Protokoll der Sitzung vom 13.10.2015

Natürlich bleibt auch abzuwarten, wie sich die VW-Kunden verhalten werden. Es wird für die Zukunft von ganz entscheidender Bedeutung sein, ob sie dem Unternehmen und den Produkten nach wie vor ihr Vertrauen schenken und ob VW es schafft, neues Vertrauen aufzubauen.

Meine Damen und Herren, erste Schritte, erste wichtige vertrauensbildende Maßnahmen sind aus meiner Sicht gegangen bzw. eingeleitet worden, auch wenn allen klar sein muss, dass die endgültige Aufklärung der Vorfälle noch viel Zeit in Anspruch nehmen wird.

Der Aufsichtsrat hat eine unabhängige Untersuchung veranlasst und damit das amerikanische Anwaltsbüro Jones Day beauftragt, der Aufsichtsrat hat einen Sonderausschuss eingerichtet, Niedersachsen wird durch Olaf Lies vertreten sein. Auch die Selbstanzeige des Unternehmens gehört für mich dazu. Der Rücktritt von Martin Winterkorn war aus meiner Sicht unumgänglich. Der neue Vorstandsvorsitzende, Herr Matthias Müller, hat eine sehr schwierige Aufgabe, wie ich finde. Deshalb wünsche ich ihm von dieser Stelle aus alles Gute und stets eine glückliche Hand.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Auch der Wechsel von Berthold Huber zu Hans Dieter Pötsch an der Spitze des Aufsichtsrats sollte von uns positiv begleitet werden, meine Damen und Herren.

Auch auf unsere Vertreter im Aufsichtsrat kommt in dieser schwierigen Situation eine besondere Aufgabe und auch Verantwortung zu, nämlich mit dafür zu sorgen, dass die Vorgänge mit aller Entschlossenheit aufgeklärt und die Verfehlungen auch geahndet werden. Nur so kann Vertrauen zurückgewonnen und neues Vertrauen aufgebaut werden. Für diese schwierige Aufgabe wünsche ich beiden, Stephan Weil und Olaf Lies, viel Kraft und gutes Gelingen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Versuche der Opposition, in dieser schwierigen Situation ein politisches Spielchen zu treiben - - -

(Heiner Schönecke [CDU]: Was heißt das denn „politisches Spielchen“? - Weitere Zurufe von der CDU)

Frau Modder, einen Moment! - Herr Schönecke, ich bitte Sie!

- Sie sollten auch Ihre eigenen Pressemitteilungen einmal lesen! Das würde helfen.

(Jens Nacke [CDU]: Wenn sie „FDP“ meint, sagt sie immer „Opposition“!)

Die Versuche der Opposition, in dieser schwierigen politischen Situation ein politisches Spielchen zu treiben und die Rolle der Vertreter des Landes Niedersachsen infrage zu stellen oder auch Einflussnahme auf die Staatsanwaltschaft einfach einmal so zu unterstellen und in den Raum zu werfen, sind beschämend, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN -Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig! - Christian Dürr [FDP]: Jetzt wird es wirklich absurd!)

Meine Damen und Herren, wir jedenfalls werden allen Versuchen und Forderungen in diese Richtung eine klare Absage erteilen.

(Zustimmung von Petra Tiemann [SPD])

Meine Damen und Herren, unser Ministerpräsident hat in seinen Ausführungen sehr deutlich gemacht, dass er sowohl die Bedeutung von VW für das Land Niedersachsen im Blick hat als auch genau weiß, dass die Arbeit bei Volkswagen für viele Tausend Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und deren Familien die Existenzgrundlage ist. Deshalb werden unsere Vertreter hart und mit aller Kraft für die Sicherheit dieser Arbeitsplätze arbeiten.

Ich möchte zum Schluss aus einem Schreiben unseres Ministerpräsidenten an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Volkswagen zitieren:

Volkswagen und Niedersachsen haben seit Jahrzehnten eine besonders enge Verbindung, auf die Verlass ist. Das gilt nicht nur in guten Zeiten, sondern gerade auch in schwierigen Phasen. Gemeinsam werden wir auch die jetzt anstehende schwierige Wegstrecke schaffen. Niedersachsen steht zu Volkswagen und seinen Beschäftigten.

Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Modder. - Als Nächster spricht für die Fraktion der FDP Kollege Jörg Bode. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident Weil, was war denn das, bitte, hier eben? In jeder x-beliebigen Zeitung

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Ja, x-be- liebigen!)

konnte man in den letzten Wochen mehr Informationen über die Vorgänge und Umstände bei Volkswagen bekommen, als das, was Sie hier heute im Parlament zugegeben haben, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU - Zurufe von der SPD - Gerd Ludwig Will [SPD]: Das sagt der Richtige! - Petra Tiemann [SPD]: Un- glaublich!)

Das war, sowohl was die - - -

(Unruhe)

Einen Moment! - Meine Damen und Herren, wenn wieder Ruhe eingekehrt sein wird, kann der Redner fortsetzen.

Das, was Sie hier heute zu den Sachverhaltsbeschreibungen, über die Ereignisse gesagt haben, war ausgewählt. Wichtige und schwere Punkte haben Sie bewusst weggelassen, um es für sich einfacher zu machen.

