Sie machen jedoch auf halbem Weg Halt. Sie fordern eine Vollausstattung der energieintensiven Branchen auf Benchmark-Basis. Das tut die Landesregierung bereits seit langem intensiv. Warum
gehen Sie nicht den ganzen Weg? Am Emissionshandel nehmen nur die energieintensiven Betriebe, also ein Teilsegment unserer Industrie, teil. Aber Strom brauchen alle, nicht nur die energieintensiven Unternehmen. Der Emissionshandel, wie er derzeit geplant ist, wird nach einem von uns beauftragten Gutachten des Energiewirtschaftlichen Instituts Köln zu Strompreissteigerungen von rund 50 % bis 2020 führen, zusätzlich zu den Preissteigerungen, die aufgrund der gestiegenen Rohstoffkosten ohnehin zu erwarten sind. Warum wollen Sie den Unternehmen und Verbrauchern, die davon betroffen sind, nicht helfen? Wollen Sie wieder mit Ihrer Debatte über Sozialtarife kommen? Konsequenterweise müssten Sie sich genauso vehement gegen die Vollauktionierung in Berlin und Brüssel einsetzen, wie wir das tun.
Das von uns beauftragte Gutachten hat aber noch mehr gezeigt: Wenn vollauktioniert wird, verschiebt sich das Investitionskalkül der Kraftwirtschaft. Der Neubau von Stein- und Braunkohlekraftwerken verteuert sich so stark, dass die Investition unrentabel wird. Die dringend notwendige Modernisierung unterbleibt. Als Folge werden die alten CO2-intensiven Kraftwerke länger betrieben. Auch davon liest man in Ihrem Antrag nichts.
Wir sind das Energieland Nummer eins. Die Kraftwirtschaft ist ein wichtiger Bestandteil unserer Industrie, für die Sie sich ja mit Ihrem Antrag so stark machen. Im Gegensatz zu Ihnen setzen wir uns deshalb dafür ein, dass vor allem Kraftwerksneubauten von der Auktionierung ausgenommen werden und eine Zuteilung nach brennstoffspezifischen Benchmarks erhalten.
Genauso wenig lese ich übrigens in Ihrem Antrag, dass Sie sich für Clean-Development-Mechanismen oder Joint-Implementation einsetzen. Das würde unseren Teilnehmern am Emissionshandel wirklich helfen, weil sie Kosten sparen.
Es würde den Entwicklungsländern helfen, weil man so einen echten Technologietransfer in Gang setzen kann. Darüber hinaus würde es dem Klima helfen. Nichts bei Ihnen davon! Das alles scheint Ihnen entgangen zu sein. Deshalb kommt man in Versuchung, Ihr Bekenntnis für den Energiestandort für reines Lippenbekenntnis zu halten.
Ich komme damit zur zweiten Forderung in Ihrem Antrag, denn damit kommen wir Ihrer Halbherzigkeit auf die Spur. Sie wollen aus den Versteigerungserlösen ein Investitionsprogramm auflegen, wie man es wahrscheinlich seit dem New Deal noch nie gesehen hat. Ich kann förmlich die Dollarzeichen in Ihren Augen sehen. Denn die Vollauktionierung macht aus ökologischer Perspektive überhaupt keinen Sinn. Das Ziel eines signifikanten europäischen Klimaschutzbeitrags wird bereits durch die europa
weite Deckelung von Emissionen erreicht. Daran ändert der Ausgabemodus für die Zertifikate rein gar nichts.
Mit der Versteigerung wird letztlich den Bürgern und Unternehmern das Geld aus der Tasche gezogen, nur damit Sie ein Spielfeld für Programme zur Selbstprofilierung haben. Das ist Ihre Motivation, und das erklärt, warum Sie uns nicht vehement in unseren Bemühungen gegen die Vollauktionierung unterstützen. Dabei haben wir in NordrheinWestfalen noch nicht einen Euro von den derzeit bereits anfallenden Erlösen gesehen. NordrheinWestfalen hat sich im vergangenen Jahr massiv dafür eingesetzt, an diesen Einnahmen beteiligt zu werden. Unsere Forderung wurde von der Bundesregierung jedoch abgelehnt. Aber ich bin jetzt sehr zuversichtlich, denn dank Ihres Antrags wird Ihr Freund Gabriel dem Land sicherlich sofort den entsprechenden Landesanteil zur Verfügung stellen.
Allerdings gibt es noch ein Problem mit Ihrem Antrag. Wir sollen jeden Euro, den wir zukünftig von Herrn Gabriel bekommen, fünfmal ausgeben. Ich gebe zu: Viele der von Ihnen gewünschten Maßnahmen berühren Gebiete, auf denen unzweifelhaft ein Handlungsbedarf besteht. Die am 5. Mai des Jahres vorgestellte Energieklimaschutzstrategie des Landes Nordrhein-Westfalen enthält deshalb bereits umfangreiche Maßnahmen der beantragten Energiesparoffensive. Nur beispielhaft seien erwähnt die Kampagne „Mein Haus spart“, das Programm zur energetischen Nachrüstung sozialgebundener Wohnungsbestände, die Energieberatung durch die Verbraucherzentrale und die Energieagentur NRW.
