Rainer Bovermann
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Frau Ministerin, wir haben gerade selbst erlebt, wie schwierig es mit Prognosen ist. Deshalb möchte ich noch einmal fragen, ob uns die angekündigte aktuelle Prognose für den Lehrerbedarf bald zugehen wird.
Frau Ministerin, Sie haben in der Pressemitteilung von Sexualstraftätern gesprochen. Welche weiteren Deliktgruppen sind denn betroffen?
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 10, 15, 44, 52 – diese Zahlen charakterisieren den Ausgang der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen.
Die „10“ steht für die Anzahl der Fraktionen bzw. Gruppierungen, die in den Rat der Stadt Duisburg einziehen. Nun sind es also schon zehn Akteure, darunter fünf mit jeweils nur einem Ratsmitglied. 1,1 % der gültigen Stimmen reichten aus, um eines dieser Mandate zu erringen. Das sind gerade einmal 0,5 % der Wahlberechtigten.
Doch Duisburg ist kein Einzelfall. Ähnlich sieht es in Köln und Essen aus, wo wir acht bzw. neun Gruppierungen im Rat haben. Mit anderen Worten: Der Trend zur Zersplitterung der Räte und Kreistage, der mit dem Wegfall der 5 %-Hürde im Jahre 1999 begann, hat sich eindeutig fortgesetzt. Dazu hieß es in einem Zeitungsartikel: „Viele Rathäuser sind zur Villa Kunterbunt geworden.“
Nun könnte man diese Farbtupfer als Bereicherung der kommunalen Landschaft ansehen, wären nicht die Folgen zu beachten, die unlängst in einem Gut
achten von Prof. Bogumil aufgezeigt worden sind. Mit der wachsenden Anzahl der Akteure verlängern sich die Ratssitzungen, nimmt die Sitzungseffizienz ab, wird die Bildung klarer Mehrheiten erschwert. Die Arbeitsfähigkeit der Räte gerät in Gefahr. Die Belastung der ehrenamtlichen Kommunalpolitiker steigt. Abhilfe verspricht hier ein Mittel: die Wiedereinführung einer moderaten, aber wirksamen Sperrklausel.
Die zweite Zahl – 15 – steht für den Anteil der Wahlberechtigten, die in Wülfrath die Bürgermeisterin Claudia-Almut Panke ins Amt gewählt haben. Umgekehrt waren es 85 %, die sie nicht gewählt haben. Doch das war nicht ausschlaggebend. Es reichten die 27 % der gültigen Stimmen für den Sieg. Ähnlich sah es in anderen Städten aus.
Der Verein „Mehr Demokratie“ hat errechnet, dass allein 32 Bürgermeister bzw. Landräte mit einem Ergebnis unter 40 % der gültigen Stimmen ins Amt gelangt sind. Diese Amtsinhaber verfügen über keinen breiten Rückhalt in der Bevölkerung, müssen aber in schwieriger wirtschaftlicher und finanzieller Situation unpopuläre Entscheidungen treffen und vermitteln. Um eine solche Konstellation zu verhindern, ist die Wiedereinführung der Stichwahl erforderlich, die gerade von der schwarz-gelben Landtagsmehrheit abgeschafft worden ist.
Die Stichwahl garantiert nämlich, dass im zweiten Wahlgang unter den besten Kandidatinnen und Kandidaten ein Bewerber gewählt wird, der mindestens über 50 % der gültigen Stimmen verfügt und damit eine ausreichend breite Legitimation hat.
Die dritte Zahl, die ich genannt habe, steht für die Wahlbeteiligung in Düsseldorf. Mit nur 44,6 % lag sie im Landesvergleich besonders niedrig. Allerdings fand in der Landeshauptstadt auch nur eine Ratswahl statt. Es fehlten damit im Wahlkampf die Bürgermeisterkandidaten als Zugpferde der Parteien, um die Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren.
Was für Düsseldorf und eine Reihe weiterer Städte 2009 die Ausnahme war, wird für alle Kommunen in Nordrhein-Westfalen 2014/2015 zur Regel: die Entkopplung der Rats- und Bürgermeisterwahl. Dann droht flächendeckend ein Rückgang der Wahlbeteiligung bei der Ratswahl, aber auch, wie die Erfahrungen in Süddeutschland zeigen, bei der Bürgermeisterwahl. Um einen solchen Rückgang der Legitimation zu verhindern, muss wieder zusammenwachsen, was zusammengehört: Rats- und Bürgermeisterwahl gehören auf einen Termin!
52 %, die letzte Zahl, steht für die Wahlbeteiligung an der Kommunalwahl insgesamt. Sie ist gegenüber
2004 noch einmal zurückgegangen und hat einen neuen historischen Tiefstand erreicht. Dazu hat sicherlich auch beigetragen, dass die Wahl bewusst auf einen Termin zwei Wochen nach den Schulferien und vier Wochen vor der Bundestagswahl gelegt worden ist.
Dass die naheliegende Zusammenlegung mit der Bundestagswahl nicht zustande kam, ist das zweifelhafte Verdienst der Herren Wüst und Lindner.
Sie trauten den Wählern eine Differenzierung der Wahlebenen an einem Tag nicht zu. In Wirklichkeit versprachen sie sich politische Vorteile durch eine niedrige Wahlbeteiligung.
Für den Oberstrategen Wüst ist das gründlich schiefgegangen, da dieses Mal offensichtlich viele CDU-Wähler zu Hause geblieben sind.
Meine Damen und Herren, 10, 15, 44, 52 – das ist zugleich die Bilanz des schwarz-gelben Experimentierens am Kommunalwahlrecht. Experimente ohne Not, Experimente allein aus parteitaktischen Motiven, Experimente gegen den Rat vieler Experten, und dies mit fatalen Folgen für die kommunale Demokratie, einer Gefährdung ihrer Funktionsfähigkeit und dem Risiko geringerer Legitimation!
Und deshalb füge ich noch eine Zahl hinzu: die Null. Die Null steht für den Innenminister und seine Unfähigkeit, sich für die kommunale Demokratie stark zu machen.
Gleich wird er wieder an das Rednerpult treten und sich hinter juristischen Interpretationen verschanzen. Dabei hat ihm der Verfassungsgerichtshof in seinem Urteil von 2008 zur verfassungswidrigen Mindestsitzklausel geradezu einen Arbeitsauftrag erteilt, nämlich valide empirische Untersuchungsergebnisse für eine nachvollziehbare, begründete Prognose drohender Funktionsstörungen der Räte vorzulegen.
Deutlicher geht es nicht mehr. Wann wird dieser Kommunalminister endlich seiner Rolle gerecht?
Ich habe da wenig Hoffnung. Neugierig bin ich allerdings auf die Position der Kommunalpolitiker in der CDU-Fraktion; denn die haben sich mehr oder weniger offen dahin gehend geäußert, dass sie eine Sperrklausel schon ganz gern wieder einführen würden. Der Kollege Lux hat im Plenarsaal gesagt: „Ob und wie die Situation nach der Kommunalwahl aussieht, werden wir dann sehr akribisch prüfen.“
Nun, Herr Lux, die Kommunalwahl ist vorbei. Die Daten liegen auf dem Tisch. Hic Rhodus, hic salta! Herr Lux, springen Sie! – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei den Beratungen zum Kommunalwahlgesetz gab es ganz offensichtlich noch eine gewisse Grundübereinstimmung zwischen allen Fraktionen hier im Haus, zumindest was das Problembewusstsein anging. Denn immerhin sah das Gesetz die Regelung einer Mindestsitzzahl vor, die einer noch weiteren Zersplitterung der Räte und Kreistage im Lande entgegenwirken sollte. Wir haben uns damals schon für eine echte Sperrklausel ausgesprochen, weil dieser Notbehelf für uns unter dem entscheidenden Mangel gelitten hat, dass gerade in den Großstädten, wo wir eine Fragmentierung am stärksten befürchten müssen, von einer solchen Mindestsitzregelung so gut wie keine Wirkung ausgegangen wäre.
Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs ist die Mindestsitzzahl vom Tisch. Das Problem bleibt aber bestehen. Bei der nächsten Kommunalwahl droht uns eine weitere Zersplitterung – mit allen bekannten Folgen.
Schon während unserer Anhörung haben zahlreiche Sachverständige die Wiedereinführung einer moderaten Sperrklausel gefordert. Ich verweise beispielhaft auf die Stellungnahme des Landrats des RheinSieg-Kreises, der bekanntlich der CDU angehört. Aber auch der Landkreistag spricht sich ausdrücklich für die Wiedereinführung einer Sperrklausel aus.
Meine Damen und Herren, man kann sich jetzt auf verschiedene Art und Weise mit dieser Situation befassen. Wir als SPD nehmen die Bedenken, die parteiübergreifend im kommunalen Raum geäußert werden, ernst.
Die Tatsache, dass diese Fragmentierung ganz besonders unsere Großstädte betrifft, weist auf die gerade schon angesprochene spezielle Situation im Land Nordrhein-Westfalen hin. Herr Lux, Sie müssen sich wirklich noch einmal die Größenverhältnisse in Baden-Württemberg und in NordrheinWestfalen im Vergleich anschauen.
Nun gibt es unbestritten die hohen rechtlichen Hürden, die vom Verfassungsgerichtshof gesetzt worden sind. Das Ganze ist aber nicht allein eine rechtliche Frage und auch nicht nur eine Frage des politisch Wünschbaren, sondern, wie das Verfassungsgericht selbst gesagt hat, eine Frage der Empirie, also der Überprüfung.
Wir als sozialdemokratische Landtagsfraktion haben die Initiative ergriffen. Wir haben ein Gutachten in Auftrag gegeben, das mein Kollege Herr Professor Bogumil von der Ruhr-Universität Bochum auch hier im Landtag vorgestellt hat. Dieses Gutachten haben wir auch allen Fraktionen zur Willensbildung zur Verfügung gestellt. Darin wird deutlich, dass die Funktionsfähigkeit insbesondere in den Großstädten gefährdet ist, wo zum Teil bis zu acht und mehr Gruppierungen in den Räten oder Kreistagen sitzen.
Dort sind Mehrheiten, gerade wenn es um Haushaltsberatungen geht, sehr, sehr schwer herzustellen. Damit nimmt die Belastung im kommunalen Ehrenamt zu. Es stellt sich auch die Frage des unterschiedlichen Erfolgswertes der abgegebenen Stimmen. Alles das muss gründlich untersucht werden.
Nun müssen Sie von der CDU sich entscheiden, ob sie sich dieser Meinung anschließen können oder ob Sie sich der Meinung des Innenministers anschließen wollen – der augenscheinlich dem Rat der berühmten drei Affen aus dem japanischen Sprichwort „Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“ folgt; denn offensichtlich will er auf jeden Fall eine systematische Untersuchung der Problematik verhindern.
Wir schlagen in unserem Entschließungsantrag nicht mehr und nicht weniger vor, als vor dem Hintergrund der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung und des Gutachtens von Herrn Prof. Bogumil die Funktionsfähigkeit der Räte und Kreistage systematisch zu untersuchen. Das ist der ganz bewusste Versuch, die verfassungsrechtlich entscheidende Frage zu klären, bevor wir als Gesetzgeber aktiv werden.
Wer sich einer solchen Klärung verweigert, der ignoriert die Probleme – offensichtlich, weil er dem kleineren Koalitionspartner entsprechende Zugeständnisse machen muss. Sie haben ganz offenbar Angst davor, nach einer Klärung der Sache Farbe bekennen zu müssen.
Wir fordern Sie heute noch einmal auf, sich unserem Entschließungsantrag anzuschließen und sich einer empirischen Überprüfung der Frage der Fragmentie
rung der Räte und Kreistage zu stellen. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Ein Gespenst geht um in Europa.“ Zwar droht nicht die Einführung des Kommunismus, aber die Verankerung der sozialen Marktwirtschaft in den Schulbüchern scheint in Gefahr. Doch die Rettung in Gestalt eines Antrags von CDU und FDP naht.
Beginnen wir einmal mit der Problemdefinition: Der Antrag stützt sich auf eine Auftragsstudie der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft – ein Schelm, wer Böses dabei denkt – und auf andere, nicht näher bezeichnete Quellen.
Nun gibt es – wer wollte das bestreiten? – tatsächlich Defizite in der politischen Bildung. Der Bereich der Ökonomie zählt sicherlich auch dazu. Doch der Antrag vermischt die verschiedenen Aspekte, verkürzt sie auf die soziale Marktwirtschaft und zieht den Fehlschluss von den Unterrichtsmedien auf mangelnde Kenntnisse bei den Schülerinnen und Schülern.
Selbst die genannte Studie des renommierten Georg-Eckert-Instituts kommt zu dem Ergebnis – ich zitiere –:
Eine grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber Unternehmertum und Marktwirtschaft kann deutschen Schulbüchern nirgendwo attestiert werden,
wohl aber eine Werthaltung, die unternehmerisches und rein marktwirtschaftliches Handeln nicht als höchstes Gut einordnet.
Ein Blick in die Curricula und die für NRW zugelassenen Schulbücher der Sekundarstufen I und II bestätigt, dass das Thema „soziale Marktwirtschaft“ umfänglich und sachlich angemessen dargestellt wird.
Die tatsächlichen Probleme der politischen Bildung werden von Ihrem Antrag nicht erfasst.
Kommen wir nun zu den Lösungsvorschlägen. Der Antrag plädiert für mehr wirtschaftliches Grundlagenwissen. Die Stichworte lauten „selbstständige Unternehmer“ und „private Eigenvorsorge“. Das klingt verdächtig nach „Privat vor Staat“. Diese Inhalte sollen frühzeitig, vielseitig, objektiv und unideologisch vermittelt werden.
Interessant ist jedoch, was nicht erwähnt wird: beispielsweise die Gemeinwohlorientierung im Zusammenhang mit dem Begriff von Eigentum – Art. 14 Grundgesetz –, die Korrekturfunktion der Sozialpolitik, die Rolle der Gewerkschaften und die Bedeutung der Mitbestimmung. Das ist gerade deshalb relevant, weil sich das Grundgesetz auf keine bestimmte Wirtschaftsordnung festlegt, wohl aber ein Sozialstaatsgebot enthält und damit eine schrankenlose Marktwirtschaft ausschließt.
Mit anderen Worten: Ihr Antrag zielt nicht auf Vielfalt und Objektivität, sondern ist einseitig und ideologisch ausgerichtet.
Damit sind wir bei der Umsetzung in die Praxis. Unterrichtsreihen sollen in enger Abstimmung mit Wirtschaftsverbänden und Kammern entwickelt werden, und Vertreter der örtlichen Wirtschaft sollen Schülern selbstständiges Handeln und Wirtschaften erläutern.
Meine Damen und Herren, das ist nichts Neues. Tatsächlich gibt es eine gute und vielfältige Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Schule. Hier besteht eher die Gefahr, dass dem Verbandseinfluss Tür und Tor geöffnet werden soll. Ich weiß ja nicht, an welche Unternehmer Sie denken – wahrscheinlich nicht an Herrn Zumwinkel oder Herrn Ackermann.
Vielleicht schwebt Ihnen Herr Lindner von der FDP vor. Wenn ich mir ihn im Politikunterricht vorstelle, wird mir angst und bange.
