Protokoll der Sitzung vom 27.06.2014

Zum einen gibt es das Netzwerk ProBeweis. Dabei handelt es sich um ein Projekt der Medizinischen Hochschule Hannover. Das Projekt bietet an einer Vielzahl von Standorten in ganz Niedersachsen eine schnellstmögliche Untersuchung und die Sicherung von Beweisen an; und zwar unabhängig davon, ob sich die betroffene Frau - in der Regel handelt es sich ja um Frauen und Mädchen - schon dafür entschieden hat, bei der Polizei Strafanzeige zu erstatten. Häufig ist es, wenn man sich dazu durchgerungen hat, zu spät, um die Beweise am Körper des Opfers zu sichern.

Zum anderen gibt es das Trauma-Netzwerk Niedersachsen. An insgesamt sieben Krankenhäusern sind spezialisierte Stützpunkte eingerichtet, in denen Opfer von Gewalttaten im Kindes- und Ju

gendalter fachärztliche und fachpsychologische Beratung und Hilfe erhalten.

Abschließend möchte ich noch auf das Angebot der psychosozialen Prozessbegleitung hinweisen, das vom Justizministerium ins Leben gerufen wurde und bundesweit Vorbildcharakter hat. Die Justizministerkonferenz hat sich gerade in den letzten Tagen mit diesem hervorragenden Angebot beschäftigt.

Über alle diese Angebote gilt es die Opfer auch tatsächlich zu unterrichten. Denn was nutzt es, solche wunderbaren Angebote im Lande vorzuhalten, wenn die Opfer von Straftaten nicht die notwendige Kenntnis von diesen Angeboten haben?

Ich habe im Frühjahr die Website www.opferschutz-niedersachsen.de freigeschaltet, die Opfer von Straftaten und auch ihre Angehörigen und Freunde über spezielle Hilfsangebote in ihrer Nähe informiert. Die Website ist gut angenommen worden und ist ein weiteres Erfolgsprojekt unseres Landespräventionsrates.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

In ganz konkreten Fällen - das wissen Sie - können sich Opferhilfeeinrichtungen nicht proaktiv an die Opfer von Straftaten wenden. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Denn die Opfer - oder im Fall von Minderjährigen: ihre Eltern - müssen selbstverständlich frei in ihrer Entscheidung bleiben, welche Art von Hilfe sie in Anspruch nehmen wollen. Die Information über die Angebote ist daher das A und O für mutmaßliche Opfer. Ich vertraue hier den Vernehmungspersonen bei der niedersächsischen Polizei, habe mich aber vergewissert, dass auch in diesem konkreten Fall das Opfer bzw. seine Eltern mit den notwendigen Informationen versorgt wurden. Tatsächlich ist das selbstverständlich geschehen. Das Opfer hat auch entsprechende konkrete Hilfe in Anspruch genommen.

(Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Das war auch sehr wichtig!)

- Genau. - In der Tat scheint diese Hilfe bei dem Opfer sehr positive Wirkung zu tun.

Sehr geehrte Damen und Herren, erlauben Sie mir eine letzte Bemerkung zum Thema Opferschutz! Denn er ist - davon gehe ich aus - ein gemeinsames Anliegen aller in diesem Haus.

Einen Fall wie den vorliegenden in einem frühen Stadium der Ermittlungen in allen Details zum Gegenstand der öffentlichen Debatte und - mehr

noch - zum Gegenstand von Skandalisierung zu machen, führt zu einem ganz erheblichen Schaden bei den Beteiligten. Ich spreche in erster Linie von dem betroffenen Mädchen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren von der CDU, durch die fortlaufende Skandalisierung des Vorfalls, die Sie aktiv betreiben, bleibt ganz notwendig auch das mutmaßliche Opfer im Fokus des angeheizten öffentlichen Interesses. Damit leisten Sie dem Opferschutz einen Bärendienst.

(Widerspruch bei der CDU - Gegenru- fe von der SPD)

Einmal abgesehen davon, dass die Glaubhaftigkeit der mutmaßlichen Opferzeugin beeinflusst werden kann: Sie müssen sich die Frage gefallen lassen, wie man Opfer von Straftaten sexueller Gewalt zu Zeugenaussagen motivieren kann.

(Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Verwechseln Sie jetzt Ursache und Wirkung? - Jörg Hillmer [CDU]: Sor- gen Sie dafür, dass die nicht raus- kommen!)

Meine Damen und Herren, ich darf um Ruhe bitten!

