3. Mit welchen Maßnahmen unterstützt die Landesregierung insbesondere die Zukunftsperspektiven der Windoffshoreindustrie?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für ein exportorientiertes Land wie Deutschland ist eine innovative, leistungsstarke und international wettbewerbsfähige maritime Wirtschaft von besonders hoher Bedeutung. Die Energiewende, der Klima- und Umweltschutz sowie die Sicherung der Rohstoffversorgung sind zentrale Herausforderungen der Zukunft, die nur mithilfe einer starken maritimen Wirtschaft in Deutschland zu lösen sind.
Meine Damen und Herren, Niedersachsen ist Mobilitätsland, Niedersachsen ist Agrar- und Ernährungsland, Energieland, Tourismusland, aber eben auch Hafenland oder maritimes Land. Ich glaube, dass wir das an jeder Stelle immer wieder deutlich betonen müssen.
Die maritime Wirtschaft ist ein breit aufgestelltes Wachstumsfeld, welches sich im Norden Deutschlands räumlich als innovatives Verbundcluster mit verschiedensten Handlungsschwerpunkten strukturiert.
Nach wie vor bildet die Schiffbauindustrie einen wirtschaftlichen Kern des maritimen Standorts Norddeutschland mit spezialisierten Werften und der maritimen Zulieferindustrie. Weitere wichtige Segmente sind die maritime Logistik, neben der Seeschifffahrt vor allem die Hafeninfrastruktur, welche auch zur Flankierung der Energiewende auf See und an Land benötigt wird, sowie mit zunehmender Relevanz die Bereiche Offshorewindenergie, Meerestechnik sowie Meeresforschung.
Zu Frage 1: Für Niedersachsen hat die maritime Wirtschaft eine herausragende Bedeutung. Rund 40 000 direkt Beschäftigte in den genannten Kernsegmenten sind nur ein Indikator, der dies belegt. Zahlreiche, vielfältig angelegte Aktivitäten und Initiativen der Niedersächsischen Landesregierung
In den für Niedersachsen wichtigsten Branchen der maritimen Wirtschaft sind folgende Entwicklungen zu verzeichnen:
Der Schiffbau in Deutschland ist unverändert eine innovative und wettbewerbsfähige Branche. Jedoch hat die anhaltende Schifffahrtskrise - die größte in den vergangenen 50 bis 60 Jahren - Spuren in der deutschen Werftenlandschaft hinterlassen. Werften ohne eine Spezialisierung konnten sich am Markt nicht halten. Nach der Marktbereinigung ist die heutige Werftenlandschaft überwiegend mittelständisch geprägt. Die Werften sind in Spezialmärkten - z. B. Yachten, Marineschiffe, Kreuzfahrtschiffe - oder in Nischen - z. B. RoRo, modernste Behördenschiffe, Offshoreanlagen und Offshoreplattformen - stark aufgestellt.
Die deutschen Werften haben sich vollständig auf den sogenannten Spezialschiffbau sowie den maritimen Anlagenbau fokussiert. Aufgrund der vorhandenen starken Überkapazitäten nimmt auch in diesen Segmenten der Wettbewerbsdruck in der gesamten Wertschöpfungskette deutlich zu. Der deutsche Schiffbau reagiert auf den bestehenden globalen Verdrängungswettbewerb mit besseren Produkten, innovativen und auf spezifische Kundenwünsche ausgerichteten Lösungen, Termintreue und weiter optimierten Produktionsabläufen.
Mit der veränderten Produktpalette deutscher Werften erhöht sich der Innovationsgehalt des Auftragsbestandes. Technologische Fortschritte werden im Schiffbau kontinuierlich in kleinen Schritten mit jedem Typschiff und regelmäßig verbesserten Ausrüstungskomponenten erzielt.
Im globalen Schiffbaumarkt, insbesondere bei der derzeitigen Nachfrageschwäche, ist es charakteristisch, dass neben einem intensiven Preiswettbewerb auch ein starker Wettbewerb im Bereich der Finanzierungskonditionen für den Besteller herrscht. Die konkreten Finanzierungskonditionen, die eine Werft einem Besteller in Aussicht stellen kann, geben hierbei oftmals den Ausschlag für den Akquisitionserfolg.