Den Vorschlag, Firmenmitarbeiter als Ersatzlehrer einzusetzen, haben wir jüngst schon von Frau Ministerin Schavan gehört. Die Kritik – auch aus der Wirtschaft – war vernichtend.
Alle diese Ideen zeugen von tiefer Ahnungslosigkeit bei den Antragstellern hinsichtlich sozialwissenschaftlicher Didaktik. Sie verstoßen auch gegen den Beutelsbacher Konsens, der ein Überwältigungsverbot, das Gebot der Kontroversität und die Schü
lerorientierung als Prinzipien politischer Bildung beinhaltet.
Zum Abschluss stellt sich die Frage, woher dieser überflüssige Antrag eigentlich kommt. Es handelt sich ursprünglich um den Antrag Nr. A 08-3-04 des Außerordentlichen Landesparteitages der FDP Nordrhein-Westfalen im Jahr 2008,
der fast wörtlich – mit Rechtschreibfehlern – übernommen worden ist.
Nun wird klar, dass hier wieder einmal der marktradikale Schwanz mit dem christdemokratischen Hund wedelt.
Was sagt eigentlich der selbsternannte Arbeiterführer dazu? Nachdem er dem Koalitionspartner schon auf dem CDU-Landesparteitag die Leviten gelesen hat, könnte er doch auch einmal den Unterschied zwischen dem Ordoliberalismus der Freiburger Schule und dem Wirtschaftsmodell der heutigen sogenannten Liberalen erläutern.
Meine Damen und Herren, dieser Antrag leistet weder einen Beitrag zur Problemanalyse, noch trägt er zur Lösung bei. Gut, dass er direkt abgestimmt wird! Die SPD wird nicht zustimmen. – Danke schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hoffe, Sie hatten heute alle Gelegenheit, im Landtagsrestaurant eine warme Mahlzeit einzunehmen, um nun am späten Nachmittag noch aufmerksam einer Debatte zu folgen.
Das unterscheidet Sie von vielen Schülerinnen und Schülern in der Sekundarstufe I in NordrheinWestfalen. Ihnen, den Schülerinnen und Schülern, wird zugemutet, dem Unterricht in der achten Schulstunde zwischen 15 und 16 Uhr zu folgen, und das vielfach noch ohne ein Mittagessen, das diesen Namen tatsächlich verdient.
Dabei ist die Sache ganz einfach und auch zwischen den Fraktionen eigentlich nicht strittig. Wir brauchen nur einen Blick in den Enquete-Bericht „Chancen für Kinder“ zu werfen. Dort wird zum einen der Ausbau des Ganztags für alle Schulformen verlangt. Zum anderen wird gefordert – ich zitiere –,
dass kein Kind aufgrund der finanziellen und sozialen Situation der Eltern von einem Mittagessen in Kindertageseinrichtungen und Schulen mit Ganztagsangeboten ausgeschlossen wird.
Auch die Landesregierung verfolgt scheinbar diese beiden Ziele. Mit der sogenannten Ganztagsoffensive soll nach Aussage des Ministerpräsidenten der Ganztag in die Fläche gebracht werden. Zugleich hat die Landesregierung den Fonds „Kein Kind ohne Mahlzeit“ aufgelegt, um auch Kindern aus einkommensschwachen Familien die Teilnahme am Mittagessen an einer Ganztagsschule zu ermöglichen.
So weit, so gut – könnte man meinen. Aber wieder einmal stimmen schwarz-gelber Anspruch und Wirklichkeit nicht überein. Zudem werden handwerkliche Mängel bei der Regierungsarbeit deutlich. Ich will das an drei Problembereichen erläutern.
Zunächst gilt der Landesfonds nur für Schüler an echten Ganztagsschulen. Doch davon gibt es be
kanntlich noch zu wenige. Zudem liegt der Schwerpunkt einseitig bei den Hauptschulen, während der Ausbau bei Realschulen und Gymnasien auf einen Bruchteil der Gesamtzahl begrenzt ist und nur schleppend vorankommt.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, was denn mit den Halbtagsschulen mit Nachmittagsunterricht ist. Auch dort gibt es Kinder aus einkommensschwachen Familien. Da es sich jedoch nicht um echte Ganztagsschulen handelt, kann der Landesfonds nicht für die Finanzierung eines Mittagessens genutzt werden. Auch fehlt es häufig an den baulichen Voraussetzungen für eine Übermittagbetreuung.
Die Mittel aus dem 1000-Schulen-Programm reichen oftmals nicht aus. Wir wissen, dass der Landeszuschuss bei 100.000 € liegt. Die Kommune muss noch einmal den gleichen Betrag drauflegen. Wir wissen aber auch, dass eine Mensa mindestens 750.000 € bis zu 1,5 Millionen € kostet.
Hinzu kommen noch die hausgemachten Probleme dieser Landesregierung. Die beschlossene Schulzeitverkürzung auf dem Weg zum Abitur führt zur Ausweitung des Unterrichts in der Sekundarstufe I des Gymnasiums in den Nachmittag hinein. Der Erlass zur Fünftagewoche an Schulen sieht nun nach sechs Stunden Vormittagsunterricht verpflichtend eine Mittagspause von 60 Minuten vor, in der Speisen und Getränke für eine einfache Mahlzeit zum Kauf angeboten werden.
Wie sieht aber die Wirklichkeit aus? Das konnte ich noch heute in einem Gespräch mit Schülern aus Hattingen erfahren, die zum Landtagsbesuch gekommen waren. Sie kritisierten die überstürzte und improvisierte Einführung eines Mittagessens in ihrer Schule, das sie demnächst in einem weiß gestrichenen Kellerraum einnehmen dürfen. Der offene Ganztag wurde falsch angepackt. – So kommentierte eine Schülerin die Situation in der Lokalzeitung.
Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion fordert, dass kein Kind an einer Schule mit Nachmittagsunterricht ohne Mahlzeit bleibt und dass kein Kind nur aus finanziellen Gründen vom gemeinsamen Mittagessen ausgeschlossen wird. Dazu muss die Begrenzung des Landesfonds auf Ganztagsschulen aufgehoben werden. Alle Kommunen – auch diejenigen, die sich im Nothaushalt und in der Haushaltssicherung befinden – müssen von dem Fonds profitieren können.
Schließlich müssen an allen Schulen mit Nachmittagsunterricht auch die Voraussetzungen für eine Mittagsverpflegung geschaffen werden. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Ministerin, Sie haben gerade schon selbst den Finanzminister ins Spiel gebracht. Deshalb frage ich Sie: Haben Sie Ihre Pläne schon mit dem Finanzminister besprochen? Was hat er dazu gesagt?
Frau Ministerin, auch wenn Sie jetzt ehrlicherweise eingeräumt haben, dass das Wahlversprechen in dieser Legislaturperiode nicht mehr umgesetzt wird: Wie viele Lehrerstellen werden denn benötigt, wenn diese Klassen demnächst um jeweils ein Kind pro Jahr verkleinert werden sollen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Sommer, es ist immer schön, Ihnen bei Ihren vorweihnachtlichen Geschichten zuzuhören.
Auch ich möchte gern mit einer kleinen Geschichte beginnen:
Also lautet ein Beschluss:
Dass der Mensch was lernen muss. …
Nicht allein im Schreiben, Lesen
Übt sich ein vernünftig Wesen; …
Sondern auch der Weisheit Lehren
Muss man mit Vergnügen hören.
Dass dies mit Verstand geschah,
war Herr Lehrer Lämpel da.
Mit diesen Worten charakterisierte der vor 100 Jahren verstorbene Wilhelm Busch den Lehrerberuf. Den Kindern Lesen, Schreiben und Rechnen beizubringen sowie der Weisheit Lehren ist auch heute noch eine wichtige Aufgabe, reicht aber längst nicht mehr aus. Die Anforderungen sind sehr viel vielfältiger geworden.
