Protokoll der Sitzung vom 26.10.2005

(Edgar Moron [SPD]: Wir warten auf Ihre Sparvorschläge!)

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, nach dieser ersten Runde gehen wir ohne Pause in die zweite. Als erste Rednerin hat Frau Abgeordnete Walsken für die SPDFraktion das Wort.

(Edgar Moron [SPD]: Kein Euro wurde bis jetzt gespart! - Dr. Gerhard Papke [FDP]: Sie sollten doch ruhig sein! - Gegenruf von Ed- gar Moron [SPD] - Weitere Zurufe - Glocke)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Papke, Sie können sich nicht hier hinstellen und sich darüber aufregen, dass Rot-Grün in diesem Land Schulden gemacht hat und - fast ohne rot zu werden und nahezu ohne jede Kenntnis der Haushaltspolitik -

(Lachen von Dr. Gerhard Papke [FDP])

am selben Tag anderthalb Stunden vorher einen Haushalt vorlegen, der 2,2 Milliarden € neue Schulden aufnimmt.

(Carina Gödecke [SPD]: Neue Schulden!)

- Neue Schulden, Herr Kollege!

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Das sind Ihre Schulden! - Lachen von SPD und GRÜNEN - Edgar Moron [SPD]: Ja, ist das denn die Möglichkeit?)

Herr Papke, es zeigt sich: Sie waren noch nie im Haushaltsausschuss. Das war beim Kollegen Stahl etwas leichter. Er war zumindest eine Zeit lang dabei und weiß, wovon er redet.

Herr Papke, Sie sollten zumindest rot werden, denn dieser Haushalt ist Ihr Haushalt. Sie sind die neue Landesregierung. Sie werden dafür auch die Verantwortung tragen, lieber Kollege.

(Rudolf Henke [CDU]: Das ist Ihr Ergebnis!)

2,2 Milliarden € neue Schulden legt uns die neue Landesregierung bestehend aus Gelb und Schwarz - Kollege Papke von der FDP und Kollege Stahl von der CDU haben dazu heute schon geredet - heute vor - ohne rot zu werden.

Herr Kollege Papke, ich erspare mir an vielen Stellen, auf Ihre Ausführungen einzugehen. Denn das spricht eigentlich für sich.

(Beifall von SPD und GRÜNEN - Dr. Gerhard Papke [FDP]: Das ist der einfachste Weg, wenn man keine Argumente hat!)

- Warten Sie. Bleiben Sie und Sie werden Argumente hören. Ich gebe Ihnen gern hinterher meine Rede auch noch schriftlich. Damit können Sie dann umgehen.

Ist Kollege Stahl nicht da? Doch; er sitzt ganz oben. Ich möchte ganz gerne wenige Punkte aus der Rede vom Kollegen Stahl aufgreifen. Er hat ja immerhin Grundkenntnisse in der Haushaltspolitik. Kollege Stahl, Sie haben vorhin das Thema „Personalkosten“ angesprochen. Sie haben auf den Bericht Ihrer Experten- oder Finanzkommission - wie immer man sie nennen will. Danach ist klar - wir lesen es heute in allen Zeitungen -, dass die Kommission plant, in diesem Land jede zehnte Stelle zu streichen. Was das heißt, werden wir sehen. Es wird massiv sein.

Aber, Kollege Stahl, wie werden Sie denn klarkommen, wenn Sie sich an dieses Pult stellen und sagen: Ich rechne pro Stelle mit 50.000 €. Die Kommission hingegen geht von 100.000 € pro Stelle aus. Wen oder was wollen Sie denn dann noch einsparen? Dann kommen Sie mit jeder zehnten Stelle nicht mehr aus.

Hierbei müssen Sie sehr seriös mit Haushaltszahlen umgehen. Denn es betrifft über 340.000 Menschen in diesem Land, die beim Land beschäftigt sind und die jetzt Angst davor haben, was Sie machen werden. Deshalb: Seien Sie seriös. Es wird Ihnen entgegenschlagen. Es wird Ihnen Probleme bereiten.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Damit nicht der Eindruck entsteht, Rot-Grün stehe nicht zu seiner alten Verantwortung: Es hat sehr wohl eine Verfassungsklage gegeben. Liebe Kollegen, wir haben vor dem Verfassungsgerichtshof verloren. Dafür hat uns die damalige Opposition sehr gescholten. Aber wir haben gehandelt. Wir haben die damalige Rücklage aufgelöst. Auch nur dieser Teil des Haushaltes war verfassungswidrig und nicht der gesamte Haushalt. Es wäre gut, auch das noch einmal nachzusehen.

Herr Kollege Stahl - er möchte jetzt nicht zuhören, denn er möchte die Fakten offensichtlich nicht wissen -, wir haben die Rücklage in den Haushalt hineingeführt. Und was machen Sie? - Sie geißeln unseren Verfahrensbruch und legen einen Haushalt vor, der nicht mit der Verfassung im Einklang steht, nämlich 1,4 Milliarden € unterhalb der Verfassungsgrenze liegt.

