Protokoll der Sitzung vom 12.11.2015

(Zurufe: Guten Morgen, Herr Präsident!)

Tagesordnungspunkt 19: Mitteilungen des Präsidenten

Das Plenum ist bereits gut besetzt. Deswegen können wir schon jetzt die Beschlussfähigkeit des Hauses feststellen.

Geburtstag haben heute die Abgeordneten Jörg Bode und Dr. Alexander Saipa. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall)

Ich übermittle Ihnen, getragen vom Applaus des Hauses, im Namen des ganzen Hauses herzliche Glückwünsche: Gesundheit und Wohlergehen und viel Erfolg im vor Ihnen liegenden neuen Lebensjahr.

Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 20, den Dringlichen Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort.

Die heutige Sitzung kann gegen 18.20 Uhr enden.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr der Schriftführer Herr Brinkmann mit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: von der Landesregierung Frau Justizministerin Antje NiewischLennartz, Herr Finanzminister Peter-Jürgen Schneider bis 16 Uhr, Herr Wirtschaftsminister Olaf Lies ab 17 Uhr und von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Heinrich Scholing.

Danke schön, Herr Brinkmann. - Meine Damen und Herren, wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 20: Dringliche Anfragen

Es liegen zwei Dringliche Anfragen vor.

Die für die Behandlung Dringlicher Anfragen geltenden Geschäftsordnungsbestimmungen setze ich wie immer als allgemein bekannt voraus. Ich weise wie üblich besonders darauf hin, dass einleitende Bemerkungen zu den Zusatzfragen nicht zulässig sind.

Um uns im Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich, dass Sie sich schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.

Wir beginnen mit

a) Illegaler Grenzübertritt von Flüchtlingen - Verbesserung der Registrierung - Rechtsstaat wiederherstellen - Anfrage der Fraktion der FDP - Drs. 17/4556

Die Anfrage wird vom Kollegen Jan-Christoph Oetjen eingebracht. Bitte sehr!

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Illegaler Grenzübertritt von Flüchtlingen - Verbesserung der Registrierung - Rechtsstaat wiederherstellen.

Gegen Zehntausende Flüchtlinge wird wegen illegalen Grenzübertritts ermittelt. Sie reisten ohne Visum nach Deutschland ein. Flüchtlinge werden im Zuge des Grenzübertritts erstmals einer deutschen Behörde, namentlich der Polizei, bekannt und dort registriert. Allerdings nutzt man diese Daten bisher nicht. Im Gegenteil: Zehntausende Flüchtlinge werden nach dem Grenzübertritt ohne Registrierung an die Bundesländer weiterverteilt und dann direkt unregistriert und ohne medizinische Untersuchung den Kommunen zugewiesen.

Die Gewerkschaft der Polizei kritisiert, dass die Daten bei der Erfassung durch die Polizei nach dem Grenzübertritt nicht auch genutzt werden, um die Registrierung der Flüchtlinge zu ergänzen. Der obligatorische Schriftverkehr bindet behördliche Kapazitäten, die danach nicht weiter genutzt werden, weil eine andere Behörde die Registrierung durchführt und noch eine andere Behörde das entsprechende Asylverfahren betreut und mit der Aufnahme der Daten von vorn beginnt.

Derzeit verlassen jedoch viele Flüchtlinge, die den Kommunen zugewiesen wurden, unregistriert und ohne medizinische Erstuntersuchung die Erstaufnahmeeinrichtungen und Notunterkünfte in Niedersachsen mit nach Presseberichten unbekanntem Ziel. Sie leben zukünftig illegal in Deutschland oder einem anderen Land der Europäischen Union.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung diese doppelte behördliche Registrierung, und existiert diese auch in Niedersachsen?

2. Können in Niedersachsen polizeilich oder kommunal erfasste Daten zur Registrierung dem BAMF zugänglich gemacht werden, und unterstützt die Landesregierung dieses Vorgehen?

3. Wie viele unregistrierte Asylbewerber haben welchen Standort verlassen und mit welchem Ziel?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Oetjen. - Meine Damen und Herren, es folgt jetzt die Antwort der Landesregierung. Herr Innenminister Pistorius, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Oetjen, die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs obliegt in der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich der Bundespolizei. Nach hiesigen Informationen ist es jedoch nicht so, dass alle ankommenden Flüchtlinge an der Grenze polizeilich registriert würden oder gar ihre Identität erfasst würde. Vielmehr scheint es so zu sein - die Zahlen gehen weit auseinander -: Die einen sagen, maximal 10 bis 15 % werden überhaupt das erste Mal zur Kenntnis genommen, andere sprechen von 30 bis 40 %. Viel mehr dürften es aber nach übereinstimmenden Angaben nicht sein.

Eine behördliche Registrierung von als Flüchtlingen eingereisten Menschen kann aus unterschiedlichen Anlässen erforderlich werden. Dafür bestehen verschiedene gesetzliche Regelungen für die jeweils tätig werdenden Behörden. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Bestimmungen in dem Asylgesetz und in dem Aufenthaltsgesetz. Im Kern ist die behördliche Feststellung einer asylsuchen

den Person allerdings natürlich Grundvoraussetzung für die Prüfung von Asylanträgen, die Durchführung des Asylverfahrens selbst und letztlich natürlich auch für eine Entscheidung über den Asylantrag durch das dafür zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Zur Klarstellung möchte ich, Ihr Einverständnis vorausgesetzt, kurz darlegen, welche verschiedenen Arten von Registrierungen - im untechnischen Sinne - es gibt; da scheint es in der Diskussion überall im Lande, aber auch darüber hinaus unterschiedliche Definitionen zu geben.