Sowohl das Lehrerausbildungsgesetz von 2002, unter Rot-Grün verabschiedet, als auch der heute eingebrachte Entwurf zur Reform der Lehrerausbildung sehen daher Lehrerkompetenzen für Unterricht und Erziehung, Beurteilung und Diagnostik, Evaluation, Qualitätssicherung, Beratung, Kooperation und Schulentwicklung vor. Darüber hinaus betonen sie die Befähigung zur individuellen Förderung und – das ist ganz wichtig – zum Umgang mit der Heterogenität der Schülerinnen und Schüler.
Wir wissen nicht, wie Wilhelm Busch wohl den Nachfolger von Lehrer Lämpel heute skizzieren würde. Unstrittig dürfte jedoch sein, dass die Lehrer heute täglich eine schwierige Aufgabe bewältigen müssen. Sie üben einen komplexen Beruf aus, der starke Belastungen mit sich bringt, und – das sollte hier unterstrichen werden – sie verdienen die Anerkennung auch und gerade der Politik.
Meine Damen und Herren, zunächst ist positiv hervorzuheben, dass mit dem vorgelegten Gesetzentwurf eine gleich lange Ausbildung für alle Lehrämter eingeführt wird. Es ist ein wichtiger Schritt, allen Lehrern eine gute Ausbildung zukommen zu lassen, ohne Unterschiede zwischen der Grundschule sowie der Sekundarstufe I und II zu machen. Es ist heute nicht mehr begründbar, dass gerade für die so wichtige Arbeit in den Grundschulen eine kürzere Ausbildungszeit erforderlich sein soll.
Allerdings: Wo Licht ist, ist auch Schatten. Die schwarz-gelbe Koalition hält an der Unterscheidung nach schulformbezogenen Lehrämtern fest. Neben dem neuen Lehramt an Grundschulen besteht eines an Hauptschulen, Realschulen und Gesamtschulen – allerdings nur für die Jahrgänge 5 bis 10 –, ein ande
res an Gymnasien und Gesamtschulen, ein weiteres an Berufskollegs, und schließlich gibt es ein Lehramt für sonderpädagogische Förderung. Der Schulformbezug wurde nicht zugunsten eines Schulstufenbezugs überwunden, sondern im Gegenteil noch verschärft.
Im Masterstudiengang für das Lehramt an Haupt-, Real- und Gesamtschulen müssen die Studierenden demnächst ein Profil Hauptschule oder ein Profil Realschule wählen.
Das gilt auch für die späteren Gesamtschullehrer. – Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Schwarz-Gelb hält auch in der Lehrerausbildung aus ideologischen Gründen am dreigliedrigen Schulsystem fest. Sie gehen sogar noch hinter Lehrer Lämpel zurück, nämlich bis auf den preußischen Minister Karl Abraham von Zedlitz, der 1787 die drei Schulformen Bauern-, Bürger- und Gelehrtenschule propagierte.
Wie Sie wissen, setzt sich die SPD demgegenüber für ein längeres gemeinsames Lernen ein. Gemeinschaftsschulen brauchen gemeinsam ausgebildete Lehrer. Das ist unser Konzept.
Kritik muss auch an den Praxiselementen angemeldet werden. Der Gesamtumfang für das Assistenz-, Orientierungs- und Berufsfeldpraktikum liegt bei zwölf Wochen. Gegenüber bisher 14 Wochen Orientierungs- und Kernpraktikum bedeutet das nicht mehr, sondern weniger Praxis. Zudem ist die Ausgestaltung der Praxiselemente vage und widersprüchlich.
Das Assistenzpraktikum beispielsweise kann vor Aufnahme des Studiums abgeleistet werden. Doch die vollständige Ableistung wird erst nach zehn Semestern beim Zugang zum Vorbereitungsdienst verlangt. Für eine reflektierte Studien- und Berufswahl kommt es so entweder zu früh oder zu spät.
Das Berufsfeldpraktikum soll der Polyvalenz des BA-Studiums dienen. Es kann außerhalb oder innerhalb der Schule abgeleistet werden. Welche beruflichen Alternativen sollen denn für zukünftige Lehrer innerhalb der Schule eröffnet werden? Das müssen Sie mir einmal verraten.
Allein das Orientierungspraktikum bleibt als sinnvolles berufsfeldbezogenes Praxiselement übrig. Vier Wochen sind aber zu wenig dafür.
Zu dem Praxissemester, das im Masterstudiengang zulasten der fachlichen und bildungswissenschaftlichen Ausbildung geht, wird meine Kollegin Frau Dr. Boos gleich noch Stellung nehmen.
Insgesamt werden demnächst in den Schulen fünf verschiedene Gruppen von Praktikanten und Referendaren jeweils für relativ kurze Zeitspannen arbeiten. Das organisatorische Chaos und die Überlastung in den Schulen sind schon jetzt vorprogrammiert.
Schließlich lässt der Gesetzentwurf noch viele Fragen offen, die vielleicht erst in den Rechtsverordnungen beantwortet werden und die zwar ursprünglich einmal in dem Artikelgesetz enthalten waren, die Sie aber jetzt vor die Klammer gezogen haben.
Wie soll die zweite Phase der Lehrerausbildung denn inhaltlich neu gestaltet werden? Von wem und wie wird der Widerspruch hinsichtlich der Dauer des Vorbereitungsdienstes einmal von mindestens zwölf Monaten und einmal von höchstens 18 Monaten aufgelöst? Und besonders spannend: Wie werden die gleich lang ausgebildeten Lehrer in Zukunft besoldet?
Meine Damen und Herren, die SPD wird die Diskussion des Gesetzentwurfs kritisch-konstruktiv begleiten. Wir werden dabei sorgfältig darauf achten, dass keine bösen Streiche geschehen. Wie reimte doch Wilhelm Busch 1865:
Denn wer böse Streiche macht,
Gibt nicht auf den Lehrer acht.
Vielen Dank.
Ich habe noch eine Frage an die Frau Ministerin: Mit welchem Projekt wurde der Name van Dinther in Verbindung gebracht?
Frau Ministerin, ich möchte auch gerne etwas zu Ihrer persönlichen Evaluation des Coachings erfahren. Sie haben zwar die Frage der Kollegin Beer nicht beantwortet, aber ich will sie trotzdem präzisieren: Können Sie
mir sagen, an welchen Kriterien Sie festmachen, ob weiterer Bedarf für ein Coaching besteht oder nicht?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, Ihnen heute als Vorsitzender der Enquetekommission „Chancen für Kinder“ den Abschlussbericht vorstellen zu dürfen.
Eine Enquetekommission unterscheidet sich gleich in mehrfacher Weise von den herkömmlichen Ausschüssen des Landtags. Sie hat die Aufgabe, über einen längeren Zeitraum hinweg umfangreiche und bedeutsame sehr intensiv zu behandeln. Sie tagt dabei nicht öffentlich, was die Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg erleichtern kann, und sie setzt sich nicht nur aus Abgeordneten aller Fraktionen, sondern auch aus Sachverständigen – Wissenschaftlern und Praktikern – zusammen. Damit verfügt sie intern über Expertenwissen und kann zusätzlich über Forschungsvorhaben weiteres Sachwissen hinzuziehen.
Auch von dem sonst vorherrschenden Wechselspiel von Regierung und Opposition, das wir heute Morgen schon erleben durften, unterscheidet sich eine Enquetekommission in der Regel durch eine stärkere Konsensorientierung. Sie soll mittel- und langfristig Entscheidungen der Landespolitik vorbereiten und gehört damit zum Bereich der Politikberatung.
