Protokoll der Sitzung vom 11.11.2020

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dritter Punkt. Herr Kollege, ich würde mich mal mit einigen SPD-Programmen beschäftigen, die genau diese Gemeinwohl-Bilanzen einfordern.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Jörg Bode [FDP]: Ja! - Julia Willie Ham- burg [GRÜNE]: Das wäre eine gute Idee!)

Wir haben das nicht bei Ihnen abgeschrieben, aber das würde ich Ihnen der Vollständigkeit halber vor den Beratungen auf den Weg geben. Wir machen hier kein Schreckgespenst auf, sondern verlangen freiwillige Pilotprojekte im Land Niedersachsen und keine zwanghafte Veränderung einer nationalen Wirtschaftsordnung. Das ist nicht Gegenstand des Antrages.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schulz-Hendel. - Herr Dr. Pantazis verzichtet auf eine Entgegnung. Deswegen hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion der Kollege Jörg Bode.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Schulz-Hendel, früher hätte ich sicherlich so ziemlich das Gleiche gesagt wie der Kollege Pantazis, vielleicht in etwas launigeren Worten und bis auf das Joschka-Fischer-Zitat, und dann hätte ich mich wieder gesetzt. Denn alles, was er gesagt hat, war richtig und wird von uns so geteilt.

(Zustimmung bei der SPD)

Aber heute bin ich einen Schritt weiter und gerne bereit, dem auf den Grund zu gehen, was im Kern hinter diesem etwas falsch formulierten Antrag

steckt und was Sie wissen, verstehen und erreichen wollen.

Sie haben immer noch einen falschen Glauben: Die soziale Marktwirtschaft ist mehr als der schnöde Mammon. Soziale Marktwirtschaft ist mehr als das Schauen auf Profit; denn das Wort „sozial“ ist Bestandteil dieses Begriffs. Und Ordnungspolitik und Neoliberalismus sind das Gegenteil vom Gesetz des Stärkeren bzw. des stärkeren Marktteilnehmers.

Wenn Sie das einmal verstehen würden, würden Sie vielleicht auch die Umsetzung der europäischen Richtlinie aus dem Jahr 2017 zur Implementierung von CSR - Corporate Social Responsibility - in deutsches Recht ernster betrachten, die Kollege Pantazis eben auch schon angesprochen hat. Grundlage sind die UN-Nachhaltigkeitsziele, die Social Development Goals, die sozusagen verpflichtend in die Unternehmenskultur mit eingeführt werden sollen, und zwar für Unternehmen ab 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das ist in Deutschland verpflichtend umgesetzt. Damals wurde intensiv über die Umsetzung dieser europäischen Richtlinie diskutiert, und die Europäische Union hatte zunächst sogar vorgesehen, mehrere Agenturen zu benennen, die diese CSR-Richtlinie sozusagen zertifizieren und kontrollieren sollten und zwischen denen man wählen konnte.

Anfangs war die Gemeinwohlbilanz ebenfalls dabei - sie ist dann allerdings bewusst herausgenommen worden. Ich weiß nicht, warum das so war, aber es spricht sicherlich vieles dafür, dass die Erwägungen, die auch Kollege Pantazis erwähnt hat, damals die Grundlage dafür waren.

Sprich: Was wollen Sie eigentlich mit dem Antrag erreichen? Sie wollen, dass mindestens vier Unternehmen mit Landesbeteiligung, davon mindestens eins mit über 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern - also NORD/LB, Salzgitter AG oder Volkswagen AG -, eine Gemeinwohlbilanz erstellen - um es einmal so auf den Punkt zu bringen. Aber diese drei Unternehmen erstellen bereits sehr differenzierte CSR-Strategien und veröffentlichen diese auch. Sie sind übrigens viel differenzierter und aussagekräftiger als z. B. die der Sparda Bank in München. Bei der Sparda Bank in München sieht man eine Bilanzübersicht, in der prozentual dargestellt ist, welche Bereiche wie erreicht werden - und dass man 88 000 Bäume gepflanzt hat. Bei den niedersächsischen Unternehmen passiert da schon sehr viel mehr.

Zweitens fordern Sie in Ihrem Antrag, dass zehn niedersächsische klein- und mittelständische Unternehmen oder Kommunen gefördert werden sollen, die an dem Pilotprojekt teilnehmen. Wir können im Ausschuss gerne einmal darüber reden, wie man auch kleinere Unternehmen oder auch Unternehmen mit Landesbeteiligung mit weniger als 500 Mitarbeitern im Rahmen von Modellprojekten entsprechend verpflichtet. Aber bitte nicht zur Gemeinwohlbilanz! Denn dann hat man hinterher ein Blatt, auf dem man eine Zahl sieht.

Lassen Sie uns doch etwas anderes nehmen! Nehmen wir doch beispielsweise ein EMAS ÖkoAudit! Da werden die Verhaltensweisen im Unternehmen auf eine ökologische Basis gestellt; das Verhalten wird analysiert, und es werden Verbesserungsvorschläge gemacht, z. B. wie man CO2 einsparen kann, wie man Umweltbelastungen reduzieren kann etc. Dann hat man nicht nur ein Blatt, sondern eine Verhaltensänderung. Da könnte die Landesregierung bei Unternehmen mit Landesbeteiligung mit gutem Beispiel vorangehen.

Auf diesen Ansatz können wir uns gerne stürzen. Es hätte mich gefreut, wenn dieser Vorschlag von den Grünen gekommen wäre. Aber ich bin gerne bereit, im Rahmen der Ausschussberatung noch weiteren Input zu Ihrem Antrag zu geben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Bode. - Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Oliver Schatta das Wort. Bitte schön!