Erstens. Sobald ein Flüchtling in einer Unterkunft ankommt, werden sein Name und sein Herkunftsland erfragt und wird ihm ein provisorischer Hausausweis ausgehändigt. Mit diesem Hausausweis ist ihm ein Schlafplatz zugewiesen, und er kann am Essen teilnehmen.

Zweitens. Anschließend erfolgt die Registrierung durch die Landesaufnahmebehörde in den System EASY und NiAS.

Im Verteilverfahren EASY - diese Abkürzung steht für „Erstverteilung von Asylbegehrenden“ - werden nur das Geschlecht, die Nationalität und Familienverbünde erfasst - nichts anderes -, und zwar nur, um auf dieser Basis dann automatisiert eine bundesweite Verteilung entsprechend dem Königsteiner Schlüssel vornehmen zu können. Dabei wird von EASY automatisch eine Fallnummer generiert, die wiederum zwingend für die anschließende Registrierung in NiAS - NiAS steht für „Niedersächsische Ausländersoftware“ - erforderlich ist.

Für die Registrierung in NiAS werden alle weiteren notwendigen personenbezogenen Daten wie Name, Herkunftsland, Geschlecht, Familienstand, Geburtsdatum, Geburtsort, Region und Sprache erhoben. Zusätzlich wird ein Foto gefertigt.

Anschließend erhält der Flüchtling die BÜMA - diese weitere Abkürzung steht für „Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender“ - und den offiziellen Hausausweis. Damit ist die Aufnahme in Niedersachsen und damit auch die Aufgabe des Landes Niedersachsen, was die Registrierung angeht, abgeschlossen.

Drittens. Um den Asylantrag beim BAMF zu stellen, ist es aber zwingend erforderlich, eine weitere Registrierung und die vielfach erwähnte EDBehandlung, die erkennungsdienstliche Behandlung, im MARIS-System des Bundes vorzunehmen. Problematisch in der aktuellen Lage ist, dass zwischen dem Bundessystem MARIS einerseits

und dem Landessystem NiAS keine digitale Schnittstelle besteht.

(Zuruf: Seit sieben Jahren schon nicht!)

- Genau, sogar noch länger.

Ziel sollte sein, die Registrierung in NiAS und die Registrierung in MARIS - wie in der Vergangenheit - gleichzeitig oder an aufeinander folgenden Tagen durchzuführen. Diese zeitliche Nähe ist durch den starken Anstieg der Zugangszahlen nicht mehr gegeben.

Derzeit werden beispielsweise in Niedersachsen durch das BAMF maximal 1 000 Asylanträge - also Registrierung und ED-Behandlung im MARIS-System des Bundes - pro Woche entgegengenommen. Dem stehen Zugänge von über 1 000 Personen in Niedersachsen gegenüber - allerdings, meine Damen und Herren, pro Tag. Also erhöht sich alleine in Niedersachsen der Rückstand des BAMF bei der Annahme von Asylanträgen um rund 6 000 Fälle pro Woche.

Ein Flüchtling, der heute in Niedersachsen in NiAS registriert wird, bekommt frühestens im Mai 2016 einen Termin beim BAMF, um seinen Asylantrag stellen zu können. Ich wiederhole das gerne: Wer heute ankommt, kann frühestens im Mai einen Asylantrag stellen. - Mittlerweile verzichtet das BAMF, um die Unzufriedenheit nicht zu früh zu hoch werden zu lassen, sogar schon auf eine konkrete Terminierung.

Zu der Registrierung in Niedersachsen kann ich Ihnen dagegen Folgendes mitteilen:

Anfang September hatten wir 1 294 Registrierungen in der Woche. In der ersten Novemberwoche lag die Zahl bereits bei 4 243 - eine Steigerung um fast 330 % -, und die Tendenz ist weiter steigend.

Anfang September waren im täglichen Schnitt 36 Beschäftigte im Einsatz. In der ersten Novemberwoche waren 90 Personen im Einsatz - ein Anstieg um 150 %! Eine weitere Steigerung ist hier notwendig und wird aktuell vorgenommen

In Bramsche haben wir in einem Pilotverfahren zusammen mit dem BAMF eine Bearbeiterstraße eingerichtet, in der die Registrierung in EASY und in NiAS durch Landespersonal und die ED-Behandlung in MARIS durch Bundespersonal in einem Büro und damit zeitgleich vorgenommen werden. Festzuhalten bleibt aber auch hier, dass damit immer noch kein Asylantrag gestellt ist, da die Kapazitäten des BAMF hierzu nach wie vor nicht

ausreichen. Nachfragen beim BAMF zur Ausweitung dieses Verfahrens auf weitere Standorte in Niedersachsen - was wir gerne tun würden und auch leisten wollten - blieben bislang erfolglos.

Zu der Bearbeiterstraße noch eine kleine Geschichte am Rande: Für die Vergabe einer neuen Kennung im MARIS-System für den Sachbearbeiter des BAMF, der die Eingabe vornimmt, benötigt das BAMF - nur für die Ausgabe der Kennung und eines entsprechenden Log-in-Passwortes! - nach Aussage von Beschäftigten des BAMF vor Ort derzeit mehrere Wochen Vorlaufzeit. In den Fällen, in denen ein Sachbearbeiter durch einen anderen ersetzt wird, kann dieser mit der Kennung des Vorgängers arbeiten. Eine eigene kriegt er aber noch gar nicht. Jeder zusätzliche Mitarbeiter muss vier bis sechs oder sieben Wochen warten, bis er eine eigene Kennung kriegt.