Protokoll der Sitzung vom 23.04.2020

(Glocke des Präsidenten)

Wir schlagen einen kommunalen Schutzschirm vor mit einem Zukunftsinvestitionsfonds. Mit einem Finanzvolumen von 3 Milliarden Euro können so die aktuelle Daseinsvorsorge, ebenso aber auch die Infrastruktur gesichert werden. Allein die Investitionen in eine kohlenstoffarme Energie- und Verkehrswende könnten Einsparungen des achtfachen der Kosten einbringen unter Berücksichtigung der Umwelt- und Gesundheitskosten. Wir zeigen den Kommunen Wege auf für eine gerechte, nachhaltige und widerstandsfähige Volkswirtschaft in unserem Land. Die Kommunen brauchen jetzt das Geld für die Aufrechterhaltung des Status quo, aber auch für größere und viel komplexere Aufgaben.

(Glocke des Präsidenten)

Kreativwirtschaft, Coworking Spaces, Ideen für Innovationen - - -

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.

Es geht nicht um Reparatur, sondern um Zukunftsaufgaben. Krisenfest und klimabewusst Arbeitsplätze sichern: Wir bieten mit diesem Antrag einen Weg.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön.

(Eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter der Landtagsverwaltung desinfizieren das Redepult)

- Vielen Dank.

Weiter geht’s! Jetzt, Herr Kollege Schünemann, wären Sie wieder im Rennen, danach kommt Frau Wernstedt. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kommunen leisten Großartiges bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie. Sie sind der Garant dafür, dass die Bevölkerung bestmöglich geschützt wird, und dafür gilt ihnen unser aller Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wenn wir - nach der Pandemie - das gesellschaftliche Leben wieder aktivieren wollen und wenn wir die wirtschaftliche Entwicklung verbessern wollen, dann sind auch wieder die Kommunen genau die Richtigen, um dieses mit einzuleiten - sie sind der Schlüssel. Deshalb müssen wir sie aktiv unterstützen. Zum jetzigen Zeitpunkt geht es um zwei wichtige Faktoren: erstens um die Sicherstellung von Liquidität und zweitens um den Abbau von Bürokratie.

Wir können froh sein, dass wir die Kommunen in den vergangenen 10, 15 Jahren gestärkt haben. Das 1,8 Milliarden-Euro-Entschuldungsprogramm war das Richtige. Denn jetzt sind sie in der Krise stark, um hier auch tätig zu werden. Aber es gibt noch immer Kommunen, die in einer prekären finanziellen Situation sind. Und hier müssen wir direkt ansetzen. Wie können wir das tun?

Erstens müssen natürlich die Corona-induzierten Finanzschäden in der Bilanz ausgewiesen werden. Es gibt Möglichkeiten für die Kommunalaufsicht, um hier mehr Spielraum zu haben. Auf der anderen Seite müssen aber diejenigen, die jetzt wirklich in Liquiditätsschwierigkeiten sind, sofort unterstützt werden. Da sind die Bedarfszuweisungen sicher

lich der richtige Weg, und wir müssen sehen, ob wir hier entsprechend aufstocken müssen.

Zweitens. Die NBank hat auch ein Liquiditätskreditprogramm für die Kommunen, aber es ist sehr eng gestrickt. Das müssten wir ausweiten und bei Zins und Tilgung Kommunen in einer prekären Situation weiter unterstützen.

Ein dritter Punkt, der ganz wichtig in der aktuellen Diskussion ist, ist die Kinderbetreuung. Hier leisten die Kommunen durchaus Herausragendes. Die Notbetreuung ist nicht ganz einfach vor Ort sicherzustellen. Sie kommen aber natürlich auch in Einnahmeschwierigkeiten. Wenn man Krippen geschlossen hat, kann man den Eltern nicht die Gebühren in Rechnung stellen. Insofern bin ich sehr froh, dass die Landesregierung sehr bald mit den kommunalen Spitzenverbänden ins Gespräch

kommt, um eine Mitfinanzierung seitens des Landes zu diskutieren.

