Das ist überall im Land so und unabhängig davon, wer regiert. Durch die Abschaffung des Elternbeitragsdefizitausgleichs haben sogar die meisten Kommunen die Summen erhöht.
Frau Löhrmann, der lag vorher, als es landesweit geregelt war, bei 11.000 € und liegt heute bei 16.000 bis 20.000 €, weil jede Kommune genau den Eltern geholfen hat. Diesen Wettbewerb wollen wir. Ja, Frau Schäfer, wir wollen diese kommunale Vielfalt.
Wenn Sie sich über das Beispiel der Gemeinde Much im Rhein-Sieg-Kreis, die wirklich nicht zu den finanziellen Problemgemeinden des Landes gehört, und über das Elternpaar, das einen völlig überhöhten Beitrag zahlen musste, aufregen, engagieren Sie sich mit Verve für Besserverdienende.
Denn diese Familie muss mindestens 86.000 € verdienen, um überhaupt diesen ungerechten Beitrag bezahlen zu müssen. Sie tun so, als würden
Sie sich für arme Familien einsetzen. Sie reden, als seien Sie von der Partei der Besserverdienenden.
(Ute Schäfer [SPD]: Das war früher auch so! – Zuruf von den GRÜNEN: Der Millionär wür- de seinen Sohn aus dem Kindergarten neh- men! – Weitere Zurufe)
Frau Schäfer, als Sie Ministerin waren, lag der Höchstbeitrag, ab dem man den Spitzensatz zahlte, bei 61.000 €. Ab diesem Betrag wurde nicht mehr differenziert. Jede Kommune macht das heute anders. Wer 100.000 € verdient, muss anders behandelt werden, als jemand, der 60.000 € verdient.
(Beifall von CDU und FDP – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Am besten bei der Steuer, Herr Laschet! – Weitere Zurufe)
Diese Vielfalt ist jetzt erst entstanden. Insofern helfen Ihnen diese Debatten nicht weiter. Sie können das mit den Elternbeiträgen versuchen. Die Ergebnisse der Bildungspolitik zeigen sich in der Qualität der Einrichtungen, die im Laufe unserer Regierungszeit besser geworden ist.
Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Aktuelle Stunde.
2 Abschlussbericht der Enquetekommission II „Chancen für Kinder“: Zweite Enquetekommission des Landtags erarbeitet Vorschläge für ein optimales Betreuungs- und Bildungsangebot in NRW
Ich eröffne die Beratung und erteile zuerst dem Vorsitzenden der Enquetekommission, Herrn Prof. Dr. Bovermann, zu einer zusätzlichen mündlichen Berichterstattung das Wort. Bitte, Herr Kollege.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, Ihnen heute als Vorsitzender der Enquetekommission „Chancen für Kinder“ den Abschlussbericht vorstellen zu dürfen.
Eine Enquetekommission unterscheidet sich gleich in mehrfacher Weise von den herkömmlichen Ausschüssen des Landtags. Sie hat die Aufgabe, über einen längeren Zeitraum hinweg umfangreiche und bedeutsame sehr intensiv zu behandeln. Sie tagt dabei nicht öffentlich, was die Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg erleichtern kann, und sie setzt sich nicht nur aus Abgeordneten aller Fraktionen, sondern auch aus Sachverständigen – Wissenschaftlern und Praktikern – zusammen. Damit verfügt sie intern über Expertenwissen und kann zusätzlich über Forschungsvorhaben weiteres Sachwissen hinzuziehen.
Auch von dem sonst vorherrschenden Wechselspiel von Regierung und Opposition, das wir heute Morgen schon erleben durften, unterscheidet sich eine Enquetekommission in der Regel durch eine stärkere Konsensorientierung. Sie soll mittel- und langfristig Entscheidungen der Landespolitik vorbereiten und gehört damit zum Bereich der Politikberatung.
Die Enquetekommission „Chancen für Kinder“ war bereits die siebte des Landtags Nordrhein-Westfalens, jedoch die erste, die sich mit dem Thema Erziehung, Betreuung und Bildung für Kinder und Jugendliche in Nordrhein-Westfalen beschäftigt hat. Die Wahl eines schon von vornherein strittigen und parteipolitisch umkämpften Politikfeldes und auch der Zeitpunkt nach einem Regierungswechsel stellten weitere Besonderheiten dar. Die Folge war, dass immer wieder Fragen der Tagespolitik und der Gesetzgebung in die Kommission hineinwirkten und uns die Arbeit nicht immer erleichtert haben.
