Protokoll der Sitzung vom 04.05.2016

Herr Dr. Birkner, wenn Sie Fragen an die Landesregierung haben, müssen Sie die auch an die Landesregierung stellen.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Ich frage, wie Sie das bewerten!)

Ich bewerte das so, dass ich nach wie vor an diesen Gesprächen mit Schura, mit DITIB und mit den Aleviten festhalte und mich nicht durch irgendeine Bewegung in der Türkei sozusagen irritieren lasse. Ich möchte wissen, mit welchen Vertretern wir es hier in Niedersachsen hinsichtlich der Verträge, die das Land Niedersachsen abschließt und denen wir als Parlamentarier zustimmen müssen, zu tun haben. Darum geht es.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei den GRÜNEN - Zuruf von Jens Nacke [CDU])

Meine Damen und Herren, hier geht es um ein übergeordnetes gesellschaftliches Thema, bei dem die Fragen zu beantworten sind, wie wir die Muslime in unsere Gesellschaft und unsere Wertegemeinschaft einbinden wollen, wie wir Rechte und Pflichten miteinander festlegen wollen, wie wir gesellschaftliche Teilhabe als gemeinsames Ziel festlegen wollen und - das füge ich hinzu, weil ja das auch immer wieder Thema gewesen ist - wie wir uns gemeinsam extremistischen Tendenzen entgegenstellen wollen.

Meine Damen und Herren, wir sollten daran festhalten, die ausgehandelten Verträge hier letztlich mit breiter Mehrheit zu verabschieden. Wir jedenfalls sind dazu bereit.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Modder. - Jetzt hat sich die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Frau Piel, zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass der heutigen Debatte über die Verträge mit den muslimischen Verbänden die beiden Vorsitzenden der DITIB und der Schura beiwohnen.

Ich möchte nicht verhehlen, dass uns das Ergebnis der Vorstandswahl der Schura ebenfalls überrascht hat. Mit Avni Altiner hatten wir einen erfahrenen und guten Gesprächspartner. Ich danke ihm an dieser Stelle herzlich für die gute Zusammenarbeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Aber auch wenn wir überrascht waren, ist für uns klar: Die Schura bleibt unsere Ansprechpartnerin. Wir freuen uns darauf, weiter mit ihr zu kooperieren, um dem Islam in Niedersachsen vertraglich den Platz einzuräumen, den er in der Realität schon lange hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

„Wie ernst ist es der Landesregierung mit den Islamverträgen?“, fragen Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der FDP. Nun, dass es der Landesregierung nach wie vor ernst mit diesen Verträgen ist, sollte spätestens nach den intensiven Verhandlungen und dem Gespräch klar sein, zu dem unser Ministerpräsident Stephan Weil die Vorsitzenden aller vier Landtagsfraktionen in der letzten Woche geladen hat. Ich danke an dieser Stelle allen Beteiligten noch einmal für die konstruktive Atmosphäre bei diesem Gespräch.

Was mich interessiert, ist aber: Wie ernst ist es der Opposition mit den Islamverträgen? Bisher hat niemand von Ihnen gesagt, dass er die Verträge nicht will. Das ist auch gut so. Das macht mich zuversichtlich. Und ich nehme Ihr grundsätzliches Bekenntnis zu diesen Verträgen ernst, meine Damen und Herren - so wie wir auch Ihre Kritik an einzelnen Punkten, Herr Birkner, ernst nehmen.

(Christian Dürr [FDP]: Was ist denn Ihre Haltung?)

Dass wir als grüne Landtagsfraktion nicht alle Vorschläge, die gemacht werden, zu 100 % teilen, liegt in der Natur der Sache.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Ich habe nie etwas Inhaltliches gehört! Nicht ein Wort!)

Uns sind solche Vorschläge aber durchaus willkommen, und wir sind maximal - das kann ich, glaube ich, für die gesamte Fraktion sagen - bereit, mit Ihnen einen guten Kompromiss zu finden.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Sehr geehrter Herr Thümler, sehr geehrter Herr Birkner, berichtigen Sie mich, wenn ich mich irre: Wir haben uns bei dem Gespräch am Donnerstag gemeinsam dafür ausgesprochen, dass wir diese Verträge wollen. Ich hoffe, und ich wage deshalb auch zu glauben, dass wir im Grundsatz über Folgendes einer Meinung sind:

Es ist richtig, dass die Landesregierung mit den muslimischen Verbänden und mit den Aleviten Verträge abschließt.

Es ist richtig, unsere langjährigen Ansprechpartner so zu stärken.

Es ist richtig, dass wir es den Verbänden ermöglichen, ihre Arbeit zu professionalisieren.

Und da schließe ich ausdrücklich auch Sie ein, Herr Thümler. Wenn Sie, wie es in Ihrer Pressmitteilung vom 28. April geschehen ist, darauf drängen, die Verträge mit den Aleviten nun abzuschließen, dann kann doch auch mit den Verträgen mit Schura und DITIB nichts grundlegend verkehrt sein, denn diese Verträge sind nahezu identisch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, diese Verträge sind ein wichtiges Signal an die Musliminnen und Muslime in Niedersachsen, aber auch an die gesamte Gesellschaft. Sie bilden ab, was längst gelebt wird: Musliminnen und Muslime sind Teil unserer Gesellschaft.