Sehr geehrte Damen und Herren, ich fahre fort: Am Abend des Montags, des 2. Juni, ist zwischen meinem Haus und der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit einer Öffentlichkeitsfahndung erörtert worden. Der Impuls für die Diskussion ging dabei durchaus von meinem Haus aus.

Nach der Auskunft der Staatsanwaltschaft ist davon zunächst Abstand genommen worden. Die Fachleute bei der Staatsanwaltschaft und der Polizei haben entschieden, zunächst die technischen Ermittlungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Sie hatten auch schon Zielfahnder aus Osnabrück und Lingen in der Sache eingesetzt. Es gab nach Auskunft der Polizei diverse konkrete Ermittlungsansätze. Eine Öffentlichkeitsfahndung, so die Experten, hätte diese Ansätze konterkariert. Das war die Einschätzung am Montag.

Unsere Experten bei der Staatsanwaltschaft und der Polizei in Niedersachsen kennen ihre Ermittlungsmöglichkeiten und können deren Wirkung in jedem einzelnen Fall - darauf kommt es an - bes

tens einschätzen. Ich vertraue unseren Ermittlungsbehörden, und das tun auch die Menschen in Niedersachsen.

(Starker Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich appelliere an Sie, meine Damen und Herren, dieses Vertrauen nicht mit anmaßenden Unterstellungen auszuhöhlen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die Lage wurde von Polizei und Staatsanwaltschaft am Dienstag neu bewertet, sodass unverzüglich die Öffentlichkeitsfahndung nach dem mutmaßlichen Täter eingeleitet worden ist.

Die Polizei hat - das habe ich bereits gesagt - aufgrund ihrer Erfahrung zunächst auf das Halten der Beziehung zwischen Mitarbeitern der JVA und dem Flüchtigen gesetzt. Letztlich hat auch diese Beziehung zum Ergreifen des Entflohenen geführt. Als der Entflohene am Pfingstsamstag sein Handy einschaltete, so tat er dies, um kurz darauf seinem Therapeuten mitzuteilen, dass er bereit sei, sich zu stellen. Er bat ausdrücklich darum, am Bahnhof in Kleve abgeholt zu werden.

Dazu kam es dann nicht mehr. Aufgrund der eingeleiteten Fahndungsmaßnahmen konnte er stattdessen um 13 Uhr in Emmerich, Kreis Kleve, von der Polizei verhaftet werden.

Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, mich auch in diesem Haus ganz herzlich bei den beteiligten Dienststellen der niedersächsischen Polizei und bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück zu bedanken.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Es ist letztendlich die Fachkompetenz dieser Stellen, die zu der Ergreifung des Sicherungsverwahrten geführt hat. Sie verstehen etwas von ihrem Handwerk.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, das war am Pfingstwochenende. Wie vorab mit dem Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen vereinbart, habe ich dann gleich in der Ausschusssitzung nach den Pfingsttagen, nämlich am 11. Juni, den Ausschuss mündlich über den Vorfall unterrichtet. Bereits am Freitag zuvor hatte eine Unterrichtung des Unterausschusses durch die Fachabteilung des Justiz

ministeriums stattgefunden, allerdings mit dem Schwerpunkt auf den vollzuglichen Fragen, die diesem Ausschuss vorbehalten sind.

Der Beschuldigte befindet sich jetzt in Haft. Ich bin überzeugt, dass die Staatsanwaltschaft mit Hochdruck die Ermittlungen führt und bald zu einer Entscheidung kommen wird, und ich bin überzeugt, dass die Staatsanwaltschaft ihr Möglichstes tut, um dabei die Interessen des mutmaßlichen Opfers zu schützen.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für den Bereich des Justizvollzuges habe ich veranlasst, dass die Behandlungsverläufe aller in den sozialtherapeutischen Abteilungen untergebrachten Sicherungsverwahrten überprüft werden. Den Bericht erwarte ich in den kommenden zwei Monaten. Ich werde dann die gegebenenfalls notwendigen Konsequenzen ziehen und Sie hiervon natürlich in den Fachausschüssen unterrichten lassen.

Sehr geehrte Damen und Herren, jetzt komme ich zu dem Vorfall im niedersächsischen Justizprüfungsamt. Dort wird einem ehemaligen Referatsleiter der Vorwurf der Bestechlichkeit in besonders schweren Fällen gemacht. Er soll Klausuren zur Zweiten Juristischen Staatsprüfung Prüfungskandidatinnen und -kandidaten zum Kauf angeboten und möglicherweise auch tatsächlich verkauft haben.

