Vielen Dank, Frau Kollegin Byl. - Für die CDUFraktion hat sich nun Frau Dr. Niewerth-Baumann zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am kommenden Wochenende findet die Konfirmation meines Patenkindes statt. Ich darf eine Rede halten. Ich habe mir überlegt, über die positiven Eigenschaften dieses Patenkindes zu reden, und dachte, zur Recherche befrage ich im Vorfeld mal die Geschwister meines Patenkindes, was sie eigentlich gut an ihm finden.
Zunächst ging ich zu Moritz und fragte: „Moritz, sag mal, was findest du denn eigentlich gut an Philipp?“ - „Oh“, sagte er, „da fällt mir eigentlich gar nichts ein.“ Ich ging dann weiter zu seiner Schwester Amelie und fragte: „Amelie, was findest du denn eigentlich gut an deinem großen Bruder?“ - Sie sagte: „Da fällt mir eigentlich überhaupt nichts ein.“ - Da dachte ich, vielleicht habe ich bei der Kleinen mehr Glück, und ging zu Sophia. Ich fragte: „Sophia, sag mal, was findest du denn eigentlich gut an deinem großen Bruder?“ - „Na ja, wenn man was Positives sagen kann: Er ist nicht ganz so doof wie Moritz.“
Jetzt halte ich hier heute die dritte Rede zum Thema Enquetekommission für ein niedersächsisches Paritätsgesetz, und ich muss sagen: Mir geht es ein bisschen wie den Geschwistern von Philipp - mir fällt nicht so richtig was ein, was für eine Enquetekommission für ein Paritätsgesetz spricht.
Ohne Zweifel: Wir sind zu wenig Frauen in den Parlamenten - in den Kommunalparlamenten, in den Landesparlamenten und im Bundestag. Das ist ganz klar. Wir sind viel zu wenige, und das muss sich ändern. Aber dazu sind eine Enquete
Anders, als es bei meinen letzten Reden zum Paritätsgesetz der Fall war, liegt jetzt ein Urteil eines Landesverfassungsgerichts vor, und zwar das Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs. Es hat 62 Seiten. Ich habe mir die Mühe gemacht, sie alle zu lesen, und will daraus folgende Passagen zitieren:
„Das Paritätsgesetz beeinträchtigt das Recht auf Freiheit und Gleichheit der Wahl … sowie das Recht der politischen Parteien auf Betätigungsfreiheit, Programmfreiheit und Chancengleichheit...“
„Diese Rechte beziehen sich nicht nur auf die Wahl selbst, sondern auch auf die wahlvorbereitenden Akte wie die von den Parteien vorgenommene Aufstellung von Listenkandidaten und -kandidatinnen.“
„Die Freiheit der Wahl begründet nicht nur das Recht, ohne staatliche Beeinträchtigung zu wählen, sondern auch dessen Kehrseite, das Recht, sich ohne staatliche Beeinträchtigung zur Wahl zu stellen.“
„Im Parlament schlagen sich die parteipolitischen Präferenzen des Volkes nieder, nicht dessen geschlechtermäßige, soziologische und sonstige Zusammensetzung.“
Die Ausführungen des Thüringer Verfassungsgerichtshofs sind eindeutig. Natürlich gibt bei so einem Urteil immer auch Mindermeinungen oder Minderheitsvoten, aber insgesamt muss man sagen, dass die herrschende Meinung ist, dass ein Paritätsgesetz derzeit verfassungswidrig wäre. Wenn man das ändern wollte, müsste man das Grundgesetz ändern. Aber das können wir als Landesparlament nicht.
Der Staatsrechtler Otto Depenheuer schrieb im Cicero provokant: Was ist im Parlament mit den unter 30-Jährigen, den Rentner, den Arbeitslosen, den Migrantinnen? Sind die alle adäquat in den Parlamenten vertreten? - Dies muss man auch bedenken.
Mit einem Paritätsgesetz würde massiv in die Wahlrechtsgrundsätze aus Artikel 38 des Grundgesetzes und Artikel 8 der Landesverfassung eingegriffen werden. Ich erinnere noch einmal an die Mütter und Väter des Grundgesetzes und an die Vorstellung, die sie von Repräsentation hatten.
Nach dem Grundgesetz bedeutet „Repräsentation“ Handeln für das Volk und Verantwortlichkeit gegenüber dem Volk. „Repräsentation“ bedeutet aber nicht, dass zwischen Parlament und Volk eine Abbildungsgleichheit bestehen muss.
Wir haben jetzt schon - einfach aufgrund der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung - die unausweichliche Erkenntnis, dass wir ein Paritätsgesetz, so sehr wir es vielleicht auch wollen mögen, nicht verfassungskonform hinbekommen. Wir sollten also nicht Zeit, Geld und Personalressourcen des Landtags für etwas, dessen Ergebnis jetzt schon feststeht, verschwenden.
Vielen Dank, Frau Dr. Niewerth-Baumann. - Nun hat für die SPD-Fraktion Frau Dr. Wernstedt das Wort. Bitte schön!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal muss man ja auch sehen, dass Regierungskoalitionen nicht immer einer Meinung sind. An dieser Stelle werde ich also das, was ich sonst häufig sage, nicht sagen, nämlich dass ich mich den Worten des Koalitionspartners gerne anschließe.