Meine Damen und Herren, hinter der Kommission liegt ein mehr als zwei Jahre dauernder Diskussionsprozess. Am Anfang standen ein Antrag der SPD und der Einsetzungsbeschluss, der am 30. November 2005 von allen Fraktionen unterstützt wurde. Er wies auf die zentrale Rolle des demografischen Wandels für unsere Gesellschaft und auf die Notwendigkeit einer nachhaltigen Familienpolitik hin.
Diese Familienpolitik sollte den Familien verlässliche Optionen zur Realisierung ihrer Lebenspläne sowie den Frauen und Männern eine Balance von Erwerbsarbeit und Familie ermöglichen. Als zweite Säule einer optimalen Unterstützung für die Familien wurde eine Familienpolitik genannt, die die Verwirklichung von sozialer Gerechtigkeit, Integration
und Chancengleichheit zum Ziel hat. Damit war die Ausgangssituation definiert und das Spannungsfeld von Familien- und Bildungspolitik beschrieben.
Die Kommission wurde beauftragt, notwendige Elemente einer verlässlichen Betreuungskette vom ersten Lebensjahr bis zum Ende der Sekundarstufe I darzustellen. Sie sollte die Aufgabenverflechtung und Ressourcenverteilung zwischen Land, Kommunen, Trägern und Familie aufarbeiten. Die verschiedenen Möglichkeiten der Steuerung und die damit verbundenen Finanzierungsmöglichkeiten sollten dargestellt und der Politik entsprechende Handlungsempfehlungen für einen effizienten und zielgerichteten Mitteleinsatz unterbreitet werden.
Doch es zeigte sich, dass diese Aufträge unterschiedlich interpretiert wurden. Die Folge war, dass die Enquetekommission nach ihrer konstituierenden Sitzung im März 2006 ihr Arbeitsfeld zunächst inhaltlich neu abstecken musste. Mehrere Sitzungen wurden mit umfassenden und zeitaufwendigen Diskussionen des Arbeitsprogramms verbracht, das schließlich nach sechs Monaten verabschiedet werden konnte.
Zum einen kam es dabei zu einer Ausweitung der im Einsetzungsbeschluss genannten Aufgaben – die wichtigen Themen Familie, Gesundheit, Armut und Medien wurden beispielsweise in der Kommission intensiv diskutiert –, zum anderen rückten Aufträge an die Kommission wie die Untersuchung der Aufgabenverflechtung und Ressourcenverteilung sowie die Entwicklung von Steuerungs- und Finanzierungsmodellen deutlich in den Hintergrund oder wurden auf spätere Phasen der Kommissionsarbeit verschoben.
Zugleich gelang es uns jedoch, die Untersuchung auf die Altersgruppe zwischen der Geburt und dem 16. Lebensjahr einzugrenzen und uns als Kommission darauf zu verständigen, dass wir – umfassend – die begriffliche Trias von Erziehung, Betreuung und Bildung nicht getrennt, sondern in ihren Wechselwirkungen betrachten wollten.
Die Analysen und vor allem auch die Handlungsempfehlungen sollten vom Kind aus gedacht werden und sich in erster Linie an dessen Wohl orientieren.
In zweiter Linie sollte sich die Arbeit der Enquetekommission an einer Stärkung der direkten Lebensumwelt von Kindern und Jugendlichen orientieren.
Erst in dritter Linie sollte es um die Frage gehen, ob die Institutionen zur Erziehung, Bildung und Betreuung auch die Ergebnisse produzieren, die sich Politik, Gesellschaft und Wirtschaft von ihnen erhoffen.
Nicht alle diese Grundsätze sind auch am Ende noch in den Empfehlungen wiederzufinden. Das Bemühen, vom Kind aus zu denken, sollte zwar im Vordergrund stehen, blieb aber in einem Spannungsverhältnis zu den Erwartungen an die Leistungsfähigkeit der Familien und Institutionen.