(Beifall von der SPD)

Herr Kollege Stahl, Sie brauchen nicht aus dem Plenarsaal herauszugehen, um zu dokumentieren, dass Sie das nicht interessiert. Sie wären gut beraten, hier zu bleiben und mit uns darüber zu diskutieren; denn allzu leicht kann man den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Lande nicht klar machen, wie man hier zurzeit Haushaltspolitik betreibt. Hier ist ein bisschen mehr Sorgfalt gefragt.

Meine Damen und Herren, ich möchte zum Nachtragshaushalt zurückkommen. Die Einbringung eines Nachtragshaushaltes ist ein ganz normales Geschäft von Landesregierung und Landesparlament. Ich nehme gerne noch einmal auf, was meine Kollegin Hannelore Kraft heute Morgen gesagt hat. Wir stehen zu unserer Verantwortung. Wir haben eine Reihe von Korrekturen anerkannt, von denen ganz klar ist, dass wir, weil sie Mehrausgaben in verschiedenen Bereichen bedeuten, sie hätten finanzieren müssen. Ich gebe zu, dass es auch uns zu diesem Zeitpunkt nicht leicht gefallen wäre, die Kosten zu finanzieren.

(Zuruf von der CDU)

- Hören Sie doch zu. Sie sind immer zu schnell. Bleiben Sie ruhig, Herr Kollege. Sie werden es hören.

Wir haben es allerdings im Gegensatz zu Ihnen in den vergangenen Jahren, in denen wir hier Verantwortung trugen, immer wieder geschafft, einen verfassungsmäßigen Haushalt in diesem Parlament vorzulegen. Sie hingegen, Herr Kollege, beginnen Ihre Amtszeit damit, die Grundsätze von Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit eklatant zu missachten.

(Beifall von der SPD)

Ich greife gerne noch einmal das Thema „sprudelnde Steuerquellen“ auf.

(Zuruf von Rudolf Henke [CDU])

- Ruhig, Herr Kollege. Das ist nicht gut für die Gesundheit. Wir können uns gleich gerne darüber in aller Ruhe unterhalten.

Die Wachstumserwartungen sind korrigiert worden. Trotzdem rechnen die Experten damit - Sie

werden ja sicherlich auch das eine oder andere Mal Zeitung lesen und bei den Instituten nachfragen -, dass die Steuerschätzung, die in etwa 14 Tagen ansteht, nicht zu einer Korrektur der Steuerprognosen führen muss. Das hat damit zu tun, dass wir nach der Mai-Steuerschätzung nun ein Plus bei den Steuerquellen zu verzeichnen haben. Aber wer nun glaubt, dass die erforderlichen Mehrausgaben, die auch wir anerkannt haben, über zusätzliche Steuereinnahmen finanziert werden, die dieses Land hat und von denen der Finanzminister weiß, von denen er selber im Internet sagt, dass er sie hat, nämlich in einer Höhe von 684,2 Milliarden €, der irrt. Nein, er tut es nicht. Und das ist unsere zentrale Kritik an diesem Nachtragshaushalt, meine Damen und Herren. Das verstößt gegen den Haushaltsgrundsatz von Wahrheit und Klarheit. Hieraus werden wir Sie nicht entlassen, egal, welchen Druck Sie gegen uns aufzubauen versuchen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Wo sind Ihre Anstrengungen - auch das hat ja in der Debatte bereits eine Rolle gespielt -, an anderer Stelle einzusparen? Sie sparen nicht einen einzigen Euro ein. 1,4 Milliarden € hat die alte Landesregierung mit einem großen Kraftakt, mit der Erhöhung der Wochenarbeitszeit, mit dem Streichen von Urlaubs- und Weihnachtsgeld, mit vielen Kürzungen der Ausgaben für Projekte und Veranstaltungen eingespart. Sie haben auf diesen Bänken gesessen und uns dafür gescholten. Sie sind zu den Menschen gegangen und haben gesagt, dass alles verfehlte Politik sei. Heute sind Sie zu feige, nur einen einzigen Euro in diesem Haushalt einzusparen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das werfe ich Ihnen vor, und das werde ich Ihnen immer vorwerfen, wie auch immer Sie mit mir umgehen zu müssen meinen.

