Krisensituationen wie die hier beschriebene humanitäre Krise mit dem massiven Zulauf von bis zu 10 000 Personen nach Deutschland pro Tag, meine Damen und Herren, seit Anfang September können nicht mehr durch die regulären Kapazitäten, Organisationsformen und Organisationen bewältigt werden und erfordern ein angemessenes Handeln.
Seit Anfang September wurde deshalb im Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport eine Besondere Aufbauorganisation aufgerufen, die maßgeblich durch das Kompetenzzentrum Großschadenslagen unterstützt wird. Hier werden im großen Umfang Unterbringungskapazitäten geplant und in sehr guter Kooperation mit den Hilfsorganisationen im Katastrophenschutz hergerichtet und betrieben. Dafür an dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön!
Für die Einsatzbearbeitung werden im Kompetenzzentrum Großschadenslagen kurz- und mittelfristige Planungen für die notfallmäßige Unterbringung erstellt. Dazu zählen vor allem die Akquise und Herrichtung von Notunterkünften zur akuten Unter
bringung und die mittelfristige bauliche Ertüchtigung von Liegenschaften, um eine Aufnahme über die nächsten Wochen sicherzustellen. Der extreme Zulauf auch nach Niedersachsen führt zu einer sehr angespannten Lage und immer wieder auftretenden Engpässen, die mit viel Engagement aller Beteiligten bewältigt werden müssen und bewältigt werden.
Das Kompetenzzentrum Großschadenslagen kümmert sich um die Gesamtversorgung aller Notunterkünfte mit den benötigten Ausstattungs- und Verbrauchsmitteln mit einem eigens eingerichteten Landeszentrallager für den Katastrophenschutz. Daraus werden z. B. Artikel wie Matratzen, Bettdecken und Hygieneartikel an die inzwischen über 30 Standorte geliefert. Über 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern sich im Schichtbetrieb im Kompetenzzentrum die ganze Woche über um die ankommenden Flüchtlinge und verteilen diese auf die Standorte in ganz Niedersachsen. Aktuell werden über 18 000 Notunterkunftsplätze zusätzlich zu den Kapazitäten der Landesaufnahmebehörde vorgehalten.
Ein Beispiel aus den letzten Tagen ist das weitläufige Camp Fallingbostel, das von den Briten geräumte Militärlager in der Lüneburger Heide. Die Briten haben sich hier sehr kooperativ gezeigt und dafür gesorgt, dass wir schnell - schneller, als ursprünglich geplant und erwartbar war - in diese Einrichtung einziehen konnten. Auch hier ein großes Danke für die viele Unterstützung!
In Fallingbostel waren zuletzt 4 500 britische Militärs stationiert, die im Laufe des Jahres abgezogen wurden. Das Areal bietet viele leerstehende Häuser und Hallen, die nun als Notunterkunft genutzt werden sollen. Ein erster Teil des Geländes ist dazu mit großer Unterstützung der Bundeswehr bereits hergerichtet und wird seit Anfang Oktober genutzt. Aktuell sind so Kapazitäten für die Unterbringung von 1 600 Flüchtlingen in einer Notunterkunft geschaffen worden.
An dieser Stelle will ich wiederholen, was ich an anderer Stelle schon gesagt habe: Da gilt der Dank Niedersachsens und der Niedersächsischen Landesregierung auch der Bundesverteidigungsministerin, die hier sehr aktiv und sehr zuverlässig mit uns kooperiert und alle Möglichkeiten eröffnet, die sich bieten. Auf Bundesebene gibt es nämlich einen ausgeprägten Sinn dafür und versteht man sich darauf, konsensual und vor allem entschlos
(Christian Grascha [FDP]: „Im Gegen- satz zu hier“, hätten Sie noch ergän- zen müssen! - Ulf Thiele [CDU]: Herr Minister, war das ein Hinweis an die Grünen?)
Weitere drei sogenannte Cluster des Areals stehen noch zur Verfügung und sollen noch weiter zur Unterbringung ertüchtigt und mit Unterstützung der Bundeswehr betrieben werden, sodass auf dem Gelände letztlich bis zu 6 000 Flüchtlinge untergebracht werden können.
Bereits seit Mitte September wird das direkt neben dem Camp Fallingbostel gelegene Camp Oerbke als Notunterkunft genutzt. In der ehemaligen NATO-Kaserne sind mehr als 1 200 Flüchtlinge untergebracht und versorgt.
