Protokoll der Sitzung vom 30.11.2005

Die Lage ist wirklich kritisch. Wir müssen mehr dafür tun, die Lebensmittelüberwachung und die Aufklärung der Verbraucher zu verbessern. Bei Super-Super-Sonderangeboten sollte vielleicht jeder - die Lebensmittelüberwachung und auch der kritische Verbraucher - demnächst die Herkunft hinterfragen. Fragen Sie einmal in der Imbissbude, woher das Fleisch bezogen wird! Vielleicht hilft das schon.

Ein wichtiger Schritt ist übrigens die Absicht der neuen Bundesregierung, dass Produkte nicht unter Einstandspreis verkauft werden dürfen. Das geht vielleicht auch in diese Richtung. Frau

Schulze von der SPD-Fraktion: Daran arbeiten wir übrigens auch auf Bundesebene zusammen.

Zum Abschluss: Wir sollten und wir müssen den kriminellen Händlern und Betrieben das Handwerk legen. Die Landesregierung ist hier auf einem guten Weg. Wir sollten daran denken, dass Qualität seinen Preis hat, und wir sollten die Landesregierung, die alles dafür tut, damit die Verbraucher wieder vernünftige Produkte auf den Tisch bekommen, bei ihren Maßnahmen unterstützen - zum Wohle und zum Nutzen der Verbraucher und der ehrlichen und anständigen Betriebe. - Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Ortgies. - Von der SPD-Fraktion hat jetzt Frau Schulze das Wort. Bitte schön.

Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin! Stinkend, schleimig, ranzig, säuerlich, mit nicht unerheblichen Geruchsabweichen - mit solchen Worten haben die Medien in den letzten Wochen versucht zu beschreiben, was in den Kühlhäusern in NRW gefunden wurde. Es ist nicht das erste Mal, dass in Deutschland so etwas ans Tageslicht gezerrt wird. Wir erinnern uns alle noch an den BSE-Skandal und an umetikettiertes Hackfleisch bei der Handelskette „Real“ im März dieses Jahres.

Es ist das zweite Mal in diesem Jahr, dass die Branche mit derartigen Praktiken öffentlich wird. Erst im Mai fiel die Fleischindustrie mit illegaler Beschäftigung auf. Wir haben es hier also offensichtlich nicht mit Einzeltätern zu tun, auch wenn uns das manche hier gerne Glauben machen wollen.

Fleisch ist so billig wie noch nie, und trotzdem wird gleichzeitig verdorbenes Fleisch auf den Markt gebracht. Da bleibt Fleisch so lange im Kühlhaus, bis der Preis im Rahmen des sogenannten Schweinezyklus wieder wenigstens ein bisschen stimmt. Da wird einfach die Haltbarkeit durch das Umetikettieren verlängert. Das lohnt sich so sehr, dass es in Deutschland Händler gibt, die sich auf den Ankauf von Fleisch spezialisiert haben, das nur noch sehr kurz haltbar ist.

Zu diesem Gewerbe gehörte auch die Firma Domenz, deren Geschäftsgebaren die Diskussion ins Rollen brachte. Als Verbraucherin frage ich mich schon, was in dieser Branche eigentlich alles noch normal ist. Händler, die Fleisch, das kurz vor dem Ablauf der Haltbarkeit ist, an solche Firmen verkaufen; Händler, die dieses Fleisch kaufen und

