Herr Kollege Sagel, das ist relativ einfach zu beantworten: der eine oder andere mit dem Verlust seines Jobs. Eine Haftung der Sache nach ist nach der geltenden Rechtsordnung nicht durchsetzbar, es sei denn, es ist Fahrlässigkeit oder grober Vorsatz im Spiel gewesen. Das wird in einem Streitverfahren schwer zu beweisen sein. Dieser Punkt ist durchaus diskussionswürdig. Sie wissen, dass nach dem unternehmerischen Leitbild meiner Fraktion der haftende Eigentümer Unternehmer ist. Im Hinblick darauf gibt es sicherlich Verbesserungsbedarf.
Aber nun weiter zu den Problemen, die unter diesem Tagesordnungspunkt anstehen: Ich habe das Verhandlungsergebnis geschildert und möchte mich dafür bei Jürgen Rüttgers und Helmut Linssen im Namen der CDU-Fraktion ganz ausdrücklich bedanken.
Auch Ihnen, Frau Walsken oder Frau Löhrmann, wäre kein Zacken aus der Krone gefallen, wenn Sie sich diesem Dank aus vollem Herzen angeschlossen hätten.
Denn in der Situation, in der wir heute sind, geht es längst nicht mehr um Parteien, also um CDU, SPD, Grüne oder was auch immer,
es geht ausschließlich um unser Land, liebe Kolleginnen und Kollegen. Um die Menschen in unserem Land haben sich der Ministerpräsident und der Finanzminister mit ihrem Beitrag zur Stabilisierung der Finanzwirtschaft in hervorragender Weise verdient gemacht.
Da Sie das aber nicht akzeptieren können und wollen, stellt sich für mich die Frage nach Ihrem Staatsverständnis in einer Krisensituation. Im Nachkriegsdeutschland haben wir es immer wieder er
lebt, dass die Parteien dann, wenn es hart auf hart gegen äußere Kräfte, um innere Notstände ging, zusammengehalten und zusammengearbeitet haben.
Sie aber haben es als lächerlich bezeichnet, dass die SPD beispielsweise ihren bescheidenen Einfluss in Berlin nutzen könnte, um uns insgesamt, um den Menschen in diesem Land zu helfen. Ich finde, das eine schreckliche Aussage, und frage mich: Was haben Sie für ein Demokratieverständnis? Der Parteienstreit und -hader hat an dieser Stelle aufzuhören. Es ist doch nicht die Landesregierung gewesen, die das Übel Finanzmarktkrise in die Welt getragen hat. Wir versuchen doch die Menschen vor den Auswirkungen zu schützen. Sie lachen dreckig und erklären: Da machen wir nicht mit! – Das finde ich absolut nicht in Ordnung.
Frau Kollegin Walsken, Sie haben behauptet: Der Ministerpräsident und der Finanzminister haben die ganze Sache verschlimmbessert, es ist nichts dabei herausgekommen. – Kapieren Sie eigentlich nicht, dass man eine Entscheidung in einer solchen Situation auch mal so treffen muss, dass man ein unbegrenztes Risiko, wenn man es einschränken kann, begrenzt und an anderer Stelle dann ein klein bisschen nachgeben muss?
Der Finanzminister hat geschildert, wie unerquicklich die Verhandlungssituation war, dass der Bundesfinanzminister zusammen mit Ihren Ministerpräsidenten alles abgeblockt hat, was aus Sicht von Nordrhein-Westfalen vielleicht noch besser zu machen gewesen wäre.
Frau Kraft, ich hätte – verdammt noch einmal! – erwartet, dass Sie als Präsidiumsmitglied der Bundes-SPD gesagt hätten: Freunde, so nicht; das wollen wir geregelt wissen! – Dann wäre es vielleicht anders gekommen.
(Gisela Walsken [SPD]: Aha! Warum haben Sie es Ihren Freunden nicht gesagt? – Weite- re Zurufe von SPD und GRÜNEN)
Trotz allem und ungeachtet dessen, wie es gekommen ist, stellt das ein gutes Verhandlungsergebnis für Nordrhein-Westfalen dar, auf das diese Landesregierung stolz sein kann. Der Bund wollte von Anfang an noch sehr viel mehr als nach jetzigem Stand haben. Und wir haben insgesamt eine Stabilisierung erreicht.
Wenn uns vorgeworfen wird, wir zahlten für die Landesbank doppelt und wir seien zu früh gewesen, sage ich: Meine Damen und Herren, wir sind nicht zu früh gewesen; wir haben gemeinsam mit den Sparkassenverbänden im Frühjahr handeln müssen und haben damals schon gesagt, dass es am sinnvollsten wäre, gemeinsam mit dem Bund einen Risikoschirm für die gesamte Bankenlandschaft in
Deutschland aufzuspannen. Damals haben Sie und andere uns noch ausgelacht. Jetzt sind wir so weit. Man konnte damals schon irgendwie erkennen, was passieren würde.
