Protokoll der Sitzung vom 16.05.2019

Das Geld - das haben hier auch alle gesagt - darf den Kommunen nicht verloren gehen. Das Problem ist: Wir brauchen eine vernünftige und verfassungsfeste Neugestaltung der Grundsteuer, und das ist eine komplizierte Aufgabe; das ist aus den Redebeiträgen bereits klar geworden. Es geht dabei um mehr Gerechtigkeit bei den Einheitswerten. Auch wir wollen eine aufkommensneutrale Gestaltung für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und natürlich auch eine Verlässlichkeit für die Kommunen. Das alles gilt es zu erreichen.

Niedersachsen hat diesen Prozess auch durch unseren Finanzminister immer nach Kräften unterstützt - im Sinne der Vorgaben des Verfassungsgerichts, im Sinne eines einheitlichen Erhebungsver

fahrens mit möglichst wenig Bürokratie für alle Länder und natürlich auch im Sinne von wenig Aufwand für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Verehrte Damen und Herren, dennoch wird die Zeit knapp, weil wir die Lösung bis zum Ende dieses Jahres erreichen müssen. Da, muss man ehrlich sagen, stört es auch, dass ständig neue Vorschläge in die Debatte eingebracht werden.

(Beifall bei der SPD)

Bayerns Absicht, die Grundsteuer nach Ländervorstellungen zu regeln, wirft erneut verfassungsrechtliche Fragen auf. Die Anhörung zu Öffnungsklauseln im Bundesfinanzministerium in der vergangenen Woche hat dazu jedenfalls keine Klarheit dazu gebracht.

(Christian Grascha [FDP]: Sind Sie jetzt dafür oder dagegen?)

Zu den Vorschlägen, eigene Regeln für die künftige Grundsteuer zu schaffen oder die Grundsteuer ganz abzuschaffen, verweise ich auch auf die Kritik des Deutschen Städtetages. Auch der Niedersächsische Städtetag hat sich zu den Vorschlägen von Herrn Dr. Althusmann sehr eindeutig und kritisch geäußert.

Verehrte Damen und Herren, deshalb auch in Richtung unsers Koalitionspartners: Die Entscheidung des Verfassungsgerichts lautet, die Ungerechtigkeit in der Wertermittlung zu beseitigen - und nicht die Steuer an sich!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Gut, dass Plenum ist, da kann man die Koalition austauschen!)

- Schön, dass Sie dabei sind, Herr Limburg.

Wer die Abschaffung der Grundsteuer fordert und den Kommunen nur noch einen Zuschlag zur Einkommensteuer geben will, fordert eine kommunale Daseinsvorsorge nach Kassenlage. Das ist unverantwortlich!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Eine Abschaffung der Grundsteuer ist mit der SPD Niedersachsen nicht zu machen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn nun einige die Grundsteuer als „Bürokratiewahn“ diffamieren, wird diese wichtige Finanzie

rungsgrundlage für unsere Kommunen riskiert. Auch bei einem kommunalen Zuschlagsrecht auf die Lohn- und Einkommensteuer müsste eine gerechte und völlig neue Wertermittlung Grundlage für die vom CDU-Landesvorsitzenden vorgeschlagene Neuregelung sein.

(Christian Grascha [FDP]: Es gibt doch schon eine Einkommensteuer!)

Verehrte Damen und Herren, ich komme jetzt auch zur FDP. Herr Grascha, keine Sorge! Beim FDPAntrag endet die Zustimmungsfähigkeit schon nach dem ersten Satz, weil Sie im Kern etwas ganz anderes wollen. Das haben Sie leider nicht gesagt. Sie bringen das Verfahren der Neugestaltung der Grundsteuer in Misskredit und behaupten, dass dabei am Ende Mehrbelastungen und überbordende Bürokratie herauskommen. Sie tun sogar so, als handele es sich um einen verdeckten Angriff auf die Substanz des Immobilienbesitzes. Das ist aber nicht wahr.

(Beifall bei der SPD - Christian Grascha [FDP]: Das ist aber so!)

Sie wollen mit diesem Entschließungsantrag erreichen, dass sich Niedersachsen am schädlichen Geschacher um die Grundsteuer als reine Standortvariable beteiligt. Das ist aber auch nicht der Auftrag aus Karlsruhe. Eine solche Länderöffnungsklausel kommt für die niedersächsische SPD auch nicht infrage.

(Beifall bei der SPD)

Verehrte Damen und Herren, kurz zur AfD! Das ist wirklich abenteuerlich: Aufgrund der Kompliziertheit der Rechts- und Gesetzeslage wollen Sie im Prinzip die Arbeit einstellen und die Diskussion von vorne beginnen. Das ist organisierte Verantwortungslosigkeit - aber dafür sind Sie ja auch bekannt.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kirci. - Nach Ihrem Redebeitrag gibt es den Wunsch auf eine Kurzintervention seitens des Kollegen Lilienthal, dem ich jetzt für 90 Sekunden das Wort erteile. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kirci, das weise ich natürlich aufs Schärfste zurück. Ich habe doch gerade ausge

führt, dass die schon länger in Deutschland regierenden Parteien - natürlich vor allem auf Bundesebene - an dem Beispiel der Grundsteuer gezeigt haben, dass sie Politik verweigern. Das Bundesverfassungsgericht hat für Sie Politik gemacht - nicht die AfD-Fraktion. Uns jetzt zu sagen, wir würden etwas verweigern, ist doch ein Witz!