Ursächlich für die aktuelle Finanzierungsproblematik sind die fortdauernde ausgeprägte Zurückhaltung der Banken im Bereich der Schiffsfinanzierung insgesamt sowie der durch die Umstellung auf den Spezialschiffbau gestiegene Finanzierungsbedarf der Werften.
Die Werften sind in den küstennahen Regionen oftmals bedeutende Arbeitgeber mit regional überdurchschnittlichen Lohn- und Gehaltszahlungen. Auch im Vergleich zum jeweiligen Landesbruttoinlandsprodukt hat der Schiffbau eine sehr hohe Bedeutung. Im Jahr 2013 waren auf den Werften in Deutschland knapp 17 000 Mitarbeiter - in Niedersachsen ca. 5 000 - beschäftigt. Sie erzielten einen Jahresumsatz von über 5 Milliarden Euro, in Niedersachsen ca. 1,4 Milliarden Euro. Im Jahr 2014 stieg die Anzahl der Mitarbeiter auf den Werften in Deutschland auf rund 17 400, in Niedersachsen auf ca. 5 100 Mitarbeiter. Der Jahresumsatz ist im Jahr 2014 bundesweit auf 6,4 Milliarden Euro - in Niedersachsen auf ca. 1,9 Milliarden Euro - gestiegen.
Damit, meine Damen und Herren, sind nur die direkt auf den Werften beschäftigten Mitarbeiter quantifiziert. Über Aufträge, aber auch über zeitlich befristete Projekte auf den Werften kommt noch einmal mindestens die gleiche Größenordnung an Beschäftigten hinzu.
Zulieferer, meine Damen und Herren, tragen zwischen 70 % und 80 % zum Bau von Schiffen und maritimen Großanlagen bei. Die deutsche Schiffbauzulieferindustrie liegt mit einem jährlichen Produktionswert von 12,8 Milliarden Euro und einem Anteil von fast 21 % innerhalb Europas an der Spitze. Etwa die Hälfte der Schiffbauzulieferungen stammt nicht aus den Küstenbundesländern, sondern aus anderen Bundesländern, insbesondere Bayern und Baden-Württemberg. Deswegen müssen wir, glaube ich, gerade in den Regionen kommunizieren, wie wichtig diese Branche für die Länder ist.
Somit erwirtschaftete die deutsche Schiffbau- und Schiffbauzulieferindustrie insgesamt in 2013 mit ca. 2 800 Unternehmen rund 18 Milliarden Euro und bietet 80 000 meist hoch qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Beschäftigung.
Die positiven Projekte können übrigens zum Teil weit über die klassische Zukunft im Bereich der Industrie hinausgehen. Exemplarisch herausheben möchte ich die Meyer Werft. Die Aufträge, bei denen die Auslieferung 2023 ansteht, zeigen, glaube ich, die Zukunftsorientiertheit und Nachhaltigkeit an dieser Stelle. Eine so langfristige Absicherung von Aufträgen gibt es tatsächlich nur in wenigen Branchen der Industrie, ich glaube, vergleichbar in gar keiner Branche der Industrie.
einen ganz wichtigen Beitrag zur Standortsicherung der Meyer Werft auf den Weg zu bringen und umzusetzen, meine Damen und Herren.
Ein Ergebnis ist übrigens auch - das will ich gerade mit Blick auf die Meyer Werft sagen - der Beschäftigungssicherungsvertrag, auf den wir uns geeinigt haben. Er ermöglicht eine derart langfristige Absicherung der Beschäftigten, wie sie in kaum einer bzw. keiner anderen Branche möglich ist. Das ist ein großer Erfolg für Niedersachsen und, ich glaube, auch ein Aushängeschild niedersächsischer Industrie.
