Protokoll der Sitzung vom 21.06.2023

In der Praxis sind derzeit eingehende Meldungen für die Finanzbeamten oftmals nicht verwertbar, da entscheidende Angaben fehlen. Positiv ist zu sehen, dass ein Portal, welches bei der Eingabe entsprechende Hinweise gibt, haltlose Anschuldigungen und damit unnötige Mehrarbeit in der Finanzverwaltung verhindern kann.

Bei der Einrichtung eines digitalen Meldeportals zur Abgabe von Hinweisen zu Steuerdelikten ist dringend darauf zu achten, dieses so auszustatten, dass haltlose Hinweise von vornherein vermieden werden, zeitgleich auch eine Verwaltungsvereinfachung zu erreichen und zu überprüfen, ob eine Einbindung in das ELSTER-Portal als Standardschnittstelle zur Steuerbürgerin und zum Steuerbürger möglich ist.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Finanzämtern sorgen tagtäglich für eine gleichmäßige und damit faire Umsetzung der Steuergesetze. Vielen Dank für diesen Einsatz!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

In dieser Legislaturperiode wollen wir die Personalsituation der Steuerverwaltung zur Gewährleistung einer gleichmäßigen und damit fairen Heranziehung weiter verbessern. Dies soll insbesondere dem Außendienst insgesamt sowie speziell der Steuerfahndung und der Betriebsprüfung zugutekommen. Außerdem wollen wir insgesamt die Ausbildungsplätze dauerhaft aufstocken.

Auch die Ausstattung im IT-Bereich werden wir optimieren, was auch die Digitalisierung weiter voranbringen wird. In diesen Betätigungsfeldern gibt es einen erheblichen Nachholbedarf. Fachkräftemangel und Digitalisierung sind sicherlich eine gemeinsame Aufgabe, auch in der Steuerverwaltung.

Grundsätzlich gilt: Vom Staat geduldeter Steuerbetrug verletzt das Gerechtigkeitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger und gefährdet sowohl den Zusammenhalt unserer Gesellschaft als auch das Vertrauen in den Rechtsstaat. Die Digitalisierung in der Steuerverwaltung kann somit ein Beitrag sein, dem Ziel der Steuergerechtigkeit in unserem Land näherzukommen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Kopka. - Für die Fraktion der AfD erteile ich dem Abgeordneten Peer Lilienthal das Wort.

(Beifall bei der AfD)

Frau Präsidentin! Da bringt die Landtagsfraktion der Grünen eine Aktuelle Stunde ein, die gleichzeitig den Finanzminister stellt, regierungsbeteiligt ist, und schreibt von Digitalisierung und Steuergerechtigkeit.

Ich habe gedacht: Jetzt kommt der Hammer, jetzt kommt der große Wurf - das, auf das wir die ganze Zeit gewartet haben, irgendetwas richtig Revolutionäres, ein Austauschsystem, irgendetwas, was den Umsatzsteuerbetrug verhindert, weiß der Teufel, was!

Und dann kommt - nichts. Dann kommt etwas, was heute schon analog möglich ist, in digital. Ist das Ihre Vorstellung von Digitalisierung? Ich hätte mich fast gebogen vor Lachen, das muss ich wirklich sagen.

Ich gebe Ihnen recht: Digitalisierung im Besteuerungsverfahren ist wichtig. Aber wenn wir auf unsere Steuerverwaltung gucken - das ist doch das, was wir in Niedersachsen steuern können -, dann müssen wir doch sagen: Das allererste Problem haben wir im Moment im analogen Bereich, nämlich da, dass die Mitarbeiter abhandenkommen.

Wir verlieren in der Finanzverwaltung jährlich weit über 200 Mitarbeiter. Ich habe kürzlich eine Anfrage gestellt und auch eine gute Antwort darauf bekommen: Jeden Arbeitstag in Niedersachsen verlässt im Schnitt ein Finanzbeamter die Finanzverwaltung Niedersachsen. Während wir hier also tagen - vier Tage lang -, sind vier Leute weg. Rechnerisch sind es sogar noch ein bisschen mehr.

Das ist doch der Punkt, den man vorerst angehen muss. Darum hätte ich mich als Finanzminister der Grünen doch gekümmert: dass die Leute nicht abhandenkommen und ich nicht vor einem Problem stehe, dessen Ursachen ich noch nicht einmal kenne. Von der Landesregierung wird nämlich immer gesagt: Ja, die kommen alle abhanden, aber wir evaluieren nicht, wo die hingehen.

Sie haben also ein Problem, wissen noch überhaupt nicht, wo die Ursache dieses Problems sitzt, und fangen jetzt an: Digitalisierung, indem man eine E-Mail an die Finanzverwaltung schreiben kann.