Im Übrigen kommt es durch Zeitablauf vermutlich so, dass der AfD-Antrag sowieso umgesetzt wird und die Grundsteuer einfach entfällt.

Die besten Argumente für unseren Antrag waren im Übrigen die Beiträge des SPD- Vertreters und der CDU. Wenn Sie eine Öffnungsklausel auf Bundesebene schaffen, dann wird die in Niedersachsen garantiert nicht mit Leben gefüllt. Das ist auch völlig klar, weil es hinsichtlich der Besteuerung fundamentale Unterschiede zwischen der SPD - wertabhängiges Modell - und der CDU - einfaches Flächenmodell - gibt. Von daher kommen wir damit keinen Schritt weiter. Wir produzieren nur die Situation, dass wir ein Bundesgesetz mit einer Öffnungsklausel auf Landesebene haben, die frühestens nach einer Neuwahl, irgendwann in drei Jahren, genutzt wird. Es ist doch völliger Unfug, das hier zu fordern.

(Beifall bei der AfD)

Danke schön. - Herr Kirci, Sie wollen nicht antworten? - Dann fehlt noch der Redebeitrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Kollege Wenzel, ich erteile Ihnen das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Wir haben es mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu tun. Darin ging es um Gerechtigkeitsfragen. Jeder, der meint, er kann jetzt bei der Neuordnung um diese zentrale Gerechtigkeitsfrage herumkommen, hat sich geirrt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Deswegen ist die Vorstellung, den Wert des Bodens völlig aus der Diskussion herauszuhalten, auch völlig irreführend. Wir würden erneut vor dem Bundesverfassungsgericht landen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir haben hier eine Verankerung im Grundgesetz. Boden ist ein begrenztes Gut, eine begrenzte Res

source, und die Steuer auf die Bodenrente ist seit vielen, vielen Jahrhunderten ein ganz wichtiger Faktor, und er sollte auch heute in einer modernen und gerechten Form weitergeführt werden. Alles andere wäre zutiefst ungerecht. Wenn Sie, Herr Thiele, sagen: „Keine neue Grundsatzdebatte“, bin ich ganz bei Ihnen. Umso überraschter war ich, dass Ihr stellvertretender Ministerpräsident genau diese Grundsatzdebatte vor wenigen Tagen hier noch einmal angezettelt hat.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, zwei Große Koalitionen, eine hier in Hannover und eine in Berlin, Handlungsdruck, Zeitdruck, eine eigentlich recht übersichtliche Materie: Warum kann man da nicht zu einem Ergebnis kommen, meine Damen und Herren? Das ist überhaupt nicht mehr zu verstehen.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der FDP und bei der AfD)

Jede und jeder hier im Saal - das weiß ich von ganz vielen persönlich; viele von Ihnen sind ja auch in den kommunalen Gremien aktiv - weiß, dass unsere kommunale Selbstverwaltung ein Fundament, ein Eckpfeiler unseres Staates ist und dass die Steuer dabei eine ganz wichtige Rolle spielt,

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

weil es nämlich auch wichtig ist, dass Kommunen aus eigener Kraft handeln können und nicht von Dritten abhängig sind, die am Ende darüber entscheiden, welche Finanzzuweisung sie bekommen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie brauchen für den Kern der kommunalen Selbstverwaltung auch die eigene Möglichkeit, Steuern zu erheben. Sie alle tragen im kommunalen Bereich Verantwortung, oder Sie haben das in der Vergangenheit getan, und Sie wissen, dass die Kommunen dabei sehr viel Augenmaß wahren und jeder vor Ort sehr schnell ansprechbar ist, wenn man Dinge macht, die die Bürgerinnen und Bürger nicht für richtig halten.

Deswegen möchte ich an alle Beteiligten appellieren: Machen Sie hier endlich Nägel mit Köpfen! Sorgen Sie dafür, dass gerecht ist, was hier passiert! Es gibt auch verschiedene Möglichkeiten, das relativ einfach zu regeln, anstatt ein neues, sehr kompliziertes Modell zu wählen. Aber es geht

nicht, hier völlig wertunabhängig vorzugehen; denn genau das war der Punkt, den das Bundesverfassungsgericht beanstandet hat.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir wissen auch: Nicht jede Einwohnerin und jeder Einwohner in Deutschland hat Grundbesitz. Ich habe die Zahlen nicht im Kopf, aber ich schätze, vielleicht 20 bis 25 % der Bevölkerung verfügen über eigenen Grundbesitz.

(Zuruf von der CDU: Es sind mehr!)