Die Seeschifffahrt ist für Niedersachsen - wie für alle Küstenländer - ein wichtiger Wirtschaftszweig und für die gesamte exportorientierte deutsche Wirtschaft von existenzieller Bedeutung.
Seit Beginn der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 steht die mittelständisch geprägte niedersächsische Seeschifffahrt vor großen Herausforderungen. Überkapazitäten belasten nach wie vor den Markt. Eine generelle Trendwende wird kurzfristig sicherlich nicht zu erwarten sein. Erst mittel- bis langfristig besteht Hoffnung auf eine Erholung der Schifffahrtsmärkte.
Deutsche schiffsfinanzierende Banken agieren unverändert sehr zurückhaltend. Insbesondere kleine und mittelständische Reedereien gehen nunmehr verstärkt Kooperationen ein, um neues Kapital zu gewinnen und ihre Effizienz weiter zu steigern. Festzustellen ist jedoch trotz aller Probleme und Herausforderungen, dass ein tiefgreifender Strukturwandel in der niedersächsischen Reedereilandschaft bisher nicht stattgefunden hat.
Zu Beginn der Krisenjahre waren rund 165 Reedereien am Standort tätig; heute sind es immerhin noch 135 Unternehmen, die knapp 4 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Land und auf See beschäftigen. Niedersachsen ist damit nach wie vor der zweitgrößte deutsche Reedereistandort nach Hamburg.
Festgestellt werden muss jedoch, dass in den letzten Jahren ein erheblicher Beschäftigungsrückgang verkraftet werden musste. Dazu, meine Da
men und Herren, ist ein Gutachten der NORD/LB noch einmal aufgearbeitet und aktualisiert worden. Wir haben mit allen Beteiligten, vor allem mit der Reedereiwirtschaft, aber auch mit Vertretern der Fraktionen, darüber diskutiert, wie wir die Stärke, die die Reedereiwirtschaft in unserem Land heute hat, dauerhaft sicherstellen können.
Denn, meine Damen und Herren, direkt, indirekt und induziert hängen in Niedersachsen aktuell nach wie vor rund 24 500 Arbeitsplätze von der Reedereiwirtschaft ab. Daraus lässt sich die enorme Bedeutung dieses Wirtschaftszweiges für Niedersachsen ableiten.
Niedersächsische Schifffahrtsunternehmen bereederten zum 30. Juni 2015 1 069 Handelsschiffe mit einer Bruttoraumzahl von 14,1 Millionen. Deutschlandweit sind es 3 151 Schiffe und mit einer Bruttoraumzahl von 80 Millionen. Von dieser Flotte fahren 144 Schiffe mit 2,9 Millionen Bruttoraumzahl unter deutscher Flagge. Weitere 888 Schiffe sind in deutschen Seeschiffsregistern eingetragen und fahren befristet eine Auslandsflagge. Hinzu kommen 37 Schiffe in ausländischen Registern unter Auslandsflaggen, die wirtschaftlich deutschen Reedereien zuzuordnen sind. Bevorzugt werden die offenen Register von Antigua und Barbuda sowie Liberia.
Trotz aller Probleme steht die deutsche Handelsflotte insgesamt laut aktuellem Jahresbericht des Verbandes Deutscher Reeder - Stand 2015 - im weltweiten Ranking der Schifffahrtsnationen mit rund 3 250 Schiffen an vierter Stelle hinter Griechenland, Japan und China und hält sich damit relativ stabil. In der Containerschifffahrt belegen deutsche Reeder mit einem Marktanteil von 29 % sogar weiterhin den ersten Platz.
Die deutsche Handelsflotte ist jedoch in den vergangenen Jahren nach und nach geschrumpft. Auch die Zahl der unter deutscher Flagge fahrenden Schiffe ist leider rückläufig. Aktuell fahren laut Angaben des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie nur noch 345 Schiffe unter deutscher Flagge.
