Protokoll der Sitzung vom 12.12.2018

Wir bekennen uns auch zu einem personell gut ausgestatten Justizvollzug. An dieser Stelle nur ein kleiner Einschub. Es ist heute zweimal gesagt worden, wir hätten an dieser Stelle Probleme mit dem Nachwuchs. Das ist so nicht richtig. Wir haben eine mehr als ausreichende Bewerberzahl. So unattraktiv scheint der Justizvollzug nicht zu sein. Unser Problem ist die Qualität dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Um es einmal ganz deutlich zu sagen: Wer bei der Sportprüfung in der ersten Runde um den Sportplatz schon wegknickt, der ist dafür leider nicht geeignet. Das sind die Probleme, vor denen wir tatsächlich stehen.

Sicherheit wird aber nicht nur durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewährleistet, meine Damen und Herren. Auch die sächliche Ausstattung unserer Justiz gehört dazu. Deswegen bin ich sehr dankbar, dass die in der vorherigen Legislaturperiode erfolgte Absenkung des Sicherheitstitels im Justizvollzug auf 1 Million Euro nunmehr durch eine Anhebung auf 2,5 Millionen Euro korrigiert wird. Für die Gerichte werden die Mittel für Sicherheit um 378 000 Euro erhöht.

Zur Ausbildung kann man sagen, dass die Norddeutsche Hochschule für Rechtspflege ab 2019 insgesamt vier Stellen mehr im Bereich des Lehrpersonals haben wird. Auf diese Art und Weise ermöglichen wir der Norddeutschen Hochschule, weiterhin auf hohem Niveau die dringend benötigten Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger auszu

bilden. Und die benötigen wir tatsächlich ganz dringend.

Wir sind ständig auch damit befasst - auch das bitte ich zu beachten; es beantwortet vielleicht zumindest eine Ihrer vorhin aufgeworfenen Fragen -, uns um neue Fragestellungen, d. h. um aktuelle Themen, die sozusagen ohne Vorwarnung auf uns zulaufen, zu kümmern.

Auf ein Thema möchte ich an dieser Stelle zu sprechen kommen. Unter anderem geht es um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Thema Fixierungen. Mit den Direktorinnen und Direktoren unserer niedersächsischen Amtsgerichte habe ich vor Kurzem intensiv über diese neuen Herausforderungen im Bereich der Fixierungen diskutiert. Nach meiner Vorstellung müssen die Amtsgerichte ihre Bereitschaftsdienste gerichtsübergreifend organisieren, damit sich die zeitliche Beanspruchung der Richterinnen und Richter in Grenzen hält.

Auch haben wir den Oberlandesgerichten die Möglichkeit aufgezeigt, die zusätzlichen Richterstellen für die Gerichte einzusetzen, die besonders durch Bereitschaftsdienste gefordert sind.

Seien Sie gewiss: Ich nehme die Sorgen und Befürchtungen aus dem Richterbereich sehr ernst. Deswegen werden wir die weitere Entwicklung sorgfältig beobachten und an den richtigen Stellen auch reagieren.

Um noch ein sehr aktuelles Thema aufzugreifen, das bereits angesprochen worden ist: Bei den zusätzlichen Klagen vor den Sozialgerichten sind derzeit in erster Linie - eigentlich kann man sagen: nahezu ausschließlich - die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Geschäftsstellen gefordert, die diese Klagen eintragen müssen.

Mein herzlicher Dank an dieser Stelle geht an die Serviceeinheiten in den Gerichten, die allein in Niedersachsen 10 000 Klagen, die in den letzten Wochen bei den Sozialgerichten eingegangen sind, eingetragen haben. Ich weiß, dass das eine ganz erhebliche Belastung ist. Und es ist ein schönes Beispiel dafür, dass uns der elektronische Rechtsverkehr fehlt, da dann die Arbeit sicherlich deutlich leichter wäre.

Inwieweit diese Klagen bei den Sozialgerichten zu einer signifikanten oder dauerhaften Mehrbelastung bei den Richterinnen und Richtern führen werden, kann ich derzeit noch nicht abschätzen. Wir müssen bedenken, dass diese Klagen nicht in dieser Ballung erhoben worden wären, wenn nicht

vom Bundesgesetzgeber die Verjährung überraschend verkürzt worden wäre.

Das heißt aber auch, dass es die Kläger in der Sache offenbar gar nicht eilig haben; denn sie wären irgendwann im Laufe der Zeit sowieso gekommen. Sonst hätten sie schon längst Klage erhoben. Wie die Klageverfahren behandelt werden, fällt aus guten Gründen in die richterliche Unabhängigkeit. Wir werden gemeinsam mit den Sozialgerichten die Entwicklung sorgfältig beobachten. Ich glaube nicht, dass es überhaupt eine Entwicklung geben wird.