Aber Ihre Forderungen sind utopisch. In der derzeitigen Handelsperiode von 2008 bis 2012 stehen bundesweit jährlich Auktionserlöse in Höhe von 1 Milliarde € zur Verfügung. Damit sollen im Rahmen der Energieoffensive sieben Einzelmaßnahmen im Rahmen des Investitionsprogramms Emissionshandel und sechs weitere Einzelmaßnahmen finanziert werden. Wenn ich alleine die Angaben des Bundeshaushaltes zugrunde lege, werden für ein wirksames Gebäudesanierungsprogramm alleine ca. 1 Milliarde € benötigt. Die breite Förderung der Solarthermie erfordert weitere Haushaltsmittel in Höhe von 300 Millionen €. Zusammen mit der Förderung von Holzpelletöfen sind sogar 500 Millionen € vorgesehen.
Obwohl sich meine Ausführungen auf bundesweite Angaben beziehen, so wird deutlich, dass der Forderungskatalog im Antrag der SPD extrem überzeichnet ist. Woher die Finanzierung der neun weiteren Einzelmaßnahmen kommen soll, bleibt völlig offen. Oder anders: Sie verteilen hier schon die Felle von zehn Bären, ohne einen einzigen erlegt zu haben.
Der absolute Höhepunkt ist allerdings Ihre Forderung nach der Subventionierung von Kraftwerksneubauten. Erst stimmen Sie einem Auktionierungs
regime zu, dass Kraftwerksneubauten verhindert, dann wollen Sie die Erlöse aus dieser Versteigerung der Zertifikate nehmen, um die Erneuerung zu subventionieren. Wo leben wir denn?
Wie Sie wissen, hat der Industrieausschuss des Europäischen Parlaments am 11. September Beschlüsse gefasst, die Ihrer Forderung zur Ausstattung der energieintensiven Industrie in NordrheinWestfalen nach den anspruchsvollen Best-Available-Technology-Benchmarks für die gesamte Periode nicht entsprechen. Ebenso wenig ist derzeit überschaubar, wann Investitionssicherheit für die Betroffenen durch eine zeitnahe Entscheidung über diese Benchmarks und der von Carbon Leakage bedrohten Branchen gegeben sein wird.
Herr Remmel, 50 % der Versteigerungserlöse sollen übrigens nach den Vorstellungen der EU unmittelbar in einen Fonds auf EU-Ebene fließen. Die Kommission hatte 10 % vorgeschlagen. Die andere Hälfte soll an die Mitgliedstaaten ausgeschüttet werden.
Die Position der Landesregierung zu diesen Plänen ist klar: Wir verhandeln nicht zuerst über die Verteilung von etwaigen Emissionserlösen ab 2013, sondern über die Zurückführung des Auktionierungsmodells auf möglichst wenige sinnvolle Anwendungsfälle.
Wir setzen uns auf europäischer Ebene seit geraumer Zeit und massiv dafür ein, dass die Zuteilung für das energieintensive produzierende Gewerbe für den Zeitraum 2013 bis 2020 auf der Grundlage von BAT-Benchmarks kostenlos erfolgt. Dies entspricht aber nur dann der Vollausstattung, wenn der BATStandard auch tatsächlich erreicht ist. Erst wenn das Ziel der Zurückführung der Auktionierung auf sinnvolle Anwendungsfälle auf europäischer Ebene nicht durchsetzbar sein sollte, wird sich die Landesregierung rechtzeitig dafür starkmachen, dass in der Handelsperiode 2013 bis 2020 ein angemessener Teil der Erlöse nach Nordrhein-Westfalen fließt.
Unsere Aktivitäten machen übrigens nicht an der Landesgrenze halt. Wir haben zusammen mit dem Land Oberösterreich die „Allianz der wirtschaftsstarken Regionen Europas mit einem hohen Anteil an energieintensiven Industriebetrieben“ gegründet. In dieser Allianz sind inzwischen Regionen mit insgesamt 56 Millionen Einwohnern organisiert; das sind über 10 % der EU-Bevölkerung. Ziel der Allianz ist die Sicherung der Wirtschaftsstandorte und der Wettbewerbsfähigkeit der Regionen mit energieintensiven Industrien.
Ich stelle es Ihnen allen auch gerne zur Verfügung und freue mich über die Unterstützung in der ganzen Breite des Hauses.
Meine Damen und Herren, zum Abschluss lassen Sie mich Ihnen noch eine abgewandelte alte indianische Weisheit mit auf den Weg geben: Erst wenn die letzte Aluhütte ins Ausland gezogen, das letzte Braunkohlekraftwerk geschlossen und die letzte Zementfabrik pleite ist, werdet ihr feststellen, dass man CO2-Zertifikate nicht essen kann.
Vielen Dank, Frau Ministerin Thoben. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Lienenkämper das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Ich kann es relativ kurz machen, weil die wesentlichen Gesichtspunkte der Debatte bereits angesprochen wurden.