Meine Damen und Herren, das Thema „Stellen und zusätzliche Vertraute in Ministerbüros und in den jeweiligen Pressestellen“ ist angesprochen worden; das möchte ich nicht weiter aufgreifen. Interessant ist aber: Sie haben uns im Haushalts- und Finanzausschuss vorgeworfen, wir hätten 1995 - Herr Kollege Sagel hat dankenswerterweise das Thema auch noch einmal aufgegriffen - so viele neue Beschäftigte eingestellt. Sie hätten sich genau informieren müssen: 28 Beschäftigte waren es damals, und die haben wir alle im selben Jahr, also im Jahre 1995, erwirtschaftet. Sie hingegen sagen: Das können und wollen wir nicht sofort erwirtschaften, sondern wir warten bis zum Ende

der Legislaturperiode, also fünf Jahre, ab, um diese Stellen zu erwirtschaften. Im selben Moment lassen Sie sich einen Bericht einer Kommission vorlegen, die sagt: Mindestens jede zehnte Stelle im Land muss gestrichen werden. - Erklären Sie uns, wie Sie das machen wollen, und dann reden wir mit den Betroffenen, Herr Kollege, und schauen einmal, ob das sozial ausgewogen und im Sinne Ihrer Regierungserklärung ist.

(Beifall von der SPD)

Ich möchte noch etwas zum Thema Personal sagen. Seit Jahren hören wir immer wieder, und zwar auch bei den Haushaltsberatungen, dass Sie jährlich 1,5 % des Personals erwirtschaften wollen. Wo sind denn in diesem Nachtragshaushalt die Stellenabsetzungen, um das zu erfüllen, Herr Dr. Linssen? Nennen Sie uns einen triftigen Grund - wir haben bereits im Haushalts- und Finanzausschuss nachgefragt -, warum Sie nicht in der Lage waren, die Stellen, und zwar auch die neuen Stellen, in diesem Jahr zu erwirtschaften. Wir haben 2004 991 Stellen real abgesetzt. Im Jahr davor waren es 819 Stellen. Ich betone: Das ist nicht ein Synergieeffekt, weil wir Beschäftigte aus der Landesregierung in die Landesbetriebe ausgelagert haben, sondern im Gegenteil: Diese Zahl - das erkennen alle Fachleute an - ist eine bereinigte Zahl. Insofern brauchen Sie sich an dieser Stelle nicht aufzuplustern.

Meine Damen und Herren, wir kennen den Haushalt und die Zahlen. Offensichtlich gibt es aber ein Defizit bei Ihrem Handling der Dinge; dies ist auch in der letzten Haushalts- und Finanzausschusssitzung deutlich geworden. Es geht um die Stelleneinsparung von 1,5 % pro Jahr. Herr Minister Linssen, warum trauen Sie sich nicht, die Zahl, aufgrund derer Sie diese 1,5 % der Stellen beziehungsweise die Anzahl der Stellen, die die Kommission gestern vorgelegt hat, einsparen wollen, deutlich zu benennen? Warum kündigen Sie in einer Pressekonferenz zur Vorstellung des Nachtragshaushalts den Journalisten an, dass am gleichen Tag diese Zahl beziehungsweise die Unterlagen ausgegeben werden

(Minister Dr. Helmut Linssen: Stimmt doch gar nicht!)

- doch, das stimmt; Sie brauchen sich nicht aufzuregen -, während Sie uns im Haushalts- und Finanzausschuss nicht sagen konnten und bis jetzt nicht zugegeben haben, dass es diese Zahl entweder nicht gibt oder diese Zahl noch nicht berechnet ist?

Trauen Sie sich nicht, zuzugeben, dass die Zahl, die übrig bleibt - wenn man wiederum Polizei, Finanzen, Justiz, Schulen und Hochschulen ausklammert -, so verschwindend gering ist, dass Sie noch in kräftige Kollisionen mit dem geraten, was Ihnen die Finanzkommission gestern empfohlen hat und was Sie noch leisten müssen, wenn Sie weitere Lehrerinnen und Lehrer einstellen wollen, nämlich überhaupt eine Stelleneinsparung in jedem Jahr hinzubekommen und dieses auch entsprechend darzustellen?

Meine Damen und Herren, ich will nur noch zwei kurze Punkte ansprechen. Ich komme erneut auf den Bau- und Liegenschaftsbetrieb zurück und kann nahtlos an das anknüpfen, was Kollege Sagel klar gemacht hat. Es geht darum, diesem Betrieb Geld in einer Größenordnung von fast 1 Milliarde € zuzuführen, obwohl das zurzeit nicht notwendig ist.

(Dr. Helmut Linssen, Finanzminister: 613 Mil- lionen €!)

- Herr Kollege Linssen, da lässt sich niemand ins Bockshorn jagen. Dieses Unternehmen Bau- und Liegenschaftsbetrieb hat einen Unternehmenswert von 8 oder 9 Milliarden €; da spare ich mir jetzt eine genaue Differenzierung. Und dieses Unternehmen ist in der Lage, durch Verkäufe entsprechende Gewinne zu erzielen. Sie müssen nicht so tun, als ob ausschließlich Schulden aufgenommen worden wären, ohne dass dem ein Unternehmenswert gegenüberstehen würde. Diese Summe will ich hier auch gerne für das Protokoll nennen.