Protokoll der Sitzung vom 20.01.2015

Die von Niedersachsen unterstützte Einführung des Merkzeichens „taubblind“ bedeutet also eine Erleichterung für taubblinde Menschen, die

dadurch in die Lage versetzt werden, die Art ihrer Einschränkung gegenüber anderen Menschen eindeutig anzeigen zu können. Die Vermeidung von Unklarheiten hinsichtlich der Funktionsbeeinträchtigung ist insbesondere auch im Rahmen der Gewährung von Unterstützungsleistungen wichtig, z. B. in Krankenhäusern, bei Krankenkassen usw.

Vor zwei Jahren hatte die Arbeits- und Sozialministerkonferenz nach einem einstimmigen Beschluss den Bund gebeten, das Merkzeichen „taubblind“ einzuführen. Leider ist es bislang noch nicht zu den von uns gewünschten Fortschritten gekommen. Die Länder haben sich daher wiederholt an den Bund gewandt, zügig die Voraussetzungen für die Einführung des Merkzeichens zu schaffen. Niedersachsen wird sich weiterhin dafür einsetzen.

Ein wesentlicher Punkt bei dem hier vorliegenden Antrag ist auch die Qualifizierung von Fachkräften. So geht es z. B. darum, Kommunikationsdolmetscherinnen und -dolmetscher, die auch das Lormen beherrschen, zu unterstützen und auch die Vergütung entsprechend festzulegen. Ein Punkt ist auch die Ausbildung von Taubblindenassistentinnen und -assistenten und Taubblindendolmetschern.

Es gibt sehr viel Erfahrung im Umgang mit Taubblindheit, gerade am Zentrum hier in Hannover. Aber es gibt eben noch zu wenige Menschen, die, auf diese Erfahrung aufbauend, notwendige Unterstützung im Sinne von qualifizierter Assistenz leisten können.

Ich freue mich also, Ihnen mitteilen zu können, dass wir gerade Anfang dieser Woche einen kleinen weiteren Schritt gehen konnten. In enger Abstimmung mit dem Blinden- und Sehbehindertenverband Niedersachsen haben wir in dieser Woche Qualifizierungsmaßnahmen zur Schulung von

Taubblindenassistentinnen und -assistenten auf den Weg bringen können. Das Konzept richtet sich nach den Mindestanforderungen des Gemeinsamen Fachausschusses Hörsehbehindert/Taubblind und ist damit zertifiziert. Unser angestrebtes Ziel ist

dabei die Sicherstellung des Bedarfs an Taubblindenassistenz.

Insgesamt lässt sich sagen, dass das neue Merkzeichen den taubblinden Menschen zugutekäme, sodass sie ihren besonderen Unterstützungsbedarf auf ganz einfache Weise geltend machen und eindeutig belegen könnten.

Aus all diesen Erwägungen sollten Sie daher der Beschlussempfehlung des Sozialausschusses

folgen und dem Entschließungsantrag in der vorliegenden Fassung zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Ich stelle fest: Zu diesem Tagesordnungspunkt liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Deswegen können wir die Beratungen abschließen.

Wir treten in die Abstimmung ein.

Vor dem Hintergrund des Ihnen vorliegenden und von den Rednerinnen und Rednern angesprochenen gemeinsamen Änderungsantrags aller Fraktionen des Hauses halte ich Sie damit für einverstanden, dass wir zunächst über diesen Änderungsantrag abstimmen. Nur im unwahrscheinlichen Fall von dessen Ablehnung wäre dann noch über den gemeinsamen Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP und gegebenenfalls über die Beschlussempfehlung des Ausschusses abzustimmen.

Ich frage also das Haus: Wer dem gemeinsamen Änderungsantrag aller Fraktionen des Hauses in der Drucksache 17/2764 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann haben Sie einstimmig beschlossen. Dem interfraktionellen Änderungsantrag wurde damit gefolgt. Damit ist der Antrag in der Fassung dieses Änderungsantrags angenommen worden.

Ich stelle fest, dass damit der Änderungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP in der Drucksache 17/2641 und die Beschlussempfehlung des Ausschusses nach § 39 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit § 31 Abs. 3 Satz 2 unserer Geschäftsordnung abgelehnt sind.

Damit ist der Tagesordnungspunkt 6 erledigt.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 7: Abschließende Beratung: Natürliche Geburt stärken und fördern - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/2164 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration - Drs. 17/2477

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag unverändert anzunehmen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Ich eröffne die Beratung. Als Erste hat die Abgeordnete Elke Twesten, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Deutschland kommen immer mehr Kinder durch Kaiserschnitt auf die Welt. Bei uns in Niedersachsen mittlerweile fast jedes dritte Kind! Damit reihen wir und auch alle anderen Bundesländer uns in einen mittlerweile allgemeinen Trend in den meisten Industrienationen ein. Im Bundesgebiet hat sich die Zahl der Kaiserschnittgeburten in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt.