Über den Vorfall habe ich am 23. April den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen ausführlich unterrichtet. Der Vorfall war außerdem in der letzten Plenarsitzung Gegenstand der ausführlichen Erörterung in diesem Hohen Haus. Ich möchte Ihnen deshalb auch zu diesem Fall nur die wesentlichen Tatsachen in Erinnerung rufen und sie aktualisieren, soweit ich Neues berichten kann.

Bereits im vergangenen Jahr fiel ein Kandidat zur Zweiten Staatsprüfung mit außergewöhnlichen Ergebnissen auf. Wir haben diesen Fall zur Anzeige gebracht. Strafrechtlich war diesem Kandidaten allerdings nichts nachzuweisen. Es gab keine Ermittlungsansätze, und es führte keine Spur zu dem ehemaligen Referatsleiter im Prüfungsamt. Ich habe unabhängig von dem Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bereits damals eine umfangreiche Sicherheitsüberprüfung in Celle veranlasst.

Aufgrund der Sicherheitsüberprüfung haben wir die IT und die Bearbeitungsprozesse grundlegend geändert. So kann seit dem letzten Jahr im Prü

fungsamt nur noch im gesicherten Druck- und Aufbewahrungsraum ausgedruckt werden.

Im Januar dieses Jahres gab es eine Referendarin, die einen Hinweis auf den ehemaligen Referatsleiter im Landesjustizprüfungsamt in Celle, der dort seit 2011 arbeitete, an ihre Ausbilderin weitergab. Auch diesen Fall haben wir der Staatsanwaltschaft in Verden zur Kenntnis gebracht. Es begann eine Phase der verdeckten Ermittlungen. Auch in dieser Phase soll der Beschuldigte weiterhin seinen illegalen Geschäften nachgegangen sein. Die Ergebnisse dieser Ermittlungen liegen den weiteren Schritten der Staatsanwaltschaft Verden und meines Hauses zugrunde.

Ende März fanden Durchsuchungen auch am Arbeitsplatz des Beschuldigten im Landesjustizprüfungsamt in Celle statt. Am selben Tag hat der Justizstaatssekretär dem Beschuldigten ein Hausverbot erteilt und ein Disziplinarverfahren eingeleitet.

Nachdem der Beschuldigte sich am darauffolgenden Tag zwar noch zu einem Gespräch mit dem Justizstaatssekretär im Justizministerium eingefunden hatte, sich dann aber nicht zu dem vereinbarten Zeitpunkt zurückmeldete, erging am 27. März ein Haftbefehl gegen den Beschuldigten. Seine Festnahme gelang an jenem Donnerstag Ende März nicht, weil er sich dem Zugriff der Polizei durch Flucht entzog. Die europaweite Fahndung hatte allerdings Erfolg. Schon am Montag, dem 31. März, nahm die italienische Polizei den Beschuldigten in Mailand fest.

Der Beschuldigte war in Italien einem Ermittlungsverfahren wegen unerlaubten Waffenbesitzes und anderer Taten ausgesetzt und befand sich deshalb dort bis zum vergangenen Montag, dem 23. Juni, in Haft. Am vergangenen Montag wurde er nach Deutschland verbracht, am Dienstag wurde er dem zuständigen Ermittlungsrichter zur Verkündung des deutschen Haftbefehls vom 27. März 2014 vorgeführt. Die Staatsanwaltschaft Verden beabsichtigt nach ihrem Bericht, einen Erweiterungsantrag zu stellen; denn die weiteren Ermittlungen haben dazu geführt, dass weitere Taten konkretisiert werden konnten, für die nach Auffassung der Staatsanwaltschaft dringender Tatverdacht besteht.

Die Ermittlungen, die von Beginn an und insbesondere auch während der Flucht des Beschuldigten und während der Zeit der in Italien gegen ihn vollstreckten Haft mit Hochdruck geführt wurden, sind nunmehr unbedingt weiterhin in gleicher Weise fortzusetzen und dürfen keinesfalls irgendwel

che Verzögerungen erfahren. Der Beschuldigte ist nunmehr in Deutschland in Untersuchungshaft, und damit gilt das Beschleunigungsgebot der Strafprozessordnung in besonderem Maße. Die Strafverfolgungsbehörden sind gehalten, alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die vorgeworfenen Taten herbeizuführen.

Sehr geehrte Damen und Herren, unabhängig vom Ausgang des Ermittlungsverfahrens hat mein Haus gegen den ehemaligen Referatsleiter umfangreiche Maßnahmen ergriffen.

Ihm wurde am Tag der Durchsuchungen, am 26. März, die Führung der Dienstgeschäfte als Leiter des Referates PA I im Landesjustizprüfungsamt durch Herrn Staatssekretär Scheibel untersagt. Es wurde ihm Hausverbot erteilt.