Protokoll der Sitzung vom 25.10.2018

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Kurz vor Ultimo hat Herr Schulz-Hendel noch eine Kurzintervention platziert und hat jetzt 90 Sekunden zur Begründung.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Hövel, Sie haben hier zum Besten gegeben, die Grünen hätten gemeinsam mit den Roten in den letzten fünf Jahren die Mittel für die Sanierung und den Neubau von Radwegen an Landesstraßen nicht erhöht. Wissen Sie was? Ich glaube, ich muss Ihnen hier einmal deutlich erklären - vielleicht können Sie das ja auch nicht wissen; das weiß ich nicht -, wer denn den Titel für den Neubau und die Sanierung von Radwegen überhaupt erst geschaffen hat. Das ist auf Initiative der Grünen mit Rot-Grün in der letzten Legislaturperiode erfolgt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vorher gab es diese Mittel überhaupt nicht. Diesen Haushaltstitel gab es vorher auch nicht.

(Jörg Hillmer [CDU]: Einen Titel zu schaffen, schafft doch gar nichts! Das war früher in einem anderen Titel drin! Das ist ja peinlich!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ja schon beeindruckend, zu sehen, wie Sie hier im gegenseitigen Vorlesewettbewerb gebetsmühlenartig wiederholen, dass Sie besser sind als andere. Ist das Ihr Anspruch? Ist es Ihr alleiniger Anspruch zu formulieren: „Wir sind besser als andere“? Es wäre doch schön, wenn wir endlich einmal gut wären. Aber im Moment machen Sie Folgendes: ausbremsen statt hochschalten.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Danke, Herr Kollege. - Frau Hövel, wollen Sie antworten?

(Zuruf von Gerda Hövel [CDU])

- Das wollen Sie nicht. Gut.

Dann fahren wir fort. Herr Kollege Bode, erzählen Sie uns allen, seit wann es das Programm gibt!

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Er kennt sich aus!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diesen Haushaltstitel gibt es natürlich schon seit langer Zeit. Es wurde auch immer darüber gestritten, wie viel Geld dort hineinkommt.

(Zustimmung bei der CDU)

Im Jahr 2003, als CDU und FDP die Landesregierung übernommen hatten, wurde von der schwarzgelben Regierung ein wegweisender Beschluss gefällt. Der von der SPD verhängte Neubaustopp von Radwegen ist nämlich von Walter Hirche aufgehoben worden. Das war damals eine wegweisende Entscheidung für den Radverkehr. Davon können wir heute noch profitieren, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich will dem Kollegen Schulz-Hendel aber zugutehalten, dass er sich hier wahrscheinlich versprochen hat. Er meinte wahrscheinlich die Haushaltsstelle mit Fernradwegen und ist da ein bisschen durcheinandergekommen. Aber das ist ja nicht so schlimm.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zunächst einmal herzlichen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums für die Aufbereitung der Zahlen und Fakten zum Radverkehr! Vielen Dank auch für die Initiative der Grünen, die dafür gesorgt hat, dass man dieses einmal dargestellt bekommt. Denn es erleichtert in dem einen oder anderen Fall tatsächlich die Beurteilung.

Wenn man sich die Zahlen einmal nüchtern anschaut und sie bewertet, muss man zu mancher Forderung, die auch hier in der Diskussion erhoben worden ist, doch ein bisschen Wasser in den Wein schütten.

Wir alle wollen den Radverkehr weiter ausbauen und stärken. Wir wollen, dass das Fahrrad nicht nur touristisch genutzt wird, sondern auch von denjenigen, die damit zur Schule oder zur Arbeit fahren. Insofern ist es gut und bemerkenswert, dass der Anteil des Radverkehrs im Modal Split gestiegen ist.

Der Anteil des Radverkehrs liegt im Jahr 2014 aber bei nur 15 %, und die Steigerung um 2 Prozentpunkte auf 15 % hat zwölf Jahre gedauert. Das macht die Dimension deutlich. Wenn wir sagen, wie es die Grünen in der Fragestellung impliziert haben, dass die grüne Mobilitätswende dazu führen soll, dass der Radverkehr den überwiegenden Anteil ausmacht, dann werden wir, lieber Kollege Schulz-Hendel, bei diesem Tempo 210 Jahre darauf warten müssen. Das werden wir beide auch bei guter Gesundheit leider nicht erleben können.

