Protokoll der Sitzung vom 30.11.2005

Meine Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, 13. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Abgeordneten erheben sich von ihren Plätzen.)

Am 15. November ist unser ehemaliger Kollege Hermann Heinemann im Alter von 77 Jahren gestorben.

Mit Hermann Heinemann verlieren wir in Nordrhein-Westfalen einen aufrichtigen und geradlinigen Demokraten, der über die Parteigrenzen hinweg geschätzt und geachtet wurde und der die Politik unseres Landes über viele Jahre aktiv mitgestaltet hat.

Nach politischen Tätigkeiten als Mitglied des Rates seiner Heimatstadt Dortmund und des Europaparlaments wurde Hermann Heinemann 1985 in den Landtag Nordrhein-Westfalen gewählt und gehörte diesem Haus zwei Legislaturperioden an.

Von 1985 bis 1992 leitete er als Minister das Ressort für Arbeit, Gesundheit und Soziales der nordrhein-westfälischen Landesregierung.

Hermann Heinemann setzte Akzente in der Arbeitsmarkt-, Gesundheits- und Sozialpolitik. Hervorzuheben sind seine bundesweit beachteten Initiativen in der Drogenpolitik und in der Aidsbekämpfung, aber auch die Maßnahmen zur Verringerung der Säuglingssterblichkeit. Unvergessen sind auch seine Aktivitäten zum Ausbau des Herzzentrums in Bad Oeynhausen zu einer in Europa modellhaften Klinik.

Der Landtag Nordrhein-Westfalen dankt Hermann Heinemann für sein verdienstvolles Wirken zum Wohle unseres Landes und wird ihm ein ehrendes Gedenken bewahren.

Unser Mitgefühl gilt seiner Witwe und seiner Familie.

Ich danke Ihnen, dass Sie sich zu Ehren des Verstorbenen von Ihren Plätzen erhoben haben.

Meine Damen und Herren, die Landeswahlleiterin hat mir mit Schreiben vom 4. November 2005 mitgeteilt, dass Frau Dr. Ruth Seidl aus der Landesreserveliste der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen als Nachfolgerin der Abgeordneten Bärbel Höhn

mit Wirkung vom 11. November 2005 Mitglied des Landtags geworden ist.

Mit Schreiben vom 21. November wurde von der Landeswahlleiterin mitgeteilt, dass Herr Gerd Stüttgen aus der Landesreserveliste der Fraktion der SPD als Nachfolger des Abgeordneten Peer Steinbrück mit Wirkung vom 22. November 2005 ebenfalls Mitglied des Landtags geworden ist.

Ich bitte Frau Dr. Seidl und Herrn Stüttgen, zu mir zu kommen, damit ich die nach § 2 unserer Geschäftsordnung vorgesehene Verpflichtung vornehmen kann.

(Die Abgeordneten erheben sich von ihren Plätzen.)

Ich bitte Sie, die folgenden Worte der Verpflichtungserklärung anzuhören und anschließend durch Handschlag zu bekräftigen:

„Die Mitglieder des Landtags von NordrheinWestfalen bezeugen vor dem Lande, dass sie ihre ganze Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, die übernommene Pflicht und Verantwortung nach bestem Wissen und Können erfüllen und in der Gerechtigkeit gegenüber jedem Menschen dem Frieden dienen werden.“

Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege, ich heiße Sie als neue Abgeordnete in der 14. Wahlperiode herzlich willkommen und wünsche Ihnen viel Spaß und Erfolg bei Ihrer Arbeit für die Menschen in diesem Land.

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, wir treten in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Aktuelle Stunde

Thema: Verbraucher schützen - Kriminellen Lebensmittelhändlern das Handwerk legen

Antrag der Fraktion der CDU gemäß § 90 Abs. 2 GeschO

In Verbindung damit:

Thema: Fleischskandal in Nordrhein-Westfalen - Landesregierung muss Verbraucherschutz endlich ernst nehmen

Antrag der Fraktion der SPD gemäß § 90 Abs. 2 GeschO

Die Fraktion der CDU hat mit Schreiben vom 25. November 2005 zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt. In Verbindung damit diskutieren wir das mit Schreiben vom 28. November 2005 von der Fraktion der SPD eingereichte Thema.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner Herrn Ortgies von der CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Guten Morgen, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Seit einigen Wochen werden wir täglich mit Meldungen der mehr oder weniger unappetitlichen Art bedient, die uns im wahrsten Sinne des Wortes der Fleischeslust berauben.

(Heiterkeit - Dr. Axel Horstmann [SPD]: Das ist aber wohl etwas anderes!)

Es gibt in Deutschland einen zweiten, einen grauen Fleischmarkt. Dieser Sumpf muss rigoros, muss konsequent trockengelegt werden.

Meine Damen und Herren, das Ministerium unter Herrn Minister Uhlenberg hat schon in den vergangenen Tagen und Wochen umfassende Maßnahmen verkündet. Er wird einen umfassenden Maßnahmenkatalog vorlegen, mit dem versucht werden wird, diesen Sumpf trockenzulegen. Ich glaube, dass dieser Maßnahmenkatalog auch für Deutschland und die anderen Bundesländer beispielhaft sein kann.

Deswegen halte ich - das möchte ich gleich zu Anfang sagen - die Kritik der Opposition, die sie hier schon seit einigen Tagen und Wochen an der Landesregierung übt, für unangemessen und unmäßig. Ich darf auch einmal an die SPD-Fraktion appellieren - Sie werden ja gleich noch zu Wort kommen - und sagen, dass diese Landesregierung und unsere Fraktionen auf Bundesebene zusammenarbeiten müssen, um eben diesen Fleischskandal gemeinsam zu bekämpfen. Deswegen sollten Sie sich Ihre Wortwahl schon genau überlegen.