Die SPD hat laut und ausführlich gesagt, dass sie ein Paritätsgesetz befürwortet. Wir haben uns im letzten Jahr auf den Weg gemacht und parteiintern einige Modelle erarbeitet, die dann auch veröffentlicht worden sind: zwei Modelle mit Wahlkreisveränderungen, die natürlich herbe Einschnitte für die Art und Weise, wie dann die neuen Wahlkreise aussehen und aufgestellt werden müssen, bedeuten, und ein Modell, das sich an das anlehnt, was in Brandenburg und Thüringen schon parlamentarisch beschlossen worden ist.
Aber dann kam Corona, und alle Kräfte des Landes wurden gebündelt, um einigermaßen mit der Krise umzugehen. Daher sind wir in dem Gesetzgebungsverfahren noch nicht weitergekommen. Es ist aufgeschoben, aber nicht aufgehoben.
einmal anderthalb Jahren einen ähnlichen Antrag der Grünen bereits abgelehnt hatten. Ich finde, dass wir zurzeit sehr ausgelastet sind. Neben der Corona-Krise werden wir einen Corona-Sonderausschuss bekommen. Wir haben eine EnqueteKommission zum Kinderschutz am Start, wir haben eine Enquete-Kommission zum Ehrenamt eingesetzt, und wir haben schon eine Enquete-Kommission zur medizinischen Versorgung in unserem Flächenland am Laufen. Das alles wird gleichzeitig im Herbst stattfinden. Ich weiß nicht, wie gerade eine kleine Fraktion wie die der Grünen diese Arbeitsbelastung noch bewerkstelligen soll.
Der Gesetzentwurf, den wir haben wollen, wird vorbereitet. Nur sind wir in einer Koalition, und wie Sie gerade gehört haben, ist der Koalitionspartner auf einem anderen Pfad unterwegs. Das ist auch legitim. Der Weg zu einem Paritätsgesetz wird also noch ein längerer sein, und da werden natürlich auch noch - das hat die Frau Kollegin gerade schon ausführlich besprochen - sehr relevante verfassungsrechtliche Fragen geklärt werden müssen.
Ich habe ein Stück weit die Hoffnung, dass je intensiver wir über das Thema debattieren - insofern ist es am Ende auch wertvoll, dass wir heute darüber sprechen -, umso mehr auch die Parteien in Gang kommen, deren Frauenanteil bislang noch nicht so hoch ist. Ich gucke mich mal hier vorne um. Bei der Fraktion zu meiner Rechten habe ich nicht so viel Hoffnung, dass sich da etwas bewegen wird, aber vielleicht tut sich auch dort etwas.
Am Ende sind es jedenfalls die Parteien, die in größerer Zahl Kandidatinnen aufstellen müssen, und das dürfen sie auch freiwillig tun. Und wenn das nicht passiert, kommt sicherlich eines Tages ein Paritätsgesetz - wahrscheinlich aber nicht mehr in dieser Legislaturperiode.
Vielen Dank, Frau Dr. Wernstedt. - Meine Damen und Herren, für die FDP-Fraktion hat die Kollegin Susanne Victoria Schütz das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Warum sind relativ wenige Frauen in diesem Raum? Warum haben wir oft Schwierigkeiten, Frauen für Politik zu begeistern? Ist die Tatsache, dass unsere Parlamente in Sachen Geschlechterverteilung nicht die Gesellschaft spiegeln, Ursache oder Wirkung? Führen wenige Frauen in verantwortlichen Positionen der Politik zu einer abschreckenden Wirkung auf weitere Frauen? Trauen die sich dann nicht? Welche weiteren Hinderungsgründe gibt es für die Zurückhaltung von Frauen in der Politik?
In unseren Parteigliederungen machen wir dazu Veranstaltungsformate und Uhrzeiten aus. Welche Frau organisiert schon gerne einen Babysitter, um an einem Stammtischformat mit offenem Ende teilzunehmen? Ich hatte immer große Schwierigkeiten, meinen Mann zu überzeugen, er müsse zwei Stunden früher kommen, wenn der Kreisvorstand der FDP tagt.
All das sind Themen, die wir angehen müssen. Wir müssen Formate und Inhalte anpassen. Es geht sicher nicht nur uns so, dass hier immer noch Optimierungsbedarf besteht. Aber bei uns schon. Frau Dr. Wernstedt hat ja eben auch in unsere Richtung geguckt. Der Frauenanteil in unserer Partei ist ja sehr steigerbar.
Die FDP tut sich prinzipiell schwer mit Quoten. Wir haben uns im vergangenen Jahr auf unserem Bundesparteitag erneut gegen Quoten entschieden und schließen jetzt Zielvereinbarungen zwischen den unterschiedlichen Ebenen der Partei, um den Frauenanteil unter den Mitgliedern sowie unter Amts- und Mandatsträgern zu erhöhen. Wir haben uns auf den Weg gemacht.
Vielleicht sollten auch wir hier im Landtag uns auf den Weg machen und das Thema „Anzahl der Frauen im Parlament“ einmal ernsthaft angehen. Welche Möglichkeiten gibt es - es wurde schon angesprochen: Es müssen verfassungskonforme Möglichkeiten sein; das ist eine große Herausforderung -, den Frauenanteil in der Bevölkerung im Landtag abzubilden?
Was sollte besser sein als eine Enquetekommission, um alles zusammenzutragen, gründlich zu untersuchen und zu diskutieren?
Deshalb schließt sich die FDP dem Ansinnen der Grünen an, eine diesbezügliche Enquetekommission einzurichten. Wir wären dabei.