Wir wissen, dass es am 6. Dezember 2018 zunächst eine Einigung zwischen dem Bundesministerium für Gesundheit, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Spitzenverband der Krankenkassen bezüglich einer gemeinsamen Einstellung aller Klagefälle gegeben hat. Sie wollen prüfen, vor Ort die Klagen fallen zu lassen, sofern die vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information neu definierten Kriterien zur Behandlung von Schlaganfallpatientinnen und -patienten erfüllt sind. Das heißt, wenn die Einigung stattgefunden hat, wird es zu einer Abarbeitung dieser Klagen nicht mehr kommen müssen.

Die Digitalisierung ist eine unserer großen Herausforderungen, wenn nicht sogar die größte, der wir uns zurzeit stellen wollen und auch stellen müssen. Für unseren Zentralen IT-Betrieb konnten wir insgesamt 13 Stellen einwerben. Wir werden aber noch mehr erreichen können. Für die Einführung des elektronischen Datenbankgrundbuches wird es zusätzlich zehn Stellen für Rechtspfleger geben.

Durch eine bundesweite Abrufverfahrensmöglichkeit soll ein einheitlicher Zugang für Einsichtsberechtigte erfolgen. Die Dokumente müssen alle elektronisch und mit einem strukturierten Datensatz zur Verfügung gestellt werden. Das ist für den Wirtschaftsstandort Deutschland unglaublich wichtig, setzt aber eine immense Datenmigration voraus. Alle gut 3 Millionen niedersächsischen Grundbuchblätter müssen umgeschrieben werden. 3 Millionen, das ist eine Zahl, bei der man sich kaum vorstellen kann, wie man das bewältigen kann.

Die Sachausgaben im Bereich IT steigen im Einzelplan 11 von rund 27 Millionen Euro auf 31 Millionen Euro. Die zusätzlichen Mittel möchten wir insbesondere für die Entwicklung der elektronischen Akte, die Entwicklung von Fachanwendun

gen und die Verbesserung der Informationssicherheit nutzen.

Besonders freut es mich, dass wir mit rund 20 Millionen Euro an dem Sondervermögen Digitalisierung partizipieren werden. Den Löwenanteil dieses Betrages werden wir vorrangig zum Ausbau der LAN- und WLAN-Anbindungen sowie auch für die Ausstattung in den Gerichten und Staatsanwaltschaften verwenden. Wir planen, bis 2022 rund 54 Millionen Euro an Sachmitteln für den Ausbau der Netze, die Ausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften und für die Entwicklung der Programme auszugeben.

An dieser Stelle möchte ich auf die Ausführungen des Abgeordneten Genthe zurückkommen, dass es eigentlich ein Unding ist - damit haben Sie recht -, dass wir 35 Stellen verlieren, weil sie seinerzeit - ich betone aber: im Haushalt 2015 - mit einem kw-Vermerk versehen worden sind, weil man geglaubt hat, dass man zu diesem Zeitpunkt schon Stellen durch Digitalisierung einsparen kann. Das war ein Irrtum, wie sich sehr schnell herausgestellt hat. Wir wissen, dass wir vorläufig eher mehr Stellen denn weniger brauchen, um eine gute Digitalisierung und eine gute elektronische Akte auf den Weg zu bekommen. Frühestens dann werden wir im Laufe der Jahre nachsehen, inwieweit tatsächlich Personalmittel eingespart werden können.

Ich will gar nicht auf die weiteren Einzelheiten eingehen. Ich bin wahrscheinlich ohnehin schon wieder über meine Redezeit hinaus. Wir müssen aber für die Personalentwicklung und für die Organisationsentwicklung - Stichwort „Fortbildung“ - mehr Geld ausgeben. Dafür wollen wir 1 Million Euro zusätzlich zur Verfügung stellen.

Wir müssen bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften sowie im Justizvollzug die demografische Entwicklung im Blick haben. Wir wissen, dass in den nächsten Jahren sehr viele ausscheiden werden. Im Justizvollzug steht der Eintritt der geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand bevor. Deswegen haben wir 150 zusätzliche Anwärterstellen für den Justizvollzug und 88 zusätzliche für die Gerichte geschaffen.

(Unruhe)

- Sie müssen mir alle gar nicht zuhören!

Ich möchte noch einmal an dieser Stelle sagen: Bewerber sind genügend da. Es geht um die Qualifizierung.

Auch wenn heute Morgen draußen gepfiffen worden ist - es freut mich, dass wir die Besondere Stellenzulage für die Justizvollzugsbediensteten auf das von den Verbänden seit Jahren geforderte Niveau anheben und damit der Polizeizulage angleichen konnten. Damit werden wir den besonderen Belastungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Vollzugsanstalten jedenfalls etwas besser gerecht. Wir haben dieses Ziel nicht nur in unserer Koalitionsvereinbarung, meine Damen und Herren; wir haben es jetzt auch umgesetzt.

Wir sind dabei, die Zuständigkeit für das Betreuungswesen vom Sozialministerium vollkommen auf das Justizministerium umzuorganisieren. In diesem Zusammenhang wird die Fördersumme für die Betreuungsvereine im nächsten Jahr von 1 Million Euro auf 2 Millionen Euro erhöht werden. Das ist, wie ich finde, ein deutliches positives Zeichen. Das zeigt auch, wie wichtig die Arbeit der Betreuungsvereine für unsere Gesellschaft ist.