Ich kann auch einen etwas näheren Zeitpunkt nehmen. Die Grünen fordern in ihrem Entschließungsantrag, dass der Radanteil am Pendlerverkehr bis zum Jahr 2030 auf 30 % steigen soll. Wenn ich den gesamten Radverkehr und die Steigerungsrate nehme, stelle ich fest, dass wir, um insgesamt auf einen Radanteil von 30 % zu kommen - eigentlich müsste er ja sogar noch höher sein, wenn die 30 % sich nur auf die Pendler beziehen -, 90 Jahre Zeit brauchen, um dahin zu kommen. Lieber Kollege Schulz-Hendel, Ihre gute Gesundheit sehe ich. Wir werden es aber bestimmt nicht schaffen, von heute an noch 90 Jahre darauf zu warten.

Das heißt: Der Radverkehr ist wichtig. Er muss gefördert werden. Wir müssen dabei aber tatsächlich in realistischen Größenordnungen rechnen und uns der Sache auch annähern.

Daher finde ich es gut, dass Niedersachsen schon seit etlichen Jahren diesen besonderen Fokus auf das Thema Radverkehr legt und dabei auch das Thema Sicherheit im Auge hat. Sicherheit bedeutet, dass wir Radwege bauen müssen, auf denen die Radfahrer getrennt vom gefährlicheren Pkw- und Lkw-Verkehr sicher vorankommen.

Aber da liegt auch schon das nächste Risiko, das mit einer Steigerung des Radverkehrsanteils verbunden ist: Je mehr Radfahrer kommen, desto enger wird es auf den Radwegen, gerade im innerstädtischen Bereich. Sprich: Die Infrastruktur muss da ausgebaut werden. Aber an großen Straßen beispielsweise in Hannover kann der Straße kein Platz weggenommen werden, weil die prozentualen Veränderungen im marginalen Bereich lie

gen. Umso enger wird es für den Radverkehr auf dem Radweg. In der Folge ist das eine Gefahr für die Verkehrssicherheit von Fußgängern und Radfahrern.

Schon jetzt - das ist aus den Zahlen zur Sicherheit ersichtlich - werden 40 % der leider viel zu vielen Unfälle durch Radfahrer ausgelöst, insbesondere im städtischen Bereich. Das bedeutet, der Radfahrer war der Unfallverursacher. Das liegt natürlich daran, dass die Infrastruktur teilweise nicht so mitgewachsen ist und teilweise nicht mitwachsen kann.

In Amsterdam - die Niederlande werden ja immer als Musterbeispiel genommen - ist das ein exorbitantes Thema. Dort spricht man auch vom geräuschlosen Tod von Radfahrern, der auch von Radfahrern ausgelöst wird. Das heißt, die Situation ist nicht so trivial, wie wir uns das vorstellen. Man kann nicht einfach so verlagern. Da ist ja auch irgendwo ein Radweg, und das funktioniert dann tatsächlich.

Von daher müssen wir hier gemeinsam daran arbeiten, vernünftige Lösungen zu finden, damit die Radfahrer erstens mehr werden und zweitens auch noch sicher am Verkehr teilhaben können.

(Zustimmung bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte noch auf einen Punkt eingehen, der eben intensiv diskutiert worden ist: die sogenannten Radschnellwege oder Fernradwege.

In der Tat ging es im Jahr 2011 in Göttingen los. Das war noch zu meiner Amtszeit. Wir haben damals im Rahmen des Clusters Elektromobilität solche Projekte anstoßen und fördern wollen, damit es hier tatsächlich vorangeht. Das ist auch richtig. Aber man muss halt feststellen, dass bis zum heutigen Tag noch kein echter Radschnellweg über eine gewisse Distanz - in Göttingen gibt es nur stückweise einen breiten Radschnellweg, der an anderen Stellen wieder mit anderen Radwegen zusammengeführt wird - in Betrieb gegangen ist. Einige Radschnellwege sind in der Planung, andere im Bau.

Um bis 2025 auf die 250 km zu kommen, die die Grünen bauen wollen, müsste man Investitionen in Höhe von 350 Millionen Euro auslösen. Herr Schulz-Hendel, das bedeutet: In Ihren Haushaltsantrag für das Jahr 2019 müssten Sie 58 Millionen Euro für Radschnellwege einstellen. Damit wären die Ausgaben für Radschnellwege exakt so hoch wie der Betrag für den Glasfaserausbau - das Zu

kunftsprojekt Niedersachsens -, den sich die Landesregierung gerade mühsam aus den Rippen geschnitten hat. Aus unserer Sicht reicht das, was für den Glasfaserausbau getan wird, noch nicht aus. Aber über die gleiche Dimension reden Sie beim Bau von Radschnellwegen und Fernradwegen.