Kollege Römer, die Vollauktionierung schadet im Ergebnis der besonderen Energieversorgungsstruktur in Nordrhein-Westfalen. Deswegen setzen wir uns weiterhin gegen die Vollauktionierung ein. Wir wollen einen breiten Energiemix unter Einbeziehung der Kohle. Von daher wollen wir Kraftwerksneubauten. Wir brauchen neue, moderne Kraftwerke mit hohen Wirkungsgraden und niedrigen Emissionen. Wenn wir aber stattdessen die Liquidität der Energieversorger über eine Vollauktionierung abschöpfen, werden keine Kraftwerksneubauten errichtet, es werden keine Verbesserungen der Wirkungsgrade und keine ökologischen Vorteile erzielt.
Lesen Sie doch freundlicherweise mal das Gutachten des Energiewirtschaftlichen Institutes an der Universität zu Köln. Ich zitiere aus der Zusammenfassung die Ziffer 4:
Kostenfreie CO2-Zuteilungen wirken wie eine Reduzierung kapazitätsbezogener Kosten und begünstigen somit den Neubau von Kraftwerken.
Umgekehrt gilt also: Eine Vollauktionierung behindert den Neubau von Kraftwerken. – Das ist auch eine Frage der Logik.
Die Landesregierung hat ein konsistentes und konsequentes Konzept, das darauf beruht, dass das Ziel des europäischen Klimaschutzbeitrages ökologisch betrachtet bereits durch die europaweite Deckelung der Emissionen, den Cap, erreicht wird. Sie erreichen insofern null ökologische Wirkung mit der von Ihnen vorgeschlagenen Vollauktionierung. Deswegen wollen wir sie auch nicht. Wir wollen
Herr Kollege Remmel, Ihre Rede steht unter der Überschrift „Es regnet Brei“. Das war dann auch der wesentliche Inhalt. Ich habe dazu wirklich nicht mehr wahnsinnig viel zu sagen, weil das Thema bereits hinlänglich behandelt wurde. Sie machen es dadurch nicht besser.
Ich habe das Ziel der SPD-Fraktion der industrieverträglichen Ausgestaltung interessiert und positiv aufgenommen. Auch wir sind dafür, dass NordrheinWestfalen Industrieland ist und Industrieland bleibt. Deswegen setzt sich die Landesregierung schon seit Langem in Brüssel dafür ein, dass die Zuteilung für das energieintensive produzierende Gewerbe für den Zeitraum 2013 bis 2020 auf der Grundlage von Best-Available-Technology-Benchmarks kostenlos erfolgt. Sie schießen also ins Leere, wenn Sie die Landesregierung zu etwas auffordern, was sie ohnehin schon lange tut. Das kann man machen, vielleicht wird es durch Wiederholung auch noch ein bisschen klarer. Insofern nehmen wir diese Hinweise dankbar erneut auf, und wir verweisen auf die schon lange bestehenden Aktivitäten.
Wir hoffen jedenfalls, dass wir die Vollauktionierung verhindern können. Insofern verteilen wir kein Geld, das wir nicht haben. Wenn uns das gelingt, wäre das die beste Lösung für die Struktur NordrheinWestfalens. Wenn es nicht gelingt, ist doch klar, dass angemessene Teile der Erlöse nach Nordrhein-Westfalen fließen müssen. Aber auch da ist die Landesregierung schon lange aktiv. Deswegen hätte ich mir gewünscht, Sie hätten die Aktivitäten in diesem Bereich gelobt. Dass Sie das nicht können, verstehe ich.
Dass Sie sie nicht unterstützen wollen, verstehe ich nicht. Aber das ist Ihr Verständnis von der Rolle der Opposition. Ich kann dazu nur sagen: Das war ein Schuss weit neben das Ziel.
Erstens. Der Gedankengang „Benchmarks für energieintensive Industrieunternehmen“ ist richtig. Statt einer Vollauktionierung fordern wir aber ganz klar ein brennstoffspezifisches Benchmark auch für die Energiewirtschaft. Hier zeigt sich das Gedankengebäude sozialistischer Planwirtschaft bei unseren Kollegen auf der linken Seite. Man muss sich einmal vorstellen, was hier im Raume steht: Man will der
Industrie die Liquidität nehmen, sie den Ländern zurückgeben, und die Länder sollen dann der Kraftwerkswirtschaft das Geld geben, das sie gerade vorher gezahlt haben. – Ich sehe darin keinen Sinn. Da halte ich den Gedankengang des Kollegen Remmel schon für nachvollziehbarer, obwohl ich ihn nicht teile,
weil er etwas im Bereich der Energieeinsparungsmaßnahmen machen will. Aber den Gedankengang unserer sozialistisch-planwirtschaftlich orientierten Freunde kann ich nun wirklich nicht nachvollziehen.
Zweitens. Warum sind die Franzosen so für Emission-Trading? Als Franzose wäre ich es auch, denn dann bräuchte ich nichts zu bezahlen.