Die Enquetekommission „Chancen für Kinder“ war bereits die siebte des Landtags Nordrhein-Westfalens, jedoch die erste, die sich mit dem Thema Erziehung, Betreuung und Bildung für Kinder und Jugendliche in Nordrhein-Westfalen beschäftigt hat. Die Wahl eines schon von vornherein strittigen und parteipolitisch umkämpften Politikfeldes und auch der Zeitpunkt nach einem Regierungswechsel stellten weitere Besonderheiten dar. Die Folge war, dass immer wieder Fragen der Tagespolitik und der Gesetzgebung in die Kommission hineinwirkten und uns die Arbeit nicht immer erleichtert haben.
Meine Damen und Herren, hinter der Kommission liegt ein mehr als zwei Jahre dauernder Diskussionsprozess. Am Anfang standen ein Antrag der SPD und der Einsetzungsbeschluss, der am 30. November 2005 von allen Fraktionen unterstützt wurde. Er wies auf die zentrale Rolle des demografischen Wandels für unsere Gesellschaft und auf die Notwendigkeit einer nachhaltigen Familienpolitik hin.
Diese Familienpolitik sollte den Familien verlässliche Optionen zur Realisierung ihrer Lebenspläne sowie den Frauen und Männern eine Balance von Erwerbsarbeit und Familie ermöglichen. Als zweite Säule einer optimalen Unterstützung für die Familien wurde eine Familienpolitik genannt, die die Verwirklichung von sozialer Gerechtigkeit, Integration
und Chancengleichheit zum Ziel hat. Damit war die Ausgangssituation definiert und das Spannungsfeld von Familien- und Bildungspolitik beschrieben.
Die Kommission wurde beauftragt, notwendige Elemente einer verlässlichen Betreuungskette vom ersten Lebensjahr bis zum Ende der Sekundarstufe I darzustellen. Sie sollte die Aufgabenverflechtung und Ressourcenverteilung zwischen Land, Kommunen, Trägern und Familie aufarbeiten. Die verschiedenen Möglichkeiten der Steuerung und die damit verbundenen Finanzierungsmöglichkeiten sollten dargestellt und der Politik entsprechende Handlungsempfehlungen für einen effizienten und zielgerichteten Mitteleinsatz unterbreitet werden.
Doch es zeigte sich, dass diese Aufträge unterschiedlich interpretiert wurden. Die Folge war, dass die Enquetekommission nach ihrer konstituierenden Sitzung im März 2006 ihr Arbeitsfeld zunächst inhaltlich neu abstecken musste. Mehrere Sitzungen wurden mit umfassenden und zeitaufwendigen Diskussionen des Arbeitsprogramms verbracht, das schließlich nach sechs Monaten verabschiedet werden konnte.
Zum einen kam es dabei zu einer Ausweitung der im Einsetzungsbeschluss genannten Aufgaben – die wichtigen Themen Familie, Gesundheit, Armut und Medien wurden beispielsweise in der Kommission intensiv diskutiert –, zum anderen rückten Aufträge an die Kommission wie die Untersuchung der Aufgabenverflechtung und Ressourcenverteilung sowie die Entwicklung von Steuerungs- und Finanzierungsmodellen deutlich in den Hintergrund oder wurden auf spätere Phasen der Kommissionsarbeit verschoben.
Zugleich gelang es uns jedoch, die Untersuchung auf die Altersgruppe zwischen der Geburt und dem 16. Lebensjahr einzugrenzen und uns als Kommission darauf zu verständigen, dass wir – umfassend – die begriffliche Trias von Erziehung, Betreuung und Bildung nicht getrennt, sondern in ihren Wechselwirkungen betrachten wollten.
Schließlich legte die Enquetekommission die folgenden Grundsätze ihrer Arbeit fest:
Die Analysen und vor allem auch die Handlungsempfehlungen sollten vom Kind aus gedacht werden und sich in erster Linie an dessen Wohl orientieren.
In zweiter Linie sollte sich die Arbeit der Enquetekommission an einer Stärkung der direkten Lebensumwelt von Kindern und Jugendlichen orientieren.
Erst in dritter Linie sollte es um die Frage gehen, ob die Institutionen zur Erziehung, Bildung und Betreuung auch die Ergebnisse produzieren, die sich Politik, Gesellschaft und Wirtschaft von ihnen erhoffen.
An vierter Stelle sollte dann die Orientierung am Budget, an den Finanzen stehen.
Nicht alle diese Grundsätze sind auch am Ende noch in den Empfehlungen wiederzufinden. Das Bemühen, vom Kind aus zu denken, sollte zwar im Vordergrund stehen, blieb aber in einem Spannungsverhältnis zu den Erwartungen an die Leistungsfähigkeit der Familien und Institutionen.
Die anfangs in den Blick genommene Orientierung an den Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen konnte insbesondere im Hinblick auf die Sozialraumorientierung nur teilweise umgesetzt werden. Das gilt auch für die vielen offenen Finanzierungsfragen in den Handlungsempfehlungen.
Meine Damen und Herren, alle bisherigen Enquetekommissionen mussten jeweils eigene Verfahren suchen, um eine effektive Arbeit zu leisten. Das galt auch für diese Enquetekommission. Angesichts der geschilderten Problemlage blieb uns eigentlich nur, einen Arbeitsprozess mit einem offenen Ausgang zu initiieren. Dies schien die einzig angemessene Lösung zu sein.
Insofern umfasste der Prozess vier Schritte: erstens die Analyse und Bestandsaufnahme, zweitens die Aufnahme der Impulse aus der Forschung und Praxis, drittens die Definition der Ziele und Steuerungen sowie viertens die Formulierung der Handlungsempfehlungen. Es handelt sich zwar um unterschiedliche Zugänge zum Thema mit eigenem Stellenwert, doch sie bauen aufeinander auf und sind im Zusammenhang zu sehen.
Im Verlauf des Arbeitsprozesses gab es einige Krisensituationen zu überwinden. Zum einen erwies sich der Übergang von der Informationssammlung, mit der wir uns lange beschäftigt haben, zur Schreibphase als eine Hemmschwelle. Sie wäre nicht überwunden worden, wenn nicht die Sachverständigen in unserer Kommission Texte beigesteuert und insbesondere die federführende Rolle für die Berichtsteile A bis C übernommen hätten. Dafür an dieser Stelle noch einmal ganz herzlichen Dank!
Die zweite Hürde bildeten die Handlungsempfehlungen. Da sich die Kommission nicht rechtzeitig auf ein Verfahren einigen konnte, mussten vor allem Probleme der Quantität der Handlungsempfehlungen und auch der Qualität der Formulierung überwunden werden.
Am Ende der Kommissionsarbeit schließlich, mit zunehmender Nähe zur Veröffentlichung der Ergebnisse, waren offensichtlich die Gemeinsamkeiten zumindest aufseiten der Abgeordneten aufgebraucht. Taktische und parteipolitische Erwägungen führten zu einem Dissens hinsichtlich des Zeitpunkts der Beendigung der Enquete, der Erstellung einer Zusammenfassung und der Vorstellung des Berichts in einer gemeinsamen Pressekonferenz.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihnen liegt nun ein Abschlussbericht im Umfang von 223 Seiten vor.
Beigefügt ist zum ersten Mal eine CD mit dem Bericht als Datei und allen neun Gutachten bzw. Expertisen, die die Kommission vergeben hat.
Bei dem Gesamtumfang des Kommissionsberichts fällt der Blick zunächst auf die Ergebnisse in Form der Handlungsempfehlungen. In einem umfangreichen Katalog von insgesamt 124 Handlungsempfehlungen, gegliedert in zwölf Handlungsfeldern, sind diese zusammengetragen worden. Sie sind aber auf keinen Fall isoliert zu sehen, sondern sie gehören in den Zusammenhang mit den Teilen A, der Bestandsaufnahme, B, den Forschungsvorhaben, und C, der sich mit Zielsetzung und Steuerung beschäftigt.