Wir müssen auch an dieser Stelle die Verhältnismäßigkeit wahren. Die TU Dortmund beispielsweise sagt: Radschnellwege kosten viel und bringen nichts. - Aber diese Untersuchung der Uni Dortmund ist auch nur eine theoretische Untersuchung.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.

Wir sollten abwarten, bis einige Radschnellwege wirklich in Betrieb gegangen sind, und uns dann die Effekte anschauen, die im Echtbetrieb entstehen,

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Da muss man nur nach Kopenhagen gucken! Man braucht das Rad nicht neu zu er- finden!)

bevor wir 350 Millionen Euro Steuergeld investieren. Also: Erst einmal ein paar bauen, abwägen und dann richtig einsteigen!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der AfD)

Herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Bode. - Es folgt jetzt für die Fraktion der AfD Kollege Wirtz. Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! 158 Fragen wurden von der Verwaltung in aller Ausführlichkeit und nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet. Dafür jegliche Anerkennung und, ehrlich gesagt, auch ein bisschen Mitleid! Denn viele dieser Fragen - das haben wir gehört - hätten die Grünen in der vorigen Legislaturperiode selber aus der Welt schaffen können.

Die 159. Frage - oder, so gesehen, die erste Frage - steht in der Überschrift. Es ist eine Suggestivfrage: „Niedersachsen … Fahrradland Nummer eins?“ Auch diese Frage hat vorhin jemand beantwortet, nämlich jemand von der SPD: Ja, aber …

Ja, wir sind da weit vorn. Aber der Anteil des Radverkehrs am Modal Split, an der Nutzung der unterschiedlichen Verkehrsträger, ist nicht sehr zufriedenstellend gewachsen. Wir haben die Zahlen gehört: 2002 waren es 13 %, 2014 waren es 15 % - ein Anstieg, den man eigentlich kaum messen kann. In der gleichen Größenordnung bewegen sich die Mitfahrer in Pkw. Die Fußgänger sind sogar etwas stärker vertreten. Nur der öffentliche Nahverkehr hat gerade mal einen halb so großen Anteil. Den größten Punkt machen natürlich mit 47 % die Pkw-Nutzer aus.

Was nennen Sie nun eigentlich „Mobilitätswende“? - Wenn wir auf die aus der Antwort ersichtlichen Zahlen zu Pkw-Zulassungen schauen, fällt auf: Im Jahr 2000 hatten Diesel-Pkw einen Anteil von 13 %, zwölf Jahre später waren es 33 %. Bei den Pendlern ist dieser Anteil noch höher. Das ist die eigentliche Mobilitätswende. Die hat keiner forcieren, planen oder sonst wie - um ein bisschen aus dem Bild zu fallen - auf die Schiene setzen müssen. Das ist der Bedarf, den die Leute haben. Das ist der Bedarf, den die Pendler haben, um sich sicher von A nach B zu bewegen, um zu ihren Arbeitsplätzen und zurück zu kommen.

An Tagen wie heute kann man es sehr leicht sehen: Diejenigen, die gerne mit dem Rad pendeln und das auch können, weil die Radwege ausgebaut sind, werden an regnerischen und windigen Tagen wie heute sehr schnell aufs Auto umsteigen. Das wird auch künftig zuverlässig so sein. Denn niemand kann es sich leisten, durchnässt oder verspätet an seinem Arbeitsplatz zu erscheinen. Den Anteil der Schönwetterlösung Radpendeln auf 30 % zu steigern, wie es die Grünen vorhaben, wird sicherlich nicht möglich sein. Ich weiß auch nicht, wie Sie sich das vorstellen. Radwege gibt es - je nach Straßentyp - an 40 bis 60 % der Straßen. Ich hoffe, Sie rechnen sich nicht aus, dass sich bei einem auf 100 % ausgebauten Radwegenetz auch der Radverkehrsanteil von 15 auf 30 % verdoppeln wird. So klappt das nicht. Das wäre grüne Mathematik. Aber die funktioniert vermutlich nur mit Tannenzapfen.

(Heiterkeit und Beifall bei der AfD)

Ein weiteres Problem ist, dass die Sicherheitsfragen nicht gelöst sind. Viele Fahrradunfälle werden von den Radfahrern selber ausgelöst. Diese Zahl würde zumindest tendenziell mitsteigen. Es wäre eine gefährliche Steigerung, gegen die wir auch etwas unternehmen müssten.

Als Karl von Drais seine ersten Laufräder - es waren noch keine echten Fahrräder - verbreitete, spotteten die Leute: Zum Laufen zu faul, zum Reiten kein Gaul! - Das war der Spott der Verstockten. So ähnlich hört es sich an, wenn die Grünen über den Diesel reden.