministerium für Wissenschaft und Kultur nach Bekanntwerden der bei der Vergabe von Spenderlebern erfolgten Unregelmäßigkeiten in der Universitätsmedizin Göttingen umgehend reagiert. Alle bislang in der Transplantationsmedizin der UMG arbeitenden Chirurgen wurden ausgetauscht. Die Transplantationschirurgie ist nicht mehr eine autonome Einrichtung innerhalb der UMG. Vielmehr wurde sie dem Leiter der Chirurgie unterstellt. Und der Transplantationskoordinator wurde direkt dem Vorstand der UMG unterstellt.

Die Landesregierung hat den Landtag im Rahmen der 19. Sitzung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration am 19. Dezember 2013 über den aktuellen Sachstand im Zusammenhang mit den Vorfällen am Transplantationszentrum der Universitätsmedizin Göttingen unterrichtet.

Damit, so hoffen wir, ist eine Basis für neues Vertrauen geschaffen worden.

Da das Aufkommen an Organen für eine Transplantation immer von der Bereitschaft zu einer entsprechenden Spende abhängt, kommt der Erklärung der spendewilligen Personen eine ganz zentrale Rolle zu. Diese Erklärung kann gegenüber Angehörigen abgegeben werden, sie sollte aber besser in einem Organspendeausweis dokumentiert werden. Dadurch werden insbesondere Angehörige entlastet, die sich in einer schwierigen seelischen Lage - eigentlich in einem seelischen Ausnahmezustand - befinden, wenn ein Angehöriger stirbt. Denn dann müssen sie nicht eine solche

Entscheidung treffen, während sie sich in diesem Ausnahmezustand befinden.

Deshalb ist es zu begrüßen, dass im Transplantationsgesetz jetzt die sogenannte Erklärungslösung für die Organspende normiert ist, durch die alle Menschen aufgefordert werden, sich zur Frage der Organspende zu erklären. Natürlich kann die Erklärung auch in der Ablehnung der Organspende bestehen, aber im Interesse aller Menschen, die dringend auf ein Spenderorgan angewiesen sind, ist natürlich zu hoffen, dass die Erklärung nach intensiver Auseinandersetzung mit diesem Thema positiv für die Organspende ausfällt.

Die Landesregierung befindet sich gerade in einem umfassenden Prüfverfahren dahin gehend, ob es in Niedersachsen ein Ausführungsgesetz zum Transplantationsgesetz des Bundes geben sollte oder nicht. Zentraler Regelungsgegenstand wären diejenigen Modalitäten der Etablierung von Transplantationsbeauftragten in den Kliniken, die nicht bereits im Bundesgesetz geregelt sind, wie z. B. die Freistellung der Transplantationsbeauftragten von den sonstigen Tätigkeiten im Klinikalltag.

Im Zusammenhang mit einer Freistellungsregelung würde sich zwangsläufig auch die Frage der Finanzierung stellen. Da die Beträge, die zurzeit ausgehandelt sind, möglicherweise für eine vernünftige Refinanzierung nicht ausreichen, wäre das sicherlich ein Punkt, der sehr genau geprüft werden muss.

Um das Thema Organspende in der Bevölkerung zu verankern, um die Menschen zu informieren und um die Spendebereitschaft allgemein zu steigern, unternimmt die Landesregierung - unabhängig von diesem Prüfungsverfahren - diverse öffentlichkeitswirksame Maßnahmen. Einzelheiten werde ich gleich ausführlich benennen.

Diese Landtagssitzung möchte ich gleichzeitig dafür nutzen, einmal an die Öffentlichkeit zu appellieren, sich mit dem Thema Organspende auseinanderzusetzen. Wir alle wissen, dass es sich bei der Organspendethematik um eine gesellschaftliche Aufgabe handelt. Jeder einzelne Bürger, jede einzelne Bürgerin sollte sich damit auseinandersetzen, ob er bzw. sie im Falle seines bzw. ihres Todes zu einer Organspende bereit ist.

(Zustimmung von Norbert Böhlke [CDU])

Das ist naturgemäß sehr schwierig. Denn in dem Moment, in dem man sich mit dem Thema der Organspende auseinandersetzt, muss man sich auch mit dem Thema des eigenen Todes ausein

andersetzen. Deswegen ist das ein emotional schwieriges Thema.

Man sollte aber darüber nachdenken und selber eine Entscheidung treffen, insbesondere auch im Interesse der Angehörigen, um diese später - im Falle des Todes - nicht mit einer solchen Entscheidung zu belasten.

Ich appelliere aber auch an die Kliniken, sich der Organspende zu verschreiben. Nur wenn jede potenzielle Organspende in den Krankenhäusern auch tatsächlich realisiert wird, können wir zu einer Erhöhung des Spendeaufkommens gelangen.

(Beifall)