Ein wesentlicher Erfolg der Kommission liegt aus meiner Sicht darin, dass trotz der eingangs geschilderten schwierigen Konstellation über weite Strecken eine vertrauensvolle Zusammenarbeit unter den Kommissionsmitgliedern begründet werden konnte. Nach meiner Einschätzung war die Arbeit für alle Beteiligten ein Lernprozess. Der Kommission ist es gelungen, in den Berichtsteilen A bis C bis auf wenige Ausnahmen und schließlich auch über den Bericht als Ganzes einen Konsens zu erzielen. Allen Beteiligten war demgegenüber bewusst, dass gerade der Berichtsteil D, die Handlungsempfehlungen, so etwas wie eine Sollbruchstelle markieren würde. Doch auch hier gab es trotz der 52 Sondervoten, die teils abweichend, teils ergänzend zu Mehrheitspositionen sind, viele Übereinstimmungen.
Auch wenn gleich die nachfolgenden Rednerinnen und Redner die Interpretation der Ergebnisse aus der Sicht der jeweiligen Fraktionen vortragen werden, möchte ich hier die Gelegenheit nutzen, einige wenige Bereiche herauszugreifen, wobei die Auswahl natürlich subjektiv ist, und Ihnen diese vorstellen.
Als Erstes möchte ich die frühkindliche Bildung nennen, das Handlungsfeld 4 „Erziehung, Bildung und Betreuung gut und flexibel gestalten: Kinder in frühen Jahren ganzheitlich fördern“, das sich durch weitgehenden Konsens auszeichnet. Dabei hat sich die Kommission mit Fragen der Quantität wie dem Betreuungsschlüssel und Fragen der Qualität, beispielsweise individuellen Bildungsplänen, befasst. Die Erkenntnis, dass man nicht früh genug mit anspruchsvollem Lernen beginnen kann, da das kindliche Gehirn sehr viel effizienter lernt als das Gehirn Erwachsener, ist für mich anhand der neurowissenschaftlichen, entwicklungspsychologischen und pädagogischen Untersuchungen von Ahnert, Stern, Braun und Holodynski in der Kommission noch einmal deutlich geworden.
Ich erinnere mich besonders an eine Grafik zur Entwicklung der synaptischen Verbindungen im menschlichen Gehirn aus dem Vortrag von Frau Prof. Braun. Die zeigte nämlich sehr deutlich, dass der Höhepunkt dieser so wichtigen Vernetzungen
im menschlichen Gehirn bereits im ersten Lebensjahr erfolgt und danach – das sagt man als Älterer – leider der Grundsatz gilt: Use it or loose ist. Zwar sind alle diese Erkenntnisse nicht neu, doch haben wir offensichtlich immer noch ein Defizit bei der Umsetzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Praxis frühkindlicher Bildung.
Das Handlungsfeld 5 befasst sich mit der Schule als Lern- und Lebensort. Hier ging es unter anderem um den Ausbau und die Ausgestaltung der Ganztagsschule. Allerdings kam es in der Frage der zukünftigen Strukturen von Schule zu getrennten Voten. Dass die Mehrheit der Sachverständigen hier einen eigenständigen Weg beschritt, unterstreicht meines Erachtens nicht nur ihre Unabhängigkeit, sondern wird sicherlich auch in der Fachöffentlichkeit Beachtung finden.
Trotz der unterschiedlichen Positionen besteht im Grunde darüber Einigkeit, dass die Faktoren, die das Schulsystem beeinflussen, vielfältig sind. Dazu gehören neben der Struktur die Qualität des Unterrichts und die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer. Dissens besteht jedoch nach wie vor in der Frage, ob innere und äußere Schulreformen miteinander verkoppelt sind oder ob einer Reform Vorrang einzuräumen ist.
Schließlich möchte ich noch auf den Themenkomplex der Steuerung hinweisen, der sich gleich in mehreren Handlungsfeldern, vor allem aber in den Feldern 10, 11 und 12 des Berichts, widerspiegelt.
Die Steuerungsmöglichkeiten von Erziehung, Betreuung und Bildung hören sich zwar nicht so spannend an, sind jedoch ein ganz wichtiges Element unserer Kommissionsarbeit gewesen. Wir haben Handlungsempfehlungen zur Finanzierung, zur Verbesserung der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern, zur Neuordnung der Kompetenzen zwischen Land, Kommunen und Schulen vorgelegt. Im Unterschied zu den klassischen Steuerungsinstrumenten des Rechts spielen dabei zunehmend die Vernetzung, beispielsweise in regionalen Bildungslandschaften, oder das Contracting in Erziehungspartnerschaften eine Rolle.
Es finden sich aber auch durchaus Handlungsempfehlungen zum Bereich des Rechts. So empfiehlt die Kommission eine grundsätzliche objektive und gutachterliche Prüfung, ob und in welcher Weise Artikel 12 Landesverfassung, der sich mit Schularten, insbesondere mit der Hauptschule, beschäftigt, die Zukunft der schulischen Angebote für Kinder und Jugendliche sichert.
Ich könnte noch weitere Handlungsfelder aufführen, die sich auf familienunterstützende Maßnahmen, die Betreuung, die nonformale Bildung, die Bekämpfung von Armut und die Verbesserung der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen beziehen. Ich will jedoch zum Schluss noch Dank sagen
für die Arbeit, die in der Kommission geleistet worden ist.
Nach einem Ihnen sicherlich bekannten afrikanischen Sprichwort braucht man ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen. Offensichtlich braucht es auch viele Menschen, um einen Enquetebericht zu schreiben. Ich möchte mich bei allen Abgeordneten, insbesondere bei den Obleuten der Fraktionen, den Kolleginnen und Kollegen Kern, Hendricks, Witzel und Asch, bedanken, die für mich stets wichtige Ansprechpartner waren. Besonderen Dank überbringe ich den Sachverständigen der Kommission: Prof. Bellenberg, Prof. Dollase, der heute hier anwesend ist, Prof. Gerlach, Prof. Klemm, Prof. Richter und Herrn Schnapka. Die Diskussion mit Wissenschaftlern und Praktikern aus unterschiedlichen Disziplinen war einmal mehr eine Bereicherung.
Ich bedanke mich bei den Referentinnen und Referenten der Fraktionen, die stets im Hintergrund wichtige unterstützende Arbeit geleistet haben. Und als Vorsitzender bedanke ich mich ganz persönlich bei meinem Kommissionsbüro, bei Frau Kuschmiersz und Herrn Reißberg, für das stets vertrauensvolle Teamwork.
Meine Damen und Herren, der Bericht, der Ihnen vorliegt und den Sie intensiv lesen sollten, wird hoffentlich die Diskussion im Land voranbringen, zu einer Versachlichung beitragen und eine Grundlage zum Austausch von Argumenten liefern. Ich hoffe sehr, dass Sie am Ende zu einem positiven Urteil gelangen, dass dieser Bericht zumindest ein kleiner Beitrag ist, um die Chancen für Kinder und Jugendliche in Nordrhein-Westfalen zu verbessern. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diskussionen über Wahlsysteme sind normalerweise geeignet, jede Gesprächsrunde zu sprengen. Details zu D’Hondt, Hare-Niemeyer, Sainte-Laguë sowie Kumulieren und Panaschieren führen meistens dazu, dass die Fachleute unter sich bleiben.
Um das Interesse der Öffentlichkeit zu wecken, muss man sich schon etwas einfallen lassen. Das ist der Volksinitiative „Mehr Demokratie beim Wählen“ zweifellos gelungen. 70.000 gültige Unterschriften verdienen Respekt und ernsthafte Prüfung.
Andererseits kann die breite Unterstützung aber auch nicht verwundern, denn wer ist schon gegen mehr Demokratie. Es muss aber auch die Frage erlaubt sein, ob wirklich alle Unterzeichner dieser Volksinitiative auch die Feinheiten des vorgeschlagenen Wahlsystems verstanden haben.