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Ja, Ihre Tä- tigkeit zum Beispiel! Dazu hätten wir gern mehr gewusst!)

Die Auswirkungen, die uns bevorstehen, sind verharmlosend dargestellt, und die Ausführungen dazu werden dem Sachverhalt in keiner Art und Weise gerecht, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

In dem ersten Teil Ihrer Rede haben Sie die Solidarität zu Mitarbeitern und Zulieferern erklärt. Wir haben das hier im Parlament immer gemeinsam, im Konsens erklärt, und es gibt auch keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass dieses Parlament, das Land Niedersachsen sich hier anders verhalten würden. Aber Herr Ministerpräsident, das, was Sie hier heute gesagt haben, war keine Regierungserklärung und auch nicht die Unterrichtung durch einen Ministerpräsidenten, sondern Sie haben hier als Aufsichtsratsmitglied gesprochen. Sie haben die kompletten Sprachvorgaben der Konzernkommunikation von Volkswagen übernommen und den Sachverhalt verharmlost, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Zustimmung bei der FDP - Petra Tiemann [SPD]: Jetzt wird es albern! - Gerd Ludwig Will [SPD]: Das ist doch lächerlich!)

Es handelt sich hier nämlich nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren, wie es immer so gern auch bei Volkswagen momentan gesagt wird, um ein Vorgehen, um einen Fehler, der dort passiert ist.

Bei diesem Sachverhalt handelt es sich um Betrug, meine sehr geehrten Damen und Herren, und zwar um den größten Wirtschaftsbetrug, den wir in der Geschichte erleben mussten.

(Anja Piel [GRÜNE]: Davon hat er ge- sprochen! Sie haben nicht zugehört!)

- Nein, Frau Modder hat von Betrug gesprochen, der Ministerpräsident nicht. Er ist von VW eingenordet worden, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das geht so nicht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der bisher größte Betrugsskandal der Welt, nämlich des Anlagebetrügers Madoff, umfasste eine Liste mit 162 Seiten von Betrugsfällen. Bei Volkswagen gibt es 11 Millionen Betrugsopfer. Dann müsste man schon ganz klein schreiben, um in die Nähe dieser Opferzahl zu kommen.

Von unserem Ministerpräsidenten vermisse ich auch das Anerkenntnis, dass Volkswagen in der Vergangenheit aufgrund der Landesbeteiligung und des maßgeblichen Einflusses des Landes eine besondere Reputation bei Kunden genossen hat, dass wir aufgrund dieser Reputation, die Volkswagen für sich geltend machen konnte, eine Verpflichtung hatten, hier auch dementsprechend zu arbeiten.

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Wie haben Sie das denn gemacht?)

Dann ist es durchaus erforderlich, dass das Land hierfür bei den Betrugsopfern um Entschuldigung bittet.

Ich sage sogar noch mehr: Ich finde es in der Tat erschreckend und bestürzend, dass eine Gesellschaft, an der das Land maßgeblich beteiligt ist, bei der es einen maßgeblichen Einfluss hat, einen solchen Betrugsfall auslösen konnte, dass wir alle gemeinsam es in der Vergangenheit nicht haben verhindern können, dass diese Fälle eingetreten sind. Man kann sich hierfür in der Tat schämen.

(Anja Piel [GRÜNE]: Ja, das ist der Punkt!)

Herr Ministerpräsident, Sie haben gesagt, die wichtigste Aufgabe sei es, dass die Kunden das Vertrauen zu Volkswagen behalten. Aber wie soll das bitte passieren? - Sie haben in Ihrer Rede nicht einen einzigen Punkt genannt, durch den ein Kunde neues Vertrauen gewinnen oder altes behalten konnte.

Ein sehr enger Bekannter von mir, mit dem ich am Wochenende darüber gesprochen habe, sagte, er habe drei Fahrzeuge von Volkswagen, die alle betroffen seien. Er kommt aus Niedersachsen, nicht aus Amerika. Wissen Sie, wie oft er in den letzten Wochen von Volkswagen angesprochen worden ist oder unmittelbare Informationen bekommen hat? - Kein einziges Mal! Wenn man so mit den Kunden in Europa umgeht und Sie auch das Verständnis haben, dass man in Amerika scheinbar anders und enger mit Kunden umgeht, dann fällt es schon schwer, zu glauben, dass man dies Vertrauen aufbauen kann.

Man kann von dem Gesellschafter Land Niedersachsen schon erwarten, dass er selber einen Plan hat, wie man hier vorankommen will, dass er ein Konzept hat, um für die Kunden, für die Betrugsopfer da zu sein und sich für sie einzusetzen. Wo ist denn die Informationseinforderung durch das Land Niedersachsen? Wo ist denn die Aussage, dass

sich das Land Niedersachsen dann auch dafür einsetzt, dass nicht nur repariert wird, sondern dass komplett entschädigt wird und keine weiteren Belastungen und Kosten bei dem Kunden hängen bleiben? Die eigene Aufklärungsaktivität der Landesregierung und nicht die eines Aufsichtsrates fehlt vollständig. Das ist der Kernpunkt unserer Kritik an Ihrem Agieren, meine sehr geehrten Damen und Herren.