dann weiterverarbeiten zu Lebensmitteln; Beschäftigte, die neue Etiketten aufbringen, damit die Haltbarkeit verlängert wird - das sind sehr viele Menschen hier in Nordrhein-Westfalen, die dieses System möglich gemacht haben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Und wie reagiert die neue NRW-Landesregierung? Während in Berlin Verbraucherminister Seehofer schon nach wenigen Tagen im Amt mehr Transparenz im System verlangt und im Interesse der Verbraucher Firmen öffentlich nennen will, dauert es hier in NRW Wochen, bis der zuständige Minister die Verbraucher informiert.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Jetzt kommt der Ministerpräsident mit einem wirklich völlig belanglosen Sieben-Punkte-Programm um die Ecke und verlangt plötzlich nach mehr Kontrolle. Aber wir wissen doch inzwischen, wie das in Nordrhein-Westfalen funktioniert. Jetzt wird hier groß etwas gefordert, weil es einen Skandal gibt, der in den Medien ist, und man muss sich dann irgendwie positionieren. Kaum ist der Skandal aus den Medien heraus, wird wieder - das verspreche ich Ihnen - das alte Lied angestimmt, bei dem es dann sofort wieder heißt: Man darf die Landwirte und die Fleischindustrie nicht belasten; das ist viel zu viel Bürokratie; wir müssen das EURecht hier 1:1 umsetzen - und dann wird die ganze Diskussion wieder fröhlich einschlafen.

Wir fordern Sie auf, nicht nur tätig zu werden, wenn es Skandale gibt, sondern kontinuierlich den Überwachungsdruck auf diese Branche zu erhöhen und weiter aufzubauen. Die vielen Skandale zeigen doch, dass das notwendig ist.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Verbraucherinnen und Verbraucher brauchen Transparenz beim Fleischkauf. Wir brauchen wie auch bei den Eiern mehr Transparenz. Auf dem Etikett muss stehen, welcher Rasse das Tier angehörte, aus welchem Zuchtland es gekommen ist, wie und wo das Tier gehalten und wo es geschlachtet wurde, wann das Fleisch tiefgefroren und wieder aufgetaut wurde und wie lange es noch haltbar ist. Und Verbraucherinnen und Verbraucher wollen auch bei dem Fleisch auf der Tiefkühlpizza wissen, ob es sich um mit Wasser aufgespritzte Fleischreste oder um echten Schinken handelt.

Verbraucher und Verbraucherinnen brauchen ein Verbraucherinformationsgesetz. Das hat die SPD schon seit 2002 gefordert. Machen wir uns doch nichts vor: Es ist an der CDU und FDP zweimal gescheitert, dass es dieses Gesetz gibt.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir hätten schon 2002 dafür sorgen können, dass Herstellerfirmen die betroffenen Chargen nennen müssen. Wir hätten schon ab 2002 für mehr Transparenz sorgen können. Sie, CDU, Sie, FDP, haben das auf der Bundesebene verhindert.

Minister Seehofer will dieses Gesetz jetzt wieder einbringen. Lieber spät als nie! Wir fordern die Landesregierung auf, das jetzt wenigstens zu unterstützen.

Wir brauchen also mehr Transparenz in dieser Branche, und wir brauchen Konzepte, wie dieser Markt für die Verbraucherinnen und Verbraucher transparenter wird. Das Verbraucherinformationsgesetz ist der richtige Weg.

Herr Ortgies, mir vergeht zwar nicht die Fleischeslust, aber mir vergeht schon die Lust auf Fleisch,

(Allgemeine Heiterkeit)

wenn ich sehe, was jetzt alles passiert.

(Beifall von SPD und GRÜNEN - Zuruf von der SPD: Das ist ein wichtiger Unterschied!)

Ich finde es zynisch, dass Sie jetzt behaupten, wer günstiges Fleisch kaufe, der müsse auch mit Ekelfleisch rechen. Meine Damen und Herren, es kann doch nicht sein, dass wir jetzt Marktpreise als eine Entschuldigung für Schweinereien gelten lassen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Egal, welches Fleisch man kauft: Man muss sich hier in Nordrhein-Westfalen darauf verlassen können, dass die Qualität stimmt.

Da geht es nicht, dass unser Minister hier, Herr Uhlenberg, immer wieder sagt, er werde erst dann Transparenz schaffen, wenn die Staatsanwaltschaft ermittelt habe. Herr Minister Uhlenberg, da lavieren Sie herum und stellen sich schützend vor die Firmen, die gegen die Interessen der Verbraucher agieren, und Sie stellen sich gegen die Interessen der seriös arbeitenden Fleischindustrie.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

§ 40 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzes lässt heute schon zu, dass bei hinreichendem Verdacht die Bevölkerung von den Behörden informiert wird. Im Gesetz steht nichts davon, dass man dafür erst das Okay der Staatsanwaltschaft braucht. Sie als Verbraucherschutzminister, Herr Uhlenberg, müssen im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher aktiv werden.