Die Einnahmesituation wird bei den Kommunen sehr schwierig werden, und zwar sehr schnell. Die Gewerbesteuereinnahmen werden nämlich wegbrechen. Es ist zwar richtig, dass die Gewerbesteuerumlage den Kommunen in diesem Jahr schon hilft - den Effekt der deutschen Einheit gibt es jetzt nicht mehr so -; das ist eine Entlastung von etwa 300 Millionen Euro. Aber es wäre, glaube ich, sinnvoll - das würde unbürokratisch helfen, wenn die Gewerbesteuer wegbricht -, dass in einem Akt der Solidarität Bund und Land gemeinsam darüber nachdenken, ob man nicht auf die Gewerbesteuerumlage teilweise verzichten kann. Damit könnte man sofort etwas helfen, und die Liquidität wäre bei allen Kommunen entsprechend besser.

Aber was benötigen wir insgesamt? - Ich glaube nicht an das, Frau Menge, was Sie gerade dargestellt haben. Die Kommunen sind aktiv dabei, die Infektionen im Griff zu halten und die Bevölkerung zu schützen. Ich höre im Moment weder aus den Rathäusern noch aus den Kreistagen, dass über neue Investitionsprogramme zum jetzigen Zeitpunkt gesprochen wird. Jetzt geht es darum, die notwendigen Investitionen unbürokratisch auf den Weg zu bringen. Insofern ist es richtig, die Vergaberegeln zu lockern, wie es der Wirtschaftsminister gemacht hat. Deshalb sollten wir in diesem Zusammenhang auch darüber nachdenken, Förderprogramme, die bisher zweckgebunden sind, zu lockern. Das geht sehr schnell.

Ich will in diesem Zusammenhang direkt ein gutes Beispiel nennen: Digitalpakt - 30 000 Euro für jede Schule. Da nimmt man ein standardisiertes Medi

enkonzept und würde das Geld den Kommunen jetzt auszahlen. Man kann anschließend noch konzeptionell nacharbeiten. Das würde sofort helfen.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Dann machen Sie doch!)

Das wäre meiner Ansicht nach etwas, womit wir in dieser Situation den Kommunen helfen sollten. Darüber sollten wir nicht nur reden, sondern wir sollten sehen, dass wir gemeinschaftlich hier im Parlament zu einem Konsens kommen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herrn, es ist überhaupt keine Frage, dass wir auch in der Zukunft über Konjunkturpakete reden müssen. Aber nicht zum jetzigen Zeitpunkt! Denn - das ist bei der Regierungserklärung und bei der Aussprache deutlich geworden - wir müssen prüfen: Wo ist die Not am größten? Wo müssen wir tatsächlich über Konjunkturprogramme etwas zielgenau erreichen? Auch das gehört zur offenen Diskussion dazu: In welcher Höhe können wir uns eine Verschuldung überhaupt leisten? Deshalb müssen wir Prioritäten setzen.

Eingangs habe ich gesagt - daran darf ich erinnern -, dass bei der Aktivierung des gesellschaftlichen Lebens, aber auch bei der Aktivierung der wirtschaftlichen Entwicklung die Kommunen eine entscheidende Rolle spielen. Deshalb wird es auch bei Konjunkturprogrammen darauf ankommen, gemeinsam mit den Kommunen etwas hierzu umzusetzen. Sie haben ja recht, Frau Menge: Wahrscheinlich können wir aus dieser jetzigen Krise gestärkt hervorgehen, weil wir neue Konzepte haben, gerade im Bereich der Digitalisierung und natürlich auch, was den sozialen Zusammenhalt angeht. Das lassen Sie uns im Herbst vernünftig diskutieren, wenn wir die jetzige heiße Phase der Corona-Krise bewältigt haben.

Jetzt ist es, glaube ich, richtig, sofort gerade etwas für diejenigen Kommunen zu tun, die in absoluter finanzieller Not sind. Daran lassen Sie uns konzeptionell arbeiten! Dann kommen wir, glaube ich, gerade für die Kommunen auf den richtigen Weg.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege.

Ich schlage vor, so vorzugehen: Ich rufe Frau Wernstedt als nächste Rednerin auf. Anschließend wird sowohl hier oben als auch unten bei den

Schriftführern gewechselt. Die jeweiligen Arbeitsplätze müssen gereinigt werden.