Die anfangs in den Blick genommene Orientierung an den Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen konnte insbesondere im Hinblick auf die Sozialraumorientierung nur teilweise umgesetzt werden. Das gilt auch für die vielen offenen Finanzierungsfragen in den Handlungsempfehlungen.
Meine Damen und Herren, alle bisherigen Enquetekommissionen mussten jeweils eigene Verfahren suchen, um eine effektive Arbeit zu leisten. Das galt auch für diese Enquetekommission. Angesichts der geschilderten Problemlage blieb uns eigentlich nur, einen Arbeitsprozess mit einem offenen Ausgang zu initiieren. Dies schien die einzig angemessene Lösung zu sein.
Insofern umfasste der Prozess vier Schritte: erstens die Analyse und Bestandsaufnahme, zweitens die Aufnahme der Impulse aus der Forschung und Praxis, drittens die Definition der Ziele und Steuerungen sowie viertens die Formulierung der Handlungsempfehlungen. Es handelt sich zwar um unterschiedliche Zugänge zum Thema mit eigenem Stellenwert, doch sie bauen aufeinander auf und sind im Zusammenhang zu sehen.
Im Verlauf des Arbeitsprozesses gab es einige Krisensituationen zu überwinden. Zum einen erwies sich der Übergang von der Informationssammlung, mit der wir uns lange beschäftigt haben, zur Schreibphase als eine Hemmschwelle. Sie wäre nicht überwunden worden, wenn nicht die Sachverständigen in unserer Kommission Texte beigesteuert und insbesondere die federführende Rolle für die Berichtsteile A bis C übernommen hätten. Dafür an dieser Stelle noch einmal ganz herzlichen Dank!
Die zweite Hürde bildeten die Handlungsempfehlungen. Da sich die Kommission nicht rechtzeitig auf ein Verfahren einigen konnte, mussten vor allem Probleme der Quantität der Handlungsempfehlungen und auch der Qualität der Formulierung überwunden werden.
Am Ende der Kommissionsarbeit schließlich, mit zunehmender Nähe zur Veröffentlichung der Ergebnisse, waren offensichtlich die Gemeinsamkeiten zumindest aufseiten der Abgeordneten aufgebraucht. Taktische und parteipolitische Erwägungen führten zu einem Dissens hinsichtlich des Zeitpunkts der Beendigung der Enquete, der Erstellung einer Zusammenfassung und der Vorstellung des Berichts in einer gemeinsamen Pressekonferenz.
Beigefügt ist zum ersten Mal eine CD mit dem Bericht als Datei und allen neun Gutachten bzw. Expertisen, die die Kommission vergeben hat.
Bei dem Gesamtumfang des Kommissionsberichts fällt der Blick zunächst auf die Ergebnisse in Form der Handlungsempfehlungen. In einem umfangreichen Katalog von insgesamt 124 Handlungsempfehlungen, gegliedert in zwölf Handlungsfeldern, sind diese zusammengetragen worden. Sie sind aber auf keinen Fall isoliert zu sehen, sondern sie gehören in den Zusammenhang mit den Teilen A, der Bestandsaufnahme, B, den Forschungsvorhaben, und C, der sich mit Zielsetzung und Steuerung beschäftigt.
Ein wesentlicher Erfolg der Kommission liegt aus meiner Sicht darin, dass trotz der eingangs geschilderten schwierigen Konstellation über weite Strecken eine vertrauensvolle Zusammenarbeit unter den Kommissionsmitgliedern begründet werden konnte. Nach meiner Einschätzung war die Arbeit für alle Beteiligten ein Lernprozess. Der Kommission ist es gelungen, in den Berichtsteilen A bis C bis auf wenige Ausnahmen und schließlich auch über den Bericht als Ganzes einen Konsens zu erzielen. Allen Beteiligten war demgegenüber bewusst, dass gerade der Berichtsteil D, die Handlungsempfehlungen, so etwas wie eine Sollbruchstelle markieren würde. Doch auch hier gab es trotz der 52 Sondervoten, die teils abweichend, teils ergänzend zu Mehrheitspositionen sind, viele Übereinstimmungen.