Schon die Kurzbezeichnung führt in die Irre, denn es geht gar nicht um mehr Demokratie, sondern um ein anderes Verständnis von Demokratie. Daher ist es auch falsch, das Kumulieren und Panaschieren von Stimmen als das demokratischere Wahlverfahren darzustellen und andere Formen der Stimmenvergabe abzuwerten.
Lieber Kollege Lux, ich war doch schon etwas enttäuscht von Ihrem Vortrag.
Ich hatte erwartet, dass Sie uns erläutern würden, warum die CDU grundsätzlich für das Kumulieren und Panaschieren ist, aber gerade heute und bei dieser Volksinitiative zufällig oder auch nicht zufällig dagegen. Ich habe mir Mühe gegeben, Ihrer Argumentation zu folgen; das ist mir allerdings nicht völlig gelungen.
Das kommt davon, wenn man Wahlsysteme unter rein politisch-taktischen Aspekten betrachtet wie bei der Abkopplung der Rats- von der Bürgermeisterwahl, bei der Abschaffung der Stichwahl oder beim Kumulieren und Panaschieren. Wenn man allein die Machtsicherung im Kopf hat, manövriert man sich natürlich in solche Sackgassen.
Die Haltung der SPD – Sie haben das schon angesprochen – ist dagegen konsequent und demokratietheoretisch fundiert. Wir Sozialdemokraten verstehen lokale Politik als Teil der repräsentativen Demokratie und – ich sage das ganz offen – als Teil
der Parteiendemokratie. Wir bekennen uns zur Notwendigkeit und zu den Funktionen von Parteien, Programme und Kandidaten zur Wahl zu stellen.
Wir wissen alle: Gerade in diesen Tagen beschäftigen sich die Parteien damit, Kandidaten für die Kommunalwahl nach Kriterien wie Kompetenz, Bürgernähe, möglicher Positionen in Fraktionen, regionaler Repräsentanz und Geschlechterquotierung auszuwählen. Ich finde das auch gut so.
Was schlägt dagegen die Volksinitiative vor? Die Wähler sollen – ich zitiere –: „nicht mehr auf das Menüangebot einer Partei … angewiesen“ sein. Sie sollen „ihr eigenes Menü à la carte zusammenstellen“.
Das sieht folgendermaßen aus: Man lässt sich den quadratmetergroßen Stimmzettel zur Briefwahl nach Hause schicken und vergibt am Küchentisch beispielsweise in Köln 90 Stimmen an weitgehend unbekannte Kandidaten.
Im Gesetzentwurf heißt es dazu – ich zitiere noch einmal –: „Künftig ist ein intensiverer Kontakt zwischen den einzelnen Listenkandidaten und ihren Wählern erforderlich.“ – Das mag für kleine Gemeinden in Baden-Württemberg funktionieren. Wir haben uns an Rhein und Ruhr für ein anderes System entschieden. Wir teilen das Wahlgebiet in einzelne Wahlkreise ein, in denen Direktkandidaten antreten und für einen engen Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürger sorgen.
Völlig unverständlich ist für mich der Vorschlag im Gesetzentwurf, die möglicherweise höheren Kosten des Kumulierens und Panaschierens durch die Verringerung der Zahl der Ratsmitglieder zu kompensieren. Wo bleibt denn die notwendige Repräsentanz und Bürgernähe, wenn die Räte verkleinert werden?
Meine Damen und Herren, das bewährte, transparente und bürgernahe Verhältniswahlsystem soll nach dem Willen der Volksinitiative durch ein Wahlsystem ersetzt werden, das äußerst komplex ist, und das, wie das Beispiel Hessen zeigt, zu einer noch niedrigeren Wahlbeteiligung führt.
Doch, das können Sie nachsehen. Die Wahlbeteiligung lag in Hessen um 10 Prozentpunkte niedriger als in NRW.
Es führt in Wirklichkeit bei der Wahl einer Person auch zur Wahl einer Partei, die man vielleicht gar nicht mit seiner Stimme unterstützen will. Es verändert die soziale Zusammensetzung der Räte zugunsten von Honoratioren. Es gewährleistet eine regionale Repräsentanz und eine Geschlechterquotierung nicht. Es schafft den Sonnenkönigen und den Bürgermeistern freie Hand.
Nach sorgfältiger Prüfung aller Argumente lehnt deshalb die SPD den Gesetzentwurf der Volksinitiative ab. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich den Jubelantrag von CDU und FDP zum Ausbau der Ganztagsschulen zum ersten Mal gelesen habe, dachte ich: Nun hat auch die CDU-Fraktion ihr Pfingst-Erlebnis. Denn im ersten Abschnitt des Antrages wird die pädagogische Qualität der Ganztagsschule zu Recht gelobt. Das hörte sich in den 39 Jahren Oppositionstätigkeit der CDU manchmal ganz anders an, als der Ganztag noch familienfeindliches Teufelszeug war.
Allerdings wurde mir beim Weiterlesen schnell bewusst, dass diese Erkenntnis nicht vom Himmel gefallen ist, sondern offensichtlich ganz irdische Hintergründe hat, nämlich die Fehler und Versäumnisse der schwarz-gelben Schulpolitik in den vergangenen drei Jahren.
Im Bereich der offenen Ganztagsgrundschulen konnte die Koalition aus CDU und FDP zunächst an die Vorarbeiten von Rot-Grün anknüpfen. Es ist richtig, Herr Recker: Es war Schwerpunkt der damaligen Landesregierung, zunächst im Grund
schulbereich zu investieren und die Ganztagsangebote auszubauen. Aber Nordrhein-Westfalen hatte auch schon eine Spitzenposition dank der zahlreichen Gesamtschulen im Ganztagsbetrieb. Ich weiß gar nicht, warum Sie diese Schulform immer so stiefmütterlich behandeln.
Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, leider haben Sie die Konzepte für den weiteren Ausbau des Ganztags in der Sekundarstufe I nicht aufgegriffen. Stattdessen erfolgte eine Konzentration auf die Hauptschulen. Der Weg für die Realschulen und für die Gymnasien in den Ganztag blieb zunächst versperrt. Dieser Rettungsversuch der Hauptschulen ist den Kommunen teuer zu stehen gekommen, denn das Geld aus dem Investitionsprogramm „Zukunft, Bildung und Betreuung“ des Bundes fehlte dann den Kommunen beim weiteren Ausbau der Ganztagsgrundschulen. Und nicht mehr alle beantragten Projekte konnten bedient werden.
Hinzu kam jetzt allerdings noch die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur. Das von Ihnen gewählte Modell „9 plus 3“ führte zu einer Ausdehnung des Unterrichts in den Nachmittag hinein. Die SPD hat frühzeitig und immer wieder auf die damit verbundenen Probleme hingewiesen und ein Konzept für den Ausbau des Ganztags für alle Schulformen in der Sekundarstufe I eingefordert. Alle unsere Anträge sind abgelehnt worden. Die Probleme wurden heruntergespielt.
Wir erinnern uns: Herr Priboschek, Sprecher des NRW-Schulministeriums, wollte ein paar Tische und Stühle zusammenrücken und einen Essenslieferanten bestellen. Und Herr Prof. Pinkwart, im Kabinett zuständig für Innovationen, wollte in den Gymnasien Bistros einrichten. Und wenn das alles nicht half, dann wurde sogar der Samstagsunterricht bemüht.
Nun aber ist offensichtlich der öffentliche Druck zu stark geworden. Die Eltern beschweren sich bei Ihnen über die Verdichtung des Unterrichts und die Ausweitung in den Nachmittag hinein.