Das kann doch nicht wahr sein! Denn am Ende des Tages ist doch klar: Ein Garant für gerechte Besteuerung und gleichmäßige Besteuerung ist immer der Mensch, der gut ausgebildete Finanzbeamte, der den Lebenssachverhalt mit den Steuergesetzen in Einklang bringt. Das kann keine Digitalisierung der Welt leisten.

Wenn die Grünen in Niedersachsen an der Regierung beteiligt sind, ist das immer so ein bisschen wie bei den Festspielen in Oberammergau. Das kennen Sie vielleicht, das ist auch immer dasselbe. Immer kommen folgende drei Vorschläge zur Steuerverwaltung:

Erstens: das Megafinanzamt in Hannover. Das war vor zehn Jahren auch schon so, das ist immer das Gleiche. Da wird gesagt: Man muss das bündeln und irgendwo ein großes Finanzamt schaffen; wir machen noch eine Studie dazu. - Am Ende des Tages wird es nicht umgesetzt.

Und wenn man mal in die Vergangenheit schaut: Wer hat denn fusioniert? - Das ist in der letzten Legislatur passiert, wenn auch noch nicht weit genug gehend. Aber unter grüner Regierungsbeteiligung hat es bis jetzt noch nicht ein einziges Mal eine Fusion von Finanzämtern gegeben. Die gab es in der letzten Legislatur, in der Sie nicht an der Regierung beteiligt waren.

Und dann kommt das Märchen von der steuerlichen Außenprüfung: Wir brauchen mehr Betriebsprüfer, wir mehr brauchen mehr Steuerfahnder, wir brauchen mehr steuerliche Außenprüfungen.

In der Analyse sind wir völlig bei Ihnen. Aber was ist denn die Realität? Wer geht denn raus? Welche Finanzbeamten verlassen denn die Verwaltung? - Das sind doch vor allem die gut ausgebildeten Steuerfahnder und Betriebsprüfer, eben weil die Alternative lockt. Die sind ja noch da; die sind ja nicht weg. Die haben sich schon mal für die Finanzverwaltung entschieden und sind jetzt auch noch in Hannover, nur halt nicht mehr im Finanzamt, sondern bei Deloitte, bei KPMG, bei PwC usw. usf.

Anstatt sich darum zu kümmern - dieses Problems könnte man sich ja mal ernsthaft annehmen; man hat die Leute ja schon mal gehabt -, wird hier etwas von irgendeinem Meldeportal erzählt. Das ist wirklich gruselig! Und die Digitalisierung? Wenn es bei den Grünen das sein soll, dann wird mir wirklich schwarz vor Augen.

Man muss zu diesem Meldeportal doch eines ganz klar sagen: Was wird denn passieren? Wer meldet denn im Moment steuerliche Sachverhalte aus der

Praxis? - Es ist doch so: Der Bürger sieht irgendetwas und meint, das sei eine Steuerhinterziehung, z. B. ein Dachdecker, der am Samstag vor der Tür steht. Aber Fakt ist doch: Die Steuererklärungspflicht besteht für den Bürger gegenüber dem Finanzamt und nicht gegenüber dem Nachbarn und auch nicht gegenüber der Ehefrau.

Ich sage Ihnen voraus, dass Folgendes passieren wird: Verlassene Ehefrauen, betrogene Geliebte, zu kurz gekommene Geschäftspartner werden sich zwischen Weihnachten und Neujahr, wenn die Stimmung in manchen Familien mies ist, hinsetzen und in dieses steuerliche Meldeportal unendlich viele Meldungen reinballern.

(Beifall bei der AfD)

Die können dann die immer weniger werdenden Finanzbeamten abarbeiten, die können sich die Ehestreite angucken. Genau das ist nämlich im Moment schon die Praxis. Die Tatbestände, die von außen kommen, die also von extern in die Verwaltung gespielt werden, sind in aller Regel allerübelste Jauche. Davon haben Sie dann halt noch ein bisschen mehr. Ein ganz trauriger Ansatz!

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Lilienthal. - Für die Fraktion der CDU erteile ich der Abgeordneten Colette Christine Thiemann das Wort. Frau Thiemann, bitte!

(Beifall bei der CDU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als langjährige Rotkreuzlerin bin ich natürlich erst einmal für jedes messbare Vitalzeichen dieser Landesregierung dankbar, also auch ein bisschen für diese Aktuelle Stunde.