Jetzt haben wir es „nur“ mit Ekelfleisch zu tun. Aber was passiert eigentlich, wenn die Lebensmittel so weit verdorben sind, dass eine Gefahr für die Verbraucherinnen und Verbraucher besteht? Wollen wir dann auch wieder auf die Staatsanwaltschaft warten? - Bis dahin ist das ganze Zeug doch gegessen. Herr Uhlenberg, Sie müssen als Verbraucherschutzminister Cheflobbyist der Verbraucherinnen und Verbraucher in NordrheinWestfalen sein und hier endlich für mehr Transparenz sorgen. - Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Schulze. - Als Nächster spricht Herr Ellerbrock für die Fraktion der FDP.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich Folgendes festhalten:

Erstens. Wer mit Fleischmüll handelt, ist kriminell; darüber besteht Einvernehmen.

Zweitens. Wieso konnte so etwas überhaupt geschehen? - Die Lebensmittelskandale in den letzten zehn Jahren haben zu beeindruckenden Medienauftritten insbesondere von Frau Höhn geführt. Tatsache ist: Geschehen ist hier in Nordrhein-Westfalen zumindest kaum etwas.

(Beifall von FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, ich halte fest: Die Kontrolldichte in Nordrhein-Westfalen ist unterdurchschnittlich. Die Verbraucherzentrale NordrheinWestfalen stellte der rot-grünen Landesregierung bereits 2003 das Gütesiegel „mangelhaft“ aus.

Drittens. Zuständig für die Überwachung in der Lebensmittelproduktion war seit 1995 Frau Ministerin a. D. Höhn von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Deswegen ist es geistige Brandstifterei, was hier von den Grünen und teilweise auch von den Roten betrieben wird. All das, was heute gefordert wird, hätte seit 1995 in eigener Verantwortung durchgeführt werden können.

(Beifall von FDP und CDU)

Heute das zu fordern, was man selbst über zehn Jahre lang versäumt hat, ist geistige Brandstifterei.

Meine Damen und Herren, wir wollen - viertens - mehr Handeln statt Presseauftritte. Was ist unser Ziel? Was fordern wir?

a) Nach wie vor gilt es, die Eigenkontrolle der Wirtschaft zu stärken. Gerade die Landwirtschaft

hat in den letzten zehn Jahren nachgewiesen, dass dies ein erfolgreicher Weg ist und dass wir hier gute Fortschritte erzielt haben.

Es gilt b) die Kontrolldichte zu erhöhen. Das können wir nicht allein mit staatlichem Personal machen. Hier gilt es, den Einsatz privater Lebensmittelkontrolleure zu forcieren.

c) Der Staat hat die Aufgabe der Kontrolle der Kontrolleure. Hier gilt es, eine effiziente staatliche Kontrolle weiter auszubauen.

Es stellt sich d) die Frage, wer das bezahlt. Bezahlen müssen die Begünstigen. Das fängt bei der Landwirtschaft an, die das im eigenen Bereich bereits nachgewiesenermaßen wohl sehr gut macht, und geht über die Nahrungsmittelindustrie bis hin zum Handel. Hierüber sind Gespräche zu führen.

Fünftens. Wir müssen überlegen, wie der Strafdruck effizient erhöht werden kann. Wie sieht das mit der Zulassung für die Produktion den Handel mit Lebensmitteln aus? Wie sieht es mit dem Strafmaß aus? - Aber, meine Damen und Herren, die populistische „Kopf ab!“-Mentalität, zu sagen, wir müssten die Strafen erst einmal grundsätzlich erhöhen, führt nicht weiter. Bedenken Sie bitte: Nach dem Lebensmittelrecht stehen nicht nur Geldstrafen in erheblicher finanzielle Höhe, sondern auch Gefängnisstrafen von über fünf Jahren im Raum.