Und um es gleich vorwegzunehmen: Kaiserschnitte retten jedes Jahr das Leben von Tausenden von Kindern und ihren Müttern, die eine Geburt auf normalem Weg wahrscheinlich nicht oder zumindest nicht ohne bleibende Schäden überleben würden.

Gleichwohl bleibt ein Kaiserschnitt ein Kaiserschnitt, ein operativer Eingriff. Dennoch: Vieles spricht dafür, sich wieder verstärkt mit der natürlichen Geburt zu beschäftigen, da der WHO zufolge nur 10 bis 15 % dieser Kaiserschnitte medizinisch notwendig sind.

Den massiven Anstieg der medizinisch nicht notwendigen Kaiserschnitte beobachten Medizinerinnen und Mediziner wie auch Hebammen mit größter Sorge. Ein auf allen Seiten gestiegenes Sicherheitsempfinden, das Vergütungssystem, die betriebswirtschaftliche Situation vieler Kliniken haben zu einem Verlust an Erfahrung und Zutrauen in die natürliche Geburt geführt.

So berichtete jüngst ein Arzt im Rahmen des Runden Tisches NRW sehr eindrucksvoll, dass sich die

organisatorischen und wirtschaftlichen Interessen einer Klinik maßgeblich auf die Kaiserschnittrate auswirken würden. Er sagt - Zitat -, solange der Kaiserschnitt finanziell besser honoriert werde als die Spontangeburt, betrachte er als Arzt die Senkung der Kaiserschnittrate als Utopie. Er selbst habe an seinem Krankenhaus allerdings die Kaiserschnittrate um 10 % gesenkt und dadurch 400 000 Euro Einnahmen pro Jahr verloren. Eine zeitlich in der Regel nur schwer einschätzbare Spontangeburt binde mehr Mittel und Personal als ein fest terminierter Kaiserschnitt.

Kollegin Twesten, ich darf Sie kurz unterbrechen! - Der Abgeordnete Bley möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Erlauben Sie das?

Im Anschluss, bitte.

Im Moment nicht, Herr Bley.

Im Moment nicht.

Dann ist es keine Zwischenfrage mehr, dann kann ich die Frage im Anschluss auch nicht zulassen. Sie müssten eine Wortmeldung abgeben. Ich weise nur darauf hin. Oder Frau Twesten sagt: Jetzt ist es möglich.

Nein.

Aber Frau Twesten setzt erst einmal fort. - Bitte!

Genau. - Meine Damen und Herren, aktuell zeigen die jüngsten Entwicklungen sowohl in der Landeshauptstadt als auch in vielen ländlichen Regionen, dass wir uns mit der Schließung von Geburtskliniken auf einem falschen Weg befinden. Die NP berichtete am 18. Oktober 2014:

„Wegen der schlechten Vergütung gelten Geburtskliniken als teuer.“

Ohne zu übertreiben, lässt sich feststellen, dass die Strukturen für eine natürliche Geburt durch die negativen Entwicklungen bei der stationären Ver

sorgung und die massive Schwächung und damit Entwertung der so wichtigen Arbeit der Hebammen wegbrechen.

Das Vergütungsproblem, welches schon jetzt viele Hebammen zur Aufgabe ihres Berufes zwingt und einen jahrhundertealten Berufsstand gefährdet, ist seit Jahren bekannt. Und noch immer hat sich nichts Wesentliches geändert.

Aufgabe und Auftrag sind jetzt die in unserem Entschließungsantrag formulierten Punkte: das Zusammenspiel von Frauenärztinnen und -ärzten, Krankenhäusern und Hebammen zu verbessern und insbesondere an dieser Stelle das Gesundheitssystem nachhaltig zu verändern.

Wir begrüßen von daher, dass die rot-grüne Landesregierung die ansteigenden Kaiserschnittraten gewissenhaft beobachtet und erste Maßnahmen ergriffen hat, um die natürliche Geburt zu stärken.

Die bereits jetzt angelaufene Kampagne zeigt, wie wichtig es ist, die Strukturen zu verbessern und das Wissen um die natürliche Geburt wieder zurück in die Kreißsäle zu holen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Vereinzelt gibt es diese Beispiele schon. So beteiligt sich die MHH als eine von 15 Kliniken an dem europaweiten Projekt „OptiBIRTH“. Die Hochschule Osnabrück entwickelt den Qualitätsstandard „Förderung der physiologischen Geburt“, und viele Kliniken haben bereits Hebammensprechstunden eingerichtet.

Leider zeigen diese Beispiele aber auch, dass eine der wesentlichen Fragen nicht beantwortet ist: Wie kommen wir da wieder hin?

Wenn wir das laufen lassen, wird es bei diesen überaus engagierten Geburtshelferinnen und

-helfern nur Frust, Enttäuschung und Resignation geben. Wir laufen dann Gefahr, dass wichtige Erfahrungen, wichtige Ressourcen und Engagement verlorengehen.

Meine Damen und Herren, ich nehme wahr, dass Geburt zwar durchaus ernst,