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Antrag „GemeinwohlbilanzPilotprojekte als niedersächsisches Markenzeichen etablieren“ haben die Grünen ein aktuelles Thema auf die Tagesordnung gebracht.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Schon vorbei?

Nein, Herr Kollege, es ist noch nicht vorbei. Ich hatte gehofft, dass sich der Geräuschpegel so langsam mal senkt, damit Sie weiter ausführen

können, sodass es dann irgendwann vorbei sein kann.

Bitte schön, Herr Kollege!

Wie wird oder soll die Zukunft unserer Wirtschaft und unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens aussehen? Welche Eigenschaften werden den einzelnen Menschen, aber auch der Gesellschaft insgesamt wichtiger werden? Worum geht es in der Gemeinwohl-Ökonomie überhaupt? Wir haben dazu schon viel gehört, aber ich möchte dazu noch kurz aus Wikipedia zitieren:

„Als Gemeinwohl-Ökonomie werden seit den 1990er-Jahren verschiedene Konzepte und alternative Wirtschaftsmodelle bezeichnet, die eine Orientierung der Wirtschaft am Gemeinwohl, Kooperation und Gemeinwesen in den Vordergrund stellen. Auch Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und demokratische Mitbestimmung (‚Partizipation‘)

werden als Werte der Gemeinwohl-Ökonomie bezeichnet.“

Ich erkenne darin sehr viel soziale Marktwirtschaft.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die sogenannte Gemeinwohl-Ökonomie beschreibt somit eine von vielen Alternativen zum klassischen Wirtschaftsmodell. Entscheidend ist hierbei die Ausrichtung unseres Wirtschaftens am Gemeinwohl. Unternehmerisches Handeln soll also nicht länger dem reinem Geldmachen dienen, sondern dem Wohl aller nützen - selbstverständlich unter Einbezug sozialer und ökologischer Ziele.

Schauen wir uns einmal die Gegenwart an, so sehen wir soziale und ökologische Ansprüche bereits vermehrt in der Bevölkerung verankert - sei es der Gedanke der Nachhaltigkeit, der Ruf nach mehr Klimaschutz oder einer neuen Arbeitswelt. Work-Life-Balance ist ebenfalls ein häufig genanntes Schlagwort.

New Work ist mit Homeoffice und flexiblen Arbeitszeitmodellen auch schon bei vielen Unternehmen angekommen. Es ist sogar ein wesentlicher Booster in Sachen Attraktivität für Fachkräfte. Viele Unternehmen und auch viele Institutionen leben diesen Gedanken bereits. Und bevor Sie jetzt etwas sagen: Ja, na klar: - es geht immer mehr, höher, besser, weiter und schneller.

Man könnte, wenn man denn will, diese Unternehmen und Institutionen dafür mit dem „bösen Geld“ fördern und belohnen. Aber haben wir wirklich keine anderen Möglichkeiten, um diese Vorbilder hervorzuheben und gleichzeitig ihr Engagement zu würdigen? Diese Frage müssen wir stellen. Schließlich soll es um ein „Markenzeichen“ Niedersachsens gehen.

Eine Kennzahl „Gemeinwohl“ ist nur ziemlich unkonkret mess- und bestimmbar. Aber eine messbare Grundlage ist meines Erachtens schon nötig, um Fördergeld gerecht verteilen zu können. Schließlich muss auch eine Gerechtigkeit gegenüber Unternehmungen herrschen, die eher schwieriger mit dem Gemeinwohlgedanken in Verbindung gebracht werden können. Ich denke an Handwerks- und Baufirmen, die eben auch unternehmerisch tätig sind. Wenn sie ein Glasfasernetz verlegen, dient das vielleicht dem Gemeinwohl - der Abwasseranschluss am Einfamilienhaus wohl eher nicht.

Es wäre aber schade, dieser Idee des Gemeinwohls einfach mit Geld zu kommen. Wichtig wäre doch, dass Unternehmen die Vorteile eines gemeinwohlorientierten Wirtschaftens als selbstverständlich und als Chance sehen - genau wie Sie es für richtig halten. Mit einer Förderung würde das ganze Gegenteil eintreten. Wir würden so nicht monetäre Ziele mit Geld belohnen.

Aber wie ich bereits sagte: Es ist ein interessantes Thema. Wir werden zunächst im Ausschuss darüber beraten, ob es und, wenn ja, welche Alternativen es zu finanziellen Mitteln gibt. Lassen Sie uns aber auch kritisch auf dieses Thema schauen. Die Tatsache allein, dass sich eine Ansicht oder Idee jährt, halte ich nicht in Gänze für ausreichend.

Ich bin gespannt, ob wir daraus eine coole Sache machen können, und sage vielen Dank. Wir werden im Ausschuss darüber sprechen.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP - Det- lev Schulz-Hendel [GRÜNE]: Coole Sache! Danke!)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Schatta.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir beenden die Beratung und kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung sein, mitberatend der Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer möchte dem so folgen? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Meine Damen und Herren, ich rufe vereinbarungsgemäß zusammen auf:

Tagesordnungspunkt 43: Erste Beratung: Nachhaltige Hilfen für die Kultur- und Kreativbranche - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/7831

Tagesordnungspunkt 44: Erste Beratung: Kunst und Kultur sind kein Sahnehäubchen - Kulturfördergesetz jetzt! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/7816

Zur Einbringung des Antrags der Fraktionen der SPD und der CDU hat sich für die CDU-Fraktion der Kollege Burkhard Jasper gemeldet.

Herr Kollege Schulz-Hendel, wenn Sie so nett sein wollen, wieder Platz zu nehmen oder zumindest die Unterhaltung zu beenden!