Zudem stehen Wahlen vor der Tür. Also musste gehandelt werden. Der Ministerpräsident hat offensichtlich von der Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht und seine Ganztagsoffensive gestartet. Ich weiß nicht, warum das immer gleich so martialisch eine Offensive sein muss. Ein Programm hätte vielleicht auch gereicht.
Inzwischen ist allerdings wertvolle Zeit verstrichen. Für viele Kinder kommt der Ausbau jetzt
schon zu spät. Aber zukünftige Generationen werden zum Glück davon profitieren können. Aber, meine Damen und Herren von den regierungstragenden Fraktionen, eine geschlossene nachhaltige Schulpolitik, konzeptionell fundiert, die sieht ja wohl doch anders aus.
Ihr Anspruch ist hochgesteckt. Der Ganztag soll flächendeckend und bedarfsgerecht umgesetzt werden. Tatsächlich werden 216 echte Ganztagsschulen in zwei Jahren geschaffen. Jede Ganztagsschule ist natürlich ein Gewinn und ist zu begrüßen. Allerdings bleibt dieses Programm doch begrenzt. Wenn man es auf die Kreise und kreisfreien Städte herunterbricht, so handelt es sich jeweils um zwei Realschulen und zwei Gymnasien.
Ich bin schon sehr gespannt, wie der Wettlauf vor allen Dingen in den Kreisen entschieden wird, und wie geregelt wird, welche Schule an welchem Standort in den Genuss dieses Programms kommt. Für die Mehrheit der Schulen gilt allerdings der Ganztag light: das Programm „Geld oder Stelle“, die pädagogische Übermittagbetreuung, die – wir haben es gerade gehört – das Programm 13 Plus ersetzt.
Besonderes Interesse verdient allerdings das sogenannte 1.000-Schulen-Programm. Auch das hört sich, auf das Volumen bezogen, sehr gewaltig an. Aber es handelt sich um maximal 100.000 € Landeszuschuss für eine Schule. Das reicht nicht für den Bau einer Mensa und von Aufenthaltsräumen – vor allen Dingen dann nicht, wenn es nicht aus dem Bestand, sondern nur durch Neu- oder Anbauten abgedeckt werden kann. Bei einer Mensa ohne eigene Küche kommt es sehr schnell zu einem Finanzierungsvolumen von 750.000 bis 1,5 Millionen €.
Der kommunale Anteil an der Kofinanzierung ist sehr hoch. 10 % betrug er beim IZBB-Programm des Bundes; nun liegt er bei 50 %. Wir sind gespannt, für welche Kommunen, insbesondere für welche finanzschwachen Kommunen, dies einen echten Anreiz darstellt. Der Hinweis auf die erhöhte Bildungs- und Schulpauschale ist allerdings an Dreistigkeit nicht mehr zu überbieten.
Schon bei der – in Anführungszeichen – „Erhöhung“ dieser Bildungs- und Schulpauschale haben die kommunalen Spitzenverbände darauf hingewiesen, dass es sich um einen Verschiebebahnhof innerhalb des GFG handelt: von der allgemeinen Investitionspauschale zur Schulpau
schale. Sie haben einen Kuchen verteilt, der nicht größer geworden ist. Zudem war es nicht Ihr Kuchen, sondern eigentlich wurde kommunales Geld verteilt – von der linken Tasche in die rechte Tasche.
Man muss auch feststellen, dass das im Umkehrschluss bedeutet: Die Kommunen hätten bisher Geld aus dieser Pauschale übrig gehabt, das sie nun für den Ausbau des Ganztags ausgeben sollen. Fragen Sie doch einmal Ihre Kämmerer im Lande, ob sie es ähnlich sehen. Wir befürchten, dass sie in vielen Kommunen eher einen Ganztag ohne Heizung und mit defekten Fenstern finanzieren.
Die SPD fordert in ihrem Entschließungsantrag, das Landesprogramm und das Finanzierungskonzept zu verbessern, die Begrenzungen aufzuheben, die Mittel aufzustocken, den kommunalen Anteil zu verringern und sich an realistischen Kosten zu orientieren. Bitte beziehen Sie bei dieser Gelegenheit auch die kommunalen Spitzenverbände in den Entscheidungsprozess ein. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Ganztag zählt zu den wenigen bildungspolitischen Programmen, bei denen zumindest eine gewisse Kontinuität von der rot-grünen zur schwarz-gelben Landesregierung festzustellen ist.
Das Erfolgsmodell der offenen Ganztagsgrundschule ist von der SPD und den Grünen in Nordrhein-Westfalen auf den Weg gebracht worden – zu einem Zeitpunkt, als der Ganztag von der CDU noch aus ideologischen Gründen auf das Heftigste bekämpft wurde.
Ebenfalls unter Rot-Grün ist bereits die Ausweitung auf die Sekundarstufe I angekündigt worden.
Ich zitiere aus der Regierungserklärung der damaligen Ministerin Ute Schäfer vom 22. September 2004. Dort heißt es:
„Darüber hinaus werden wir die Ganztagsangebote für die Sekundarstufe I in der nächsten Legislaturperiode Schritt für Schritt ausweiten und dabei vorrangig die Klassen 5 bis 7 in den Blick nehmen.“
Meine Damen und Herren, die SPD setzt mit dem zwischenzeitlich verabschiedeten Bildungsprogramm und diesem Antrag ihre Politik für ein Mehr an Zeit in den Schulen konsequent fort. Dabei sind die Vorteile des Ganztags inzwischen unbestritten: Chancen für die individuelle Förderung, Verzahnung von Unterricht mit außerschulischen Bildungs- und Freizeitangeboten und schließlich Verbesserung des Betreuungsangebots.
Die derzeitige Regierungskoalition, die ja heute ihre Halbzeit feiert und damit in ihre Endphase eintritt, hat jedoch die Möglichkeit zum Ganztag nur auf die Hauptschulen ausgeweitet. Das ist ein notwendiger, aber nicht hinreichender Schritt, wie ich anhand von drei Aspekten nachweisen werde.
Erstens. Nur ein Teil der Hauptschulen, ein Drittel, kann überhaupt vom Ganztagsangebot Gebrauch machen. Realschulen und Gymnasien werden im Regen stehen gelassen, obwohl auch hier der Bedarf ganz offensichtlich ist.
Wir hatten das für diese Legislaturperiode bereits angekündigt, Herr Recker. – Denn die von Ihnen allen gewollte Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur, die von CDU und FDP einseitig vorgenommene Verdichtung des Unterrichts in der Sek. I des Gymnasiums und die Erweiterung der Stundentafel verlangen geradezu nach einem neuen Tagesrhythmus in der Sekundarstufe I.
Zweitens. Der Ganztag kann seine pädagogischen Vorzüge unter den derzeitigen Bedingungen der Hauptschule kaum entfalten. Die Selektionsmechanismen des Schulsystems und der Rückgang der Schülerzahlen führen immer stärker zu homogenen Lerngruppen, in denen sich die Probleme bündeln.
Die Schaffung eines anregenden Lernmilieus und die Möglichkeit zum sozialen Lernen sind allein durch die Ausdehnung des Unterrichts in den Nachmittag hinein hier überhaupt nicht mehr möglich. Vielmehr wird die Isolation noch verstärkt.
Drittens. Schließlich ist der Ausbau des Ganztags unterfinanziert. Durch die Einbeziehung der Hauptschulen in das Investitionsprogramm „Zukunft, Bildung und Betreuung“ wird das Geld knapp, weil es an zusätzlichen Mitteln fehlt. Die Deckungslücke liegt bei 103 Millionen €. Die Folge ist: Zuteilungen für geplante offene Ganztagsgrundschulen wurden gekürzt. Je später die An
tragstellung erfolgte, desto höher fiel die Reduzierung der zuvor in Aussicht gestellten Fördersumme aus. Einige Kommunen gingen sogar gänzlich leer aus.