Die Verträge sind aber nicht das Ende eines Prozesses, sondern ein Meilenstein am Wegesrand. Den Weg werden wir auch nach Vertragsabschluss fortsetzen. Hierfür bietet die Anpassungsklausel im Vertragsentwurf die notwendigen Mittel und die Möglichkeit. Denn diese Klausel sieht einen intensiven Austausch weit über den Tag der Vertragsunterzeichnung hinaus vor und wird es uns dauerhaft möglich machen, gute Impulse aufzunehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- mung bei der SPD)

Dieser Prozess, meine Damen und Herren, hat auch nicht erst mit den Vertragsverhandlungen begonnen. Er hat unter Schwarz-Gelb begonnen, etwa mit den Regelungen zum Islamreligionsunterricht und mit den Regelungen zur Justizseelsorge.

Aber, meine Damen und Herren - und da komme ich zu einem Herzensanliegen dieser Landesregierung -, diese Verträge sind auch ein anderes Signal: Sie sind ein Signal an die Rechtspopulisten von der AfD, die Islamfeindlichkeit als Markenkern für sich entdeckt haben.

Darum mein Appell an Sie alle: Lassen Sie uns an dieser Stelle als Demokraten zusammenstehen, lassen Sie uns das vor der Kommunalwahl schaffen, lassen Sie uns ein weiteres Mal beweisen,

(Christian Grascha [FDP]: Was haben Sie immer mit der Kommunalwahl? Die hat damit nichts zu tun!)

dass dieser Landtag, dass diese vier Fraktionen trotz aller wichtigen inhaltlichen Auseinandersetzungen in der Lage sind, gemeinsam ein Zeichen in Richtung derjenigen zu setzen, die einen Keil in die Gesellschaft treiben wollen!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Lassen Sie uns ernsthaft beweisen, dass wir gemeinsam für die grundgesetzlich gebotene Gleichberechtigung aller Religionen eintreten!

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Piel. - Jetzt hat sich Björn Thümler, Vorsitzender der CDU-Fraktion, zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Thümler!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben ja nun schon häufiger über die Verträge gesprochen. Es geht aber nicht um die Verträge als solche, sondern es geht um die Inhalte der Verträge. Dazu habe ich auch heute wieder nichts von Ihnen gehört. Das irritiert mich, ehrlich gesagt; denn Sie hatten mittlerweile Zeit genug, sich damit zu beschäftigen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Anja Piel [GRÜNE]: Wir warten noch auf Ihre Überlegungen!)

- Jetzt will ich Ihnen einmal etwas sagen: Wir hier müssen erst einmal gar nichts überlegen; denn die Mehrheit des Hauses sitzt ja bekanntermaßen dort. Und wie das mit der Mehrheit ist, werden Sie uns ja gleich beim nächsten Tagesordnungspunkt demonstrieren. Denn wenn Sie in der Lage sind, mit einer Stimme Mehrheit verfassungswidrige Beschlüsse zu fassen, dann werden Sie solche Verträge möglicherweise auch ohne uns schließen können, um das einmal klar zu sagen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Ein Zweites. Wenn Frau Pörksen in der Presse feststellt, dass es bei Schura einen Wechsel im Vorstand gegeben hat, dass man völlig überrascht über das ist, was dort passiert ist, und dass man jetzt alles auf Eis legen muss weil das so nicht geht,

(Anja Piel [GRÜNE]: Aber Herr Thüm- ler!)

dann frage ich Sie: Wo ist denn jetzt bitte schön das Problem? - Herr Bilgen war vorher Geschäftsführer von Schura. Er ist doch kein Unbekannter in der ganzen Szene, und er wird sich sicherlich auch in der Vergangenheit mit diesen Verträgen beschäftigt haben. Was beschwert Sie nun also an dieser Personalie - außer, dass Sie jetzt feststellen, dass Herr Bilgen bei Milli Görüs ist? Aber auch das ist nichts Neues, weil das jeder, der es wissen wollte, schon nachlesen konnte. Also: Wo bitte schön ist Ihr Problem? - Das verstehe ich nicht, und das versteht meine Fraktion auch nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Modder, Sie haben hier behauptet, wir würden uns hinter irgendwelchen Prüfaufträgen verstecken. - Das ist aber nicht der Fall. Uns geht es - ich habe es gerade gesagt - um die Formulierung der Inhalte. Wir haben von diesem Pult aus häufig gesagt, welche Kerngedanken wir in diesen Vertrag aufgenommen wissen wollen, damit wir zustimmen können. Das können Sie im Protokoll nachlesen.

Und weil es auf die Formulierungen ankommt, müssen Sie Sorgfalt vor Eile walten lassen. Das ist der Kern der ganzen Geschichte. Aber dass Sie es damit nicht so genau nehmen, können wir am Beispiel anderer Gesetzesvorhaben sehen.

(Johanne Modder [SPD]: Ach, Herr Thümler!)