Auf geht’s, Frau Dr. Wernstedt, Sie sind dran!

(Eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter der Landtagsverwaltung desinfizieren das Redepult sowie die Plätze der Sitzungsleitung und der Schriftführer)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie kommen wir verantwortungsvoll weiter durch die Krise, und wie können wir Wege aus ihr heraus finden? Damit beschäftigen wir uns schon den ganzen Tag.

(Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz übernimmt den Vorsitz)

Die Wissenschaftsjournalistin Laura Spinney

schrieb 2017 zum Jahrestag der größten Pandemie der Menschheitsgeschichte im Jahre 1918: Die Spanische Grippe überflutete von einem Augenblick auf den anderen den gesamten Globus. In der zweiten Welle der Pandemie starben die meisten Menschen auf der Erde. Doch gibt es weder in London noch in Moskau noch in Washington, D. C., irgendein Monument, das an die Pandemie erinnert. Die Spanische Grippe schlägt sich in persönlichen Erinnerungen nieder, nicht im kollektiven Gedächtnis. Sie - gemeint ist die Pandemie - ist nicht nur ein biologisches, sondern auch ein soziales Phänomen. Man kann sie nicht von ihrem historischen, geografischen und kulturellen Kontext trennen. - Laura Spinney schreibt eindrucksvoll, dass die Spanische Grippe die Menschheit verändert zurückließ.

Warum erzähle ich das? - Die Corona-Pandemie zeigt nicht nur uns, dass es unwichtig wird, was im Januar noch weltbewegend schien, dass wir auf vieles verzichten und vieles anders machen können. Wir sehen, dass die meisten Menschen zu großer Solidarität in der Lage sind und sich im Sinne aller an Einschränkungen halten, dass gute Organisation und funktionierende Institutionen Leben retten und dass die Deutschen Vertrauen in ihre Bundesregierung und ihre Landesregierungen haben.

Spinney schreibt, dass die Pandemie die Welt damals sehr verändert hat. Das wird auch heute so sein. Die Diskussion darüber, wie Schritte aus der Krise vernünftigerweise aussehen können, hat begonnen.

Politisch ist aus unserer Sicht zu fragen und zu beantworten, welche zeitlichen und sachlichen Etappenziele bei einem allgemein akzeptierten Risikolevel formuliert und umgesetzt werden können, um weitere Öffnungsperspektiven zu bieten.

Die zu Beginn gebotenen und akzeptierten Kontaktbeschränkungen müssen weiter kurzfristig

analysiert und begründet werden. Die Begründung der kontaktbeschränkenden Maßnahmen mit ihren tiefen Einschnitten in unser wirtschaftliches, kulturelles und soziales Leben braucht überaus komplexe Güterabwägungen unter den Bedingungen von Unsicherheit.

Aber noch in der Phase der akuten Krisenbewältigung müssen wir darüber reden, welche Folgen der Maßnahmen zur Krisenbewältigung - z. B. Kontaktverbote in Pflegeheimen - angemessen sind. Allein schon diese Frage stellt sehr komplexe Anforderungen an eine verantwortungsvolle Güterabwägung; denn alte und vorerkrankte Menschen sind besonders gefährdet, an der COVID19-Erkrankung zu sterben. Gleichwohl gibt es für alle Menschen auch ein allgemeines Lebensrisiko. All diese Aspekte sind zu diskutieren und zu bewerten.

Insofern sind die Überlegungen der Fraktionen der FDP, der AfD und der Grünen legitim und wichtig, auch wenn wir naturgemäß nicht alle Positionen teilen.

Beim Lesen des FDP-Antrags habe ich mich gefreut, weil inzwischen jeder einzelne Punkt durch Regierungshandeln erledigt ist.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Nein! Das ist eine gute Reinterpretation, Frau Kollegin!)

Die AfD macht in ihrem Magnum Opus den aussichtslosen Versuch, Wege aus der Krise kleinteilig zu beschreiben, lässt dabei allerdings z. B. wirtschaftliche Erwägungen völlig außen vor, indem sie bei jeder Maßnahme glaubt, eine Öffnung erreichen zu können, wenn Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden. Dass dann Personal- und Sachkosten nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zum Ertrag stehen, ignoriert sie.

(Unruhe)