(Unruhe)

Frau Ministerin, einen Moment, bitte! Sie haben das ja selber schon angedeutet: Es gibt eine unangenehme Geräuschkulisse hier im Plenum. Es wird diskutiert, es wird gewandert, es gibt Grüppchenbildung. Ich bitte, das einzustellen. Jeder, der sich interessiert - ich hoffe, das sind alle -, möge Platz nehmen und der Rede der Ministerin zuhören. - Herr Kollege Grascha, das gilt auch für Sie.

(Christian Grascha [FDP] verlässt den Plenarsaal)

- Es gibt immer zwei Wege. Er wählt den anderen.

(Heiterkeit)

Sie haben das Wort, Frau Ministerin!

Vielen Dank. - Das Schattenkind Justiz spricht jetzt mal weiter.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Nicht so be- scheiden, Frau Ministerin! Es kommt immer darauf an, was man daraus macht!)

Nein, ich möchte ja, dass wir alle wissen, dass die Justiz wieder so sichtbar wird, wie es ihr gebührt, und dass wir alle dafür weiterarbeiten, dass wir auf unserem Weg nach vorne die entsprechende Unterstützung, aber auch die Anerkennung bekom

men, die alle unsere Justizangehörigen aus meiner Sicht verdient haben.

Ich will an dieser Stelle noch zwei Dinge ansprechen; zunächst die Anhebung der Fördersumme für die freie Straffälligenhilfe von 1,8 Millionen Euro auf 2,5 Millionen Euro. Diese Straffälligenhilfe ist unbestritten eine ganz wichtige Arbeit. Es war nicht nur mir, sondern auch den Abgeordneten der Regierungsfraktionen ein ganz besonderes Anliegen, dass sie entsprechend gefördert wird. Deswegen dient die Anhebung dem Ziel, langfristig diese besonders wichtige Arbeit weiter erhalten und auch fördern zu können.

Zum Landespräventionsrat will ich nur sagen, weil das vorhin angesprochen worden ist: Das Landesprogramm gegen Rechtsextremismus wird nicht gekürzt. Das ist eine falsche Darstellung.

(Zuruf von Julia Willie Hamburg [GRÜNE])

- Wenn Sie mich aussprechen lassen, dann können Sie gerne danach etwas sagen.

Das Landesprogramm Prävention bleibt unverändert. Wir planen sogar, es im nächsten Jahr auszuweiten und aufzustocken, weil der Aufgabenbereich, wie wir gehört haben, auf Links- und religiösen Extremismus und andere Extremismusformen ausgeweitet werden muss.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte noch kurz auf die Änderungsanträge der Opposition eingehen. Hier zeigt sich, dass in der Vergangenheit der Kontakt mit dem Geschäftsbereich anscheinend nicht ganz so ausgeprägt war. Sonst würden Sie, meine Damen und Herren von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, nicht eine Kürzung bei den Sachausgaben vorschlagen. Eine isolierte Betrachtung von Istergebnissen einzelner Titel ist nicht möglich - Minderausgaben werden unterjährig zum Ausgleich von Mehrausgaben benötigt -, es sei denn, Sie wollen mit Ihrem Änderungsantrag die Budgetierung der Justiz infrage stellen. Ich hoffe, nicht.

Ansonsten sehe ich in den Änderungsanträgen der Opposition durchaus eine Bestätigung. Im Wesentlichen beschränken sich alle darauf, die personelle Ausstattung noch weiter zu erhöhen. Insoweit wäre ich den Fraktionen dankbar, wenn sie mich auf diesem Weg weiter unterstützen. Ich betone noch einmal: Ich habe mich in der Vergangenheit wirklich unterstützt gefühlt.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Bei der Fraktion der AfD vermisse ich die Auseinandersetzung mit den Ihnen aktuell vorliegenden Drucksachen. Sonst hätten Sie gemerkt, dass Ihre Vorstellungen zum größten Teil bereits von den Regierungsfraktionen erfüllt worden sind. Bezeichnend ist auch, dass Sie sich auf die Erhöhung der personellen Ausstattung für Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter, die derzeit massiv mit Asylverfahren belastet sind - wir haben es gerade noch einmal gehört -, beschränken. Es stimmt, dass sie so belastet sind. Aber so eindimensional können und wollen wir nicht vorgehen. Auch andere Bereiche sind belastet.

Abschließend kann ich Sie alle nur um Zustimmung zu diesem Haushalt bitten.

Danke für die Aufmerksamkeit trotz der späten Stunde und der anstrengenden drei Tage.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Unruhe)

Vielen Dank, Frau Ministerin Havliza. - Meine Damen und Herren, ich darf um Aufmerksamkeit und Ruhe bitten, weil wir das weitere Verfahren miteinander klären müssen.