Ein Beispiel für die Hilfsbereitschaft und Leistungsfähigkeit der ehrenamtlich Tätigen, der Katastrophenschutzdienste und auch der Kommunen ist die äußerst kurzfristige Herrichtung der ehemaligen Mackensen-Kaserne in Hildesheim. Sie ist Ende September dieses Jahres als Notunterkunft in Betrieb gegangen. Die Kaserne bietet heute 1 100 Unterbringungsplätze. Hier ist es durch tatkräftiges Handeln aller Beteiligten gelungen, notwendige Bauarbeiten und die Bestückung mit Matratzen und dem notwendigen Mobiliar in äußerst kurzer Reaktionszeit vorzunehmen.
Über die aktuelle Situation berichtet das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport dem Niedersächsischen Landtag regelmäßig im Ausschuss für Inneres und Sport. Ich danke für die Gelegenheit dazu, das regelmäßig zu tun.
Die gegenwärtige Zuspitzung der Lage sowohl in Niedersachsen als auch in den 15 anderen Bundesländern und beim Bund zeigt, dass alle zielführenden Maßnahmen ergriffen werden müssen. Allein nach Niedersachsen kommen derzeit pro Tag mehr als 1 000 Menschen, die auf der Flucht sind.
Ich will das noch um aktuelle Zahlen erweitern. Allein im Zeitraum vom 25. September - als der Bund endlich die Koordinierung der Verteilung der Flüchtlinge, die in Bayern ankommen, übernommen hat - bis zum 7. Oktober sind über 7 000 Menschen nur über die Verteilung aus Bayern nach Niedersachsen gekommen; die Direktzugänge kommen noch obendrauf. In der Zeit vom 8. Oktober bis heute - also in einer Woche - sind alleine aus Bayern - nur über diesen Verteilmechanismus - weitere 4 558 Menschen zu uns gekommen; die Direktaufnahme in den Erstaufnahmeeinrichtungen in Niedersachsen kommt auch hier noch obendrauf.
Um diese Flüchtlinge unterzubringen, haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kommunen, in den Hilfsorganisationen, in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes, in den Ministerien, in den Landtagsfraktionen und in der Landesregierung Enormes geleistet und erhebliche Kraftanstrengungen geschultert, und zwar gemeinsam.
Allein seit September - nicht 2014, sondern 2015 - wurden bereits knapp 18 000 zusätzliche Notunterkünfte geschaffen. Bis Jahresende ist bereits jetzt die Einrichtung von mindestens 14 000 weiteren Plätzen geplant.
Das Land wird diese Anstrengungen fortsetzen, weiter verstärken und zusätzliche Instrumente entwickeln. Neben einer strategischen Kapazitätsplanung zählen dazu auch kurzfristige Akutmaßnahmen und Handlungsansätze, die die Kommunen einbeziehen.
So werden ganz unmittelbar - ich habe darüber gestern berichtet - zur Vermeidung von Obdachlosigkeit ergänzend zu den im Auf- und Ausbau befindlichen Landeskapazitäten ab dieser Woche die Landkreise und kreisfreien Städte um befristete und vorübergehende Amtshilfe bei der Unterbringung der ankommenden Asylsuchenden ersucht.
Grundsätzlich werden dabei alle Landkreise und kreisfreien Städte in Anspruch genommen. Gebietskörperschaften, die bereits Standort einer Erstaufnahmeeinrichtung oder einer Notunterkunft sind, werden zunächst zurückgestellt - ein Gebot der Gerechtigkeit.
Zusammenhang mit der Aufnahme von Asylsuchenden bereits bestehender oder absehbarer Beanspruchungen sowie aus der Einwohnerzahl der jeweiligen Gebietskörperschaften. Geplant ist, dass sich die unmittelbare Zuweisung an eine Gebietskörperschaft, die von diesem vorübergehenden Schritt betroffen ist, ungefähr im Rahmen von jeweils täglich 100 bis 200 Flüchtlingen bewegt.
Um die Inanspruchnahme der Kommunen im Rahmen der Amtshilfe zeitlich und im Umfang auf das absolut Notwendige zu begrenzen, werden parallel dazu weiterhin mit Hochdruck zusätzliche Landesnotunterkünfte und neue Erstaufnahmestandorte gesucht und eingerichtet.
(Jens Nacke [CDU]: Sagen Sie etwas dazu! - Gegenruf von der SPD: Sie können doch eine Zusatzfrage stellen, Herr Nacke!)