Besonders problematisch ist: Mit dieser Entwicklung gehen auch die Beschäftigung deutscher Seeleute und die Zahl der seemännischen Studentinnen und Studenten sowie der Auszubildenden zurück. Die norddeutschen Länder betrachten diese Entwicklung mit großer Sorge; denn auch künftig wird Bedarf an qualifizierten seemännischen Fachkräften auf See und an Land und selbstverständlich auch in Behörden bestehen.
Exzellentes Know-how und hohe Innovationskraft sind Schlüsselkompetenzen für die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten maritimen Wirtschaft. Um dies zu erhalten, hat sich Niedersachsen gemeinsam mit den anderen Küstenländern dafür eingesetzt, die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Branche so zu gestalten, damit sie im europäischen bzw. internationalen Wettbewerb auf Dauer bestehen kann. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen zur Reedereiwirtschaft in Frage 2 verwiesen.
Unsere Häfen sind ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Wir setzen alles daran, die Wettbewerbsfähigkeit der niedersächsischen Häfen zu sichern, auszubauen und zu stärken. Dafür investieren wir in die Hafeninfrastrukturen vor Ort. Gleichzeitig legen wir ein besonderes Augenmerk auf die verkehrliche Anbindung der Seehäfen. Ich gehe fest davon aus, dass gerade im neuen Bundesverkehrswegeplan auch die notwendigen Fahrrinnenanpassungen, die wir für die Weser und für die Ems brauchen, enthalten sind. Voraussichtlich gilt das dann auch für die Elbe.
Für 2015 können die neun niedersächsischen Seehäfen ein signifikantes Umschlagswachstum im Seeverkehr von 12 % auf knapp 52 Millionen t verbuchen. 46,4 Millionen t waren es im Jahr 2014. Zum Vergleich: In Hamburg war der Gesamtumschlag 2015 im Seegüterverkehr um 5,4 % rückläufig, und auch in den bremischen Häfen wird für das Jahr 2015 ein Rückgang der Zahlen um 4,8 % prognostiziert.
Sowohl bei den Massen- als auch bei den Stückgütern konnten Niedersachsens Häfen deutliche Volumensteigerungen verbuchen. Insbesondere der Containerterminal Wilhelmshaven konnte 2015 sein Umschlagsvolumen deutlich steigern. Im Jahr 2015 wurden hier rund 427 000 TEU verladen. Zum Vergleich: 2014 - 2013 war natürlich genauso schlecht - hatte der Umschlag noch bei 67 000 TEU gelegen. Die Zahlen belegen, wie attraktiv und leistungsstark unser Hafenverbund ist, und zeigen einmal mehr, dass sich unsere Investitionen der letzten Jahre und Jahrzehnte in den Hafenstandort Niedersachsen auszahlen.
Die Landesregierung ist weiterhin vom Erfolg des Containerterminals JadeWeserPort in Wilhelmshaven überzeugt. Eine Ende 2013 von der Contai
ner Terminal Wilhelmshaven JadeWeserPortMarketing GmbH & Co. KG in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie bestätigt inzwischen den technisch realisierbaren und auf mittlere Sicht wirtschaftlich sinnvollen Bau eines zweiten Containerterminals in Wilhelmshaven. Der Studie zufolge soll bei einer linear verlaufenden Prognose um das Jahr 2027 der heutige Hafen an seine Kapazitätsgrenzen stoßen. Vor diesem Hintergrund besteht die Absicht, die weiteren Planungen voranzutreiben, wenn der JadeWeserPort erstmalig erkennbar 1 Million TEU im Jahr umschlagen wird.
Die hoch spezialisierten Häfen in Niedersachsen sind wichtige Player und Leistungsträger der gesamtdeutschen Wirtschaft. Sie tragen zum Wohlstand und Wachstum in ganz Deutschland bei und sind starke Partner im globalen Wettbewerb, Seite an Seite mit Hamburg und Bremen. Deswegen, meine Damen und Herren, macht es auch Sinn, vom starken Hafen Niedersachsen mit seinen spezialisierten einzelnen Standorten zu sprechen, um auch an der Stelle auf Augenhöhe mit Hamburg und mit Bremen in der Debatte zu sein.