Ich würde mir nach den bereits gehaltenen Reden zunächst gern einen kleinen Exkurs erlauben:

Als Grundbedingung für das, was gerecht ist, gilt nach herrschenden ethischen Theorien, dass Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt wird, wobei in dieser Grunddefinition offenbleibt, nach welchen Wertmaßstäben zwei Einzelfälle zueinander gleich oder ungleich zu behandeln sind.

Die Digitalisierung beschreibt demgegenüber die Verwendung von Daten und algorithmischen Systemen für Prozessabläufe.

Da wir hier aktuell sehr viel Zeit mit Zuhören verbringen - es wurde schon angesprochen; wir schaffen mal vier Tage Plenum -, kommt nun der Teil der von mir heute vorgesehenen Transferleistung: Finde den Fehler in der Titulierung der Aktuellen Stunde!

(Wiard Siebels [SPD]: Ich höre da im- mer so eine leichte Kritik heraus! Was ist denn da los?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die vorangegangenen Beiträge zeigen, dass ich vielleicht mal erklären muss, was Digitalisierung ist. Ein Meldeportal ist es jedenfalls nicht.

Digitalisierung ermöglicht effiziente Datenerfassung und -überprüfung. Durch die Digitalisierung können Finanzbehörden leichter auf Finanzdaten zugreifen und Transaktionen überwachen. Das ermöglicht die genaue Erfassung von Einkommen und Vermögen und reduziert so die Möglichkeit von Steuerhinterziehung. Auch die Automatisierung von steuerlichen Prozessen kann zu einer effizienteren und weniger fehleranfälligen Steuerverwaltung führen. Durch den Einsatz von Algorithmen und maschinellem Lernen können beispielsweise Risikoprofile erstellt und Steuerprüfungen gezielter durchgeführt werden. Insbesondere erleichtert die Digitalisierung auch die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Ländern.

Aber Digitalisierung kann natürlich nicht ohne AI bzw. KI gedacht werden. Das Forschungsumfeld bei der Künstlichen Intelligenz steckt im Bereich der Steuern in den Kinderschuhen. Bisher wurden in Deutschland lediglich mit der Einführung der E-Bilanz und mit dem bei der Finanzverwaltung eingesetzten Risikomanagementsystem erste Schritte in Richtung KI vorgenommen.

Wenn digitale Tools für steuerliche Zwecke verwendet werden, müssen zudem alternative Optionen für diejenigen bereitgestellt werden, die keinen Zugang zu digitalen Ressourcen haben.

Es müssen auch Fragen der Komplexität berücksichtigt werden. Die Digitalisierung führt schlechterdings zu einer erhöhten Komplexität des Steuersystems.

Neue Technologien erfordern auch neue Gesetze, um sicherzustellen, dass alle steuerlichen Aspekte angemessen berücksichtigt werden.

Und zuletzt: Die Frage von Datenschutz und Datensicherheit habe ich hier noch nie gehört, obwohl hier doch sonst immer die Verfechter sitzen. Die erhöhte Verwendung digitaler Daten zur Überwachung von

Steuerzahlungen wirft Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit auf. Hier gilt es, erst mal angemessene Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um persönliche und finanzielle Informationen der Steuerpflichtigen angemessen zu schützen.

Insgesamt kann die Digitalisierung dazu beitragen, Steuerermittlung und -erhebung systematisch zu verbessern. Aber eines bleibt ganz klar: Sie löst nicht das Problem der Steuergerechtigkeit, sondern schafft neue Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Ganz klar eine der Herausforderungen, die uns auch jetzt schon entgegenschlägt, ist die Frage des Fachkräftemangels in der Steuerverwaltung. Auch da kann Digitalisierung natürlich Entlastung bringen.

Am Ende würde ich mir noch eine weitere Anmerkung erlauben. Ich bin - das ist nicht ganz unbekannt hier im Hause - eine sehr große Befürworterin der Digitalisierung. Aber leider bin ich auch Realistin. Das niedersächsische Innenministerium hat es als zuständiges Ressort in der letzten Legislatur im Hinblick auf die Digitalisierung von Prozessen nicht einmal geschafft, die Anforderungen des OZG, geschweige denn der DSG-VO auch nur annähernd umzusetzen.

Die Frage, ob es sinnvoll und zielführend ist, dass die Regierungskoalition nun ausgerechnet in dem auch aus Sicht der Spezialisten hoch anspruchsvollen Bereich der Steuerverwaltung auf die Taube auf dem Dach statt auf den Spatz in der Hand setzt und nicht zunächst einmal den Blick auf Digitalisierungsleistungen hier in unserem Land lenkt - dem ein EUseitiges Vertragsverletzungsverfahren droht -, wäre dann der zweite Teil meiner angebotenen Transferleistung von heute.

Herzlichen Dank.