Aber aufgrund der öffentlichen Diskussion mussten wir für diese Landesbank handeln. Ich bin froh, dass wir jetzt wenigstens Teile der Risiken herausverhandelt haben und nicht mehr alles allein tragen müssen. Wenn man auf der einen Seite ein Risiko begrenzen kann, muss man auf der anderen Seite ein bisschen nachgeben.
Ganz entscheidend ist: Es ging in kürzester Zeit um alles oder nichts. Die Grünen haben das Finanzmarktstabilisierungspaket für nicht zustimmungsfähig erklärt. Der Kollege Papke hat dem entgegengehalten: Haben Sie eigentlich den Schimmer einer Ahnung, was passiert wäre, wenn wir uns so verhalten hätten? Wir hätten Zustände bekommen wie in Amerika, nur noch etwas schlimmer. Das hätte die Märkte in Deutschland wirklich nicht stabilisiert–
(Ralf Witzel [FDP]: Das wäre das perfekte grüne Chaos! – Svenja Schulze [SPD]: Für Chaos sind Sie zuständig!)
Eine ganze Reihe von ganz klugen Leuten und von Besserwissern in der SPD und bei den Grünen meinen nun: Ach, mit uns wäre das alles nicht passiert. – Ich will es Ihnen benennen, welchen Beitrag Sie während Ihrer glorreichen rot-grünen Regierungszeit geleistet haben: Sie haben uns 2004 das sogenannte Investmentmodernisierungsgesetz beschert. Kern dieses Gesetzes war, dass Hedgefonds in Deutschland erstmalig zugelassen wurden, damit auch die Menschen in Deutschland Anteil an diesem modernen Finanzierungsinstrument haben konnten. Heute wollen Sie nichts mehr davon wissen.
Ich möchte noch einen namhaften Beitrag erwähnen. Der beamtete Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Herr Asmussen, hat sich noch 2006 dafür eingesetzt, verstärkt moderne Finanzierungsinstrumente zur Finanzierung bei Banken und Unternehmen einzusetzen. Er hat sich als damaliger Abteilungsleiter im Finanzministerium dafür eingesetzt, bei der Prüfung von Finanzderivaten größte Zurückhaltung an den Tag zu legen.
Meine Damen und Herren, ein Teil der Probleme wäre wohl nicht entstanden, wenn die Politik damals schon eine andere gewesen wäre. Heute kommen Sie vom Rathaus, wollen uns das alles an die Backe binden und haben es im Grunde genommen selber verursacht. Dazu kann ich nur sagen: Ein jeder kehre vor seiner Tür!
Jetzt hat sich herausgestellt: Wer den Markt als Mechanismus begreift, wie es in angelsächsischen Volkswirtschaften durchaus üblich ist, musste sich jetzt eines Besseren belehren lassen. Der Markt ist kein Mechanismus, der alles regelt; der Markt ist als Mechanismus vor allem sozial blind. Er kann nur marktgängige Leistungen honorieren.
In unserem Verständnis aber ist der Markt eine höchst demokratische Institution. Täglich entscheiden Millionen Menschen über die bestmögliche Verwendung der Produktionsfaktoren. Das ist eine ganz demokratische Abstimmung,
wobei die Preise und die Knappheit der Güter im Marktergebnis zum Ausdruck kommen. Dann ist es Aufgabe des Staates, dafür zu sorgen, dass die Marktergebnisse so verteilt werden, dass alle Menschen ihren Anteil haben und dass niemand durch den Rost fällt und dass alle im sozialen Sinne mitgenommen werden.
Das ist die Aufgabe der sozialen Komponente in der sozialen Marktwirtschaft. Der Markt muss die Faktorkombination regeln, und der Staat muss dafür sorgen, dass die Leitplanken richtig eingezogen sind.
Meine Damen und Herren, an dieser Stelle haben wir gelernt, dass die Leitplanken, die wir in Deutschland im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft haben, in Ordnung sind.
Aber auf den internationalen Finanzmärkten haben diese Leitplanken gefehlt. Sie müssen schnellstens eingezogen werden; das hat der Ministerpräsident von Anfang an gesagt. Jetzt muss dafür gesorgt werden, dass wir eine internationale Finanzmarktordnung bekommen, die solche Exzesse, wie wir sie erlebt haben, verhindert.
Was passiert ist, ist relativ einfach zu verstehen. Ich vergleiche das mit der Straßenverkehrsordnung. In der Lüneburger Heide braucht man eine andere Straßenverkehrsordnung als im Großstadtgewühl von Berlin, Neapel, Paris, London oder New York.
weit nicht gehabt. Wir haben Sie noch nicht. Wir müssen sie bekommen. Aber man kann nicht sagen: Der Markt als Institution kann durch Sozialismus pur und durch Staat ersetzt werden.
Wir müssen nur darauf achten, dass Spielregeln im Interesse der Menschen eingehalten werden. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe. Dahin sollten wir kommen.