(Zurufe von der SPD)

Nun zu Ihnen, Herr Remmel; Sie sind ja gleich an der Reihe. Gestern haben Sie eine Pressekonferenz zu diesem Thema abgehalten, und jetzt tun Sie so, als hätten Sie mit dieser Sache überhaupt nichts zu tun.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich darf Sie einmal daran erinnern, dass Sie in diesem Ministerium zehn Jahre lang die Verantwortung hatten und damit auch die Verantwortung für den Verbraucherschutz. Wollen Sie uns weismachen - ich lese das ja aus den Pressemitteilungen heraus -, dass es diese Machenschaften erst seit Antritt dieser neuen Regierung gibt? Das ist doch lachhaft und unsachlich. Sie verhalten sich wie jemand, der die Polizei, die viele Straftaten und auch viele Diebstähle aufklärt, dafür beschimpft, dass zu viel geklaut wird. Das kann es nicht sein.

Meine Damen und Herren! „Skandale werden dort entdeckt, wo die Kontrollen sehr gut sind“. Das ist ein Zitat von Frau Höhn aus den gestrigen „Aachener Nachrichten“. Rufen Sie einmal in Berlin an, Herr Remmel; vielleicht hören Sie dort etwas Neues.

Ich darf daran erinnern, dass wir vor fünf Jahren - fast auf den Tag genau - an dieser Stelle auch in einer Aktuellen Stunde über das Thema „BSEKrise“ gesprochen haben. Diese BSE-Krise hat damals die gesamte Agrarwirtschaft in Europa ins Wanken gebracht. Ich erinnere daran, dass zu dem Zeitpunkt das Ministerium schon fünf Jahre in der Hand der Grünen war und dass Frau Höhn damals an dieser Stelle vieles angekündigt hat, was den Verbraucherschutz verstärken sollte. Seitdem sind fünf Jahre vergangen, und nun werfen Sie einer Regierung, die gerade mal fünf Monate im Amt ist, vor, sie habe nicht genug getan. Ich glaube, Sie wissen hier nicht, wovon Sie reden.

(Beifall von der CDU)

Sie tun gerade so, als sei zehn Jahre lang alles in Ordnung gewesen, und seit Schwarz-Gelb im Amt ist, hätten die dubiosen Fleischhändler den lukrativen Ekel-Fleischmarkt Nordrhein-Westfalen entdeckt. Sie prügeln die Falschen. Sie sollten Ihre Angriffe auf die Täter konzentrieren.

Tatsache ist: Durch konsequente Kontrollen hat die hiesige Lebensmittelüberwachung viele Händler und Betriebe gestellt, die illegal und kriminell gehandelt haben. Diese konsequente Überprüfung muss weiter intensiviert werden, meine Damen und Herren. Die schuldigen Händler und Firmen müssen hart bestraft werden; denn betroffen ist wieder einmal der Verbraucher, und betroffen sind wieder einmal die anständig arbeitenden Betriebe und der anständig arbeitende Handel.

Was mich als Landwirt besonders auf die Palme bringt: Dies ist kein Skandal der Produktionsstufe.

Seit Jahren - ganz besonders nach der BSEKrise - werden auf den Bauernhöfen Maßnahmen unternommen, Qualität auf allen Produktionsstufen zu sichern. Jedes Tier muss von der Schlachtung bis zur Geburt zurückverfolgt werden können, und alle Produktionsstufen werden - mit etlichen Kosten für die Erzeuger - Qualitätssicherungssystemen unterworfen.

Nur: Was hilft das alles, wenn nach der Schlachtung alles drunter und drüber geht, wenn Fleisch weltweit vagabundiert und anonym auf dem Teller der Verbraucher landet.

Es macht mich zornig, wenn hier gewissenlose Händler im wahrsten Sinne des Wortes in übelster Weise den Fleischmarkt vermiesen. Hier muss rigoros durchgegriffen werden, auch - das sage ich ausdrücklich -, wenn es vielleicht etwas teurer wird. Denn machen wir uns nichts vor: Wenn Hackfleisch oder Schweinenacken in Sonderangeboten teilweise billiger als Hunde- oder Katzenfutter zu haben ist, wenn in Döner-Buden ein Preiskampf um das billigste Produkt entbrennt. Wenn ich vom Düsseldorfer Bahnhof Richtung Landtag fahre und sehe, was links und rechts in den Geschäften alles angeboten wird, frage ich manchmal, wo das alles herkommt.

Wir hören von Putenfleisch aus Dänemark, Hähnchen aus Thailand und Brasilien, Schweinefleisch aus Russland und Spanien, Rindfleisch aus Südamerika. Fleisch reist um die Welt, wird billig zusammengekauft und landet bei uns unter irgendeinem Namen auf dem Teller. Abgelaufene Ware wird von skrupellosen Händlern aufgekauft und irgendwo verramscht.

Wenn alle nur noch auf den billigsten Preis schauen, wenn nach einer Umfrage für 60 % der Verbraucher der Preis vor Qualität geht, dann wird damit natürlich auch - das soll jetzt keine Verbraucherschelte sein - ein Umfeld für Fleischmafiosi geschaffen.

Die Lage ist wirklich kritisch. Wir müssen mehr dafür tun, die Lebensmittelüberwachung und die Aufklärung der Verbraucher zu verbessern. Bei Super-Super-Sonderangeboten sollte vielleicht jeder - die Lebensmittelüberwachung und auch der kritische Verbraucher - demnächst die Herkunft hinterfragen. Fragen Sie einmal in der Imbissbude, woher das Fleisch bezogen wird! Vielleicht hilft das schon.